piwik no script img

Die steile TheseStreitet mehr über Coronaregeln!

Antje Lang-Lendorff
Kommentar von Antje Lang-Lendorff

Wer die aktuellen Maßnahmen kritisiert, gilt schnell als Coronaleugner. Nicht Gegenvorschläge verunsichern, sondern die Einseitigkeit der Debatte.

Da hat sich jemand den Virus schöngebastelt – gesehen bei einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen in Hannover Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

E rst eine Woche „Teillockdown“ oder „Lockdown light“, wie manche sagen, aber die Folgen sind schon jetzt gewaltig, auch im eigenen Freundeskreis. Der Geschäftsführer eines Cafés ist in Kurzarbeit. Zukunft? Eher ungewiss. Eine Freundin betreut Touristen, ihr Job steht auf der Kippe. Sie ist krankgeschrieben, nicht wegen Corona, sondern weil der Ausnahmezustand sie psychisch so belastet. Ein Freund arbeitet in der Kinobranche und weiß nicht, wie es weitergeht, einige seiner KollegInnen wurden bereits entlassen. Er hat vier Kinder.

Keiner von ihnen würde Corona leugnen. Sie alle passen auf, dass sie sich und andere nicht gefährden. Und auch ihnen leuchtet ein, dass angesichts der steigenden Zahlen etwas passieren muss, will man den Horror, wie ihn Bergamo im Frühjahr erlebt hat und auf den andere europäische Länder bereits zusteuern, nicht auch hierzulande: überlastete Intensivstationen, Kranke, die nicht behandelt werden können, massenhaft Särge.

Bei Corona geht es um Existenzielles, um Gesundheit und Leben, aber eben auch um Arbeit und Zukunft. Die Entscheidungen, die Angela Merkel und die Ministerpräsidenten treffen, greifen tief in die Grundrechte ein, sie bedeuten für viele Menschen gravierende persönliche Einschnitte, sie verändern Biografien, möglicherweise für immer.

Wer Kritik übt, gilt schnell als Corona-Leugner

Genau deshalb ist es wichtig, die Maßnahmen intensiv zu diskutieren. Sind sie richtig und verhältnismäßig? Oder gäbe es andere Möglichkeiten, die Nebenwirkungen der Kontaktbeschränkungen zu mildern und die Zahl der Infektionen trotzdem zu senken?

Diese Debatte läuft zurzeit eher schlecht als recht. Zum einen liegt das an den Corona­demos, auf denen Teilnehmende viel Unsinn verbreiten. Sie lassen Schutzmaßnahmen bewusst außer Acht und dulden Rechtsradikale und Reichsbürger in ihren Reihen. An diesem Samstag dürfte das wieder zu besichtigen sein: Das Bündnis Querdenken mobilisiert zu einer Großdemo nach Leipzig, trotz beziehungsweise wegen des Teillockdowns.

taz am wochenende

Abgang Trump, Auftritt Joe Biden. Ein Portrait des mutmaßlich neuen US-Präsidenten lesen Sie in der taz am wochenende vom 7./8. November 2020. Außerdem: Eine Frau ist unheilbar krank, sie entscheidet sich für Sterbefasten. Ihre Tochter begleitet sie in der letzten Lebensphase. Eine Geschichte vom Loslassen. Und: Träumen wir uns in Lockdown-Zeiten weit weg. Mit der guten alten Fototapete. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Das macht die Räume eng. Wer Kritik an Coronamaßnahmen der Regierung äußert, gerät schnell in den Verdacht, den LeugnerInnen der Pandemie das Wort zu reden oder gar zu ihnen zu gehören. Da bleiben manche lieber stumm.

Wenn dann doch jemand einen Alternativvorschlag macht, kommt das in linksliberalen Kreisen gar nicht gut an. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und zwei Virologen haben in der vergangenen Woche für einen Strategiewechsel geworben: Statt eines Lockdowns und Verboten sollte es ihrer Meinung nach Gebote geben; die Risikogruppen müssten besser geschützt und ein bundesweites Ampelsystem müsse eingeführt werden. Es gehe ihnen um den „dauerhaften Umgang mit dem Virus“, um die Frage, „wie die Pandemie langfristig bewältigt werden kann“, schrieben sie.

Sie wurden dafür heftig kritisiert. „Menschenverachtend“ sei der Vorschlag, eine „ganz miese Nummer“, hieß es bei Twitter. Die taz fragte: „Ist es Profilierungssucht? Sind es persönliche Eitelkeiten?“ Als könnten nur sie der Antrieb sein für einen solchen Vorstoß. Ärzte distanzierten sich umgehend, das seien „realitätsferne Appelle“ und zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend.

Nun mag der Vorschlag nicht die Lösung für das Problem der rasant steigenden Infektionszahlen sein. Und sicher war es auch unredlich, im Namen von Ärzten zu sprechen, die den Lockdown sehr wohl gutheißen. Aber das ist nicht der Punkt. Es geht um die Debattenkultur.

Wenn alles, was vom Prinzip Lockdown abweicht, als abwegig oder gar gefährlich verurteilt wird, ist keine Diskussion mehr möglich. Wollen wir das?

Wir brauchen mehr Differenzierung als im Frühjahr

Auch ich finde: An stärkeren Kontaktbeschränkungen führt in der jetzigen Situation kein Weg vorbei. Aber wenn die Debatte darüber zu einseitig wird, beschleicht mich ein Unbehagen. Gerade wenn die Mehrheit den Teillockdown mitträgt, sollte man doch souverän mit anderen Vorschlägen und Kritik umgehen können, statt sie wegzudrücken.

Es ist ja so: Wer weniger strenge Maßnahmen fordert, sieht sich schnell dem Vorwurf ausgesetzt, Risikogruppen und damit Menschenleben zu gefährden, er macht sich moralisch angreifbar. Gefahren bringen aber auch die Coronamaßnahmen mit sich, hier steht ebenfalls viel auf dem Spiel. Deshalb müssen wir ja genau über die Verhältnismäßigkeit der Mittel reden.

Wolfgang Schäuble hat das bekanntlich so formuliert: „Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Grundrechte beschränken sich gegenseitig.“ Anders als im Frühjahr, als Corona noch neu war, müsste eine stärkere Differenzierung inzwischen möglich sein.

Wir müssen streiten

Doch für eine solche Diskussion gibt es wenig Offenheit. Warum ist das Bedürfnis während der Pandemie so groß, die Reihen geschlossen zu halten? Lassen sich in schweren Zeiten Ambivalenzen und Zwischentöne schlechter aushalten?

Der Vorschlag des Kassenärzte-Verbands „trägt nur zu einer weiteren unnötigen Verunsicherung der Bevölkerung bei“, mahnte im Nachgang ein Vertreter der Anästhesisten. Der Subtext: Widerworte darf es in der jetzigen Lage nicht geben. Das Gegenteil ist richtig: Es trägt zur allgemeinen Verunsicherung bei, wenn ein ernsthafter Meinungsaustausch nicht mehr stattfindet. Der Bevölkerung sollte man ein paar Argumente für und wider einen Lockdown schon zutrauen.

Wahrscheinlich ist die traurige Wahrheit in diesem besonders tristen November: Es gibt keinen guten Weg aus der Pandemie. Die Frage ist, welcher Weg am wenigsten schlecht ist. Ihn gilt es zu finden, darüber müssen wir streiten. Offen und unvoreingenommen. Alles andere wäre einer Demokratie unwürdig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Antje Lang-Lendorff
wochentaz
Teamleiterin Gesellschaft in der wochentaz. Seit 2007 fest bei der taz, zunächst im Berlin-Teil, dann in der Wochenend-Redaktion. Schwerpunkte: Soziales und Reportage.
Mehr zum Thema

51 Kommentare

 / 
  • Ja, lasst uns jetzt diskutieren, streiten, mit welchen selektiven Maßnahmen, die dritte Welle im Keim erstickt werden kann.

    Für die zweite Welle sehe ich nicht, dass wir noch über den Luxus verschiedener Optionen verfügen. Das Virus wartet nicht, bis wir uns geeinigt haben.

  • Endlich mal was Corona-Kritisches in der taz. Geht doch!

  • Mann, wie da nervt wenn Menschen am Problem vorbeireden.

    Alle Probleme, die am Anfang des Artikels beschrieben werden, lassen sich auch in Verbindung mit Corona-Regeln lösen. Der Lockdown ist nicht das Problem, lediglich der mangelnde Ausgleich durch den Staat. Anstatt hier Gesundheits- gegen Wirtschaftspolitik auszuspielen, sollte man einfach sowohl die bestmögliche Gesundheitspolitik (die vermutlich leider ein Lockdown ist) als auch Sozialleistungen in ausreichender Höhe für alle, die unter den Maßnahmen leiden, beschließen. Ist das so schwer zu verstehen?

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Guter Artikel!



    Es ist wirklich nicht zu verstehen das Kulturveranstaltungen ( Theater, Konzerte usw) oder Restaurants und Cafes , mit guten und nachweislich wirkungsvollen Schutzmaßnahmen schließen müssen, " Gottesdienste " und andere Kirchenveranstaltungen aber ,trotz in der Vergangenheit ,heftiger Ansteckungsvorfälle weiter laufen.

  • die taz hatte mich schon fast verloren ... dieser Kommentar bringt mich ihr wieder näher: Danke !



    Ein linker Corona-Maßnahmen-Kritiker

  • Zu Anfang der Pandemie war einer der größten Fehler, den die Regierung gemacht hat, zu verkünden, "Masken bringen nix". Ob direkt oder über Experten, spielt dabei keine Rolle. Die Parole wurde allein deswegen ausgegeben, um das Versagen zu kaschieren. Ein Blick nach Asien hätte genügt, was die Bedeutung von Masken angeht. Aber die haben ja ganz andere Viren da.

    Was die Regierung eigentlich hätte verkünden müssen, wäre gewesen "Jo, wir wussten spätestens seit 2013, dass sowas kommt, wir haben seitdem aus dem Fenster geguckt und jetzt haben wir nicht mal Masken, geschweige denn all die anderen Zutaten und Abläufe am Start und unser sogenannter "Freier Markt", der ja bekanntlich alles regeln kann, versagt in dieser Situation genauso erbärmlich. Marktkonforme "Demokratie" ist vielleicht doch nicht so der Brüller.

    Das wäre ehrlich gewesen und hätte etwas Vertrauen zurückgeholt, das ohnehin schon nicht mehr allzu groß war. Denn Hinz & Kunz da draußen gehen seit langem mehrheitlich davon aus, dass sie ohnehin von den selbsternannten Eliten beschissen werden, und völlig zu Recht. Da mögen viele keinen Abschluss in Jura haben, aber doof sind sie deswegen nicht. Die Botschaft war nicht nur, wir haben unseren Job nicht gemacht, sondern wir erzählen euch wie üblich einen vom Pferd selbst in einer ernsten Notlage, um unsere Ärsche zu retten. Seht zu, wie ihr klarkommt.

