Bonus fürs Energiesparen: Bei den Reichen ansetzen
Die FDP fordert einen Energiesparbonus für Hartz-IV-Empfänger*innen. Was gut klingt, geht bei Menschen mit wenig Geld an der Realität vorbei.

N icht jede Idee aus der FDP ist komplett daneben, nicht mal dann, wenn es um Hartz IV geht. So ist es zum Beispiel beim Vorschlag vom Wochenende wonach ALG-II-Empfänger*innen einen Bonus erhalten sollen, wenn sie ihren Gasverbrauch senken. Die Social-Media-Empörung war zwar erwartbar groß, die Problemanalyse ist aber erst mal nicht ganz falsch: Deutschland muss massiv Gas sparen.
Da Appelle alleine selten ausreichen, hat der Preis eine entscheidende Lenkungswirkung. Bei Haushalten, deren Heizkosten der Staat bezahlt, wirkt dieser Faktor aber nicht. Die Lösung, die FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler vorschlägt, hat sogar eine gerechte Komponente: Bisher sollen nur Unternehmen belohnt werden, wenn sie ihren Verbrauch senken. Ein Auktionsmodell der Ampel, das für die Industrie einen zweiten Sparanreiz neben den hohen Marktpreisen schafft, startet im Oktober.
Mit dem Bonus für Hartz-IV-Empfänger*innen würden erstmals auch Privathaushalte eine solche Belohnung bekommen. Jetzt zum Aber: Schon heute heizen Hartz-IV-Empfänger*innen nicht übermäßig verschwenderisch, denn wenn ihr Verbrauch überdurchschnittlich hoch ist, können ihnen die Jobcenter einen Teil der Kosten aufdrücken. Das Einsparpotenzial ist also überschaubar.
Angesichts der mickrigen Hartz-IV-Regelsätze und der ebenfalls steigenden Supermarkt-Preise besteht dafür die Gefahr, dass Betroffene die Heizung nicht nur um eine Stufe runter drehen würden, sondern gleich ganz im Kalten sitzen, um mithilfe des Bonus zumindest halbwegs über die Runden zu kommen. Ganz unbegründet ist die Empörung über den FDP-Vorschlag an der Stelle dann doch wieder nicht.
Anders wäre das, wenn schon die regulären Bezüge das Existenzminimum wirklich sichern würden und der Gassparbonus on top käme. Das Geld für höhere Sätze ließe sie sich von denen holen, bei denen das Energiesparpotenzial tatsächlich hoch ist: von den Reichen, die sehr viel größere Räume beheizen.
Bei ihnen entfalten die hohen Gaspreise ja ebenso wenig Lenkungswirkung wie bei den Hartz-IV-Empfänger*innen. Ihre Heizrechnungen bezahlen sie zwar selbst. Sie können die Kostensteigerungen aber locker verschmerzen – und würden auch dann nicht vor die Hunde gehen, wenn der Staat auf weit überdurchschnittlichen Gasverbrauch eine Sonderabgabe zugunsten der Armen erheben würde.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel