Deutsche Reaktionen im Ukrainekrieg: Zählt der Balkan?
Nach Putins Invasion heißt es: Wir haben gelernt. Wirklich? Warum übersieht die Außenministerin dann immer noch den Balkan und die Frauen?
Die Geschwindigkeit, mit der Politik und Wirtschaft seit einigen Tagen Dinge tun, ist atemberaubend. Dinge, um die sie Leute, die Putin nicht unterschätzt haben, jahrzehntelang gebeten haben.
Was aber resultiert aus dem Satz, dass wir zu lange zugeguckt und Putin unterschätzt haben? Fragen einer lesenden Arbeiterin:
Die Mitarbeiter*innen von Gerhard Schröders Bundestagsbüro bitten ein paar Tage nach der Invasion Putins in die Ukraine darum, versetzt zu werden. Mit welchem Gewissen haben diese Mitarbeiter*innen jahrelang für Schröder gearbeitet, und mit welchem Gewissen können sie jetzt noch irgendeinen anderen Job im Bundestag tun? Müssten sie sich nicht selbst in die Reihen der Zivilgesellschaft stellen und wenigstens Suppe austeilen, statt sich auf einen anderen warmen Bürostuhl in der Regierungskontrolle zu setzen?
Dieter Reiter, Oberbürgermeister von München, hat den Dirigenten Waleri Gergijew erst öffentlich an den Pranger gestellt und dann entlassen. War er nicht schon Oberbürgermeister, als der Dirigent eingestellt wurde und man genau wusste, was der denkt? Müsste sich nicht auch der Oberbürgermeister selbst öffentlich an den Pranger stellen und zurücktreten?
Viele Berichte, viele Fragen
Die Aussage des ukrainischen UN-Botschafters, Deutschland hätte den Krieg verhindern können, wird vom Bundeskanzler bis hin zu Pazifist*innen von sich gewiesen. Woher wissen diese Menschen, dass ein Swift-Ausschluss Russlands und das Einfrieren russischer Konten vor Putins Invasion keine Konsequenzen gehabt hätten?
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Die deutsche Außenministerin wird für ihre feministische Außenpolitik gefeiert, die darin bestehe, mit dem Verweis auf Mia, ein neugeborenes Baby in der Kiewer U-Bahn, die UN gegen Putin vereint zu haben. Wäre es nicht feministische Außenpolitik, die Namen von erwachsenen Frauen zu nennen, deren Handeln uns dazu bringen sollte, für ihre Zukunft zu kämpfen? Warum Mia und nicht Nika, eine Journalistin aus Kiew, die bleibt, weil sie ihre Oma und ihren Mann nicht alleine lassen will, die das Land nicht verlassen können? Warum Mia und nicht Julia, die weinende Lehrerin, die auf dem Foto der New York Times mit anderen Frauen zu sehen ist, wie sie mit Gewehren in den Händen darauf warten, als freiwillige Soldatinnen eingesetzt zu werden?
Die deutsche Außenministerin richtet starke Worte an den russischen Außenminister. Respekt! Aber wie kann es sein, dass sie vor den Vereinten Nationen erneut betonte, sie gehöre einer Generation an, die in Frieden aufgewachsen ist? Wo es doch ihr Parteikollege Joschka Fischer war, der vorstellbar gemacht hat, dass die Grünen Kriegspartei werden können. Muss der Satz, das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit, seit Putins Invasion ergänzt werden: Das erste Opfer des Krieges ist der Balkan, der nicht zählt?
Immer, wenn es in diesen Tagen heißt: „eine historische Entscheidung“, gucken sich in Bosnien zwei Nachbarn an und sagen: Endlich handelt der Westen. Wenn die serbische Politik in Bosnien gerade ein und dasselbe Bedrohungsszenario wie Putin inszeniert, gucken wir dann so lange zu, bis es heißt: Wir haben zu lange weggeguckt?
So viele Berichte. So viele Fragen.
Leser*innenkommentare
Kahnt Karl-Heinz
Liebe Frau Doris Akrap: Ich stimme Ihnen vollkommen zu: "Deutschland hätte den Krieg verhindern können" - wenn man auch die SICHERHEITSINTERESSEN Russlands ernstgenommen hätte. Aber man hat sie lieber ignoriert. Aber was wäre im SCHLIMMSTEN Fall wohl geschehen, wenn man die NATO-Osterweiterung nicht so weit vorangetrieben hätte? Nun, ich vermute: "Nur" das - was wir AKTUELL konkret haben. Oder was könnte noch schlimmer sein als dieser unnötige vermeidbare unsinnige Krieg?
Als die "Russen" seinerzeit WEGEN der Raketen in der Türkei kurz und bündig Raketen auf Kuba stationierten - stand die Welt vorm Dritten Weltkrieg. Zehn Tage lang liefen die Bemühungen, das Ganze zu deeskalieren. Die Amis zogen schließlich ihre Raketen wieder ab - und die Russen die ihren. Die Amis still und heimlich, um als Sieger dazustehen. Und die Russen ganz offiziell. - Wer in Geschichte aufgepasst hat, weiß das. Und auch die Russen können ihre Geschichte NICHT vergessen: „Während des Ersten Weltkriegs unterstützte das Deutsche Reich die Separationsbemühungen der Ukrainer als KRIEGSMITTEL zur SCHWÄCHUNG Russlands." Das war und ist NICHT NUR russische Einbildung - sondern geschichtliche Tatsache. Ein Schelm, der Arges dabei denkt ...
Aber wen interessiert das? Wo es doch viel einfacher ist, einen Bösewicht zu kreieren, der an allem Schuld. Hauptsache wir sind es nicht ...
Die Entwicklung im Osten, die einst so gut anlief, war das letzte Jahrzehnt ein einziges Fiasko. Der Russe, der seinerzeit die Hand ausstreckte und dem gerade wir Deutschen zu danken haben - wurde immer wieder in den Arsch getreten. - Ich weiß, solche Worte werden nicht gern gehört. Sie bleiben dennoch wahr ...
Ansonsten aber: Putin unterscheidet sich kein Stück von anderen Machtpolitikern. Und in der Politik geht es für Politiker eben leider immer nur um Macht und nicht um das Wohl der Menschen, die sich derartiges zwar gern einbilden, aber damit regelmäßig im Irrtum sind. Leider ...
Nun sind die Pazifisten schuld. Echt?
Rudolf Fissner
Worum ging es jetzt? Das sch Frau Baerbock angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine zu wenig mit Bosnien beschäftigt?
Und wo ist der Balkan nun das Opfer?
Irgendwie wirr der Artikel.
Sarg Kuss Möder
Sorry, Frau Akrap. Eine ellenlange Liste Ihrer Verdienste, aber kein müdes Wörtchen zu Angela Merkel, die von den Mitverantwortlichen des jezigen zigtausendfachen Leidens die Hauptverantwortliche ist. Auch die Medien, auch die taz, haben überwiegend versagt, da sie die letzte Regierung, die 194 Monate (in Worten einhundertvierundneunzig) im Amt war, nicht korrekt, konsequent und kenntnisreich kritisiert haben. Baerbock is nicht einmal 100 Tage im Amt und hat von der Vorgängerregierung übelste Hypotheken übernehmen müssen. Dann mal ein bisschen halblang, das ist das Gebot der Stunde, und: Merkel gehört noch zur Rechschaft gezogen. Lesen Sie mal Stephan Hebel: "Mutter Blamage und die Brandstifter"
Mustardmaster
@Sarg Kuss Möder "Auch die Medien, auch die taz, haben überwiegend versagt, da sie die letzte Regierung, die 194 Monate (in Worten einhundertvierundneunzig) im Amt war, nicht korrekt, konsequent und kenntnisreich kritisiert haben."
Die letzte Regierung war vom 14. März 2018 bis 26. Oktober 2021, im Amt,geschäftsführend bis 8. Dezember 2021.Eine Regierung ist mehr als nur der Bundeskanzler de.wikipedia.org/w...%80%932021:_Merkel
"Baerbock is nicht einmal 100 Tage im Amt und hat von der Vorgängerregierung übelste Hypotheken übernehmen müssen."
Die Kritikpunkte von Frau Akrap ,haben aber nichts mit Baerböckchens Vorgängern zu tun.
Zudem ist es so das man in dem Job eben Stellvertreter Deutschland ist und nach außen eben auch die Hypotheken der Vorgänger übernimmt. Man übernimmt ja so einiges an Vereinbarungen und Verträgen mit anderen Regierungen und kann meist nicht einfach sagen :"Das gilt nicht mehr,das haben wir nicht unterschrieben."
Die Verträge gelten schließlich in der Regel zwischen Ländern,und nicht den sie unterschreibenden Personen.
Jalella
Diese Aussage hat mich schon bei Scholz gewundert. Er hat diese Stereotype von der Generation, die ohne Kriegserfahrung in Europa aufgewachsen sei, schon gebracht. Ich dachte auch "so jung sieht er gar nicht aus, dass er den Balkankrieg nicht erlebt hat".
Ich denke, es ist höchstens mit ungerechtfertigter Spitzfindigkeit zu erklären. Vermutlich hält man daran fest, dass der Balkankrieg ein Bürgerkieg war und der Ukrainekrieg jetzt ein Angriffskrieg ist. Ein ziemlich unbedeutender Unterschied für die Geflüchteten, die Toten, und die Bilder, die wir sehen.
rero
@Jalella Nein, es ist sogar ein ziemlich relevanter Unterschied.
Für die Geflüchteten und die Toten genauso wie für diejenigen, die von außen intervenieren wollen.
In einem Bürgerkrieg sind Täter und Opfer eben Nachbarn.
Man kennt sich ggf.
Auch wenn der Krieg vorbei ist, kann die Rückkehr schwierig sein.
Wenn die russische Armee sich wieder hinter die Grenze zurückzieht, können alle Ukrainerinnen zurückkehren.
Und die Bilder, die wir sehen, enthalten bisher keine Massenerschießungen.
Ähnliches gilt für die Intervention von außen.
Bei einem Angriffskrieg unterstützt man die Regierung des angegriffenen Staates ganz offiziell und Punkt.
Bei einem Bürgerkrieg sind Regierung und reguläre Armee eine Kriegspartei - und typischerweise (wie etwa Milosevic) nicht die nettere.
Das verkompliziert eine Intervention ungemein.
In der Weltpolitik wäre es eindeutig ein Fortschritt, wenn es keine interstaatliche Angriffskriege mehr gäbe, auch wenn es die Bürgerkriege nicht weniger blutig macht
CrushedIce
"Woher wissen diese Menschen, dass ein Swift-Ausschluss Russlands und das Einfrieren russischer Konten vor Putins Invasion keine Konsequenzen gehabt hätten?"
Sicher sagen kann das natürlich niemand. Aber ich glaube Putin hätte das eher als Grund für den Angriff genutzt.
Nach dem Motto "seht, der Westen hat sich gegen uns verschworen, nun haben wir eh nichts mehr zu verlieren und müssen die Sowjetunion wieder aufbauen"...
Dass er sich einfach zurückgezogen hätte kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
95309 (Profil gelöscht)
Gast
Mich hat der Artikel völlig ratlos zurückgelassen....
snowgoose
@95309 (Profil gelöscht) Mich auch!
rero
@95309 (Profil gelöscht) Mich lassen die meisten Artikel von Frau Akrap ratlos zurück.
Marcus Frank
@95309 (Profil gelöscht) Die Alternative ist im Moment, die Ukraine einfach Russland zu schenken. Putin hat doch demonstriert, dass er an Diplomatie un Verhandlungen kein Interesse hat.
Rolf B.
Warum kommt hier niemand auf die Idee, danach zu fragen, ob es für die Menschen in der Ukraine Möglichkeiten gibt, andere Lösungen zu finden als die, sich abschlachten zu lassen.
Wer hier aus der bequemen Wohlfühlecke mit ziemlich wirren Worten Militarismus als quasi alternativlos darstellt, kann sich ja in der Ukraine als Freiwillige melden. Es wird noch nicht einmal der Versuch unternommen, die Bedingungen für eine andere Lösung zu klären.
Ich habe noch keine sachliche Begründung dafür gelesen, dass ein Widerstand bis zum "letzten Mann" gegen eine militärische Übermacht eine gute Lösung wäre.
Lieblich
@Rolf B. Ich suche auch noch die Begründung. Zwei Gedanken: 1. UA kapituliert. RU hat nicht das Personal, UA zu besetzen und verwalten. Ggf. Generalstreik mit Forderung nach Wahlen und Abzug. Intern. Sanktionen bleiben bestehen, bis RU abzieht und Wiederaufbau bezahlt. 2. UA kämpft weiter, zehntausende Soldaten und Hunderttausende Zivilisten sterben und werden verkrüppelt. Wozu? RU ist militärisch überlegen. Hoffen wir, dass Putin dann eher verhandelt, gestürzt wird? Dass wir die Sanktionen früher beenden können?
Grisch
@Rolf B. "Warum kommt hier niemand auf die Idee..."
für solche zersetzenden Gedanken haben wir doch putins Trolle im Forum, die da immerwieder drauf hinweisen.
Die Ukrainer haben sich für den Kampf entschieden. Freiheitsliebe und Patriotismus sind eben starke Gefühle - und Gefühle sind stärker als rationale Abwägungen aus der warmen Stube heraus.
Und bezüglich der Übermacht (rational auf dem Papier vielleicht richtig) bin ich mir gar nicht mehr so sicher...
Die Russen scheinen ein Motivationsproblem zu haben - kein Wunder, werden sie doch von Putin hinters Licht geführt und sollen auf Ihre Brüder schießen.
Ob moderne Technik tatsächlich 20 Millionen kampffähige entschlossene UkrainerInnen aufhalten wird bleibt abzuwarten...
Freiheit für Ukraine und Russland !
Nieder mit Putin!
Ingo Bernable
@Rolf B. "Warum kommt hier niemand auf die Idee, danach zu fragen, ob es für die Menschen in der Ukraine Möglichkeiten gibt, andere Lösungen zu finden"
Vermutlich weil den meisten klar ist, dass die Alternative zum Kampf die Kapitulation wäre. Putin hat nun wirklich oft genug klar gemacht, dass er aus der Geschichte - in seiner höchst eigenen Interpretation - einen russischen Anspruch auf die Ukraine und auch Belarus ableitet und nun auch umsetzen will. Wie also sollte eine andere Lösung aussehen? Eine freiwillige Umwandlung der Ukraine in eine russische Provinz und das Angebot an die Ukrainer*innen ob sie lieber als russische Bürger*innen (vermutlich zweiter Klasse) leben oder den Weg in die westliche Diaspora antreten wollen?
Lowandorder
@Rolf B. anschließe mich - bis hin zu einzelnen Autoren - unterirdisch.
&
Parlamentarismus - wird gleich mitgeschrottet.
Was GazPromGerd einst Münte - ist dem hamburger OS-Quidje Oil of Olaf I. - 🙈🙉 - aus betuchtem Haus - das Arbeiterkind Mützenich.
& Däh!=>
“ Rolf Mützenich erfuhr von dem Plan, gemeinsam mit der Union per Grundgesetzänderung und Sondervermögen 100 Milliarden Euro lockerzumachen, erst kurz vor Scholz’ Regierungserklärung.“ Ach was! Loriot©
“Scholz habe mit einer emotionalen Rede und einer Art Regierungserklärung nach innen die Fraktion mitgenommen, heißt es lobend.“ Nich to glöben! 🍡🍥
Der Führer der Exekutive - vulgo Kanzler spricht! Und der parlamentarische Teil der SPezialDemokratie - & hier irrt Carl Der Führer schützt das Recht“ Schmitt - wird nicht etwa zur “Quasselbude“!
Nö. Schweigt - angesichts einer 180-Grad-Wendung & hält die SCHNAUZE •
“Der Aufstand in der SPD-Fraktion, der sich am Montag zart angedeutet hatte, bleibt aus.“ Wen wundert‘s Aftermieter.
“So erscheint die Rückkehr des Basta-Kanzler-Politikstils als Kollateraleffekt des Krieges.“
kurz - Wer wollte widersprechen - wa!
unterm—— Zitate =>
taz.de/Ampel-Koali...ne-Krieg/!5836933/
& Carl Schmitt
www.flechsig.biz/DJZ34_CS.pdf
guzman
Flüchten, desertieren oder kapitulieren ist in jedem Fall besser, als tot sein oder andere töten.
rero
@guzman Das kommt darauf an, was sie nach der Kapitulation erwartet.
Die Gretchenfrage ist: "Nie wieder Krieg." oder "Nie wieder Faschismus."
Sie sind für "Nie wieder Krieg."
Viele Ukrainer scheinen sich eher für die Alternative entschieden zu haben.
Axel Foley
@rero Ok, was ist denn Ihre Definition von Faschismus? Anscheinend haben Sie ‘ne eigene.
Wenn ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg für Sie Faschismus bedeutet, dann heißts wohl: Houston we have a problem!
rero
@Axel Foley Ich persönlich mag die Definition von Umberto Eco in „Der ewige Faschismus“. Sie ist relativ handfest und umfasst 14 Merkmale.
Ein faschistisches Regime bleibt nach Meinung Ecos auch dann noch als faschistisch erkennbar, wenn man ein oder mehrere Merkmale abzieht.
Schauen Sie sich dazu Putins Äußerungen und seine Innenpolitik an.
Erstaunlich viele Merkmale werden von Putin erfüllt.
Grisch
@guzman Das gilt natürlich auch für die russischen Soldaten, falls sie dabei nicht erwischt werden...
05989 (Profil gelöscht)
Gast
Die Fragen kann man stellen, aber die suggerierten Antworten halte ich für falsch: Nach der Krim-Sezession ist Russland mit verschiedenen Sanktionen belegt worden, inbesondere ist Russland aus allen Gremien rausgeworfen worden, in denen internationale Diplomatie betrieben wurde wie etwa aus dem NATO-Russlandrat.
Zum Thema Annektion-Sezession: Es sieht wie eine Annektion aus, wenn man dem ukrainischen Narrativ folgt. Das spart aber aus, das der "Rechte Sektor", der auch wesentlicher Bestandteil der Maidan-Bewegung war, regelrecht Jagd auf alles gemacht hat, was ihm russisch aussah.
Das russische Narrativ hat das nicht vergessen und ordnet OUN, KUN und rechten Sektor nach wie vor - und nicht zu unrecht - dem deutschen Überfall von 1941/42 und der Kollaboration mit den Nazis zu.
Die Sanktionen waren nicht nur unangenehm für Russland und haben die eventuell notwendigen Gespräche blockiert, sie haben die Russen der Ukraine in ihrem existenziellen Widerstand gegen die ultrarechten Bewegungen isoliert und alleine gelassen. Zumal die offizielle Ukraine sich nie von diesen Vorgängen distanziert hat und stattdessen die OUN als Freiheitskämpfer geehrt hat.
Wer also heute so tut, als hätte man mit Isolation und Strafe den Krieg verhindern können, dem sage ich, dass Isolation und Strafe ein Grund für diesen Krieg ist - natürlich neben anderen.
Ingo Bernable
@05989 (Profil gelöscht) Das putinsche Narrativ von der "Entnazifizierung".
Die Euromaidan-Proteste waren zunächst mal pro-europäisch und gegen die grassierende Korruption gerichtet. Das lässt sich wohl kaum politisch rechts verorten. Richtig ist, dass dabei auch Rechtsradikale mitgemischt haben. Das ist unschön aber mE irrelevant, weil deren Linie eben nicht die Linien der ukrainischen Politik oder Regierung Selenski bestimmt. Andern falls wäre allein die Existenz von Gruppen wie der AfD, die mehr als dreimal soviele Mitglieder hat wie der "Rechte Sektor" in der Ukraine ebenfalls eine ausreichende Rechtfertigung für eine Infasion und Entnazifizierung.
"dem sage ich, dass Isolation und Strafe ein Grund für diesen Krieg ist"
Nur waren die nach der Annexion, nicht Sezession, der Krim verhängten Sanktionen in erschreckend großem Umfang bereits wieder aufgehoben, es gab nur ein paar Jahre nach diesem völkerrechtswidrigen Schritt des Putin-Regimes schon wieder Bestrebungen das G7 Format um Russland zu erweitern, etc, etc, ... Dann kam Putins Invasion und dann erst neue Sanktionen.
Hinkelstein
Nee, ich kann es nicht verstehen. Komische Fragen haben Sie im Kopf in so einer Situation. Beispielhaft für die Taz, möchte ich aber sagen. Egal wie außergewöhnlich die Lage, sie muß zwanghaft immer durch das Brennglas des eigenen Spezialthemas betrachtet werden. Krieg, Millionen Flüchtlinge, Zwangsrekrutierung und Ausreiseverbot für Männer - aber Doris Akrap wünscht sich eine feministischere Außenpolitik.
