Bioläden und Verschwörungstheorien: Coronamythen mit Demeter-Siegel
Im Schaufenster eines Bamberger Bioladens hängen Zettel mit Verschwörungstheorien. Erst nach Wochen reagiert Demeter.
Der taz liegen Fotos und ein Augenzeugenbericht dazu vor. Als die taz den Inhaber des Ladens telefonisch fragte, warum er die Papiere aufgehängt habe, antwortete er „Da gebe ich keinen Kommentar“ und legte grußlos auf.
Demeter wurde von einem Passanten bereits am 8. Mai per E-Mail über die Aushänge informiert. Erst nach einer Nachfrage und zwei Wochen später distanzierte sich Demeter von den Aussagen, kündigte aber keine praktischen Konsequenzen an – auch auf mehrmaliges Insistieren nicht. Nachdem schließlich die taz Demeter um eine Stellungnahme gebeten hatte, schrieb eine Pressesprecherin: „Bei dem von Ihnen genannten Laden liegt eine unrechtmäßige Nutzung der Marke Demeter vor; dagegen gehen wir vor.“ Am Sonntag hingen die Zettel allerdings immer noch im Schaufenster. Der Verband ließ die Frage der taz bis Redaktionsschluss unbeantwortet, warum er so lange gebraucht hatte, um Konsequenzen anzukündigen.
Grundsätzlich impfkritisch
Die von Demeter-Mitgliedern praktizierte biologisch-dynamische Wirtschaftsweise basiert auf der spirituell-esoterischen Anthroposophie Rudolf Steiners. Die Skepsis gegenüber Impfungen scheint bei Demeter und Anthroposophen allgemein, etwa an Waldorf-Schulen, weit verbreitet zu sein. Der Verband kämpfte gegen die Pflicht, Rinder gegen die Blauzungenkrankheit zu impfen. Mehrmals wurde über äußerst geringe Impfraten an manchen Waldorfschulen berichtet.
Demeter hat die Bioszene insgesamt maßgeblich geprägt, da es der älteste Ökoanbauverband und Mitbegründer der Biolandwirtschaft ist. Zuletzt erregte der Geschäftsführer der Biohersteller Rapunzel und Zwergenwiese Aufsehen, weil er die Gefahr durch Corona herunterspielte und Impfungen sowie andere Vorbeugemaßnahmen wie Maskentragen ablehnte.
„Anthroposophen sind besonders anfällig für Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit Corona“, sagte der Religionsphilosoph Ansgar Martins der taz. „Verschwörungstheorien existieren in der Anthroposophie seit dem Ersten Weltkrieg, den Rudolf Steiner für eine große Verschwörung der englischsprachigen Welt und Freimaurer gegen den deutschen Volksgeist hielt. Und grundsätzlich ist die Anthroposophie impfkritisch, weil ihr zufolge Krankheit eine Entwicklungschance und nicht unbedingt per se etwas Schlechtes ist.“ Beide Stränge liefen in der Coronakrise gerade zusammen, wie Äußerungen von Anthroposophen zeigten. Neben der „Verschwörungsfraktion“ gebe es aber auch anthroposophische Ärzte an Krankenhäusern, die jetzt Covid-19-Patienten behandeln und dazu forschen.
Zu den einschlägigen Verschwörungstheorien gehört, dass Bill Gates – Ex-Microsoft-Chef und nun Vorsitzender der in der Gesundheitsversorgung engagierten Gates-Stiftung – angeblich hinter der Coronapandemie stecke, dass er eine Zwangsimpfung für alle vorbereite und im Kampf gegen den Erreger den Menschen Mikrochips einpflanzen lassen und so die totale Kontrolle erlangen wolle.
Warnungen vor Kondensstreifen
Die erwähnte „99-%-Bewegung“ verbreitet auf ihrer Facebook-Seite Warnungen vor „Chemtrails“, also dass die Kondensstreifen von Flugzeugen in Wirklichkeit Spuren von Chemikalien seien, die die Menschen vergiften sollen. Die „reichsten 2.300 Multimilliardäre und ihre Marionetten in Politik, Wirtschaft, Medien und Showgeschäft“ wollten eine Coronakrise inszenieren. So soll der Facebook-Seite zufolge eine „Neue Weltordnung“ (NWO) errichtet werden, um heimlich ein autoritäres, supranationales Regime zu installieren, das die Bevölkerung unterdrückt.
Statt auf Sicherheitsabstände und Mundschutz setzen viele Coronaskeptiker auf Biolebensmittel, etwa von der „Schatzinsel“, um das Immunsystem zu stärken. Gern vertrauen sie auch einem ebenfalls von dem Laden angebotenen Wasserfilter, dessen Wasser laut Werbung ein „Booster fürs Immunsystem“ und „Desinfektionsmittel“ ist. Will der Bioladen mit den Coronamythen seinen Umsatz steigern? Auch diese schriftliche Frage der taz ließ der Geschäftsinhaber unbeantwortet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen