EU-Asylkompromiss von Italien blockiert: Die Grünen sind umsonst umgefallen

Berlin hat der „Krisenverordnung“ der EU zugestimmt. Sie soll die Rechte von Flüchtlingen einschränken. Nun aber blockiert Italien.

Geflüchtete stehen an der Reling eines Rettungsschiffs, ein zweites kleineres Boot ist ebenfalls auf dem Meer zu sehen

Gerettete Geflüchtete auf dem Weg nach Lampedusa Foto: Juan Medina/reuters

„Berlin macht Weg frei für EU-Asylreform“ – so oder ähnlich haben am Freitag deutsche Zeitungen getitelt. Gemeint ist die so genannte „Krisenverordnung“ der EU. Über diese hatten die EU-Innenminister am Donnerstag in Brüssel beraten. Sie sieht vor, dass in bestimmten Fällen die Rechte von Asylsuchenden leichter eingeschränkt werden können – bei „Massenankünften“, höherer Gewalt wie Krieg oder Naturkatastrophen oder dann, wenn Flüchtlinge instrumentalisiert werden, um der EU zu schaden.

Deutschland hatte sich lange gegen die Pläne gesperrt – vor allem wegen menschenrechtlicher Bedenken der Grünen. Dann aber gaben Bundeskanzler Olaf Schulz und Innenministerin Nancy Faeser ihr Plazet. Faeser sprach von einem „hervorragenden Kompromiss“. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Hasselmann freute sich darüber, dass die „klare deutsche Haltung“ endlich „Bewegung in die Gespräche“ gebracht habe. Es war eine der vielen Kehrtwenden der Grünen in Sachen Asyl in letzter Zeit. Noch am Mittwoch hatte es geheißen, die Verordnung sei „nicht zustimmungsfähig“.

Italiens Innenminister reiste demonstrativ ab

Das deutsche Einlenken nutzte der spanischen Ratspräsidentschaft aber nichts. Denn am Donnerstagabend sagte der italienische Innenminister Matteo Piantedosi Nein und reiste demonstrativ aus Brüssel ab. Wie der Zufall es wollte, war zur selben Zeit sein Kabinettskollege Antonio Tajani bei Außenministerin Annalena Baerbock in Berlin zu Gast. Auf einer Pressekonferenz mit Baerbock versuchte er die Wogen zu glätten. Italien blockiere die neue Verordnung keineswegs – Piantedosi habe sich nur „etwas Zeit für eine vertiefte Prüfung aus rechtlicher Sicht“ genommen. Eine erstaunliche Begründung, zumal es allen in Sachen Asylreform gar nicht schnell genug gehen kann.

Kolportiert wurde, dass dem Verordnungstext kurzfristig ein Satz hinzugefügt worden war, an dem sich die italienischen Bedenken festgemacht hätten: „Humanitäre Hilfsaktionen nach europäischen Standards“ sollten nicht als „Instrumentalisierung“ gelten und entsprechend den Krisenfall nicht auslösen können. Der Satz zielt unter anderem auf Hilfseinsätze privater Seenotrettungs-NGOs auf dem Mittelmeer. Diese werden von Italien seit Langem heftig kritisiert. Allerdings: Der Satz, den Piantedosi angeblich erstmal in Ruhe studieren wollte, war schon im Text vom 13. Juli enthalten.

Die deutschen Zahlungen waren bekannt

Dass Italien sich nun querstellt, dürfte damit zu tun haben, dass Italiens Ministerpräsidentin Meloni angesichts der hohen Flüchtlingszahlen Härte demonstrieren will. In den letzten Tagen war deshalb die Kritik aus Rom an geplanten staatlichen Hilfszahlungen aus Berlin für deutsche Seenotrettungs-NGOs größer geworden.

Dabei waren die Zahlungen bekannt. Ende 2022 hatte der Bundestag beschlossen, dem der deutschen Evangelischen Kirche nahestehenden Verein United4Rescue ab 2023 pauschal vier Jahre lang je 2 Millionen Euro für Rettungseinsätze im Mittelmeer zur Verfügung zu stellen. Im Juli entschied das Auswärtige Amt allerdings, dass die Gelder einzeln von Rettungs-NGOs beantragt werden müssen. Die Zahlungen für die Jahre 2024 bis 2026 wurden in Frage gestellt. Außerdem sollten demnächst mehrere Hunderttausend Euro an den Verein SOS Humanity gehen. Er ist 2021 aus dem Verein SOS Méditerranée hervorgegangen, der am Donnerstag den Alternativen Nobelpreis erhalten hat.

Kritik kommt auch aus der Ampel

Auch Po­li­ti­ke­r:in­nen der Ampelparteien sehen die Krisenverordnung derweil kritisch. Der Verordnungsentwuf setze „vor allem auf verlängerte Regis­trierungsfristen, mehr Grenzverfahren und längere Unterbringung in geschlossenen grenznahen Einrichtungen“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir. Er sei „skeptisch“, dass das die richtige Antwort auf die Ankunft vieler Schutzsuchender sei. Gut sei, dass – anders als zuvor geplant – die Verordnung nur nach Prüfung durch eine Kommission und auf Beschluss des Rates aktiviert werden könne.

Der Grüne MdB Julian Pahlke, selbst Ex-Seenotretter, sagte, die Verordnung werde „nur mehr Chaos schaffen“. Wenn die Mitgliedsstaaten in solchen Fällen Ankommende vier Wochen lang nicht zu registrieren brauchen, könnten diese einfach in andere EU-Staaten „weitergeleitet werden“. In einer Situation, in der viele Menschen Schutz suchen, eine Inhaftierung für alle vorzusehen, sei „das Gegenteil von Krisenresillienz“, meint Pahlke.

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