164 (Profil gelöscht)
Gast
An "Warum Mia und nicht Julia, die weinende Lehrerin, die auf dem Foto der New York Times mit anderen Frauen zu sehen ist, wie sie mit Gewehren in den Händen darauf warten, als freiwillige Soldatinnen eingesetzt zu werden?" anschließend: warum verliert in der taz eigentlich niemand ein Wort darüber, dass Männern in der Ukraine offenbar gerade das Recht vor dem Krieg zu fliehen abgesprochen wird, nur weil sie Männer unter 60 (?) sind? Ist das nicht eine systematische Menschenrechtsverletzung aufgrund des Geschlechts?
Ingo Bernable
@164 (Profil gelöscht) Sieht hierhzlande aber auch nicht viel anders aus. GG Art 12a:
(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.
(4) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen [...] nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen [...] zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden.
Francesco
@Ingo Bernable "Die Euromaidan-Proteste waren zunächst mal pro-europäisch"
Und was genau ist "pro-europäisch"? Wir wollen in die Nato? Wir wollen in die EU?
Das ist doch eine Worthülse.
Oder meint es: Wir wollen die Verbindungen zu Russland kappen?
Francesco
@Ingo Bernable Bei uns gibt es aber immer noch das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern.
Yvvvonnne
@164 (Profil gelöscht) Das ist nicht mit den "Werten Europas", zu denen die Gleichberechtigung der Geschlechter gehört, vereinbar. Es ist merkwürdig, daß diese tödliche Ungerechtigkeit bislang von keiner Zeitung (soweit ich weiß) aufgegriffen wurde, bzw. nur in Bezug auf Queers (taz.de/Queeres-Leb...Ukraine/!5835648/).
Strolch
Für mich fallen die Vorwürfe im Text und vieler Kommentare stark in die Kategorie: Hinterher ist man immer klüger. Wenn man so genau wüsste, was passiert - wie es hier viele behaupten - frage ich mich, weshalb diese Personen nicht alle reich sind, da sie ja dann viel Geld an den Börsen verdienen konnten. Vermutlich liegt das daran, dass man sich doch nicht so sicher war.
Leningrad
@Strolch Ganz meine Meinung.
MatthiasSo
Wegen Bosnien... nach der Ukraine-Invasion wurden die EUFOR-Truppen in Bosnien-Herzegowina von 600 auf 1100 fast verdoppelt und die Franzosen absolvieren mit Rafale-Kampflugzeugen ihres Flugzeugträgers Charles de Gaulle "Übungsflüge" über Bosnien: www.reuters.com/wo...bosnia-2022-03-05/
Also irgendwer scheint da schon eine aktuelle Bedrohung Bosniens zu sehen und ist um Abschreckung bemüht. Was sind das für Zeiten, in denen man sich über Säbelrasseln freuen muss :(
Kappert Joachim
Remarque hat Recht!
Nansen
"Die Aussage des ukrainischen UN-Botschafters, Deutschland hätte den Krieg verhindern können, wird vom Bundeskanzler bis hin zu Pazifist*innen von sich gewiesen. Woher wissen diese Menschen, dass ein Swift-Ausschluss Russlands und das Einfrieren russischer Konten vor Putins Invasion keine Konsequenzen gehabt hätten?"
Der Kommentar wirkt etwas wirr. Was soll eigentlich neuerdings dieses Pazifismusbashing?
Pazifisten und den Kanzler in einen Topf zu werfen, finde ich reichlich gewagt. Als wenn es die Pazifisten wären, die Kriege anzetteln. Hat Pazifismus den Swiftausschluss verhindert? Ja wohl nicht!
"Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg. Bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hin müssen."
Erich Maria Remarque.
Rinaldo
@Nansen 1936: Spanischer Bürgerkrieg: der franz. Sozialist Leon Bloum verweigert Waffen an die spanische Republik, dann Sieg des Faschismus
1938: Münchner Abkommen, dann WW2
1992-95: Bosnien, Waffenembargo des Westens , dann Srebrenica
2010-2015: Syrien, Westen unterstützt nicht die FSA, bis Putin kommt , dann 10 Millionen Flüchtlinge, 500.000 Tote, Assad
2014/-heute: Ukraine: lwegschauen des Westens angesichts der Krim Annektion und Destabilisierung im Donbas, dann Überfall auf die Ukraine
Axel Foley
@Rinaldo Was denn für ein Waffenembargo 1992 in B? Sie sind ja extrem schlecht informiert! Das gab es vielleicht mal auf dem Papier. In Wirklichkeit wurden durchgehend Waffen geliefert: USA, Iran, Russland, Deutschland (aus DDR-Beständen). Na so ein Zufall...schau mal einer an!
