Feine Sahne Fischfilet in Thüringen: Nimm das, Sonneberg!
Was tun gegen Rechtsruck? Punkrock! Die Band Feine Sahne Fischfilet spielt ein Konzert in der AfD-Hochburg.
Und die Kiddies im Block, woh-oh-oh, spielen „City of God“, woh-oh-oh. Hier ändert sich nichts, Hoffnung zerbricht, hier ruft niemand die Cops.
Keiner hier braucht eine Aufwärmphase, schon beim ersten Lied macht Monchi, ein Zwei-Meter-Schrank in kurzen Sporthosen und schwarzem T-Shirt, Stagediving von der Bühne. Die dicht gedrängte Menge trägt ihn auf Händen.
Feine Sahne Fischfilet kommen aus Mecklenburg-Vorpommern. Sie haben einen rasanten Aufstieg hingelegt, von einer antifaschistischen Schülerband aus Rostocks autonomer Szene auf die großen Festivals, sie gehen mit den Toten Hosen auf Tour, machen aber auch weiter das, was sie schon jahrelang machen.
Schock in Sonneberg
Sie treten in kleinen Orten auf, in Jugendclubs und Garagen, engagieren sich auf dem Land für den Kampf gegen rechts. Wo andere an der Street-Credibility arbeiten, betonen sie ihre Dorf-Credibility.
Jetzt also Sonneberg, eine Stadt mit 23.000 Einwohnern im Süden Thüringens, direkt an der Grenze zu Bayern gelegen und seit Ende Juni in ganz Deutschland als Zentrum jenes Landkreises bekannt, in dem mit Robert Sesselmann das erste Mal ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt wurde. Ausgerechnet im Landesverband von Björn Höcke, der vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. In der Stichwahl bekam Sesselmann 52,8 Prozent, Höcke ließ sich danach mit seinem Landrat feiern.
Obwohl sich die Entwicklung abzeichnete, war das Ergebnis für viele in Sonneberg ein Schock. Ideen kursierten, wie man Protest ausdrücken könnte, zeigen, dass man nicht einverstanden ist, dass Stadt und Landkreis auch andere Seiten haben, buntere. Feine Sahne Fischfilet bekamen über 100 Anfragen aus Sonneberg, ob sie nicht ein Soli-Konzert spielen könnten. Leute boten ihre Keller oder Wohnzimmer als Auftrittsort an. „Und deswegen sind wir heute Abend hier“, ruft Monchi in die Menge. „Um den Menschen hier Kraft zu geben, dass sie bei dem Scheiß auch mal abschalten können. Und um zu zeigen, es leben auch viele coole Menschen hier.“
Im Suff wetten wir, wer auf mehr Todeslisten steht. Schau auf meine Fingernägel, dann weißt du, wie’s mir geht. Wenn wir jetzt zusammen sind, wie sehr verzerr ich dich. Alle, die halbwegs scheiße sind, erkennen jetzt mein Gesicht.
„Kein Bier für Linke“
Als Ort für das Konzert wurde eine Kellerbar ausgewählt. Deren Backstein-Gewölbe sind so niedrig, dass jedes Mal, wenn die Menge beim Stagediving jemanden auf ihren Händen durchreicht, diejenigen aufpassen müssen, nicht mit dem Kopf anzustoßen. Der Schweiß trieft, von dem Gewölbe tropft kondensierte Feuchtigkeit.
Eine Stunde bevor die Band beginnt, steht Marcel in einer Ecke der Bar und erzählt, wie stolz er ist, dass sein Laden für das Konzert ausgewählt wurde. Seinen Nachnamen möchte er nicht in der Öffentlichkeit sehen. „Die ortsbekannten Neonazis wissen schon, wo ich wohne, aber man muss ja kein zusätzliches Risiko eingehen.“ Gab es bei den Veranstaltungsorten denn große Konkurrenz? Er lächelt. „Eigentlich nicht. Die Orte, die von der Location noch in Frage gekommen wären, haben politisch andere Musik.“
Ein Stück weiter die Straße rauf ist eine Kneipe, neben deren Eingang ein Schild mit schwarzweiß-roter Reichsfahne und der Aufschrift „Deutsches Vaterland“ hängt. Am Zigarettenautomat davor klebt ein Aufkleber: „Kein Bier für Linke“, dazu das Bild eines Bierkrugs, der einem Irokesen-Punk auf den Kopf geschlagen wird.
Marcel erzählt, er habe als Punk die 90er Jahre im Osten mit all den Neonazis als lebensgefährliche Zeit erlebt. „Jetzt bin ich 43 und ich hätte nicht gedacht, dass das so noch mal zurückkommt.“ Er und alle Mitarbeiter seiner Bar tragen an diesem Abend schwarze T-Shirts, auf denen hinten mit Weiß aufgedruckt steht: „Faschisten wählen ist kein Protest!“
Feine Sahne Fischfilet hatte auf Facebook ankündigt, in Sonneberg zu spielen, den Ort aber erst wenige Stunden vorher bekanntgegeben. Die Band wollte nicht, dass Fans aus anderen Teilen des Landes anreisen, das Konzert soll für die Locals sein. Der Eintritt ist frei. Die Kellerbar ist klein, 70, vielleicht 100 Leute drängen sich vor der Bühne, mehr geht nicht. Weil die Schlange draußen aber lang ist, kündigt Monchi an, mehrere Konzerte hintereinander zu spielen, damit das Publikum durchgewechselt werden kann. „Sonneberg, heute ist Abriss“, ruft er. „Wir spielen, bis uns alle gesehen haben.“
Unter Feinden
Nach einer Dreiviertelstunde wildem Pogo ist die erste Pause. Am Rand der Tanzfläche steht Christian. So will er genannt werden, mit richtigem Namen lieber nicht. 23 Jahre, schwarzer Lockenkopf, schwarzes „FCK AFD“-Shirt. Er sieht glücklich aus. Eigentlich wäre er an diesem Abend in Berlin, er hat Urlaub, hatte schon mit einer Freundin ein Hotel gebucht. „Aber das habe ich hierfür abgesagt.“
Er arbeitet als KFZ-Mechatroniker in einem Autohaus in Sonneberg. Seine Arbeitskollegen würden alle AfD wählen, oder zumindest so reden. „Ich gehe mit dem Fuck-AfD-Shirt auch zur Arbeit, aber das Diskutieren mit denen habe ich aufgegeben.“ Sein Gefühl: Er kann da allein nichts ausrichten. Im Herbst will er umschulen und eine Ausbildung als Erzieher anfangen. „Ich will da nur noch raus.“ Dieser Abend sei ihm sehr wichtig. „Er zeigt: Wir sind viele – und wir sind laut.“
Wir sind zurück in unsrer Stadt. Mit zwei Promille durch die Nachbarschaft. Wir sind zurück in unsrer Stadt. Und scheißen vor eure Burschenschaft.
Die Lieder von Feine Sahne Fischfilet erzählen oft von der Liebe zur Heimat, von einer dezidiert linken Heimatliebe, die sich nicht gegen Migranten und Geflüchtete abriegelt, die offen ist und doch das Verwurzeltsein in der Region feiert. In Sonneberg kommt das gut an.
Mit Rechten reden?
Die Bevölkerung im Landkreis nimmt ab, 1998 lebten fast 70.000 Menschen dort, heute sind es weniger als 57.000. Junge Menschen, die zum Studium in große Städte ziehen, kommen oft nicht zurück. Es geht an diesem Abend viel darum, dass Weggehen auch keine Lösung sei. Oder anders formuliert: Wenn alle coolen Leute wegziehen, haben AfD und Co schon gewonnen.
Monchi, der eigentlich Jan Gorkow heißt, sitzt vor dem Konzert im Nebenraum auf einem Ledersofa, auf dem Tisch neben ihm ein Plastikteller mit Asia-Nudeln. „Mich hat diese Wahl nicht überrascht“, sagt er. „Alle, die jetzt auf Sonneberg zeigen, werden sich ganz schnell umgucken, weil es immer mehr AfDler in Ämtern geben wird.“ Man müsse versuchen, alle Kräfte zu stärken, die dagegen stehen. „Aber die Frage, welche Partei soll ich denn wählen, ist schon eine harte.“
Monchi, Sänger von Feine Sahne Fischfilet
Demokratie sei ein Privileg und natürlich gehe er wählen, aber er verstehe alle, die von der Politik enttäuscht seien. „Die Antwort ist nur, nicht Faschos zu wählen. Nur weil das Bier in der Kneipe nicht schmeckt, gehe ich ja nicht auf dem Klo aus der Pissrinne saufen.“
Die Band ist viel in ganz Deutschland unterwegs. Ist dieser Frust im Osten besonders stark? „Das habe ich früher gedacht“, sagt Monchi. „Mittlerweile glaube ich, dass es vor allem ein Konflikt zwischen Stadt und Land ist.“ Viele Debatten in überregionalen Medien kommen ihm abgehoben vor.
„Mit Rechten nicht zu reden – das können sich nur Menschen leisten, die in ihren Blasen leben, in Berlin-Kreuzberg oder St. Pauli. Bei uns will bald jeder Dritte AfD wählen, natürlich muss man auch mit denen reden. Nicht mit den Hardcore-Faschos, aber den anderen.“ Das hieße aber nicht, Zugeständnisse zu machen. „Bei unserem Festival auf dem Dorf in Jarmen kommen öfter Kids mit Fascho-Klamotten an. Da sagen wir: ‚Damit kommt ihr hier nicht drauf. Hier habt ihr ein neutrales T-Shirt, zieht das an und schaut euch das alles mal an.‘“ Die Jugendlichen würden ja kommen, weil endlich mal was los sei. So hätten sie die Chance, etwas anderes kennenzulernen.
Ganz Punk
Zuhause heißt, wenn dein Herz nicht mehr so schreit. Zuhause heißt, wenn die Angst der Freundschaft weicht. Zuhause heißt, wir schützen uns, alle sind gleich. Zuhause heißt, wenn dein Herz nicht mehr so schreit.
Vier Kurz-Konzerte hintereinander spielen Feine Sahne Fischfilet an diesem Abend. Monchi hält immer wieder das Mikro in die Menge, lässt die Fans die Refrains singen. Währenddessen steht er auf der Bühne, verschränkt die Arme hinter dem Kopf und lächelt. Es geht darum, ganz Punk, gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Sich für einen Abend mal selbst zu feiern. „Und supportet die coolen Leute auch, wenn wir wieder weg sind“, ruft Monchi.
Die nächste Möglichkeit ist in Sonneberg am Sonntagnachmittag. Ein paar Linke haben zu einer Demo auf dem Bahnhofsvorplatz aufgerufen – gegen Nationalismus und für „eine lebenswerte Provinz“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden