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Debatten über extreme WärmeDie Hitzediktatur

Die nächste deutsche Gesundheitskrise steht an. Sie dürfte der Coronapandemie ziemlich ähneln, zumindest was die politischen Diskussionen angeht.

Hitze im März in Barcelona – bald auch in Deutschland? Foto: Marc Asensio/imago

Hitze ist tödlich. Dieses Jahr sollen schon 640 Menschen in Deutschland an der anhaltenden Hitze gestorben sein, schätzt das Robert-Koch-Institut. Und auch von spanischen For­sche­r:in­nen gibt es Zahlen: Im Sommer 2022 sind rund 8.200 Menschen in Deutschland an Hitze gestorben. Herausgefunden haben die Epi­de­mio­lo­g:in­nen das, indem sie die Todeszahlen in heißen Wochen mit vergleichbaren Wochen anderer Jahre verglichen haben, das Ergebnis ist die sogenannte Übersterblichkeit durch Hitze. „RKI“, „Übersterblichkeit“, „Epidemiolog:innen“ und die Vermeldung von Todeszahlen – alles weckt unangenehme Erinnerungen an längst verdrängte Coronajahre.

Die schlechte Nachricht: Die Todeszahlen werden sogar steigen – von europaweit aktuell rund 60.000 Hitzetoten pro Sommer auf 94.000 Todesfälle bis 2040 und laut spanischen For­sche­r:in­nen deutlich über 120.000 Toten bis 2050, der Klimawandel fordert seinen Tribut. Auch wenn es dieses Mal keine Pandemiewelle ist, die auf die deutsche Gesellschaft zurollt, sondern eine Hitzewelle – wir sind gewappnet! Zumindest verbal, denn die Debatten, die uns alle erwarten, dürften ähnlich ablaufen wie jene zur Coronapandemie.

Vor allem Menschen mit Vorerkrankungen oder ältere Personen werden unter den hohen Temperaturen leiden – und sterben. Wie auch zu Coronazeiten werden Einschränkungen notwendig werden, wenn wir die Schwächsten vor dem Hitzetod bewahren wollen. Nicht indem wir das Haus nicht mehr verlassen oder Maske tragen, sondern indem wir die Wirtschaft an CO2-Budgets fesseln, die Regierung beschließt, unsere Heizungen austauschen zu lassen, und wir alle weniger verkonsumieren.

Und das sind sie: die Zutaten für eine aufgeregte Diskussion à la Coronapandemie. Wer erinnert sich noch an die Aussage von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer: „Wir retten möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“ Irgendeine Person, die seine Rolle diesmal übernimmt, wird sich finden, und sie wird sagen: Ob Opa nun im Sommer stirbt oder doch erst kurz vor Weihnachten, ist das nicht egal, wo sein Herz doch eh schon so schwach gewesen ist?

Politikstil je nach Wetterlage

Vielleicht werden die ein oder anderen ja auch die „Hitzediktatur“ anprangern in Anlehnung an die angebliche „Ökodiktatur“, wenn ihnen angesichts der notwendigen CO2-Einschränkungen das Tempolimit aufgedrückt und der Fleischkonsum verteuert wird. Denn wieso sollte ich mich einschränken, wenn ich es mir doch gesundheitlich und finanziell leisten kann?

Selbst das TV-Programm ist schon erprobt, man braucht sich nur Talkshows wie die von Markus Lanz vorzustellen: Da sitzt dann ein Hitzeexperte – das Pendant zu den Co­ro­na­vi­ro­lo­g:in­nen – und plädiert für Kälteräume, die man präventiv einrichten müsse, während die Klimawissenschaftlerin – wie die Pan­de­mie­for­sche­r:in­nen von einst – bereits vor den kommenden Sommern mit ihren Hitze- und Todeswellen warnt und langfristige Maßnahmen fordert.

Der Politikstil von Markus Söder, der sich bei Corona erst zum Schützer der Alten und Schwachen aufschwang, nur um dann das Ende der Maßnahmen zu fordern, könnte wieder zu einer gut geölten Wahlkampfstrategie werden. Vielleicht ändert sich die Klimaschutzagenda der Lan­des­fürs­t:in­nen dann mit den Jahreszeiten, im Winter sterben schließlich deutlich weniger Menschen an Hitze. Und auch jene Personen, die die wirtschaftlichen Interessen gegen die Opfer der Hitzeepidemie ausspielen, werden vor den Kameras sitzen, nicht erkennend, dass eh niemand arbeiten kann, wenn die Bau­ar­bei­te­r:in­nen zu ihrem Schutz ein Bauverbot in der prallen Sonne auferlegt bekommen.

Die Gesellschaft hat die Debatten, die auf sie durch die Klima­krise zukommen, alle schon einmal durchgespielt. Die Blockadehaltung vieler gesellschaftlicher Gruppen beim Klimaschutz wird sich auch dann schwer ändern, wenn sie uns als ­Gesundheitskrise die Großeltern raubt. Dafür kennen wir die Strecke durch das Hamsterrad schon zu gut – auf geht es in die nächste Runde.

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37 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • also gut: alt zu werden und krank zu werden empfiehlt sich heutzutage nicht.



    wenn eines dann in hamburg wohnt, wo die kreuzfahrtschiffe zur luftverschmutzung soviel beitragen, wie dr gesamte HHer autoverkehr (ndr berichtete) - auswandern, folks.



    denn: auch HH ist von trockenheit +hitze betroffen. asthmatikerInnen (ich selbst gehöre dazu) sind schwerst betroffen, da die pollen bei trockenheit immer wieder durch wind aufgewirbelt werden +durch klimakatastrophe die pollenzeit sich eh ausgedehnt hat.



    kostenlose wasserspender kommen schöeppendst voran. obdachlose - o, pech gehabt.



    also alle auf nach helgoland? oder so??? oder hat jemand einen neuen planeten entdeckt?

  • Mein Beitrag wurde leider nicht veröffentlicht. Ich versuche es mal weniger pointiert, um der Netiquette zu genügen.

    Nein, ich glaube nicht, dass eine Pandemie, die im großen und ganzen 3 Jahre gedauert hat auch nur ansatzweise mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen vergleichbar ist. Denn diese Auswirkungen wirken voraussichtlich über Millionen Jahre. Wahrscheinlich länger, als es uns Menschen geben wird.

    Auch sind Maßnahmen gegen eine Pandemie recht kurzfristig wirksame Maßnahmen, im Gegensatz zur Reduktion von CO2-Emissionen, die im besten Fall in mehreren Jahren oder Jahrzehnten wirken.

    Weiter würde ich gerne anmerken, dass wir uns mit der im Artikel verbreiteten Denkweise eher keinen Gefallen tun. Und da besteht am ehesten eine Parallele zur Pandemie.

    Geht es in der Debatte um Wirksamkeit (die nur dann hoch ist, wenn alle mitmachen) oder darum "auf der richtigen Seite zu stehen".

    Wenn es in der Debatte am Ende ums Rechthaben geht, führt dies (ja, wie in der Pandemie) zur Polarisierung. Das bringt uns aber leider nicht weiter, da zu wenige mitmachen.

    • @Ringsle:

      Hier werden keineswegs beide Ereignisse nur wahllos miteinander verglichen. Die Debatte, welche im Artikel angesprochen wird, existiert schon, die Spaltung auch. Es gibt jetzt schon Menschen in sozialen Medien, die verbreiten, dass man sich den Empfehlungen (nicht raus gehen bei großer Hitze, viel trinken) widersetzen soll.



      Klima gäbe es nicht, nur Wetter, viel trinken ist Mumpitz und überhaupt will die Grünen-Diktaktur uns doch wieder nur was vorschreiben. Das Kind ist bereits im Brunnen ersoffen....

      • @AlexMasterP:

        ok, wer anfängt darüber zu debattieren, dass man bei Hitze viel trinken sollte, dem ist glaub ich nicht mehr wirklich zu helfen..



        Mit solchen Leuten würde ich auch nicht debattieren, ganz ehrlich, ich halte das für Trollerei...



        Durst kriegen auch die größten Schwurbler.

