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Debatte um den IndustriestrompreisKollektive Verdrängung ist teuer

Der Industrie­strompreis wird Unternehmen in Deutschland auf lange Sicht nicht helfen. Die müssten eigentlich ihren Standort wechseln.

Die Chemieindustrie, wie BASF in Ludwigshafen, braucht viel Strom – der ist in Deutschland teuer Foto: Udo Herrmann/imago

D eutschlands Industrie braucht Energie, Energie, Energie. Aber wo soll sie herkommen? Und zu welchen Kosten? Diese Debatte nimmt jetzt Fahrt auf, das Projekt heißt „Industriestrompreis“.

Vereinfacht gesagt: Der grüne Wirtschaftsminister Habeck schlägt vor, dass energieintensive Industriebetriebe maximal 6 Cent pro Kilowattstunde Strom zahlen sollen – wenn sie sich im internationalen Wettbewerb befinden. Gemeint sind also vor allem Branchen wie die Chemie-, Stahl-, Metall-, Glas- oder Papierindustrie. Zukünftig kommen noch Batteriefabriken und die Photovoltaik-Produktion hinzu.

Diese Subventionen sollen bis 2030 gelten, könnten 25 bis 30 Milliarden Euro kosten und sollen danach auslaufen. Das Ende im Jahr 2030 ist nicht zufällig gewählt. Zumindest Habeck glaubt, dass bis dahin so viel Ökostrom vorhanden ist, dass sich die Industrie günstig selbst versorgen kann. Vor allem Windräder auf See sollen massenhaft billigen Strom liefern. Wörtlich steht in Habecks Papier: „Die günstigsten Energiequellen sind erneuerbar.“

Richtig ist, dass so schnell wie möglich in Solarpaneele, Windräder und Stromnetze investiert werden muss. Gewagt ist jedoch die These, dass Öko-Energie immer billiger und im Überfluss vorhanden sein wird.

Die Chemieindustrie ist ein gutes Beispiel. Die Branche hat bereits ausgerechnet, wie viel Strom sie benötigen würde, wenn sie gänzlich klimaneutral produzieren soll – und kam auf 685 Terawattstunden im Jahr. Das ist weit mehr, als derzeit ganz Deutschland an Strom verbraucht. Diese Unmengen an Ökostrom wird es nicht geben, auch wenn jedes denkbare Windrad und Solarpaneel installiert wird. Die allermeisten Studien kommen daher zu dem Ergebnis, dass sich die Chemieindustrie halbieren muss.

Magisches Denken

Dieser Einschnitt wäre nicht das Ende der Chemieindustrie, aber die betroffenen Firmen müssten Deutschland verlassen und dort produzieren, wo sich mehr Ökostrom herstellen lässt. Als Standort würde sich beispielsweise Namibia anbieten, das mehr Sonnenschein und Wind aufweist.

Der richtige Weg wäre also, diesen Umzug schon jetzt vorzubereiten – statt teuer den Strompreis für Firmen zu subventionieren, die mittelfristig sowieso keine Perspektive in Deutschland haben. Eine drängende Frage wäre etwa: Was soll aus Ludwigshafen werden, wenn ein Teil der Chemieproduktion abwandern muss? Aber diese Diskussion ist tabu.

Das ist keine Kritik an Habeck. Als Politiker muss er sich an der Stimmungslage orientieren, und es ist nun mal ein Fakt, dass die allermeisten Deutschen immer noch hoffen, dass „grünes Wachstum“ möglich ist. Da unterscheiden sich CSU-Wähler nicht von grünen Anhängern. Wenn Habeck jetzt beginnen würde, den Chemiestandort Deutschland infrage zu stellen, würden die Grünen zur „Verbotspartei“ gestempelt und rasante Verluste erleiden.

Aber diese kollektive Verdrängung ist teuer. Milliardenschwer werden Unternehmen subventioniert, die langfristig sowieso nicht bleiben können – und gleichzeitig fehlt dieses Geld dann, um den klimaneutralen Umbau zu finanzieren.

Das Projekt „Industriestrompreis“ ist eine Form des magischen Denkens. Früher haben die Menschen intensiv gebetet, damit es regnet. Das hat die Tiefdruckgebiete aber nicht interessiert. Jetzt sollen Milliarden zum Fenster hinausgeworfen werden, auf dass das „grüne Wachstum“ komme. Leider wird es nicht wahrscheinlicher, nur weil wir es uns so dringend wünschen.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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53 Kommentare

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  • Namibia ? Die Industrie wird dahin gehen, wo ERDGAS noch (billig) zu haben ist. Klimaneutraler Umzug ist das: neemlich plusminus garnix verbessert in der globalen CO"-Bilanz, aber wir sind "die Sorgen" los. Und die Steuereinnahmen, das Knowhow und die Arbeitsplätze...

  • Wann blockiert die "Last Generation" das Wirtschaftsministerium?

  • Sicherlich müssen nicht 50% der dt. Chemie abwandern, aber durchaus die Hälfte des Energiebedarfs der Chemieindustrie verlagert werden, nämlich die besonders energieintensiven Prozesse. Das können dann aber auch nur 5 oder 10% der Wertschöpfung sein, wenn die Energiebereitstellung nicht mitgerechnet wird.

  • Wesentlicher ist:



    Das Geld aus dem Klima- und Transformationsfond fehlt dann für Klimaschutz und Transformation der Wirtschaft.

    In der Zwischenzeit wird das Kima zusätzlich geschädigt, weil die Produktion mit fossiler Energie beibehalten wird.

  • ist denn schon bekannt, daß Frankreich den konkurrenzlos billig erzeugten Atom-Strom für seine eigene Industriefirmen exclusiv zur Verfügung stellen will ? Wenn das stimmt, werden die Karten wohl neu gemischt.

    • @schoenerrhein:

      Interessant. Ist denn schon bekannt, wie Frankreich das in die Tat umsetzen will?



      Wird für die Industrie ein neues Stromnetz gebaut?

  • In der FAZ m.faz.net/aktuell/...tire-19180766.html steht heute:

    》Ökonomen und Klimaforscher haben sich am Wochenende mit scharfen Worten gegen Pläne für einen staatlich subventioniertenIndustriestrompreisgewandt. Anlass für die scharfen Reaktionen waren Meldungen, dass die dafür notwendigen Milliarden womöglich aus dem „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) fließen könnten.

    [...]

    Der Mannheimer Wirtschaftsprofessor Klaus Adam bezeichnete entsprechende Meldungen gar als „Realsatire“: „Strompreis-Subvention aus einem Klimafonds . . .“ Zuvor hatte die Klimaforscherin Brigitte Knopf ebenfalls heftige Kritik geübt: „Das ist unglaublich!“, schrieb die Ko-Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen. „Fürs #Klimageld ist kein Geld im #KTF drin, aber jetzt soll der #Industriestrompreis daraus gezahlt werden (der im Zweifel sogar noch dazu führen wird, dass der Strompreis für die normalen Verbraucher:innen teurer wird).“

    [...]

    Im Interview mit der „Welt am Sonntag“ warnte Scholz noch einmal vor den ungewollten Folgen. „Wie könnten wir es rechtfertigen, dass Unternehmen, die riesige Gewinne machen, von dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin subventioniert werden und Deutschland sich dafür stark verschuldet?“, fragte er《

    SNAFU, oder?

  • Ohne Chemie und Autoindustrie kein Sozialstaat.

    • @Machiavelli:

      Wenn sozialistischem Steuerprogrammen das Geld anderer Leute ausgeht gibts ja schon die passende Lösung. Wir machen das einfach so wie es die Modern-Monetary-Theoretiker vorschlagen und drucken uns einfach so viel Geld wie wir brauchen. Die Kunst besteht allein ja nur darin, den Leuten beliebig viel Geld zu geben, es ihnen aber dann, kaum dass sie es verdient und eingenommen hätten, wieder wegzusteuern, dass sie also viel brutto und kaum netto bekommen.

    • 6G
      655170 (Profil gelöscht)
      @Machiavelli:

      Korrekturvorschlag 1. Wort:



      "Mit"

  • Wie sollen wir unseren Wohlstand erhalten, wenn die Industrie abwandert?

    Die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Bereitstellung günstiger Energie ist eine der Kernaufgaben des Staates. Das erfordert Technologieoffenheit. Stattdessen wird aus ideologischen Gründen Energieerzeugung durch Spaltung von Kernbrennstoffen verboten.

    • 6G
      655170 (Profil gelöscht)
      @Leser2021:

      Stromerzeugung durch Atomspaltung wird nicht aus ideologischen Gründen verboten, sondern aus purer Vernunft.



      Diese Stromerzeugung ist (1.) die teuerste denkbare, (2.) die inzwischen x-mal bewiesen gefährlichste und (3.)



      unverantwortlich gegenüber den nachfolgenden ca. 1000 Generationen.



      Wer nicht weiß, wie er mit den höchst-toxischen Abfällen irgendeiner Produktion verantwortlich umgehen kann, muss diese Produktion eben sein lassen.

  • Warum, liebe Ulrike Herrmann, sollen Teile der Industrie abwandern. Der bessere Weg ist doch, den Strombedarf durch Importe, natürlich von grünem Strom, abzudecken. Schließlich wollen wir die notwendige Energiewende sozial gestalten.

  • Regierumgskritik von Frau Herrmann ist eine absolute Rarität. Chapeau dafür! Offenbar gingen ihr Habecks Märchenstunden zur Energiewende dann doch erheblich zu weit. Wenigstens an ihrem heiligen Gral "Olaf Scholz" muss sie ja, dank dessen Skepsis ggü. der Industriestrompreisidee, noch nicht zweifeln. Bleibt nun noch die Frage wo die Schlauberger hier im Forum bleiben, die uns weis machen wollen, dass CO2 frei erzeugter Strom 6 Cent kostet nur deswegen nicht im Überfluss vorhanden ist, weil dies durch die Kohlestromlobby in verschwörerischer Weise verhindert werde.

  • "Der Industrie­strompreis wird Unternehmen in Deutschland auf lange Sicht nicht helfen."

    Das Klimaversprechen war, dass Ökostrom günstiger sei. Auf lange Sicht sollte ein Industriestrompreis also helfen, bis genügend Ökostrom verfügbar ist. Sonst war das alles nur ein großer Bluff.

    • @Rudolf Fissner:

      Ökostrom wird günstiger, aber nicht nur in Deutschland.

  • Das wird so kommen, grösstenteils.



    Wer zahlt dann ein in die Sozialkassen?



    Das wird nicht lustig.

  • Lena Odenthals Arbeitsplatz erhalten!



    Das ist ein gewohnt kompetenter Artikel.



    Sicher wäre ein Standort in Afrika schlau, am Besten dort, wo gerade kein Bürgerkrieg herrscht.



    Große Firmen denken allerdings gewinnorientiert.



    Solange sie in Deutschland sind, ist Umwelt bzw. Klimaschutz ein Teil der Unternehmensstrategie, da ein schlechtes Image zu Umsatzeinbußen führen könnte.



    Bei einer Verlagerung ins Ausland spielen derartige Überlegungen eine untergeordnete Rolle.



    Warum in einem Land mit schlechter Infrastruktur investieren?



    China ist da die deutlich günstigere Alternative.



    Während Deutsche bei Ihrem eigenen Land, Politikern, Umwelt, Arbeitsbedingungen, sehr kritisch sind, ist das weniger wichtig, wenn es sich ums Ausland handelt.



    China, ein Land, in dem Zustände herrschen, die die Deutschen, die obigen Themen betreffend, zu Hause nicht akzeptieren würden, ist Deutschlands größter Außenhandelspartner.



    Da zählt dann eben nur noch der Preis.



    Natürlich ignorieren wir, dass wir wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast sind.



    Ich halte es jedoch für richtig, zu versuchen, eine Alternative zu Chinas Interessenpolitik aufrecht zu erhalten.



    Und auch wenn die Anderen in Kohlekraftwerke und Atomkraft investieren wollen , halte ich den Versuch Wirtschaft regenerativ zu betreiben für die bessere Alternative.



    Gerade haben wir gesehen, wie ein Wirtschaftsmodell, das 20 Jahre gut funktioniert hat, zusammengebrochen ist.



    Dennoch sind wir nicht am Boden.



    Innerhalb eines Jahres wurde die Energieversorgung umgestellt und der Prozess läuft, von neuen Zulieferern auf regenerative Energien umzustellen.



    Das ist ein guter Weg.



    Mag sein, dass Chemieindustrie abwandert.



    Das ist nach Kohle und Stahl ein weiterer Schritt zur Deindustrialisierung.



    Wer weiß, was in 20 Jahren ist?



    Vielleicht kommen Verbraucher auch mal wieder auf die Idee in Wertvolles, statt in billigen Schrott zu investieren.



    Vielleicht können die Bauern auch ohne Glyphosat arbeiten?



    2045 ist Sience-Fiction.

  • Es steht nirgends geschrieben, daß wir in 30+ Jahren noch soviel N(itrate=Stickstoff)PK-Dünger, (Einweg-)Plastescheiß, FarbenLackeÖle, Stahlzementbeton etc. pp. verballern müssen.

    • @Hugo:

      Nö, aber die chemische Industrie ist auch nicht allein darauf zu reduzieren und entwickelt sich auch weiter. Mit einem Umsatz von 261 Milliarden Euro ist sie aber die drittgrößte Industriebranche in Deutschland. Das kann man nicht mal so eben wegwischen.

  • "Als Standort würde sich beispielsweise Namibia anbieten, das mehr Sonnenschein und Wind aufweist."



    Und woher soll Namibia die Fachkräften für den Betrieb der Industrieanlagen nehmen? Und wo sollen diese wohnen? Und wie versorgt werden Zudem benötigen solche Betriebe ein enormes Umfeld an Zuliefererbetrieben, Infrastruktur, etc... Sprich es müssten ja nicht "nur" ein paar Industriebetriebe umziehen, sondern quasi der Großteil der gesamten Industrie entlang der Rhein-Neckar-Region. Na diese CO2-Bilanz will ich sehen...



    Und die fertigen Produkte verschifft dann Namibia wieder quer um die Welt nach Europa? Weil vor Ort in Namibia werden sie ja nicht gebraucht, zumindest niemals in dieser Menge.



    Und wie gedenkt die Autorin den Steuerausfall und das Outsourcen von hunderttausenden von sehr gut bezahlten Arbeitsplätzen in diesen Branchen in Deutschland zu kompensieren?



    Die Antwort lautet wahrscheinlich: gar nicht.



    Hauptsache Degrowth, wie das sozial-ökonomisch funktionieren soll ist ja egal.



    Für das Klima mag das die beste Lösung sein, für den sozialen Frieden im Land sicher nicht.

  • Die Frage ist doch welche Chemieindustrie wir in Deutschland eigentlich benötigen ? Müssen wir hier wirklich chemische Grundstoffe herstellen wie weiland in den 50iger Jahren?



    Darum geht es nämlich! Es geht um eine sehr alte und im Kern wenig innovative Großindustrie. Und der Ruf nach staatlichen Hilfe ist da doch auch als die flehentliche Bitte zu verstehen, dass alles bitte so bequem bleiben möge wie es schon immer war. (Und nicht zu vergessen: Die Großchemie ist eine der letzten Bastionen den ansonsten siechenden Gewerkschaften.) Abgesehen davon, Sie gehen ja sowieso - auch, wenn man ihnen jetzt "Zucker in den Hintern bläst". Klar, wenn man bezahlt, tun sie der Politik den Gefallen und bleiben etwas länger - bis zu den nächsten Wahlen oder so.



    Und dann gehen sie - z..B.in die Golfstaaten.



    Dort gibt es Sonne, Wind. Man hat reichlich Platz, die Umweltauflagen sind ohne Widerrede anpassbar, es gibt Öl, Gas u. manchen anderen Rohstoff, die man ja auch immer braucht, direkt vor der Tür. Man baut am Meer, produziert in neuen, effizienten Anlagen, produziert billig und der Weg zu den Wachstumsmärkten in Asien ist kurz.

  • Ich warte immer noch auf die Alternativen zu den Industrien, die aus Deutschland abhauen sollen oder das Geschäft aufgeben, wie Chemie- und Schwerindustrie, Automobilindustrie, Agrarindustrie, und was auch immer noch Dreck macht, stinkt und Energie verbraucht. Als Kind einfacher Verhältnisse bin ich schon erstaunt, mit welcher Nonchalance die Basis für den Wohlstand, den sich z. B. meine Mutter für ihre Kinder gewünscht hat abgewickelt werden soll.

  • Warum sollen denn die Firmen im Ausland mit grünem Strom produzieren? Wenn die hier mal weg sind, dann brauchen die sich doch an unseren hohen Umweltauflagen auch nicht mehr zu stören. Die Länder ´, woe die hingehen, werden ihnen den roten Teppich ausrollen mitsamt herabgesetzten Standards.

  • Die Kommentare sind lustig... "Wir können nicht dafür sorgen, dass die Erde bewohnbar bleibt, weil Arbeitsplätze!"



    Die sind dann irgendwann auch egal. Ich erinnere mich daran, dass Leute über die "Dummheit der Lemminge" gelacht haben...

  • Sehr gute Kolumne. Dankeschön! :-)

  • Tausende TWh aus Erneuerbaren mögen zwar magisches Denken sein, aber leider ebensolches ist der Glauben, die alternativlose Dekarbonisierung sei ein unumkehrbares Naturgesetz. Es muß nur nach der nächsten Wahl was blödes rauskommen, und schon ist dieses Ziel weg.

  • Es wird immer offensichtlicher, dass die deutsche Energiewende nie dazu gedacht war, die stromintensive Industrie und damit den Wohlstand im Land zu halten.



    Aber vielleicht haben ja andere Laender mit unserem ehemaligen Wohlstand und unserer ehemaligen Industrie mehr Erfolg - ohne den Standortnachteil "Gruener Gruendungsmythos" stehen die Chancen ja garnicht so schlecht.

    • @elektrozwerg:

      " die stromintensive Industrie und damit den"

      Raubbau.

      Fixed that for you.



      Siehe auch en.wikipedia.org/w...ing_the_consequent

      Im Übrigen: ist das nicht ganz schoen auffaelllig, wenn jemand ueber Deutschland schreibt, als saesze er mittendrin, und dabei sowohl ueberhaupt keine Umlaute auf der Tastatur, als auch keinerlei softwareseitige Loesung implementiert hat?

      Schauen Sie mal, was das Internet alles kann: Їжте багатих - рашисты на хуй.

    • @elektrozwerg:

      Da Frau Herrmann sowieso meint das uns ein Wohlstand auf dem Stand der 70er ausreicht, Privat-Kfz nichts in Deutschland zu suchen haben und der Staat über alle Roh- und Hilfsstoffe verfügen und über die Verteilung entscheiden sollte brauchen wir den Wohlstand im Land auch nicht zu halten. Dann geht's nur noch um die Basics.

  • "Dieser Einschnitt wäre nicht das Ende der Chemieindustrie, aber die betroffenen Firmen müssten Deutschland verlassen und dort produzieren, wo sich mehr Ökostrom herstellen lässt. Als Standort würde sich beispielsweise Namibia anbieten, das mehr Sonnenschein und Wind aufweist."

    Ja, oder aber sich in Ländern niederlasse die Strom weiterhin nicht nachhaltig sondern in rauen Mengen auf klassische Art herstellen, z.B. in Russland oder China.

    Natürlich könnte man aber auch langfristig Ökostrom importieren, um den Standort D nicht zu schwächen.

    • @Tom Tailor:

      "Ja, oder aber sich in Ländern niederlasse die Strom weiterhin nicht nachhaltig sondern in rauen Mengen auf klassische Art herstellen, z.B. in Russland"

      Der Tee soll da auch sehr lecker sein. Und die Privatjets von ehrenwerten Kaufleuten sind auch viel besser gewartet als "im Westen".

      "oder China."

      Sie lesen nicht sehr viele Wirtschaftsnachrichten, kann das sein?

      • @Ajuga:

        Nicht solche aus der Zukunft. :D Immerhin sprechen wir hier von einer Perspektive in den Jahren 2035 - 2040.

  • Natürlich werden die Unternehmen nicht nach Namibia gehen. Was sollen sie da? Eine Reihe von Ländern haben bereits Angebote vorgelegt, die das ganz toll finden, wenn Deutschland seine drittgrößte Industriesparte abgeben will.

    Sondern irgendwo anders hin, wo sie Strom günstigst bekommen, sowie die Fachkräfte da sind, die Infrastruktur etc.

    Kohle- und Atomkraftwerke werden die Energie liefern.

    Nun, die Industrie wandert ab. Die Arbeitsplätze (450.000) gehen verloren, so die Steuergelder.

    CO2 wird natürlich nicht weniger ausgestoßen.

    Eher mehr.

    Ein Umzug dieser gewaltigen Industrie ist extrem CO2-aufwändig.

    Fazit:

    Es wird noch schlechter.

    • @shantivanille:

      "Eine Reihe von Ländern haben bereits Angebote vorgelegt"

      Nicht so scheu, zählen Sie doch mal ein par aus dieser Reihe auf!

      (Ungarn ist vermutlich dabei. Nur, wie es ausländischen Investoren da ergeht, spricht sich langsam rum.)

  • Es geht nicht mehr um Wachstum, es geht nur noch um den Erhalt der wichtigsten Wirtschaftszweige dieses Landes mit 1,5 Mio. Arbeitsplätzen...Zulieferketten inklusive deren Arbeitsplätze nicht mit eingerechnet.



    Die Unternehmen können bleiben. Und müssen bleiben. Das geht nur mit einer Energiewirtschaft, die in ausreichenden Mengen und Zuverlässig liefert. Das geht mit grüner Energie nicht. Jetzt nicht und in 20 Jahren auch nicht. Also ist sie ein Luxusartikel den man sich leistet, weil man sichs leisten kann und als erstes abstößt, wenn die Kasse mal knapp ist.

  • Der Anfang stimmt schon mal.



    Energie aus alternativer Erzeugung wird nicht billiger sein.

    Die Industrie wird allerdings nicht nach Namibia ziehen, weil günstige Energie nur eine Komponente der Produktion ist. Industrie entsteht und funktioniert in Clustern, dazu gehören Hersteller von Vorprodukten, Weiterverarbeiter, Zulieferer aller Art, Aus- und Weiterbildung, ein stabiles Umfeld für Unternehmen und Mitarbeiter, Nähe zu den Kunden.

    Deshalb wird nicht Namibia, sondern China oder Indien werden, vielleicht auch die USA.



    Weil dort pragmatisch zuerst an Arbeitsplätze und Einkommen gedacht wird.

    Die Frage ist, was wird aus den Arbeitsplätzen in Deutschland, wie werden die Lösungen für den Sozialstaat finanziert?



    Welche andere Volkswirtschaft wird dem deutschen Vorbild der Selbstzerstörung folgen?

  • Wir haben es schon beim Ausstieg aus der Steinkohle beobachten dürfen, die im Prinzip auch schon ein Vierteljahrhundert früher hätte stattfinden können, dass die Ausstiege in Deutschland immer kompliziert sind. Dabei lernen wir seit langer Zeit schon in der Schule, dass unsere wichtigste natürliche Ressource unsere Menschen und ihre Ausbildung sind.



    Wer sich andere Beispiele für verpasste Ausstiege ansehen möchte, dem sei empfohlen, die Schäden zu recherchieren, die der Edelmetallbergbau im Harz oder der Uranbergbau im Erzgebirge hinterlassen haben. Es ist ja mitnichten so, dass diese Industrien jemals das Leben in einer Region nachhaltig verbessert hätten, sie haben lediglich ganz wenige sehr reich gemacht.



    Abgesehen von der Chemieindustrie sind es besonders die Metallhütten, die Energie verbrauchen als gäbe es kein Morgen. Aluminium, Kupfer und Stahl vor allem. Die Frage ist, was passieren würde, wenn diese Metalle teurer würden. Könnte das z.B. einen Trend zu leichteren Autos und weniger Verpackung auslösen?



    Wo ich nicht ganz mitgehen kann, ist der angebliche Stimmenverlust der Grünen. Die 15% im Augenblick scheinen mir schon extrem niedrig und dabei relativ stabil; eine größere Gegnerschaft als der „Hauptgegner“ von Union, Faschisten, FDP und den Wagenknechtianern zu sein, ist auch kaum noch denkbar. Ich glaube eher, es wäre eine Chance, für konsequente klimafreundliche Politik einzustehen, selbst wenn die dann in schmerzhaften Kompromissen endet, besser jedenfalls als jeden Mist selbst vorzuschlagen.

    • @Zangler:

      Dann machen sie die Produkte teurer und der Wohlstand verschwindet in der Inflation. Oder, so ist es in einer globalen Wirtschaft, der Günstigste aus dem Ausland bekommt den Zuschlag. Als nächstes fehlen die Steuereinnahmen, um die Kosten des Sozialstaates zu decken. Zwar kann der Staat unendlich Geld drucken und nicht pleite gehen, aber der Glaube an das Geld fehlt dann und wichtige Handelspartner im Ausland akzeptieren die Währung nicht mehr. Also wie man es dreht und wendet, ohne ein weltweites Umdenken wird es weiterhin Gewinner und Verlierer geben. Nur diesmal gehören wir zu den Verlieren bis der Planet uns mit dem Klimawandel und dem 6. großen Artensterben den Gar aus macht.

  • Schöner Gedankengang von Frau Herrmann!



    Das mit den magischen Gedanken haben wir derzeit überall, in Verbindung mit der Verweigerung von Realitäten.



    Hier in BaWü steht gerade an, Werbung zu machen für alle Fachstellen die es gibt: LehrerInnenmangel, IndustriefacharbeiterInnn, Kindergärterinnen, Fachanwäte im Staatsdienst.... als gäbe es kein demographischen Grundproblem. Rentenlücke, Klimakatastrophe.... egal welches Thema, kleine Eingriffe sollen Grundsatzprobleme lösen... also kurz mal Privatvorsorge, bisserl Ökostrom... das alles wird nicht funken.



    Je länger wir warten, je härter wird das Umschwenken.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Tom Farmer:

      Es wird so hinausgeschoben aus der Furcht, dass es sehr sehr hart werden wird. So wird ein Schuh draus.



      Genau so ist es schon, seit die ersten Mahnungen wegen der Klimaveränderungen und der planetaren ökologischen Krise aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Medien und Politik getragen wurden. Und deswegen wird es nun so sehr sehr hart werden. Also rausschieben ...

      • @31841 (Profil gelöscht):

        Aber noch ist der Weltgemeinschaft nicht klar, wie hart es wird. Es erst zu den 4 Grad kommen und Gesellschaft im Chaos versinken. Für wirkliche Änderungen braucht es Revolutionen. Also wir und die nächste Generation werden das nicht erleben, aber zum Ende des Jahrhunderts könnte das Realität werden.

      • @31841 (Profil gelöscht):

        Es wird vielmehr hinausgeschoben, da der Umbau soviel Geld kostet, dass die Boni dann nicht mehr fliesen.



        Aber keine Angst BASF geht nicht von heute auf morgen sonst wo hin, denn das kostet noch viel mehr, weil die Fachmenschen nicht einfach mitgehen werden und der Umzug, Wiederaufbau und Betrieb an einem neuen Standort die ersten zehn Jahre nicht billiger sein wird. Die Politik sollte statt den STrom zu verbilligen, den Firmen finanzielle Unterstützung für den Aufbau eigener regenerativer Stromerzeugung zur Verfügung stellen. Die Versorgung sollte eh dezentraler sein, damit Kriegssicherer und damit Versorgungssicherer. Erst wenn die Firmen selbst investieren werden sie auch in die günstigste Erzeugungsquelle investieren - damit dann später die Boni wieder möglich sind.