    Das oben genannte Manöver der Regierung hat u.a. dafür gesorgt, dass für eine nennenswerte Menge an Leuten der Punkt überschritten wurde, wo man den Machthabern ihre Machenschaften durchgehen lässt mit "Ist normal so", weil es für sie an die Existenz ging. Das machten sich außerdem diverse Glaubenskrieger (ob rechtsaußen oder 0815 Verschwörungsideologen ist dabei auch egal) zu Nutze, um die Sache noch ein wenig zu eskalieren.

    Und deswegen haben wir jetzt eine Situation, wo Teile der Bevölkerung nicht mehr erreichbar sind für eine gemeinsame Verständigung über Maßnahmen in einer Ausnahmesituation.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @uvw:

      Wissenschaftliche Erkenntnisse entwickeln sich. So auch beim Masketragen.



      Die Leute, die jetzt Verschwörungstheorien anhängen, waren schon vorher mit ihrem Leben unzufrieden und haben jetzt etwas, worauf sie die Schuld für ihre Unzufriedenheit abwälzen können.

      Dabei wäre eine Scheidung, ein Jobwechsel oder das Erschlagen des Ehemanns für alle die bessere Lösung.

  • Manches ist kaum nachzuvollziehen.

    Das der ÖPNV zum Beispiel genauso vollgestopft ist wie vor Corona, aber das angeblich sicher sein soll. Die Gastronomie muss aber wieder komplett dicht machen.

    Genauso gilt das Büro mit zwanzig Mitarbeiten als sicher, aber wehe drei dieser Mitarbeiter treffen sich dann nach der Arbeit an der frischen Luft, dann herrscht höchste Ansteckungsgefahr.

    600 Kinder in der Schule stecken sich natürlich nicht an, aber privat dürfen sie sich nicht sehen.

    In der Freizeit auf dem Bolzplatz kicken ist verboten, der Profifußball läuft weiter wie gehabt.

    Alles an Läden kann geschlossen werden, die Mieten müssen weiter gezahlt werden.

  • Ich bin Lehrerin in Neukölln und werde tagtäglich gezwungen, in volle Lerngruppen zu gehen, wo das Abstandhalten nicht möglich ist und sich die Jugendlichen mehr schlecht als recht an das korrekte Maskentragen halten. Diverse Coronafälle gab es bereits - was passiert, wenn jemand schlimm erkrankt weiß allerdings keiner; das hat wohl gefälligst zu unterbleiben.

    Das Mantra "die Schulen bleiben offen" steht über allem.

    In der U-Bahn auf dem Weg dahin habe ich es noch kein einziges Mal erlebt, dass die Maskenpflicht überprüft würde.

    Demgegenüber gibt es Maskenpflicht beispielsweise auf der Bergmannstraße, die zwar gerne belebt ist, wo aber keine Gedränge entstehen.

    Die Maßnahmen müssen angemessen, differenziert und nachvollziehbar sein, dann werden sie auch vom Gros der Leute mitgetragen.

  • "Streitet mehr über Coronaregeln!"

    Betreiben die Medien nun Rollentausch mit den Lesern? Sollen die Leser Schwächen bei der Bekämpfung von Corona zur Sprache bringen und die Medien melden dann nur noch?

  • Super Artikel!

    Die Angst frisst halt doch den Mut zum Denken.

  • 0G
    01068 (Profil gelöscht)

    Naklar kann und soll gestritten werden. Über die Verhältnismässigkeit und Sinnhaftigkeit der Verordnungen und über die unmittelbaren und langfristigen Folgen.



    Ohne Kritik läuft es nicht. Es müssen immer wieder neue Abwägungsprozesse stattfinden. Alarmismus und Ausschluss helfen da wenig. Die Medien könnten z. Bsp., anstatt in Dauerschleife Höchstzahlen zu verkünden, einordende und vergleichende Zahlen bringen, mehr Berichte über aktuelle Erkenntnisse und Studienergebnisse.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Unser Gesundheitsamt hat die Kontaktnachverfolgung aufgegeben. Wenn Schüler der Sekundarstufe 2 infiziert sind, kommen ihre Mitschüler laut Gesundheitsamt nicht mehr in Quarantäne, da gelüftet, Abstand gehalten und Maske getragen wird. Quatsch, sagt meine Tochter, so läuft es nicht. Das ist die Kapitulation.

  • Ich teile die Sicht dieses Artikel.

  • Das Problem ist, dass die gemeinen Viren nicht mit ihrer Ausbreitung pausieren, bis sich alle Fachleute oder Pseudofach-Frauen und Männer nach ausgedehnten Diskussionsprozessen auf die einzig richtige Vorgehensweise zur Eindämmung der Pandemie geeinigt haben.....

  • Sicher kann mensch Corona-Regeln im einzelnen diskutieren. Wichtiger wäre es allerdings das Verhältnis der betroffenen Bereiche Arbeit und Freizeit und die sozioökonomischen Folgen der Maßnahmen zu diskutieren und zu fragen wie linkspolitisch diese sind.60 % Kurzarbeitgeld für Menschen mit niedrigem Einkommen sind nicht fair. Auch ist es fragwürdig, dass viele Menschen direkt arbeiten und damit verbundenes Risiko eingehen müssen, privat sich aber sehr einschränken müssen. Diese Diskussionen führen zu Verteilungs-- und Systemfrage und damit zur radikalen Kritik an Staat und Kapital.

