CDU-Minister will Grundgesetz ändern: Die Lehren aus der Schoah
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen will das individuelle Recht auf Asyl aus dem Grundgesetz streichen. Das würde an den Fakten wenig ändern.
E s wurde mal wieder Zeit, die letzten Vorschläge zur Asylrechtsverschärfung sind wirklich schon lange her. Diesmal war es Michael Stübgen, CDU-Innenminister von Brandenburg. Dort wird am Sonntag gewählt, für die AfD sieht es gut aus. Stübgen schlug jetzt vor, das individuelle Recht auf Asyl aus dem Grundgesetz zu streichen. Dann könnte Deutschland, so Stübgen, statt einzelne Asylanträge zu prüfen, Kontingente einführen: eine feste Zahl an Aufnahmeplätzen für ausgewählte Flüchtlinge pro Jahr. Ähnliches hatte schon der CDU-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei angeregt. Jens Spahn und Friedrich Merz zeigten sich zustimmend, zuletzt äußerte sich auch Markus Söder (CSU) in dieser Richtung.
Dabei ist das individuelle Asylrecht eine Lehre aus der Schoah. Es soll garantieren, dass Ankommende nicht zurückgewiesen werden, sie einen Anspruch darauf haben, dass ihr Schutzgesuch geprüft wird. Um das Grundrecht durch Kontingente zu ersetzen, müsste Deutschland aus internationalen Verträgen austreten. Auch das EU-Recht verpflichtet Deutschland, das Gebot der Nichtzurückweisung einzuhalten.
Frei hatte seinerzeit eine Kontingentgröße von 500.000 pro Jahr EU-weit ins Spiel gebracht. Das ist ein Märchen. Es wird keine großen Kontingente geben. Alle Erfahrungen mit freiwilliger Aufnahme haben gezeigt: Wer darauf angewiesen ist, kann lange warten. Die bereitgestellten Kontingente waren stets winzig, die Wartezeiten enorm. Die allermeisten, die es überhaupt auf Wartelisten schafften, mussten am Ende bleiben, wo sie waren. Rechtsextreme Regierungen könnten die Kontingente zudem einfach abschaffen.
Ein Elendsproduktionsprogramm
Aber: Auch nach dem Wechsel auf ein Kontingentmodell würden Menschen trotzdem weiterhin kommen. Man müsste sie entweder an den Grenzen abweisen, was zur Folge hätte, dass die Nachbarstaaten ihrerseits immer gewaltsamer vorgehen. Oder man lässt sie herein, gibt aber auch Verfolgten, die man nicht abschieben kann, keinerlei Versorgung, um keine Anreize zu schaffen – ein Elendsproduktionsprogramm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit