Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles: Trump forciert den Notstand
Nicht der Protest gegen Trumps Abschiebepolitik ist die Eskalation, sondern der Einsatz der Gardisten, der einen Notstand schafft, den es nicht gab.

A utokraten brauchen den Ausnahmezustand. Wenn die Ordnung zerfällt und Chaos ausbricht, dann schlägt bekanntlich die Stunde der Exekutive, dann gilt es, wer die Männer und Frauen mit den größten Waffen kommandiert. Und wieso nur auf den Ausnahmezustand hoffen und warten? Wieso ihn nicht gleich selbst herbeiführen? Das ist es offenbar, was Donald Trump vorhat, wenn er 2.000 Nationalgardisten nach Los Angeles beordert – gegen den Willen der demokratischen Regierung Kaliforniens. In L. A. demonstrieren Menschen seit Freitag, nachdem die Abschiebebehörde ICE eine groß angelegte Suchaktion nach nicht registrierten Migranten gestartet hatte.
Trump rechtfertigt die Entsendung der Nationalgarde mit den gewaltsamen Ausschreitungen und Plünderungen, die es mancherorts gab. Dabei ist klar, dass diese Gewaltakte nicht an eine „Rebellion“ oder die „Gefahr einer Rebellion“ heranreichen, die es dem Präsidenten nach geltendem Recht erlauben würden, die Nationalgarde zu schicken. Nicht der Protest gegen Trumps brutale Abschiebeoffensive ist die Eskalation, sondern die Entsendung der Gardisten selbst, die einen Notstand schafft, wo es bislang keinen gab. Aber Trump sieht sich ohnehin nicht an das Recht gebunden. Wenn die Gesetze seinen politischen Vorhaben und autoritären Versuchungen im Weg stehen, dann muss eben das Recht gebogen oder übergangen werden.
Trump und seine Handlanger zeichnen derweil die nächste Drohkulisse. Verteidigungsminister Pete Hegseth bringt eine Entsendung von Marinesoldaten ins Spiel, und Trump denkt offen über die Anwendung des Insurrection Act nach. Das „Aufstandsgesetz“ aus dem Jahr 1807 wurde zum letzten Mal 1992 angewandt, ebenfalls in Los Angeles. Auch damals war es zu Protesten gekommen, nachdem vier Polizisten freigesprochen wurden, die den Schwarzen Rodney King misshandelt hatten. Allerdings wurde die Nationalgarde 1992 auf Wunsch des Gouverneurs entsandt – und die Ausschreitungen heute sind mit dem Ausmaß der Gewalt damals kaum vergleichbar.
Der Showdown in Kalifornien zeigt auch erneut die Schwäche der Demokraten. Wieder einmal hat Trump die Initiative, wieder einmal reagieren sie. Der demokratische Gouverneur Gavin Newsom kündigte an, Trump zu verklagen. Aber an der Lage in Los Angeles wird das kaum etwas ändern, denn bis zu einem Richterspruch kann es Monate dauern. Immer noch sind die Gerichte die erste und letzte Verteidigungslinie der Demokraten. Im Kongress und auf der Straße bleiben sie schwach. Es wird Zeit, dass sich das ändert, bevor der Präsident die nächste Krise provoziert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Konflikt zwischen Israel und Iran
Israel will neun Atomwissenschaftler getötet haben
Israels Angriff auf Iran
Bomben für den Machterhalt
Israelischer Militärschlag gegen Iran
Die Angst vor der Bombe
Eskalation in Nahost
Iran feuert nach israelischem Großangriff Raketen auf Israel
Neue Tierversuche
Nur wenig Glyphosat – trotzdem Krebs
US-Deutsche Beziehungen unter Trump
Der Kollaps des Westens