    • @Uranus:

      "Auch ist es fragwürdig, dass viele Menschen direkt arbeiten und damit verbundenes Risiko eingehen müssen, privat sich aber sehr einschränken müssen."

      Das sind die gleichen Fragen, die Palmer sch schon im Frühjahr stellte. Wie sehen Sie den Schutz der Risikogruppen?

  • Wo die Debatte versagte: Bei den Maßnahmen für Schüler/Schulen und Jugendliche/Partyszene. Diese Altersgruppen sind nun die Spitze jener mit Corona.

  • "Und sicher war es auch unredlich, im Namen von Ärzten zu sprechen, die den Lockdown sehr wohl gutheißen. Aber das ist nicht der Punkt. Es geht um die

    Debattenkultur."

    Hä? Unterstützung von Personen vorgaukeln ist nicht der Punkt, weil Debattenkultur?

  • Zitat: „Wenn alles, was vom Prinzip Lockdown abweicht, als abwegig oder gar gefährlich verurteilt wird, ist keine Diskussion mehr möglich. Wollen wir das?“

    Wen ganz genau meint Antje Lang-Lendorff wohl mit „wir“?

    Ich kenne nicht besonders viele Leute. Unter denen aber, die ich kenne, gibt es etliche, die eine gewisse Basta-Mentalität pflegen. Soll heißen: Zu viele Menschen in diesem Land wollen tatsächlich keine Diskussionen. Sie wollen Friede, Freude, Einigkeit - oder selbst abschließend recht haben. Manchmal sogar beides.

    Nicht, dass ich das nicht verstehe. Es gibt noch immer keine Debattenkultur, die diese Bezeichnung wirklich verdient. Und dass es sich beschissen anfühlt, wenn man zwischen die Fronten gerät, weiß ich aus Erfahrung. Nur wird es ganz ohne Meinungsbildungsprozess nicht gehen. Auch und gerade nicht in der Corona-Krise. Kein Mensch kann alles überblicken. Schon gar nicht im XXL-Maßstab eines Staates.

    Corona wird sich nicht in Luft auflösen. Auch nicht in ein oder zwei Jahren. Und es wird nicht das letzte „neuartige“ Virus sein. Einen Krieg gegen die Natur können Menschen nicht gewinnen, auch nicht mit noch mehr Wissenschaft, Technik und Front-Personal. Menschen sind Teil der Natur. Es braucht also Strategien für eine friedliche Koexistenz, und zwar nicht nur während einer Pandemie, sondern generell.

    Dass ein Lockdown light alle paar Monate keine Lösung ist, steht für mich fest. Das wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch, kulturell und sozial. Ausschließlich im Internet zu existieren, ist unmöglich. Wir sind keine Bits oder Bites. Wir sind Lebewesen.

    Was also nun? Lasst uns darüber reden, statt uns gegenseitig mundtot zu machen. Es könnte lebensrettend sein zu diskutieren. Mindestens so lebensrettend, wie der aktuelle (Teil-)Lockdown. Ich, jedenfalls, will es nicht verantworten, wenn keine vernünftige, für alle tragfähigen Lösung gefunden wird. Basta.

    • @mowgli:

      Danke!

  • Danke, guter Kommentar. Ich bin immer wieder erschrocken über linksliberale Facebook-Freunde, die nun jeden Zweifel an strikten Corona-Maßnahmen verteufeln, - jede Diskussion unterdrücken wollen. Endet hier die Reise einer antiautoritären Bewegung?

    • @jan ü.:

      Ja, darüber kann ich mich auch immer wieder nur wundern

  • "Genau deshalb ist es wichtig, die Maßnahmen intensiv zu diskutieren. Sind sie richtig und verhältnismäßig? Oder gäbe es andere Möglichkeiten, die Nebenwirkungen der Kontaktbeschränkungen zu mildern und die Zahl der Infektionen trotzdem zu senken?"



    Aber werte Frau Lang-Lendorff, es wird doch tagtäglich diskutiert! Es werden seit Wochen und Monaten Argumente und Studien diskutiert ... Das Problem: Das Virus bzw. die Pandemie erlaubt es uns nicht, "ewig" zu diskutieren ohne zu handeln ... sonst ist es zu spät! Wenn sie Kapitän auf einem Kreuzfahrtschiff sind und auf eine Sandbank zusteuern ... dann werden Sie irgendwann eine Entscheidung treffen müssen und Sie können nicht über Wochen tagtäglich mit der gesamten Crew oder mit allen Passagieren (den begriffsstutzigen eingeschlossen) über die Grundlagen des Navigierens und der Physik diskutieren!



    Jeder / Jede hat (bzw. hätte) die Möglichkeit, sich in die Materie einzuarbeiten ... wer nach Wochen jedoch noch immer nicht die besondere Dynamik und die besondere Gefahr der Situation (bzw. der Exponentialfunkion) verstanden hat (Ärztefunktionäre eingeschlossen (!) - als Arzt schäme ich für die deppigen Kommentare und Stellungnahme einzelner Vertreter der Ärzteschaft), darf sich nicht beschweren, wenn man ihn nicht mehr für voll nimmt. Im Gegensatz zu der ein oder anderen politischen oder geisteswissenschaftlichen Diskussion gibt es in der Medizin bzw. in den Naturwissenschaften hard facts ... über die Folgerungen und Konsequenzen kann dann (begrenzt) diskutiert werden, dabei im Blick: "Philosophie" bzw. diese Diskussionen haben eine "Deadline". Noch nie habe ich in meinem Leben CDU gewählt, aber ich bin geradezu dankbar, dass unser Kahn bzw. unser Land von einer außergewöhnlich kompetenten Führungsmannschaft gesteuert wird!

  • Es gibt Situationen, da gibt es keine Alternativen: Rette ich das Kind aus dem Feuer, oder kassiere ich ab. So ist es bei Corona.



    Wenn ein Ärztevertreter mit geklauten Unterschriften (viele Fachverbände haben sich distanziert) eine Aussage trifft, hat das ein Gewicht, auch wenn sie falsch ist.

    Fakt ist: Entweder Kontaktbeschränkungen, wie auch immer, naturgemäß kann es da keine 'Gleichbehandlung' geben, mit Wirtschaftskrise, oder, wie vom KBV vertreten, man läßts laufen. Dann gibts auch eine Wirtschaftskrise, aber mit vielen Toten und Long-Covid-Syndrom Schwerversehrten.

    Dieses ewige Genörgel, gerade aus den Kreisen, die bisher gut verdient haben, nervt. Wir haben ein hervorragendes Sozialsystem mit HartzIV ,und Grundsicherung, von dem man ja nach deren Lesart mehr als auskömmlich leben kann. Es muss also niemand verhungern.

    Die Strategie aber 'Risikogruppen' schützen zu können, ist absurd: Sie ist so groß, daß sie sich gar nicht schützen läßt. Dazu müsste man 30% der Bevölkerung inkl deren Pfleger, Versorger usw kasernieren und Abschotten. Denn auch Pfleger, Ärzte, Sprechstundenhilfen sind Eltern.



    Neueste Studien zeigen gar, das sogar Schwangere zur besonders gefährdeten Gruppe gehören.

    In Anbetracht der Lage, ist es verwunderlich, daß man sich derart kleinkarierten, kleingeistigen Diskussionen hingibt.

    • @Unvernunft:

      Wenn jetzt z.B. der Pflegefall, um den es in der Argumentation häufig, meiner Ansicht unehrlich und vordergründig, geht, innerhalb der letzten Monate aufgrund von Mangel an Betreuung, entstanden durch den Wegfall familiärer Kontakte und Unmöglichkeit ehrenamtlicher Angebote, zum Gemüse geworden ist und/oder komplett den Lebenswillen verloren hat, welches Kind hat man dann aus dem Feuer geholt?

    • @Unvernunft:

      "Wir haben ein hervorragendes Sozialsystem mit HartzIV ,und Grundsicherung, von dem man ja nach deren Lesart mehr als auskömmlich leben kann. "



      -----------------------------



      Wenn das so ist, warum benötiten dann unsere Volksvertreter als Diäten ein so viel Mehrfaches dessen, "von dem man Mehr als auskömmlich leben kann"?

      • @Wagenbär:

        Weil diese dafür mind. 60h in der Woche arbeiten?Weil man Parlamentarier unter anderem zwecks finanzieller Unabhängigkeit hinreichend entlohnen sollte?

        • @Devil's Advocate:

          "Mehr als auskömmlich" ist demnach nicht "hinreichend"?

        • @Devil's Advocate:

          Keiner davon arbeitet mindestens 60h in der Woche. Woran glaubst du denn so?

        • 0G
          02881 (Profil gelöscht)
          @Devil's Advocate:

          Das man von der Grundsicherung auskömmlich leben kann halte ich für ein Gerücht.

          Und ich kann's nicht mehr hören wenn die Führungselite immer damit prahlt wie viele Stunden diese pro Woche arbeiten. Ist für mich eher ein Zeichen das jemand nicht sehr effektiv seine Arbeitszeit nutzt... Ach stimmt, da werden ja Arbeitsessen und der Weg zur Arbeit (man checkt ja schon was auf dem Rechner) dazugezählt. Na dann kommt der normale Arbeiter und Angestellte auch auf 60 Stunden....und fragen Sie mal die Freiberufler.

  • Krass, in der Taz ein kritischer Artikel zu den aktuellen Coronamassnahmen. Jetzt darf sogar darüber diskutiert werden....



    Ich bin beeindruckt. Wenn das Mal kein cooles Wochenende wird.

  • jemand hat einen Vorschlag gemacht, der mit Argumenten begründet wurde. Diesen Argumenten wurde Schritt für Schritt widersprochen. Es hat also eine Diskussion stattgefunden. Nur das Ergebnis gefällt den Urhebern nicht.

    Ich sehe durchaus, dass einige Gruppierungen sich hier nicht um Argumente scheren und lieber die Keule auspacken. Ich würde allerdings sagen, dass das daran liegt, dass die argumentierende Seite schon länger von vielen Seiten mit Keulen angegriffen wird und deswegen nicht mehr so genau unterscheiden kann.

    Das Hauptproblem sehe ich darin, dass die Argumentation auf der einen Seite (Leugner und Co.) aus Simplifizierung und haltlosen Behauptungen besteht. Da reiht sich leider der Vorstoß teilweise ein. Die neuralgischen Punkte wurden dann ja auch angegriffen und führen zur Zurückweisung.



    Der Zeitpunkt ist hier auch wichtig.



    Man hätte den Vorschlag schon viel früher machen können, dann wäre er sicher in Ruhe diskutiert worden. Warum kam wr erst, wenn es wieder heikel wird? Dad6rch reiht er sich eben selbst in die Leugner-Kultur ein.

