Plan der Innenministerkonferenz: Vorratsdatenzoff ohne Ende

Die Innenminister wollen die Vorratsdatenspeicherung. Justizminister Buschmann hält dagegen. Der Streit entzweit selbst Landesregierungen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht vor Mikrofonen

Faeser will weiter die Vorratsdatenspeicherung – und bekommt nun Unterstützung aus den Ländern Foto: Lars Klemmer/dpa

BERLIN taz | Seit mehr als 15 Jahren wird über die Vorratsdatenspeicherung gestritten, nun steht ein weiterer Vorstoß bevor. Wenn ab Mittwoch die halbjährliche In­nen­mi­nis­te­r:in­nen­kon­fe­renz (IMK) tagt, wird am Ende wohl die erneute Forderung nach Wiedereinführung der Massenspeicherung stehen. Nach taz-Informationen wird dafür in einer Beschlussvorlage die „Nutzung verbleibender Spielräume“ eingefordert.

Der Vorstoß kommt von den Unions-Innenminister:innen, aber auch etliche der SPD unterstützen ihn, ebenso wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Erst im September hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland eigentlich für rechtswidrig erklärt. Die anlasslose Speicherung nur von IP-Adressen für Ermittlungen gegen schwere Kriminalität erklärte er indes für vertretbar. Eine Ausnahme, die Faeser sofort einforderte – und nun auch die Innenminister:innen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt das aber ebenso wie die Grünen weiterhin vehement ab – beide plädieren stattdessen für das Quick-Freeze-Verfahren, bei dem Daten nicht anlasslos, sondern erst nach einem Anfangsverdacht auf eine schwere Straftat und nur von konkret verdächtigten Nut­ze­r:in­nen erfasst werden.

Auf der IMK aber wollen die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen nun noch mal Druck aufbauen. „Das EuGH-Urteil lässt große Spielräume, die es auszuschöpfen gilt“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) der taz. „Insbesondere bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch ist die Einführung des Quick-Freeze-Verfahrens keine Alternative zur Speicherung von IP-Adressen und kann diese allenfalls ergänzen.“

Auch SPD-Innenminister sind fürs Speichern

Auch Joachim Herrmann (CSU), Bayerns Innenminister und IMK-Gastgeber, verweist auf Kindesmissbrauchsfälle, bei denen Ermittlungen „häufig an der unzureichenden oder fehlenden Speicherung von Verbindungsdaten scheitern“. Es brauche daher „umgehend eine gesetzliche Neuregelung, welche die vom EuGH aufgezeigten Spielräume konsequent ausnutzt“. Hier erwarte er eine „große Einigkeit im Kreise der Innenminister“.

Und tatsächlich unterstützt etwa auch Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius den Vorstoß. Verkehrsdaten seien „ein überragend wichtiger Ermittlungsansatz“, erklärte er zuletzt. Die Sicherheitsbehörden müssten in einer digitalen Welt „mit Kriminellen Schritt halten“ und die EuGH-Spielräume „schnellstmöglich nutzen“.

Justizministerkonferenz plädierte für Quick Freeze

Faeser zeigte sich zuletzt „optimistisch“, sich mit Buschmann zu einigen. Bisher ist aber weiter völlig offen, wie das aussehen soll. Der FDP-Mann jedenfalls bleibt bei seinem Veto. Und er bekam zuletzt Unterstützung von den Jus­tiz­mi­nis­te­r:in­nen der Länder. Die beschlossen mit knapper Mehrheit von 9 zu 7 ihre Unterstützung für das Quick-Freeze-Verfahren, für das Buschmann bereits einen Gesetzentwurf vorlegte. Dieses sei eine „grundrechtsschonende und verfassungskonforme Lösung“, hielten sie in einer Erklärung fest. Unter den Jus­tiz­mi­nis­te­r:in­nen sind auch vier Grüne, zwei Linke und ein FDP-Mann. Buschmann pries das Votum als „wichtiges Signal“.

Der Streit zieht sich inzwischen auch quer durch Landesregierungen. So forderten am Montag Hessens Innenminister Peter Beuth und Justizminister Roman Poseck, beide CDU, vehement die Speicherung von IP-Adressen ein. Es sei eine „Schande“, dass Ermittlern dieses „wichtigste Ermittlungswerkzeug“ verwehrt sei, so Beuth. Jedes weitere Zögern „verlängert das Leid Unschuldiger“, die Bundesinnenministerin müsse hier „endlich“ handeln. Die mitregierenden Grünen reagierten pikiert. Das sei nicht die Meinung der Koalition und ein „befremdliches“ Vorgehen der CDU, konterte Fraktionschef Mathias Wagner prompt.

Auch die Grünen im Bund halten dagegen. Natürlich könne man als In­nen­mi­nis­te­r:in­nen „seit 16 Jahren gleichlautende Beschlüsse fassen, ohne genau darzulegen, wie es verfassungsrechtlich denn konkret gehen soll“, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der taz. Der Arbeit und Rechtssicherheit der Er­mitt­le­r:in­nen diene das aber nicht. „Wir brauchen endlich zielgerichtete und damit auch verfassungskonforme Ermittlungsinstrumente“, forderte von Notz. Darauf hätten die Jus­tiz­mi­nis­te­r:in­nen „völlig zu Recht“ hingewiesen.

Das Quick-Freeze-Verfahren reicht aber auch So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen nicht. Für Faeser kann dieses höchstens eine Ergänzung sein. Und auch Pistorius erklärte, Quick Freeze sei nicht ausreichend. „Denn oftmals sind die Daten dann schon gelöscht“. Die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung geht also in eine neue Runde.

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