Existenzkrise der Linkspartei: Wissler und Schirdewan treten ab

Die Parteivorsitzenden wollen nicht mehr weitermachen. Zwei Monate vor ihrem Bundesparteitag muss die Linke nach einer neuen Führungsspitze suchen.

Gemeinsamer Abschied: Martin Schirdewan und Janine Wissler hören im Oktober als Parteivorsitzende der kriselnden Linkspartei auf Foto: Britta Pedersen/dpa

BERLIN taz | Die Linkspartei steht vor einem personellen Neuanfang. Am Sonntag haben ihre beiden bisherigen Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan mitgeteilt, auf dem kommenden Bundesparteitag Mitte Oktober in Halle nicht wieder anzutreten.

Er denke, „dass unsere Partei in der jetzigen Situation neue Perspektiven und Leidenschaft braucht, um die notwendige Erneuerung voranzutreiben“ begründete Schirdewan seinen Abschied. Die vergangenen dreieinhalb Jahre an der Parteispitze seien „enorm kräftezehrend“ gewesen, schrieb Wissler in ihrer Erklärung. Jetzt sei „es Zeit, mal einen Schritt zurückzugehen und den Kopf mal durchzulüften“.

Wissler steht seit Februar 2021 der Linkspartei vor, Schirdewan amtiert seit Juni 2022. In ihre gemeinsame Vorsitzendenzeit fällt die Abspaltung des Wagenknecht-Lagers, der Verlust des Fraktionsstatus im Bundestag und der verheerende Absturz bei der Europawahl, bei der die Linkspartei nur noch auf 2,7 Prozent der Stimmen kam. Derzeit liegt sie in den Umfragen bei 3 Prozent.

Mit dem Wissen von heute hätte sie „manche Entscheidung anders getroffen“, zeigte sich Wissler selbstkritisch. Als sie den Vorsitz übernahm, hätte sie ihre Aufgabe darin gesehen, „die Partei in ihrer gesamten Breite zusammenzuhalten“. Allerdings hätte sie bald feststellen müssen, „dass viele Brücken, die ich bauen wollte, bereits mehrfach eingerissen waren“.

Sie hätte sich „gewünscht, dass sie „die Partei nicht durch eine Abspaltung hätte führen müssen“, so Wissler. Aber der Abgang von Sahra Wagenknecht und ihrem Anhang hätte sich nur um den Preis verhindern lassen, „dass wir keine linke Partei mehr wären“.

Verloren gegangenes Vertrauen

Das Ergebnis der Europawahl und die Umfragen in Ostdeutschland zeigten, „wie schwer es ist, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und dass wir einen langen Weg vor uns haben“. Sie sei jedoch davon überzeugt, dass es eine Partei links von SPD und Grünen brauche, die die Eigentumsverhältnisse grundlegend infrage stellt und „den Kampf um soziale Rechte verbindet mit dem Kampf gegen jede Form von Unterdrückung“, gab sich die 43-jährige hessische Bundestagsabgeordnete gleichwohl unverdrossen.

Auch nach der Abspaltung von Wagenknecht & Co. seien notwendige inhaltliche Weiterentwicklungen zu langsam angegangen worden, räumte Schirdewan ein. Es brauche „ein Ende der teilweise destruktiven Machtpolitik in unseren eigenen Reihen“, forderte der 49-jährige Berliner Europaabgeordnete.

Mit Blick auf die künftige Parteispitze appelierte er: „Gebt denen, die nun bald das Steuer übernehmen, die Chance und das Vertrauen, die Partei auch führen zu können.“ Den Vorsitz der Linksfraktion im EU-Parlament will er behalten. Wer auf dem Parteitag im Oktober Wissler und Schirdewan nachfolgen wird, gilt derzeit noch als völlig offen. Das Personalkarussell dreht sich kräftig.

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