    Wer also ernsthaft alternative Lösungen finden möchte, sollte sich vor Vereinfachungen hüten. Darauf sind im Moment vernünftige Menschen allergisch.



    Wenn die Argumentationskette bei Vereinfachungen beginnt, wird schnell der Rest ignoriert.

  • "Der Vorschlag des Kassenärzte-Verbands „trägt nur zu einer weiteren unnötigen Verunsicherung der Bevölkerung bei“, mahnte im Nachgang ein Vertreter der Anästhesisten. Der Subtext: Widerworte darf es in der jetzigen Lage nicht geben. Das Gegenteil ist richtig: Es trägt zur allgemeinen Verunsicherung bei, wenn ein ernsthafter Meinungsaustausch nicht mehr stattfindet. Der Bevölkerung sollte man ein paar Argumente für und wider einen Lockdown schon zutrauen."

    Das ist lustig zu lesen in einer Zeitschrift die wochenlang gegen uneinheitliche Maßnahmen gewettert hat, und da einscheinend von einer unklaren Lage überfordert war. Der Situation angepasste Maßnahmen sind anscheinen falsch, nicht differenzieren ist es scheinbar auch.

    Und nur dass es einen Debattenbeitrag gibt muss man über diesen nicht ewig lang diskutieren. Die Ärzteschaft sah anscheinend den Ansatz der Krankenkassen als ungenügend an. Warum soll man das denn noch diskutieren? Nur damit man was zu diskutieren hat?

    Ich paraphrasiere jetzt etwas polemisch: "Ja, der Vorschlag war Mist. Ja, der Vorgehen war Mist. Aber wir müssen doch diskutieren!!" ist für mich kein produktiver Ansatz. Wenn es nichts zu diskutieren hat dann brauchts auch keine Diskussion.

    "Anders als im Frühjahr, als Corona noch neu war, müsste eine stärkere Differenzierung inzwischen möglich sein."

    Ja? Muss es? Was genau hat sich inhaltlich geändert? Was hat sich an der Situation geändert? Ich meine jetzt, ausser dass die Fallzahlen jetzt deutlich stärker steigen weil Leute meinen man kenne das Virus ja jetzt und ihn nichtmehr als die Gefahr begreifen das es ist. Das ist für mich keine Basis für eine rationale Diskussion.

  • So richtig wird mir nicht klar, was diese "Steile These" will. Sie beschreibt kontroverse Meinungen zu den Corona-Regeln und beklagt eine einseitige Debatte. Die von welcher Seite kommenden Vorschläge verunsichern? Welche Einseitigkeit ist gemeint?



    Die Kritik am Lockdown/Shutdown und die Suche nach anderen Lösungen ist vielfältig und dominiert die öffentliche Debatte seit März. Mittlerweile hat wohl jede/r seine persönlichen Erfahrungen gemacht, seine persönlichen Existenz-/Ängste geäußert, sein persönliches Leid durch Kontaktverbote beklagt, seine persönliche Meinung zu politischen Entscheidungen und ihres Zustandekommens geäußert. Jedem Einzelfall kann man mitfühlend zustimmen, auch den meisten kritischen Anmerkungen zur politischen Entscheidungsfindung.

    Die politischen Entscheidungen sind Reaktionen auf eine Gefahrensituation, die das Leben und die Gesundheit aller Menschen bedrohen. Die "Gegenvorschläge" aus persönlicher Betroffenheit oder Interessenlage sind unterschiedlich begründet und begründbar, sie richten sich gegen politische Entscheidungen die nicht auf das Einzelschicksal ausgerichtet sein kann.

    Die Gesundheit und das Leben des Anderen ist zwar bedroht, aber mein Job, meine Existenz, meine Zukunft hat Priorität! Diese Grundhaltung bestimmt mittlerweile die Tonlage der meisten "Gegenvorschläge".

    Die Intensivstation laufen voll und (bedrohlicher noch) das Personal fehlt. Wie werden wohl die Diskussionen laufen, wenn alle persönlich/wirtschaftlich begründeten Einschränkungen aufgehoben werden und auf den Stationen die Triage unvermeidlich wird? Ökonomisch "Ein bisschen Schwund ist immer!", politisch "Die Politik hat nicht rechtzeitig hart genug durchgegriffen!", oder humorvoll "Ernst ist tot. Moped zu verkaufen!"?

  • "Wer die aktuellen Maßnahmen kritisiert, gilt schnell als Coronaleugner"



    ----------------------------



    Diese, mehrfach wiederholte, Behauptung ist Blödsinn, der vor allem von den rechten Covidioten verbreitet wird.



    Richtig ist, dass es rational denkende und handelnde "Linke" waren, welche viele grotesk überzogene "Hygiene"-Maßnahmen kritisierten.



    Und es waren auch Menschen, die gemeinhin als "Links-extremistisch" bezeichnet werden, die durch strategisch und juristisch kluges und hochkompetentes Vorgehen eine frühe Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der Meinungs- und Versammlungsfreiheit erzielt haben.



    Anlass waren keine rechten Wahnvorstellungen, sondern der Einsatz für flüchtende Menschen am Mittelmeer.

  • Guter Kommentar.



    Zitat: "Es geht um die Debattenkultur."

    Und genau diese Debattenkultur ist nicht nur beim Thema Corona und Lockdown ziemlich vor die Hunde geraten, weil bestimmte Kreise andere Meinungen kaum noch ertragen wollen. Und diese Haltung übeträgt sich wie das Virus pandemisch.