  • Leider ja. Sozialdarwinismus und Menschenverachtung bzw. ein menschenverachtendes an rassistische Dynamiken angelehntes Verhalten und Denken ist leider nur allzu verbreitet. Und da der Kapitalismus dieses Verhalten sowohl fördert als auch ohne dieses nicht existieren kann, wird die Politik nichts tun. Ich meine wie viele Menschen sind während Corona gestorben? Wie viele leiden noch heute? Wie viele junge, an Long COVID erkrankte Menschen werden nun durch diese Vorerkrankung besonders gefährdet sein? Eine Gesellschaft in der das Leben der Schwächsten nichts wert ist.... ich bin immer noch nicht über das Trauma dieser Erkenntnis hinweg... Und nun kommt schon bald das nächste Desaster...

    • @curiouscat:

      Dafür, dass der Kapitalismus so menschenverachtend sein soll, kann er aber eine großartige Bilanz in punkto Gesundheit, Armut, Wohlstand etc vorweisen. Selbst die wirksamen Covid-Impfstoffe gehen auf sein Konto.

      • @Jutta57:

        Das ist ja eine blasse Argumentation. Da wir im Kapitalismus leben, kann man alles als ein Erfolg des Kapitalismus hinstellen. Kann ja keiner beweisen, dass es ohne Kapitalismus nicht auch so sein könnte.

        Aber man kann beweisen, dass die Klimakatastrophe ein Produkt des Kapitalismus ist. Denn der braucht endloses Wachstum und das ist es, was uns diese Idiotische Raubwirtschaft gebracht hat, die einem noch den dritten SUV verkaufen will und weismacht, man müsse mindestens dreimal im Jahr eine Fernreise machen, weil man sonst quasi nicht gelebt hat.

    • @curiouscat:

      Desaster - ja.. leider.

      Aber am Ende entscheiden wir Menschen, jede*r Einzelne, was wir daraus machen.



      Also: Kopf hoch, Blick nach Vorne und die Herausforderung annehmen!

      Was nichts bringt: Debatten übers Rechthaben und die Verkommenheit der Menschen.

  • 6G
    653903 (Profil gelöscht)

    Stimme dem Autor völlig zu: Man darf wieder eine Debatte erwarten, in der ein Thema aus allen Lebenszusammenhängen gerissen wird und eine vermeintlich gutes Handeln postuliert wird. Eine ausgewogene Betrachtung von Nutzen und Schaden wird wieder untersagt werden - dann diese wäre unmoralisch. So werden dann ganz viele wissen, was zu tun ist, was moralisch ist.

  • Wir haben ja in Deutschland und Resteuropa immer noch deutlich mehr Kältetote als Hitzetote. Der Faktor ist in etwa 20:1. Bei Zunahme der Temperaturen haben wir etwas mehr Hitzetote bei allerdings deutlich weniger Kältetoten. Da kommt sogar ein Nettoplus am Ende bei rum laut einer Studie die ich gerade gelesen habe.

    • @Šarru-kīnu:

      Und was wollen sie uns damit mitteilen? Alles halb so wild?

      • @Andreas J:

        Ja. Bei uns in Mittel- und wahrscheinlich auch in Nordeuropa wird der Klimawandel vermutlich sehr lange nur halb so wild sein…und nein, das heißt _nicht_ dass wir uns zurücklehnen und gar nichts dagegen machen sollen.

        • @Saile:

          Jep - genau das!



          Der Klimawandel ist ein riesiges Problem - in den direkten Auswirkungen aber viel mehr für "die Anderen", vor allem im globalen Süden.



          Indirekt werden wir wohl vor allem von den "failed states" betroffen sein, also durch Klimaflüchtlinge.

          Die Gruppe, die bei uns am schlimmsten getroffen wird sind die Landwirte!

          Auch bin ich immer wieder überrascht, dass davon ausgegangen wird, dass wir keinen kalten Winter mehr hätten mit dem Klimawandel. Das Gegenteil könnte der Fall sein, wenn das Klima kontinentaler wird.

  • Ich finde, eine ganz andere Seite der Debatte fehlt und die würde auch viele mitnehmen: radikalen Arbeitsschutz bei Hitze! Momentan sind die "Behelfsmaßnahmen" eher mickrig, das Arbeitsrecht schwach. Bisschen Jalousie dran machen, Wasser und im krassesten Fall einen Ventilator aufstellen. Es sind halt bedingt durch die Klimakatastrophe nicht mehr nur ein paar Tage im Jahr über 30 Grad sondern ganze Wochen. Hitzefrei, Pausen etc. Wollen die Arbeitgeber*innen nicht aber man muss es ihnen abringen! Hitzeschutz ist Klassenkampf würde ich sagen - im Betrieb und auch außerhalb.

    • @RosaLux:

      eine gewerkschaft fordert für arbeiterInnen draußen vom arbeitgeber bezahlte sonnencreme.



      dumm nur, daß die sonnencremes krebsauslösend sein können. www.mopo.de/hambur...krebs-verursachen/

      klar, ist hitzeschutz klasssenkampf. bis jetzt kümmern sich die gewerkschaften gefühlt wenig darum, oder liegts mal wieder daran, das die herrschenden medien die medien der herrschenden sind + über eine breite gewerkschaftliche bewegung zm thema hitzeschutz nicht berichten?



      oder haben sie das thema verpennt, da spd-hörig?

    • @RosaLux:

      Tatsächlich gibt es sehr strenge Vorgaben im Arbeitsschutz was die Temperatur in Innenräumen betrifft.



      ASR A3.5 heißt die Arbeitsstättenregel, die die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung näher definiert.

      Das Problem ist (neben der absolut mangelhaften Kontrolle durch die Behörden, und daher häufigen Abweichungen) eher im Außenbereich zu sehen, denn dort gibt es KEINE rechtlichen Vorgaben, jenseits der durch den Arbeitgeber durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung.

      Getreu Ihrem Nick, sind es auch nicht die Büroleute, sondern die Arbeiter*innen, die von Hitze besonders betroffen sind. Die Gefährdung durch Hitze ist nämlich deutlich höher bei körperlicher Anstrengung!

  • Wie immer, beim jammern und sorgen sind wir ganz vorne! Nach Finanzen und Corona jetzt Hitze. danach dann Zeckenplage oder Rheinschiffahrt?



    Bei Kälte heizt man und zieht sich warm an, bei Hitze empfehle ich das Gegenteil. Diese Polemik zu jedem Thema bei uns ist schon bedenklich. Ich reise viel, auch beruflich, und in keinem Land erlebe ich diese Bedenkenträgerei in diesem Ausmass.

  • Ich denke in ein paar Jahren kann über diese Diskussion nur noch geschmunzelt werden: Wenn wirklich flächendeckend Wärmepumpen installiert werden (welche sinnigerweise natürlich auch umgekehrt als Klimaanlage kühlen können sollten!), können wir diese Thematik womöglich schon bald abhaken, denn im Sommer werden wir bei der momentanen Zubaurate an Photovoltaik so schnell keinen Energiemangel mehr haben. Wichtig ist halt dass Alten- & Pflegeheime sowie Seniorenwohnungen zuerst umgerüstet werden.

  • Wenn die Hitzetoten irgendwann auf dem Asphalt unserer Städte festbacken... bilden die dann eine "terroristische Vereinigung"?

    Frage für die CSU... äh, einen Freund... ach, egal.

    • @Der dreckich Katz:

      Geschmacklos und unsachlich.

      • @Normalo:

        Das sollten sie auch Söder, Springer und Konsorten rückmelden!

      • @Normalo:

        Geschmacklos und unsachlich und lustig.

        "Man lacht wenn es weh tut." Robert A. Heinlein.

  • Das mit den Maßnahmen wird einer von den Rechtskonservativen aufgeputschten Masse schwer zu vermitteln sein, denn das begrenzt ja nur langfristige Auswirkungen, eine meßbare kurzfristige Auswirkung wird sich nicht einstellen. Nötig ist es aber trotzdem.

  • Das große Problem hierbei ist, dass zB ein Tempolimit eben keinen unmittelbaren Effekt auf eine laufende Hitzewelle hat, anders als zB das allgemeine Tragen einer Maske oder Kontaktbeschränkungen während einer Covid-Welle.

