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Faeser und Giffey in NeuköllnDie Feuerlöscherinnen

Nach der Silvesterrandale besuchen die Innenministerin und Berlins Regierende eine Feuerwache. Sie suchen auch in eigener Sache die Offensive.

Nancy Faeser und Franziska Giffey bei einem Pressestatement in der Feuerwache Neukölln Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Es sei ihr ums Zuhören gegangen, sagt Nancy Faeser. Aber natürlich geht es am Freitagmorgen in der Neuköllner Feuerwache auch um Bilder. Kurzfristig hat die Bundesinnenministerin den Termin anberaumt und die Presse eingeladen, wenige Tage nach der Silvester-Randalenacht, die auch und vor allem in Neukölln tobte. Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey steht nun ebenso in der Feuerwache, dazu Innensenatorin Iris Spranger und Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel. Alle vier sind sich einig: Es habe eine neue Dimension der Gewalt stattgefunden, die Folgen haben müsse.

Nach einem internen Gespräch mit den Neuköllner Feuerwehrleuten stehen die Po­li­ti­ke­r:in­nen vor Mikrofonen vor einem Feuerwehrwagen, der laut Feuerwehr in der Silvesternacht auch mit Böllern beschossen wurde. Es sei „tief beeindruckend“ gewesen, was die Einsatzkräfte berichtet hätten, sagt Faeser. „Widerwärtige“ Gewalt sei ihnen in der Silvesternacht entgegengeschlagen. Dass Feuerwehr und Polizei in Hinterhalte gelockt wurden, sei „wirklich eine neue Qualität“.

Auch Giffey spricht von einer „Zäsur“. Selbst gestandene Feuerwehrleute hätten berichtet, sie hätten erstmals Angst im Einsatz gehabt. Sie seien mit Böllern und Raketen attackiert worden, einigen hätten Schreckschusspistolen ins Gesicht gehalten bekommen. „Das Ende der Geduld ist mehr als überschritten“, sagt Giffey. „So ein Silvester darf es nicht noch einmal geben.“ Aber, so betont die Sozialdemokratin: Die Nacht sei nur „die Spitze des Eisbergs“. Der Werteverfall und die Respektlosigkeit gegenüber den Einsatzkräften sei auch an anderen Tagen sichtbar.

Polizei und Feuerwehr sehen neue Gewaltintensität

Tatsächlich war es längst nicht das erste Silvester, an dem es in Berlin Ausschreitungen gab. Und es gab diese zum Jahreswechsel auch in weiteren Städten. Vor allem aber aus Neukölln verbreiteten sich Handyvideos bundesweit. Und im Anschluss sprachen auch die Berliner Polizei und Feuerwehr von einer neuen Intensität der Gewalt, die nicht mit den Vorjahren zu vergleichen sei.

Laut ihren Angaben wurden in der Nacht an diversen Orten Einsatzkräfte angegriffen, mit Schwerpunkt Neukölln. 15 Feuerwehrleute seien verletzt worden und 18 Polizeikräfte. Von den 145 vorübergehend Festgenommenen seien 94 jünger als 25 Jahre gewesen und 45 Deutsche, dazu 27 Afghanen, 21 Syrer. Der Rest besitze 15 weitere Nationalitäten. Die Vorwürfe betreffen allerdings nicht nur Angriffe auf Einsatzkräfte, sondern auch Landfriedensbruch, Betäubungsmitteldelikte oder Verstöße gegen das Waffengesetz.

Für Faeser und Giffey sind die Ereignisse und die losgetretene Debatte durchaus heikel. Giffey befindet sich mitten im Wahlkampf zur Wiederholungswahl in Berlin am 12. Februar – in dem nun vor allem CDU und AfD auf das Thema Sicherheit setzen, welche die Landesregierung angeblich nicht in den Griff bekommt. Giffey war zudem von 2015 bis 2018 Bürgermeisterin in Neukölln, hatte damals also Mitverantwortung für die Lage im Bezirk, dessen Probleme zu Silvester wieder sichtbar wurden.

Faeser wiederum wird als Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl im Herbst gehandelt, Anfang Februar wird die Entscheidung verkündet. Auch sie arbeitet an ihrem Profil, setzte zuletzt auf Law-and-Order-Töne. So kündigte sie der Organisierten und „Klan“-Kriminalität den Kampf an, forderte die Vorratsdatenspeicherung, liebäugelte mit der Chatkontrolle. Und erklärte nun, nach der Silvesternacht, das Problem seien „gewaltbereite Integrationsverweigerer“, konkret „bestimmte junge Männer mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten“. Denen müsse man „mit harter Hand und klarer Sprache“ Grenzen aufzeigen.