  • Ja richtig, gesellschaftliche Debatte und politischer Streit um den besten Weg sind (wenn halbwegs zivilisiert ausgetragen) gut und notwendig. Aber zu kritisieren, dass nicht über Alternativen zum Lockdown gestritten wird und im gleichen Atemzug - richtigerweise - zu konstatieren, dass dieser derzeit unumgänglich ist und den Ansatz "Gebote, statt Verbote" (Hatten wir im Sommer, hat uns in die aktuelle Lage gebracht) damit zu verwerfen und auch keine weiteren Optionen anbieten zu können, macht die Kritik im Kern gegenstandslos. So wünschenswert der Diskurs und die Herausbildung eines gesellschaftlichen Konsens zum richtigen Weg auch ist, braucht es dazu eben zumindest relativ gleichwertige Alternativen.

  • ich stimme dem Artikel grundsätzlich zu.



    Aber die bisherigen Gegenvorschläge, waren so unbestimmt und liefen auf "mehr Eigenverantwortung wirds schon richten", das waren keine faktisch handfesten Diskussionsvorschläge, eher Gefühlsäußerungen, (auch den Beitrag der kassenärztlichen Vereinigung ordne ich da ein).



    Da sehe ich für mich keine Diskussionsgrundlage.

    Bei Anne Will letzten Sonntag wurden diese Vorschläge auch faktenbasiert demontiert.



    Aber weitere Vorschläge müssen her und auch diskutiert werden.

  • Die KBV hat in ihrem Papier beschrieben, WAS sie vorschlägt, leider aber vergessen, darzulegen WIE das denn umzusetzen wäre. Beispiel Schutz der Risikogruppen: Soll man Alte und Kranke die nächsten Jahre einschließen (das sind immerhin 20-30% der Bevölkerung)? Wer versorgt sie in dem Fall? Was passiert mit Partnern und Kindern von Angehörigen einer Risikogruppe? Werden die mit eingesperrt oder für lange Zeit voneinander getrennt?



    Zum Thema Gebote statt Verbote: Ich sehe nicht, wie das in einer derart individualistisch geprägten Gesellschaft wie der Unseren funktionieren soll. Schweden als Beispiel ist schön, da hat das „wir“ aber einen deutlich größeren Stellenwert und beim Schutz der Risikogruppen sind auch die grandios gescheitert.

  • Selbstverständlich kann man noch über die Maßnahmen diskutieren. Man darf sich eben nur nicht über deutliche Widerworte wundern, wenn andere die Vorschläge für unsinnig/schädlich halten.

    -"Statt eines Lockdowns und Verboten sollte es ihrer Meinung nach Gebote geben"

    Ein zu großer Teil der Bevölkerung hält sich nicht an Gebote, wie man in den letzten Monaten gesehen hat.

    -"die Risikogruppen müssten besser geschützt"

    Wie soll man 30% der Bevölkerung noch besser schützen, ohne sie zu isolieren? Die meisten Risikogruppen leben nicht in Heimen, die man noch am ehesten abschirmen kann. Der Rest ist darauf angewiesen, dass sich das Virus in Nicht-Risikogruppen nicht zu stark ausbreitet.

    Wenn man die Infektionszahlen durch den "Lockdown" wieder einigermaßen unter Kontrolle bekommen hat, sollte man den Blick mal nach Asien (Südkorea/Taiwan/Neuseeland/usw) richten und sich überlegen, was man von diesen Ländern lernen kann. Dort hat man Corona dauerhaft unter Kontrolle. Und das liegt nicht an der Insellage.

  • RS
    Ria Sauter

    Der klügste Kommentar, den ich bisher dazu gelesen habe!



    Ich schliesse mich Ihren Ausführungen voll und ganz an.



    Bin Risikogruppe, möchte aber so nicht weiterleben wollen.

  • Na schön, die Kassenärztliche Vereinigung hat einen Stein ins Wasser geworfen.

    Der hat folgende Wellen gezeitigt:

    "Schon am Dienstag hatten die Präsident*innen der sechs großen deutschen Forschungsorganisationen – Deutschen Forschungsgemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und Leopoldina – genau das Gegenteil gefordert. „Es ist ernst“, warnen sie und fordern, alle Kontakte drei Wochen lang um drei Viertel zu reduzieren."

    "Auch aus der Ärzteschaft gab es Widerstand gegen die Erklärung der KBV – vor allem von jenen, die direkt mit den schwerkranken Covid-19-Patienten zu tun haben. Uwe Janssens, Präsident der Vereinigung der Deutschen Intensivmediziner, widerspricht entschieden Gassens Einschätzung, dass die Situation auf den Intensivstationen noch entspannt sei."

    "Die Vereinigung der Intensivmediziner hat sich der KBV-Stellungnahme darum ausdrücklich nicht angeschlossen."

    "Eine scharfe Distanzierung gibt es auch von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten."

    "Protest kommt auch von einzelnen praktischen Ärzten: „Sie mögen unsere gewählten Standesvertreter sein, aber gegenwärtig sprechen Sie sicherlich nicht repräsentativ für ‚die Ärzteschaft‘ “, heißt es in einem Gegenaufruf des Allgemeinmediziners Rainer Röver aus Überlingen."

    OK, Drosten fehlt.

