Der ADAC und die Benzinbübchen: Billiges Jammern beim Spritpreis

Wer glaubt, Autofahren sei noch nie so teuer gewesen wie heute, ist auf Fake News reingefallen oder schlecht in Mathe. Unser Autor kann rechnen.

Zapfschläuche an einer Tankstelle

Benzinbübchenrechnungen: Der Spritpreis ist keineswegs auf einem Rekordlevel Foto: imago

Der Mann schaute mich betrübt an. Wir waren bei dieser Party zufällig am selben Tisch gelandet, und er erzählte, wie schlecht die Geschäfte seines Unternehmens liefen: Corona, Brexit und so. „Und dann steht auch noch beim Benzin eine 6 hinter der 1“, sagte er deprimiert. Der Mann hat einen mittelständischen Betrieb, ein riesiges Haus und zwei Autos vor der Tür. Aber wenn der Spritpreis die 1,60 Euro überschreitet, dann hat er den Blues.

Ich ging einfach noch mal zum Buffet. Sonst hätte ich ihm sagen müssen, dass ich hohe Spritpreise eigentlich völlig richtig finde. Und dass auch 1,60 Euro noch vergleichsweise billig ist, weil der Preis vor allem aus Beschaffung und Steuern besteht. Wollte man den ökologischen Schaden ausgleichen, müsste man noch mal etwa 50 Cent draufschlagen.

Zum Draufschlagen sind gerade auch Überschriften wie „Benzin und Diesel so teuer wie nie!“. Überall drohen Grafiken, auf denen der Spritpreis aufwärtsklettert wie sonst nur die CO2-Emissionskurve. Der ADAC zeigt Listen, wie die Kosten des Sprits seit 1950 gestiegen sind.

Achtung, Fake News! Das sind keine Milchmädchen-, sondern Benzinbübchenrechnungen. Schnell lässt sich nachweisen, dass die momentanen Preise ohne die Inflation (huh, das andere Schreckgespenst!) „keineswegs außergewöhnlich hoch sind“, wie ein Wirtschafts- und Energieforscher twittert. Auf einer Preisbasis von 2002 war 2010 bis 2013 und 2005 bis 2007 der Sprit real teurer als bei den heutigen angeblichen „Rekordpreisen“.

Hallo, ADAC!

Dazu kommt: Die Luft zu verpesten ist (hallo, ADAC!) real in den letzten 50 Jahren billiger geworden. Wenn man berechnet, wie lange jemand für einen Liter Benzin arbeiten musste, heißt das Ergebnis: 1972 waren es 4,91 Minuten, heute sind es 4,25 Minuten. Das hat das Statistische Bundesamt dokumentiert, aber wir gruseln uns lieber vor der Benzin-Abzocke von Staat, Ölmultis und CO2-Preis. Und dann rechne man noch hinzu, dass die Autos seit den 1970ern etwa ein Drittel weniger pro Kilometer schlucken. Fazit: Trotz der SUV-Monster fahren wir billiger, auch wenn es für die Allgemeinheit teurer wird.

Unglaublich: Seit ich auf dieser Welt bin, ist das Autofahren immer billiger geworden. Dem Autofahrer, der angeblichen „Melkkuh der Nation“, werden in Wirklichkeit die Subventionen vorn und hinten in den Auspuff gestopft.

Noch unglaublicher: Als Gegenleistung für viel Geld und Liebe haben sich die deutschen AutofahrerInnen am Gemeinschaftswerk Klimaschutz exakt überhaupt nicht beteiligt. Nichts leisten, der Gesellschaft auf der Tasche liegen und die Gemeingüter verhunzen, das ist ihre Bilanz. Da können sie mich doch wenigstens mit ihrem Gejammer verschonen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.