So zu tun als wenn Waffenlieferungen Kriege verhindern würden ist das allerletzte.
Nansen
@Rinaldo Und da hier der spanische Bürgerkrieg genannt wurde, gleich noch einen Beteiligen zitiert:
„All der Krieg, die Propaganda, all das Geschrei, die Lügen und der Hass kommen immer nur von Leuten, die nicht kämpfen müssen.“
George Orwell
Und nebenbei finde ich es recht billig ausgerechnet Pazifismus dafür verantwortlich zu machen, dass der Faschist Franco an die Macht kam.
Suchender
@Nansen Ach das stimmt doch auch nicht, schließlich war Hitler Gefreiter im ersten Weltkrieg und viele seiner Wegbereiter haben die Schrecken diese Krieges hautnah erlebt.
Nansen
@Rinaldo Soll wohl mit anderen Worten heißen: ohne Pazifismus wäre die Welt eine bessere?
Ingo Bernable
@Nansen Das soll heißen, dass Pazifismus eine schöne und löbliche Position ist wenn die Umstände es hergeben. Wenn aber schon Krieg herrscht ist Wegschauen und Untätigkeit eben kein Pazifismus, sondern unterlassene Hilfeleistung, die schon zu oft dazu geführt hat, dass aus Kriegen Kriegsverbrechen wurden.
Nansen
@Ingo Bernable Kriege kommen ohne Kriegsverbrechen doch gar nicht aus. Beides gehört zusammen. Oder gibt es da Gegenbeispiele?
Wegschauen und Untätigkeit ist eben kein Pazifismus.
"Unter Pazifismus versteht man im weitesten Sinne eine ethische Grundhaltung, die den Krieg prinzipiell ablehnt und danach strebt, bewaffnete Konflikte zu vermeiden, zu verhindern und die Bedingungen für dauerhaften Frieden zu schaffen..." Wikipedia Wie ich finde, eine gute Erläuterung.
Will heißen, dass Pazifismus nicht nur eine "löbliche Position", die sich Müsliklaus leisten kann, weil Rambo für ihn jovial die Welt freiballert.
Evelyn Schwirkus
...wie bei Corona schon ein Brennglas...
alle Entscheidungen, die jetzt als Schnellschuss ( was für ein Wort...) getroffen wurden, müssen nochmal unters Brennglas.. später und:
wir müssen lernen mehr Ambiguitäten auszuhalten, denn dort sind die Freiräume zum richtigen Handeln:
- radikale ( sprich ein radikales Mehr) Entwaffnung
- radikaler Feminismus in Politik: nicht nur die 50 % Quote, sondern z.B. für 10 Jahre 75%
- radikale Klimakatastrohen-verhinderung
- radikale Begrenzung des Geldeigentumes
etc.etc.
radikale Systemveränderungen müssen gedacht werden und besser veröffentlicht werden, auch die Wissenschaft muss sich darum kümmern, besser gehört zu werden.
etc. etc.
Mit Mut für diejenigen, die das Böse im Menschen einhegen wollen und für unsere gute Erde- für kein Vaterland dieser Welt
Andi S
Einfach gesagt: Weil nicht alles immer gleichwichtig erachtet wird? Weil ein universeller gleichwertiger Moralismus einfach nicht durchzuhalten ist?
nutzer
In der serbischen Teilrepublik von Bosnien Herzegowina braut sich gerade etwas zusammen. Etwas was mit frommen Wünschen nicht wieder verschwinden wird.
Agnes Friedrich
meine Antwort: Weil "übersehen" geld spart, aber auch der Blick auf nur EINE Gruppierung. Wir gehören alle zusammen- in Einsparungszeiten beim Humanismus und Ausgabezeiten bei Waffen ist es imo falsch, immer EINE Gruppe herauszugreifen. Diese Diskussion verzögert im Populismus schnelle entscheidungen, und er benachteiligt im gleichen Zug Andere- Kinder, Ausländer etc.pp.
90946 (Profil gelöscht)
Gast
Ja, diese Fragen stelle ich mir auch. Und noch viele mehr, nur zwei zum Beispiel:
Frieren, hungern, leiden Geflüchtete am belorusisch-polnischen Gernzaun irgendwie weniger mitleiderregend als die in ukrainischen Städten Eingeschlossenen?