    Und ja, ansonsten sieht man zB in sozialen Netzwerken jetzt schon dieselben Leute, die während der Pandemie alles leugneten, nun auch die Hitze leugnen. Bzw deren Intensität und Neuartigkeit. Da warnt Spanien vor extremer Hitze und irgendwelche Deutschen lachen darüber und belehren die Spanier, dass es auch früher schon oft 40 Grad im Juni hatte. Weil man in Spanien offenbar erst von Deutschen erklärt bekommen muss, wie man ein Thermometer abliest und die Temperatur notiert, was die Spanier über hundert Jahre falsch gemacht haben…

  • Annette Hauschild , Autor*in ,

    Der Ehrlichkeit halber müßte der Autor jetzt aber erklären, dass Boris Palmer, während die Grünen sich noch von seinem Ausspruch erholten, blitzschnell den Ernst der Corona-Lage erkannt und gehandelt hat: Kostenlose Tests organisiert, Seniorentaxis für die älteren Menschen organisiert, und anderes. Da war im Rest Deutschlands noch nicht mal überall klar, was man tun sollte. Palmer hatte eine gute Ärztin an seiner Seite, und er hat auf sie gehört.

    • @Annette Hauschild:

      Zudem war Palmers Spruch auf Schäubles Feststellung, dass der Staat den Tod nicht abschaffen könne, gemünzt. Man kann das kritisieren aber man kann dieses Thema natürlich auf alle erdenklichen Weisen von verschiedenen Seiten framen oder sogar skandalisieren.



      Wer daraus allerdings ein "Ob Opa nun im Sommer stirbt ... ist das nicht egal, wo sein Herz doch eh schon so schwach gewesen ist?" macht, ist unredlich, um es noch sehr höflich zu formulieren.



      Übrigens schrieb das Deutsche Ärzteblatt vorgestern:



      "Zwar sind die meisten Hitzetoten an einer Vorerkrankung gestorben, doch die Hitze hat den Körper zusätzlich belastet." www.aerzteblatt.de...zogene-Todesfaelle

  • Wie geht die CDU mit den Nachrichten über die aktuellste Studie zu Hitzetoten in Deutschland und die global heißeste Woche seit Beginn der Aufzeichnungen um?

    Sie befördert einen der deutschen Politiker, der mit dem Vorantreiben der Klimakatastrophe am meisten verdient hat, auf einen Führungsposten.

  • Wer einmal mit erlebt hat, wie alte und schwache Menschen in Pflegeheimen mit unzureichendem Personalbestand bei 40 Grad Zimmertemperatur ihrem Ableben dahin dehydrieren, wird kein Verständnis mehr dafür haben, dass Geld für Rüstung, Rüstung, Rüstung locker gemacht wird und nichts für Schutzmaßnahmen für besonders Schutzbedürftige. Wir reden gerne über die skandalösen Zahlen von Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken und kaum über Menschen, die den Hitzetod sterben.

    • @Rolf B.:

      Und warum ist es immer so billig, die einen Schwachen gegen die anderen zu stellen aus einer - im Vergleich - stärkeren Position?



      Über den menschenrechtlichen Skandal der fehlenden Rettung im Mittelmeer redet außer der zuständigen UN-Beauftragten und NGOs niemand, die Grünen haben sich jetzt auch unterbuttern lassen.

      Und Hitzetoten interessieren hier doch auch nur, solange sie in Deutschland sterben - Tote und Flüchtende des Klimawandels wegen sind kein Thema für Wahlkampf und Wirtschaft.

      Ich stimme zu: Geld für (Rüstungs-)Unternehmen ist immer da, Geld für "Soziales", also Gesellschaftliches, eher nicht.

    • @Rolf B.:

      "Wir reden gerne über die skandalösen Zahlen von Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken"



      Echt? Darüber reden "wir" gerne? Wär mir aufgefallen. Wir reden eigentlich am liebsten gar nicht über diese Menschen.

  • Da gibt's nicht nur vorgegriffene politische Parallelen. Nicht zuletzt steht Beides in Zusammenhang mit dem Klimawandel, aber während die Wohnung - sofern man nicht ganz allein lebt - oder das Heim in der viralen Pandemie schon mal eher zur Falle wurde, ist sie natürlich bei Hitze überlebensnotwendig. Da macht auch wortwörtlich Lockdown richtig Sinn, oder wie sie das jetzt grad etwa im Süden der USA tatsächlich auch anraten. Natürlich vorausgesetzt man hat so eine; der Herr da in Barcelona wirkt irgendwie auch nicht als quälte ihn die Fülle destinativer Optionen. In Maricopa County (Phoenix, Arizona) sind vor zwei Jahren knapp 340 Menschen durch Hitze gestorben, davon weit mehr als ein Drittel Wohnungslose. Das sollte auch hier nicht einfach übergangen werden, es sei denn ihr könnt irgendwie belasten, dass auch die Bundesrepublik ihre Wohnungsnot in Kürze überwinden wird, aber das wär dann wohl exklusiv.

  • "Irgendeine Person {...] wird sagen: Ob Opa nun im Sommer stirbt oder doch erst kurz vor Weihnachten, ist das nicht egal, wo sein Herz doch eh schon so schwach gewesen ist?"



    Meine Antwort darauf wäre: Na denn mal los und Opa fragen!

    • @HopeDrone:

      Was soll man ihn denn fragen? Ob er sich möglicherweise präventiv schon mal als Opfer anbieten möchte, und damit bereitwillig Absolution erteilt für den plötzlichen Tod, der ihn ereilen wird, damit die Übriggebliebenen keine unangenehmen Diskussionen führen müssen?

      • @Wonko the Sane:

        Soll heißen: Nicht ÜBER andere reden respektive entscheiden sondern MIT ihnen reden und sie für sich selbst entscheiden lassen

  • @ Argie: darfst vielleicht noch ein Klecks Sahne sein dazu?



    Oder ein Scheiberl Wurscht?



    "Das soll jetzt kein generelles Plädoyer gegen Fernreisen sein, aber doch gegen die typische "Pauschal-Fernreise", bei der man doch am Ende Ähnliches macht wie beim Äquivalent um die Ecke ..."



    Toleranz-Paradoxon!



    Schon das Interview mit Slavoj Žižek aus der gestrigen Ausgabe der Taz gelesen?

  • Ich würde eher vermuten, wenn es zu heiß wird können wir oder zumindestens die Schwachen viele Wochen im Sommer nicht mehr raus (Hitzelockdown). Statt Masken werden wir passende Kleidung tragen müssen (Hüte, Sonnenbrille, viel Wasser mitnehmen etc.) und um den Weg ins Büro zu sparen wird es Home Office geben. Statt Testzentren wird es Kühlzentren geben. Und wir werden zwangsweise, durch die Physik unserer Gesundheit, dazu gezwungen sein massenweise teure Klimaanlagen einzubauen (natürlich nur wer es sich leisten kann). Man wird uns die Freiheit und Leichtigkeit des Sommers genommen haben.

  • Ich wäre hier für etwas positives Framing. Statt "Verzicht" einfach einen "Wandel" (etwa im Verhalten) fordern.

    Das ist mehr als bloße Sprachakrobatik. Wer beispielsweise gezwungenermaßen öfter fliegt, sehnt sich doch recht oft nach einer alternativen Bahnfahrt ohne Turbulenzen, langen Schlangen am Check-in und Sicherheitskontrolle und engen Sitzen und dafür mit Internet und wesentlich mehr Bewegungsfreiheit, selbst wenn diese länger dauert. Ist das dann Sehnsucht nach "Verzicht"? Oder nach einer in vieler Hinsicht, nicht nur zum Klimaschutz, besseren Alternative?

    Oder: Warum muss ich unbedingt nach Florida, Thailand oder Rio an den Strand, wenn doch Europa an mit der Bahn erreichbaren Orten auch tolle Küsten, Seen, Landschaften usw. zu bieten hat? Das soll jetzt kein generelles Plädoyer gegen Fernreisen sein, aber doch gegen die typische "Pauschal-Fernreise", bei der man doch am Ende Ähnliches macht wie beim Äquivalent um die Ecke ...

    Dieses Framing kann man auf viele andere Dinge übertragen. Und dann wird klar, dass eigentlich gar nicht so sehr "Verzicht", sondern einfach Umgewöhnung, Hinterfragen alter Gewohnheiten also, gefragt ist. Denn die angeblich asketische Alternative ist vielleicht für die Sinne und das Wohlbefinden die bessere :)