        • @Sonnenhaus:

          "...werden sie auch in die günstigste Erzeugungsquelle investieren..."



          Das Problem ist dass Wind und Sonne nur "günstig" sind, solange Pufferkraftwere laufen. Ab ca. 50 % Wind und Solar werden Speicher erforderlich, und die kosten...

  • Hier wird ein sehr gravierendes Problem angesprochen. Umso bedauerlicher sind die fatalistisch anmutenden Handlungsempfehlungen.



    - Wenn sich die Chemieindustrie (und vermutlich andere Industrien ebenso) halbieren soll, wird das dramatische Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben. Dafür gibt es Mehrheiten?



    - Ein Verlagerung der Industrien nach z.B. Namibia erübrigt sich, da genügend Konzerne in US, Saudi-Arabien, Kuweit, VAE, Indien und China bereit sind, die Kapazitätslücken zu füllen. Das ist nun klimafreundlicher?



    - Wenn nun die regenerative Energie doch nicht kostengünstig werden sollte, wird mit Deutschland auch das Konzept des Umbaus scheitern. Und dann?

    Das Problem ist groß, der Beitrag bleibt zu sehr an der Oberfläche.

    • @alterego:

      Der Spiegelstrich Nr. 3 ist schon seit 30 Jahren widerlegt und schon lange eingetreten. Allein politische Zwänge verhindern es dass auch Sie mit günstigstem Strom z.B. aus Schleswig-Holstein leben könnten.

      • @Sonnenhaus:

        "...ist schon seit 30 Jahren widerlegt..."



        Sorry, da ist nichts "widerlegt". Es ist nur 30 Jahre lang, ohne Speicher, ziemlich bequem und billig gegangen. Das ändert sich mit steigendem Ökostromanteil.

      • @Sonnenhaus:

        Ich zahle für meinen Strom 9ct/kWh von meinem Dach. Nur leider muss ich die letzten 20% im Winter immernoch am Markt kaufen. Leider nur Hausstrom. Bei der Wärmepumpe als Heizung ist es andersrum. So viel PV kann ich gar nicht auf dem Dach haben und leider auch nicht so riesige Speicher, um den Sommer in Dosen zu lagern.

  • "Als Politiker muss er sich an der Stimmungslage orientieren... "

    Wenn Politik Selbstzweck ist, stimmt das natürlich.

    • @0 Substanz:

      Naja, es ist bekanntermaßen aber auch so, dass, wer 'ne unbequeme Wahrheit ausspricht dann auch schnell vom Fenster weg ist. Da wird's mit nachhaltiger Politik schnell schwierig.

      • @hechtmaus:

        Im Moment schaut es mit der politischen Nachhaltigkeit aber auch nicht so gut aus.

  • das wäre dann aber schon die direkte Deindustralisierung. Wer braucht dann noch den Pillendreher in DE, wenn der Grundstoff in Namibia steht. Wieso kann DE nicht einfach günstige Energie bereitstellen. Wieso kann ein Unternehmen nicht den Strom selbst erzeugen ohne horrende Kosten für alles mögliche zu bezahlen. Wieso können das andere tun?

    • @gynnie24:

      Weil andere weiterhin auf fossile Energieträger setzten. Den USA und China ist es nicht gelungen ihr Wachstum vom CO2-Ausstoß zu entkoppeln (Vogel, Hickel: Is green growth happening? An empirical analysis of achieved versus Paris-compliant CO2–GDP decoupling in high-income countries. Lancet). Also müssen wir akzeptieren, dass es Wachstum und Klima- und Artenschutz nicht geben kann. Mit dieser Erkenntnis lassen sich dann auch weiterhin gute Geschäfte machen und bis zum großen Knall lebt es sich dann weiterhin vorzüglich.