Faeser wiederholt dies auch in der Feuerwache. Man müsse klar benennen, um wen es sich bei den Tätern handelt, sagt die Innenministerin. Viele seien Jugendliche mit Migrationshintergrund gewesen. „Das zu verschweigen, ist nicht richtig.“ Gleichzeitig dürfe die Debatte politisch nicht missbraucht werden, warnt Faeser. Denn auch die Leidtragenden der Gewalt in Neukölln seien ja zumeist Migranten. Zuletzt hatten Kri­ti­ke­r:in­nen indes auch Faeser vorgeworfen, mit ihrer Wortwahl Ressentiments zu schüren.

„Größtenteils in Berlin aufgewachsene Jugendliche“

Giffey äußert sich zurückhaltender. Die Migrationsfrage helfe nicht weiter, betonte sie in den Vortagen. Denn bei den Tätern handele es sich „offenbar größtenteils um in Berlin geborene und aufgewachsene Jugendliche“. Auch in der Feuerwehrwache betont Giffey, es gehe um Brennpunkte, in denen seit Jahren Probleme bestünden und wo man nun „deutlich konsequenter“ agieren müsse. Faeser weist auf taz-Nachfrage zurück, dass sich ihre Analyse von der Giffeys unterscheide. Es gehöre beides dazu, entgegnet sie: Es gehe sowohl um soziale Brennpunkte als auch um migrantische Jugendliche.

Einigkeit besteht jedenfalls in den Forderungen. Giffey wie Faeser plädieren für schnellere und deutliche Strafen für die Täter – eine Erhöhung des Strafrahmens brauche es nicht, dieser müsse nur ausgeschöpft werden. Dazu müssten auch Präventionsangebote verstärkt werden. Giffey will kommende Woche zudem einen Gipfel gegen Jugendgewalt einberufen. Man dürfe keine „Strohfeuerdiskussion“ führen, die folgenlos bleibe, sagt sie. Faeser kündigt zudem ein Verbot freiverkäuflicher Schreckschusswaffen an, was ins ohnehin geplante Paket der Waffenrechtsreform komme.

Parallel erarbeitet Faesers Ministerium derzeit ein bundesweites Lagebild über die Silvesternacht. Bis kommende Woche sollen die Länder dazu ihre Erkenntnisse vorgelegt haben. Die Frage ist, ob die Debatte dann nicht wieder eine andere Wendung nehmen müsste. Denn zumindest bei der jüngsten Statistik über die bundesweiten Angriffe auf Po­li­zis­t:in­nen im Jahr 2021 waren die Tatverdächtigen zwar auch zu 84 Prozent männlich, aber zu 69 Prozent über 25 Jahre alt – und zu 70 Prozent deutsch.

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8 Kommentare

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  • Der für das Wahldesaster verantwortliche Senator Andreas Geisel (SPD) kassiert weiterhin Staatsknete und rollt die Sahnetorte von innen auf.



    Warum ist eigentlich Frau Schlesinger die Intendantin des RBB gewesen und wo ist der Skandal hochgekocht? In Potsdam?



    Es wird sich in Berlin nichts ändern!

  • Es habe eine neue Dimension der Gewalt stattgefunden, die Folgen haben müsse.

    Müsse, könnte, sollte.....kennen wir!

  • Die politische Debatte zeigt wieder einmal: Deutschland hat ein Rassismusproblem. Und dieses Problem besteht nicht nur bei Rechten, Konservativen und Liberalen, sondern ragt auch in die (ehemalige) Sozialdemokratie hinein. Fast erstaunlich, dass Giffey da nicht ebenso vehement in die gleiche Kerbe haut.

  • Gegen die massiven und kollektiven Gewaltexesse gegenüber den Retterinnen und Helfern unserer Gesellschaft, die in beunruhigender Regelmäßigkeit auftreten, wurde bisher kein wirksames Mittel gefunden. Weder Polizei noch Justiz scheinen geeignete Lösungen liefern zu können. Nicht unerwähnt bleiben darf die Erfolglosigkeit der Bemühungen von SozialarbeiterInnen. Insgesamt lässt sich das Problem drehen und wenden wie man will. Für die einen ist es hauptsächlich ein Problem von zu wenig Streetworkern, für die anderen liegt die Ursache in unzureichenden Integrationsprozessen. Den betroffenen Opfern konnte bisher offensichtlich durch keine der jeweiligen Erklärungsmuster nachhaltig geholfen werden. In einer so aussichtslosen Lage bleibt den betroffenen Gruppen unter Umständen nur noch die Möglichkeit zu streiken. Analog zum Klimastreik ließe sich z.B. jeden Samstag ein Feuerwehrstreik oder Polizeistreik realisieren. Dienstrechtliche Konsequenzen ließen sich durch kollektive Krankmeldungen umgehen. Wenn auch ein hartes Mittel; die Wirksamkeit wäre sofort spürbar, der Appell an die verantwortlichen Politiker und die Notwendigkeit von wirksamen Maßnahmen ließen sich nicht mehr bis zum nächsten Gewaltexess vertagen.

  • Nicht nachvollziehbar ist, dass Schreckschusspistolen mit den zugehörigen Aufsätzen und raketenartigen Geschosse, die eine viel stärkere Durchschlagskraft als jede Silvesterrakete aus dem Supermarkt haben, verharmlosend als "Vogelschreck" oder "Schreckschuss Silvester Set" beworben, in Deutschland nach wie vor an jede Person ab 18 Jahren das ganze Jahr über im Online-Handel frei verkäuflich sind.

    Ich habe das Produkt kennengelernt, als mir so ein feuersprühendes heulendes Objekt mit aufgedrucktem Zulassungcode der Bundesanstalt für Materialprüfung BAM durch die geschlossenen Fensterscheiben ins Wohnzimmer geschossen wurde. Glücklicherweise war ich zu Hause und konnte einen Wohnungsbrand verhindern.

    Die BAM antwortete auf meine Beschwerde, "bei dem von Ihnen sichergestellten Geschoss handelt es sich um eine zugelassene pyrotechnische Munitionssorte mit der amtlichen Bezeichnung Raketenpfeifgeschoß im Kal. 15 mm, Die Anfangsenergie für diese Geschosssorte ist gesetzlich auf max.



    7.5 Joule beschränkt. Die Anfangsenergie des Raketenpfeifgeschosses liegt weit unterhalb dieser Grenze. ... Das Raketenpfeifgeschoss ist vom Schützen ausschließlich aus einer senkrecht gehaltenen Waffe zu verschießen. Dieses ist nach Ihrer Schilderung nicht geschehen... Ein grundsätzliches Verbot dieser Munitionssorte ist nicht angezeigt, da bei sachgemäßer Verwendung keine Personen- oder Sachschäden der BAM gegenüber angezeigt worden sind."

    Polen-Böller sind dagegen harmlos....

  • Soziales Dummgefasel

    Die Schuld ist bei niemand anderem zu suchen. als bei denen die Böller auf Rettungskräfte und Polizei geworfen haben.

    Nun sucht man tausend Ursachen, warum sich wenige Jugendliche so verhalten haben. Von schlechter Jugend, schwieriges Umfeld, fehlende Sozialarbeit, .....



    Ein paar wenige haben sich kriminell verhalten, weil sie nichts zu befürchten haben. Die Wahrscheinlichkeit von der Polizei ergriffen zu werden ist minimal, wie man an den nur 145 Ergriffenen sehen kann. Tausende Schädiger sind wieder mal davon gekommen und haben gelernt, dass ihr handeln keine Konsequenzen hat.



    Wir brauchen keine soziale Kuscheldecke, wir brauchen eine funktionierende Strafverfolgung, ganz schnelle Gerichtstermine und eine klare Ansage durch den Richter.



    Und da wo diese Brennpunkte sind, muss genug Polizei mit Bodycam alle Täter erfassen und sie zu identifizieren und zur Rechenchat zu ziehen. Und da wo sie sich vermummt der Erkennbarkeit entziehen, da muss sofort die Versammlung aufgelöst werden.



    Erst wenn jeder weiß, dass sein handeln auch mit hoher Wahrscheinlichkeit negative Konsequenzen hat, erst dann wirkt die Abschreckung.

    Und hört auf über die Herkunft zu reden, sondern unterscheidet nur zwischen kriminellen und normalen Mitbürgern.

  • Alles wird schlimmer.

    Leute -- kriegt Euch ein. Ja, da gäbe es was zu tun. Aber nicht das, was Euch vorschwebt.

    Und vor allem: hört auf, hört bloss auf, politisches Kapital aus anderer Menschen Leid zu schlagen.

  • Endlich einmal bin ich mit Frau Giffey einer Meinung. Migrant hin oder her, in dieser Umgebung, dieser... "Stadt"... muss jeder über kurz oder lang zum Asi werden.