    Für mich als Laien sieht es dennoch so aus, als würde die Mehrheit der involvierten Wissenschaftler und Mediziner so rein gar nichts von dem Vorschlag der Bundesvereinigung zu halten.

    Damit keiner weinen muss, kann man das Papier natürlich trotzdem ein paar Tage diskutieren. Wofür auch immer.

    • @Jim Hawkins:

      Herr Hawkings,



      der Artikel bzw. dessen Inhalt scheint an Ihnen vorbei gegangen zu sein. Vielleicht nehmen Sie sich nochmals Zeit und versuchen zu verstehen worum es im Artikel geht.



      Sie führen nämlich genau das fort wovor die Autorin Sorge hat, nämlich das eine Debatte/Diskusion unmöglich und geächtet wird. Und Ihre letzt Frage "Wofür auch immer" ist leicht zu beantworten. Für die Demokratie! Aber lesen Sie selbst.

      • @Wunderdich:

        Es gab ja eine Diskussion. Die war kurz, weil der Beitrag schlicht nicht diskussionswürdig ist. Und wenn ein Beitrag indiskutabel ist muss man das auch nicht weiter beackern.

        Man muss Dinge nicht um der Diskussion willen diskutieren.Sicher, wenn ein guter Vorschlag kommt sollte dieser aufgegriffen werden, aber bisher gibt es einfach wenige Alternativen zum "lockdown". Alles andere hat bisher schlicht zum sprunghaften Anstieg der Fallzahlen geführt.

        Ich bin ein großer Freund von Differenzierung, das Coronavirus offensichtlich nicht.

      • @Wunderdich:

        Tun Sie sich keinen Zwang an, diskutieren Sie so lange Sie wollen.

        Ich allerdings habe keine Lust, mich damit von früh bis spät zu beschäftigen.

        Ich bin mehr der Typ, der grob drüber schaut und sich dann für das einleuchtendste entscheidet.

        Ich stehe nicht so auf Debattierclubs.

        • @Jim Hawkins:

          "Ich stehe nicht so auf Debattierclubs."

          Zumal jeder Debattierclub mit einer fundierteren Faktenbasis debattiert, als das wissenschaftsmuffelige deutsche Volk (des Deutschen Liebling ist der Ingenieur, nicht die Forscherin).

          Mit solider Faktenbasis und realitätsverhaftung kann und sollte man debattieren, wann und wo immer es geht.

          Liegt diese essentielle Grundvoraussetzung - worüber diskutiert wird, und was dieser Gegenstand der Diskussion überhaupt im Einzelnen *ist*, und woher wir das wissen - aber nicht vor; eine epistemologische und ontologische Basis der "Diskussion" ist nicht gegeben, d.h. es ist keine Diskussion sondern eitle, leere Herumsophisterei in einem Evidenzvakuum.



          Und das ist im besten Fall sinnnlos, in der Regel schädlich, in einer Krise tödlich, und in einer naturkatastrophe wie hier nichts weiter als liberal aufgehübschter Massenmord.

          Artikel 2, Absatz 2, Satz 1 Grundgesetz sagt ganz klipp und klar, welches Grundrecht am Anfang aller Grundrechte steht - weil ohne dieses *kein* anderes Grundrecht Sinn macht: Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit.



          Und warum DAS gern beiseitegeschoben wird von unserern "Grundrechtsschützern" und "Freiheitsverteidigern" - DARÜBER sollten "wir" vielleicht mal mehr debattieren.

          • @Ajuga:

            Dem Ingenieur ist nichts zu schwer.

            Sagt man so.

            Sheldon Cooper, einer der Hauptdarsteller der Serie "The Big Bang Theory" und seines Zeichens theoretischer Physiker sagt:

            "Das Ingenieurwesen ist der zurückgebliebene kleine Bruder der Physik."

            Ich weiß es nicht.

            Jeder sieht die Sache von seiner Warte aus. Meine ist die: Ich zähle in mehrfacher Hinsicht zur Risikogruppe und pflege meine Mutter, die zu den Superstars der Risikogruppe gehört.

            Von daher lautet meine Prämisse so:



            Ich fände es gut, wenn meine Mutter und ich diese Pandemie überleben würden.

            Dem ordne ich den Rest unter.

        • @Jim Hawkins:

          ich mach das auch so, aber dabei besteht ganz schnell die Gefahr, das man nicht merkt, wenn man die Thematik falsch oder einseitig einschätzt.



          Deshalb ist Diskussion und Gegenmeinung essentiell wichtig.

    • @Jim Hawkins:

      Ja, die Lage ist NOCH erträglich. Das wird sich aber noch im Laufe der nächsten Wochen zunehmend ändern, wenn nicht drastisch gegengesteuert wird.

      Und dann hat der Winter noch gar nicht angefangen. Wir müssten noch viel mehr tun, um in den nächsten Monaten nicht völlig hilflos dazustehen.

      Aber manchmal hat man das Gefühl, dass es Leute gibt, die sich mit einem lustvollen Fatalismus genau nach Ausweglosigkeit sehnen, denn dann muss man keine Entscheidungen mehr treffen.

      • @Mustardman:

        Ich wüsste jetzt nicht, welche Entscheidungen ich treffen könnte.

        Ich schütze mich und versuche andere zu schützen. Ich minimiere meine Kontakte und halte mich an die Regeln.

        Viel mehr fällt mir da ehrlich gesagt gar nicht ein.

        Natürlich gilt mein Mitgefühl den Kulturschaffenden und den Gastronomen, mehr kann ich denen aber auch nicht bieten.