Oder wie ist es möglich, dass hierzulande lebende Russen für Putins Aggression verantwortlich gemacht und ausgegrenzt werden?
warum_denkt_keiner_nach?
@90946 (Profil gelöscht) "Frieren, hungern, leiden Geflüchtete am belorusisch-polnischen Gernzaun irgendwie weniger mitleiderregend als die in ukrainischen Städten Eingeschlossenen?"
Das sind die politisch falschen Geflüchteten.
Michael Myers
Doris Akrap stellt die richtigen Fragen. Noch eine: Wieso wurde Wladimir Putin im Jahr 2000 mit standing ovations im Bundestag bejubelt, obwohl zeitgleich seine Armee Tschetschenien in Schutt und Asche gelegt hatte so wie es jetzt in der Ukraine passiert? Es gab Berichte über schwerste Kriegsverbrechen, Massaker, Vergewaltigungen, Plünderungen im Kaukasus. Der deutsche Bundestag konnte sich vor Entzückung kaum einbekommen wegen Putins guten Deutschkenntnissen bei seiner Rede im Bundestag. Der französische Philosoph André Glucksmann schrieb nach seiner Reise nach Tschetschenien zu jener Zeit: "In Tschetschenien erleben wir die Geburt des gefährlichsten Schurkenstaats des 21. Jahrhunderts." Es war damals schon glasklar, wer Wladimir Putin ist, nämlich kein lupenreiner Demokrat wie der damalige Kanzler urteilte. Die Antwort der deutschen Politik auf diese Bedrohung seit damals: Handel ausbauen, Waffen verkaufen, gemeinsame Militärmanöver, Pipelines bauen, Geld in die Kasse des gefährlichsten Diktators des 21. Jahrhunderts spülen. Die Dummheit deutscher Regierungen in Sachen Russlandpolitik ist erschütternd. Soll niemand glauben, dass diese Personen innerhalb einer Woche wirklich schlau geworden wären. Sie beugen sich internationalem Druck, das ist Alles. Einer der notorischsten Verbündeten Putins wohnt übrigens im Schloss Bellevue. Die Namen Steinmeier, Schröder, Platzeck, Schwesig, Gabriel sind wohl immer noch wie Musik in Putins Ohren.
Yvvvonnne
@Michael Myers Gibt es nach 2017 noch Belege für eine Nähe zwischen Steinmeier und Putin? Ich vermute, der damalige Besuch in Moskau hat Steinmeier die Augen geöffnet, oder nicht?
Sebastian Laukötter
@Michael Myers Da haben sie wohl Recht.
Domi Martin
@Michael Myers So siehts aus. Deutschland hat als allerletztes Land den Sanktionen zugestimmt, war mal wieder der große Bremser. Wenns nach D gegangen wär, kommt die Swift Sanktion als Annexion der gesamten Ukraine, wenn überhaupt. Zum Glück gibt es noch mutigere Länder.
rero
@Michael Myers Wieso?
Weil er damals gesagt hat, was die Menschen hierzulande hören wollten.
Er triggerte ihre Wünsche und Sehnsüchte.
Deshalb ist die Argumentation ja absurd, man hätte nur netter zu ihm sein und seinen Wünschen mehr nachkommen müssen, dann hätte es diesen Krieg nicht gegeben.
Was Sie hier so negativ schildern (Handel, Pipeline, gemeinsame Manöver, ...), war der Versuch, ihn einzubinden.
Allerdings ist hinterher jeder schlauer.
Leningrad
Prinzipiell meines Erachtens richtige Fragestellungen, aber jetzt geht es in erster Linie um den Überfall von Putin-Russland auf die Ukraine. Rhetorische Fragen kann man dann ja stellen, wenn es hoffentlich ganz schnell vorbei ist. Richtiger Artikel zur falschen Zeit.
StefanMaria
Ja - ganz treffend geschrieben. Aber nicht nur die politisch Verantwortlichen sollten mehr Verantwortung übernehmen, sondern auch die Verbindungen zur
Wirtschaft sollten deutlich genannt werden und die Menschen und Firmen,die viel verdient hatten - und immer noch verdienen. Ist es im21. Jahrhundert verwerflich,am Krieg in der Ukraine Geld zu verdienen?