Freigang der Stadtkatzen: Sperrt die Kittys ein
Auch in Berlin soll eine Kastrationsverordnung für Katzen gelten. Ein nicht ausreichender Schritt. Besser wäre es, den Freigang zu untersagen.
In Berlin dauert ja alles ein bisschen länger. Nun will aber auch die Hauptstadt endlich eine Katzenschutzverordnung erlassen, wie sie etwa 700 Städte in Deutschland längst haben. „Katzenschutzverordnung“ klingt erheblich schnurriger als Kastrationsverordnung, obwohl dasselbe gemeint ist: Katzen, die älter als fünf Monate sind, sollen kastriert und mit einem Chip gekennzeichnet werden, sonst dürfen sie nicht nach draußen. Tierschützer fordern das schon lange.
Um die zehntausend Katzen streunen nach Schätzungen allein in der Hauptstadt durch Hinterhöfe und Stadtparks, um die zwei bis drei Millionen sollen es bundesweit sein. Hinzu kommt die temporäre Verstärkung aus Wohnungen und Einfamilienhäusern. Die Stadt ist ein einziger Kitkatclub, aber ohne Verhütungsmittel. Die Folgen: schlechter Ernährungszustand, Krankheiten, Stress mit Artgenossen und Autos. Gleichzeitig landen ungewollte Kittys im Tierheim. So gesehen sind Verordnungen, wie die in Berlin geplante, sehr zu begrüßen.
Einzig: Sie gehen längst nicht weit genug. Wer unter Tierschutz mehr versteht als den Schutz von Kuscheltieren, kann über solch gefühlige Maunz-Verordnungen statt sachgerechter Gesetze nur den Kopf schütteln. Denn Katzen wollen draußen nicht nur vögeln, sondern auch Vögel. Zudem Kleinsäuger, Reptilien und Amphibien. Die fangen sie sich, egal ob sie kastriert sind oder nicht. Natürlich gibt es viele Argumente, die die Katzen in Schutz nehmen. Was die Debatte vereinfacht: Sie sind alle Quatsch.
„Fressen und gefressen werden, so ist eben die Natur.“ – Richtig, aber Hauskatzen sind ein Produkt des Menschen wie Synthetikwolle oder Kunstleder. Sie erreichen absurd hohe Populationsdichten, weil sie in ihrer Homebase gefüttert und tiermedizinisch betreut werden.
„Aber früher gab es hier auch Wildkatzen!“ – Allerdings hatten die kein Whiskas und keinen Tierarzt. Die durchschnittliche Populationsdichte liegt bei etwa 0,5 Wildkatzen pro Quadratkilometer, und das auch nur in besonders günstigen Lebensräumen. Das würde bedeuten, dass im gesamten Land Berlin 445 Katzen leben dürften. Darauf könnte man sich vielleicht einigen. Zudem sind Hauskatzen eine Hauptgefährdungsursache für die Wildkatze, da beide Arten untereinander fruchtbar sind und der Genpool der Wildkatzen so nach und nach weggepaart wird.
„Meine Katze hat noch nie einen Vogel getötet! Die tut so was nicht!“– Sicherlich, und Donald Trump hat die Wahl mit großem Abstand gewonnen. Doch es ist nun einmal so: Jeder killt für sich allein. Katzen erst recht. Sie bringen, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil der Beute mit nach Hause. Den Rest fressen sie oder lassen ihn irgendwo liegen, wenn das Spielzeug kaputt ist. In Studien haben Katzen mit „Kitty-Cams“ selbst gefilmt, was sie draußen so anstellen.
„Meine Katze hat ein Glöckchen um!“ – Schön. Dann hören die Jungvögel, Eidechsen und Ringelnattern noch die Totenglocken läuten, bevor sie erlegt werden. Katzen sind hocheffiziente Räuber. Am Ende werden sie Erfolg haben.
„Jetzt ausgerechnet auf Katzen zu zeigen! Industrielle Landwirtschaft, Naturzerstörung, Umweltgifte – anderes ist viel schlimmer!“ – Stimmt. Gäbe es das andere nicht, wären Katzen kein Problem, weil die paar Milliarden Todesopfer dann nicht ins Gewicht fielen. Aber: Es gibt nun mal industrielle Landwirtschaft, Naturzerstörung und Umweltgifte. Bei ohnehin dramatisch geschrumpften Wildtierbeständen fallen die zusätzlichen Opfer doppelt ins Gewicht.
Hinzu kommt, dass Freigängerkatzen unter schlechterer Gesundheit leiden und Toxoplasmose auf Menschen übertragen. Eine echte Katzenschutzverordnung wäre also eine, die den Freigang von Katzen generell untersagt. Freilaufende Hunde werden ja auch nicht geduldet. Denn ist die Katze im Haus, freut sich der Spatz. Um die verbleibenden streunenden Bestände müssen sich am Ende dann eben Tierfänger kümmern. Oder Jäger.
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