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Berufung gegen den VerfassungsschutzDie Antragsschlacht der AfD

Darf der Verfassungsschutz die AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen? Ein Blick auf die juristischen Tricks der Anwälte.

Roman Reusch (r.) von der AfD und der Anwalt Christian Conrad (l.) bei der Anhörung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster Foto: Thilo Schmuelgen/reuters

Münster taz | Im Foyer des Oberverwaltungsgerichts Münster sitzen zwei überlebensgroße Skulpturen namens „Zwei Menschen“ des koreanischen Künstlers Ung-Pil Byen. Die beiden nackten und geschlechtslosen Figuren kauern wie zwei riesige Steinblöcke in der großen Halle. Eine Figur legt ihren Kopf auf den eigenen Unterarmen ab, die andere hält den Kopf zwischen den Handflächen. Beide wirken am Dienstagnachmittag nicht nur aufgrund ihrer Körperhaltung etwas resigniert bis stoisch-gelangweilt. Denn beide wurden im Tagesverlauf Zeugen eines eher unwürdigen Schauspiels.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am Dienstag das Berufungsverfahren der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eröffnet. Darin geht die Partei gegen ihre Einstufung als rechtsextremistischer „Verdachtsfall“ durch den Verfassungsschutz vor. Als das Gericht am Morgen pünktlich um 9 Uhr zu dem Verfahren unter dem Titel „AfD gegen die Bundesrepublik Deutschland“ aufruft, wird schon binnen kürzester Zeit klar, welche Taktik die AfD sich für die Berufung ausgesucht hat: die größtmögliche Verzögerung.

Wegen des großen öffentlichen Interesses hat das Gericht den Prozess in die große Halle mit den „Zwei Menschen“ verlegt. Bei dem Mammutverfahren geht es mittlerweile um rund 20 Aktenmetern auf Zehntausenden Seiten, zahlreiche Schriftsätze und eine umfassende Materialsammlung des Verfassungsschutzes, die zahlreiche rassistische und antidemokratische Äußerungen von ranghohen AfD-Politiker*innen enthält. 95 Pres­se­ver­tre­te­r*in­nen sind akkreditiert – die restlichen rund einhundert Plätze nehmen interessierte Zu­schaue­r*in­nen ein.

Vor zwei Jahren hatte das Verwaltungsgericht Köln als Vorinstanz dem BfV recht gegeben. Damals stellten die Richter fest, dass es hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen bei der AfD gebe. Das Verfahren gilt als richtungsweisend für den weiteren Umgang mit der AfD – auch mit Blick auf ein mögliches Verfahren zum Parteiverbot sowie eine mögliche Hochstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistisch“.

Nach 20 Minuten die erste Unterbrechung

Am Dienstag kommt es schon nach rund 20 Minuten zur ersten Unterbrechung. Bereits vor der Eröffnung der eigentlichen mündlichen Verhandlung beantragt AfD-Anwalt Christian Conrad die Vertagung. Er beklagt die mangelnde „prozessuale Waffengleichheit“, spricht von einer „rechtsstaatswidrigen Informationsasymmetrie“ und bringt auch die auch schon im Vorweg eingebrachten drei Befangenheitsanträge gegen den vorsitzenden Richter Gerald Buck ein. Es sei nicht möglich gewesen, in der Kürze der Zeit auf die vom Verfassungsschutz Anfang des Jahres neu eingebrachten Dokumente einzugehen – der Geheimdienst habe noch einmal 4.200 Seiten und 116 Stunden Videomaterial eingebracht.

Tatsächlich hat die Partei sich in den letzten zwei Jahren radikalisiert und dem VS dabei eine Fülle an weiterem Material geliefert: Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, beklagte, dass das Land „bunt wie eine Müllhalde“ werde und „Millionen kulturfremde, aggressive Analphabeten aus dem Nahen Osten und Afrika“ importiere.

Zudem predigte er Verschwörungsideologien vom „großen Austausch“, andere AfD-Politiker redeten vom „schleichenden Genozid am Deutschen Volk“ und Björn Höcke forderte schon 2018 in seinem Buch ein groß angelegtes „Remigrationsprojekt“ mit „wohltemperierter Grausamkeit“ und sagte kürzlich, Deutschland werde „auch ohne Probleme mit 20, 30 Prozent weniger Menschen leben können“. Angesichts dessen erscheint vielen Be­ob­ach­te­r*in­nen ein Erfolg der AfD in Münster zumindest unwahrscheinlich zu sein.

Ein Urteil? Fällt womöglich erst Mittwoch

Entsprechend arbeiten sich die AfD-Anträge auch nicht am Verhandlungsgegenstand ab – nämlich wie rechtsextrem die Partei ist –, sondern an den Richter*innen: Man wolle wissen, ob ein Richter schon mal an einer Demonstration gegen die AfD teilgenommen habe, trägt Conrad am Dienstag vor. Genauer wollte die AfD sogar wissen, ob einer der Richter unter den 30.000 Teil­neh­me­r*in­nen war, die anlässlich des Neujahrsempfangs der AfD in Münster demonstrierten.

Der vorsitzende Richter Buck legt unbeeindruckt sämtliche Anträge der AfD zu den Akten und sagt zur möglichen Teilnahme an einer Demo gegen Rechtsextremismus: „Wir haben uns kritisch hinterfragt: Keiner der hier oben Sitzenden sieht Anlass, irgendwas zu erklären.“ Nach der ersten längeren Beratungspause weist er die Anträge ab, was AfD-Anwalt Conrad freilich nicht davon abhält, nach Wiederaufnahme der Sitzung gleich den nächsten Befangenheitsantrag zu stellen. Diesmal gegen alle Rich­te­r*in­nen des 5. Senats, woraufhin die nächste Unterbrechung folgt.

Fundiert sind die Befangenheitsanträge aus Sicht des Gerichts aber nicht: Den Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat lehnt das Gericht gar „als rechtsmissbräuchlich“ ab. Die AfD setzt bei der Antragsschlacht wohl auch darauf, mögliche Verfahrensfehler seitens des Oberverwaltungsgerichts zu produzieren. Diese könnten der Partei in der nächsten Instanz, bei der Revision beim Bundesverwaltungsgericht, helfen.

Es folgen weitere Verzögerungen: So fordert die AfD, die Öffentlichkeit auszuschließen – für die Beratung über den Antrag müssen daraufhin sämtliche Zu­schaue­r*in­nen das Foyer verlassen und eine gute halbe Stunde im Regen von Münster ausharren, ehe das Gericht auch diesen Antrag zurückweist und die Zu­schaue­r*in­nen wieder in den Saal lässt.

Am späten Nachmittag schließlich kommt die Verhandlung besser voran, was auch an der Hartnäckigkeit des Gerichts liegt: Als die AfD gegen 18 Uhr beantragt, für den Tag Schluss zu machen, schlägt der Vorsitzende Buck eine kurze Kaffeepause vor und sagte aber, dass der Senat danach weiterverhandeln wolle: „Eine Mondscheinsitzung wollte ich nicht, aber wir können noch etwas weitermachen.“

AfD will „presserechtliche Maßstäbe“ für Verfassungsschutz

Fragen, die nachmittags verhandelt werden, sind etwa das Argument der AfD, viele der Äußerungen aus der Materialsammlungen seien nicht strafrechtlich relevant. Das pariert des BfV-Anwalt damit, dass man nicht im Bereich des Strafrechts sei.

An anderer Stelle behauptet der AfD-Anwalt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz presserechtliche Maßstäbe an seine Berichterstattung anlegen müsste und bei einer „Verdachtsberichterstattung“ die AfD befragen und zitieren müsse. Roth hält auch hier dagegen: Der Verfassungsschutz betreibe keine Verdachtsberichterstattung, nur weil er das Wort Verdacht verwende.

Eine spannende Frage ist, wo legitime Staatskritik endet. Weiterer AfD-Einwand: Der Verfassungsschutz habe nicht genügend abgewogen, ob die kompromittierten Äußerungen nicht auch anders gemeint hätten sein können. Man müsse jede in der Materialsammlung auftauchende Person eigentlich als Zeugen hören, forderte AfD-Anwalt Conrad. Roth sagt: Natürlich müssten Aussagen im Kontext betrachtet werden, aber: „Viele der Aussagen sind so eindeutig, die muss man nicht weiter auslegen“, so Roth. Wenn AfD-Mandatsträger hundertfach und bewusst von „Corona-Diktatur“ sprächen, gehe es nicht darum, Kritik an einzelnen Maßnahmen zu äußern. Sondern eben darum, mit einem Diktaturvorwurf die Regierung als totalitär darzustellen. Wenn man vom „Ermächtigungsgesetz 2.0“ spreche, ginge es darum, die Parlamente zu delegitimieren.

Die Verzögerungstaktik will die AfD jedoch weiter durchziehen: Gegen 19 Uhr schließlich drohen die AfD-Anwälte mit 210 Beweisanträgen für den nächsten Verhandlungstag. Man rechne mit 25 Stunden – allein um diese einzubringen. „Das klingt mir nach einer missbräuchlichen Beantragung von Beweisanträgen, wenn man das schon so ankündigt“, antwortet BfV-Anwalt Roth, offenkundig genervt. In den Anträgen soll es auch darum gehen, inwiefern das vom Verfassungsschutz vorgelegte Material selbst unter der Mitwirkung von V-Personen und Quellen entstanden sei, was die AfD auch im Vorfeld des Prozesses suggeriert hat. Hier zog das Bundesamt nach der Ankündigung durch die AfD überraschend blank: Es gab an, dass lediglich 2 der mehreren Tausend Belege menschliche Quellen des Verfassungsschutzes beinhalteten, beide seien nicht auf Bundes- oder Landesebene und vor dem Jahre 2020 angefallen. Das Bundesamt habe zu keinem Zeitpunkt steuernden Einfluss gehabt, die AfD auch nicht hinsichtlich ihrer Prozesstaktik ausgespäht.

Ein Ende der Antragsschlacht ist bei Verhandlungsschluss am Dienstagabend kurz vor acht jedenfalls nicht in Sicht. Das Verfahren ist für zwei Tage angesetzt, möglicherweise fällt am Mittwoch ein Urteil. Die „zwei Menschen“ dürfte auch das kaum stören.

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29 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Die eigentliche Strategie dürfte sein, genügend Material für Fakenews innerhalb der AfD*) Blase zu sammeln um es für die Ewiggestrigen zu benutzen. Dann wird es bald Videomaterial geben mit Zusammenschnitten in denen Man vernünftig aussehende Anträge (von der AfD) und ablehnende Richter sehen kann mit dem Tenor: Seht her, so geht unser Rechtssystem mit uns um!



    Kurz gesagt: Das Gericht wird als Propagandbühne missbraucht.

    Warum machen die Richter da mit?

    *) "Adolf fickt Deutschland"

    • @realnessuno:

      Nein, solche Videos wird es wahrscheinlich nicht geben, denn in der Verhandlung ist wie ein allen Verhandlungen bei Gerichten ind Deutschland die Fertigung von Aufnahmen nicht zulässig (was die AgD natürlich nicht davon abhalten muss, solche dennoch anzufertigen ...)

  • Der erwähnte Begriff der "wohltemperierten Grausamkeit" wurde übrigens nicht von Björn Höcke, sondern vom Philosophen Peter Sloterdijk eingeführt.



    (2015 als Forderung, was an den EU-Außengrenzen geschehen müsse)

    www.presseportal.de/pm/66749/3250766

  • Solange die Anwälte machen, was sie nach geltendem Recht dürfen, kann man Nichts machen. So ist es nun mal im Rechtsstaat

  • Das ist erklärungsbedürftig, dass BfV-Anwalt meint, nicht im Bereich des Strafrechts zu sein, in welchem dann, im Bereich unterlassener Bundestagshausarbeit, Wortungetüme aus dem Grundgesetz zu nehmen, wie Artikel 116 Grundgesetz, in dem von deutscher «Volkszugehörigkeit» die Rede ist, als gebe es neben dem Rang deutscher Staatszugehörigkeit weiteren Rang von?, auf den die Schwurbelungetüme wie Umvolkung der AfD abheben und doch verfassungskonform zu bleiben?



    „Rothi hält auch hier dagegen: Der Verfassungsschutz betreibe keine Verdachtsberichterstattung, nur weil er das Wort Verdacht verwende.“



    Wenn es dem BfV im AfD Verfahren Münster weder um Strafrecht noch Verdachtsberichterstattung geht, geht es dann um politisch weisungsgebundenen BfV, der dem politischen Weisungsrecht von Ministerien in Bund, Ländern zu folgen hat, wie Staatsanwaltschaften, BKA, Generalbundesanwalt und andere hoheitliche Staatsdienste, sich politisch angewiesen an der Seite von Regierungsparteien presserechtlich auf die Wettbewerbstrecke der Parteien zu begeben, in dem der BfV die AfD als Verdachtsfall öffentlich macht, ohne Ambition, ein AfD Verbotsverfahren argumentativ belegt unterstützen zu wollen?



    Dass das politische Weisungsrecht Atikel 147 Gerichtsverfassungsgesetz 1895 abgeschafft gehört, forderte zuletzt 2019 Deutscher Richterbund (DRB)Vorsitzende Jens Gnisa vergeblich. Denn nur Art 147 Streichung könne AfD administrativen Durchmarsch bei deren Regierungsbeteiligung hindern



    Solche Materialschlachten Gerichtsprozesse wie jetzt in Münster AfD gegen Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart Stammheim RAF Prozesse 70ziger Jahre sind auch stets ein Lackmustest unserer Rechtsstaatlichkeit. Im RAF Prozess hat die Rechtsstaatlichkeit nach ihren eigenen Grundaxiomen im Nachherein betrachtet belegt versagt. Lasten wie das Kontaktsperrgesetz unverändert belassen

    www.drb.de/newsroo...gsrecht-abschaffen

    • @Joachim Petrick:

      Ich verstehe nicht so ganz, wo Ihr Problem liegt. Das BfV ist weder Strafverfolgungsbehörde noch Presseorgan. Warum sollte es also verpflichtet sein, die ganz speziellen Regeln für diese auf seine Ermittlungen anzuwenden?

      • @Normalo:

        BfV ermittelt nicht, das ist Sache BKAs, Kripo, sondern sammelt u. a. mithilfe von V-Leuten Informationen über Organisationen in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Parteien, deren Strukturen, Personen, Diagramme, Profile als Handreichung für Regierungshandeln zu erstellen. Wenn der BfV mit sog Verdachtsfällen in die Öffentlichkeit als Akteur geht, ist das eine andere Veranstaltung im presserechtlichen Sinne, mit Anspruch auf Gehör, weite Resonanz in Medien, Social Media und zugleich Eintauchen in eine Welt des Ungefähren noch nicht Fassbarem von Begriffen wie Gefährder, Personen, die putativ in sog administrative Haft ohne anwaltlichen Beistand genommen werden können wie in Bayern Klimaaktivisten “Letzter Generation“ ohne Haftbefehl noch Vorführung einem Haftrichter gegenüber, statt konkreter Lage-, Personeneinschätzung, wenn der BfV Anwalt im Prozess Münster meint, es gehe BfV weder um Verdachtsberichterstattung noch Strafrecht im Sinne einer Handreichung für staatsanwaltliche Klageerhebungen gegen die AfD als Partei bei seinen Intentionen, also dann doch wohl um redaktionelle Aufklärungsarbeit im öffentlichen Raum, den Medien-, Pressegesetzen verpflichtet

      • @Normalo:

        "Das BfV ist weder Strafverfolgungsbehörde noch Presseorgan. Warum sollte es also verpflichtet sein, die ganz speziellen Regeln für diese auf seine Ermittlungen anzuwenden?"

        --> Andersherum gefragt: Wenn das BfV kein Presserecht beachten muss, weshalb gibt es dann öffentliche Berichte heraus, dass Partei XY ein "Prüffall" oder "Verdachtsfall" ist? Tatsächlich macht das BfV durchaus Pressearbeit, z.B. durch Pressemitteilungen. Da ist es - aus Sicht desjenigen über den berichtet wird - durchaus legitim zu verlangen, dass das BfV sich an die normalen Presse- und Äußerungsrechtlichen Bestimmungen hält.

        Vielleicht, dass man da sogar noch strenger ist, angesichts der Tatsache, dass hier ein staatlicher (und vor allem weisungsgebundener) Nachrichtendienst sich öffentlich äußert. Was sich - im Extremfall der hinterher festgestellten Unschuld - sehr abträglich auf das Ansehen auswirkt. Es gibt ja Gründe, warum Staatsanwaltschaften nur sehr zurückhaltend über Verfahren berichten dürfen.

        Mit anderen Worten: Alle anderen Akteure unterliegen strengen presse- und äußerungsrechtlichen Vorschriften, nur das BfV scheint vogelfrei zu sein.

        • @Kriebs:

          Das BfV ist eine Behörde, die ihre Arbeitsergebnisse veröffentlicht, wie viele andere auch. Sie ist nicht das Medium der Verbreitung. Da gelten andere Regeln. Bei ihr greift die Pflicht zur Objektivität VOR dieser Veröffentlichung, und die ist auch auf ihre Weise justiziabel. Dazu wird das OVG ja auch hoffentlich noch kommen, wenn es die ganzen Blendgranaten der AfD-Anwälte weggearbeitet hat.

          Staatsanwaltschaften taugen nicht als Beispiel, weil sie Strafverfolgungsbehörden SIND, also an die Unschuldsvermutung gebunden. Das ist - und da sollten wir ganz klar sein - das BfV wie auch andere Teile der Exekutive in dem engen Sinne NICHT: Es muss zwar seine Befunde hinreichend unterlegen, darf in ihnen aber z. B. Grautöne zwischen "nicht verfassungsfeindlich" und "erwiesen verfassungsfeindlich" feststellen, wenn das der Genauigkeit dient. Außerdem soll die staatsanwaltliche Diskretion zumindest auch verhindern, die Beweiskette oder den Grundsatz der Präsenzverhandlung im Strafrecht zu kompromittieren.

  • Hat das für Anwälte eigentlich berufliche Konsequenzen, wenn sie konsequent missbräuchliche und unzulässige Anträge stellen? So im Sinne von Zweifel an der Fähigkeit, den Beruf auszuüben?

    • @LeSti:

      Im Strafrecht nennt man das "Konfliktverteidigung". Es ist ein bei Staatsanwaltschaft und Gerichten wenig beliebtes aber zulässiges Mittel der Rechtsverfolgung. Im Verwaltungsrecht ist es weniger zuhause, aber deshlab nicht illegal.

      Und sich damit tiefer zu befassen, ist hier im Zweifel kontraproduktiv: "Rechtsmissbräuchlich" heißt ja nichts anderes, als dass man ein prozessuales Mittel einsetzt, das einem zwar grundsätzlich zusteht, das aber konkret offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat sondern nur Zeit kostet. "Offensichtlich aussichtslos" ist dabei wieder so ein schwer an die Wand zu nagelnder Begriff (Juristen können bekanntlich für ALLES irgendwelche Argumete finden), über den man ewig streiten kann. Da genau das eines der strategischen Ziele der Taktik sein dürfte, wird man lieber DAS Fass nicht auch noch aufmachen, wenn es sich vermeiden lässt.

      • @Normalo:

        Danke für die Erklärungen zum Thema Konfliktverteidigung. Sie müssen mir als Nicht-Juristen allerdings zugestehen, dass mir trotzdem die Galle hochkommt, wenn ich von solchen Verzögerungstaktiken der AfD-Anwälte lesen. Aber ich muss ja auch nicht objektiv im juristischen Sinne sein - als vetfahrensführender Richter müsste ich mich wohl schwer zusammenreißen. Aber Gott sei Dank habe ich was anderes studiert.

    • @LeSti:

      Wahrscheinlich nicht. Derlei ist Alltag vor Gerichten, absolut gängiges und übliches Rechtsanwaltsgebahren: Sich sich ganz oben auf dem Misthaufen auf doppelte Körpergröße aufplustern, den Kamm steif aufrichten und anhaltend, stundenlang laut krähen, was das Zeug hält.



      Insgesamt kann man dieses vom vorsitzenden Richter als rechtsmissbräuchlich gerügtes Verhalten der AfD-Rechtsanwälte als sehr häufig von sehr vielen Anwälten vor Gericht gewohnheitsmäßig eingesetztes Säbelrasseln einordnen, das sie grundsätzlich in jedem Prozess als Taktik anwenden. "Wer schreibt, der bleibt."



      Der vorsitzende Richter sagt dann mal zwischendurch, dass er das für rechtsmissbräuchlich hält, aber das war es dann aber auch schon. Es passiert bei so etwas in der Regel nichts.



      Verhält sich ein Anwalt fortgesetzt während der Verhandlung rechtsmissbräuchlich daneben, kann der vorsitzende Richter ihn wie geschehen rügen. Es gibt da auch noch die Möglichkeit ein Ordungsgeld von



      € 150,-- zu verhängen, was fast nie geschieht, aber für diese großartige Werbung für seine Kanzlei könnte der Anwalt ganzseitige Werbeanzeigen in den Wochenendausgaben aller seriösen deutschen Zeitungen schalten und würde niemals diese Reichweite erzielen. Also ein Ordungsgeld von



      € 150,--, das noch nicht einmal verhängt wurde, würde diese Kanzlei mit Vergnügen bezahlen....bei diesem vermutlich hohen sechstelligen, eher siebenstelligen Streitwert wäre angesichts der durch die seitens der Medien erhaltenen kostenlosen, und "unbezahlbaren" Werbung für diese Kanzlei selbst ein Ordnungsgeld über



      € 100.000,-- ein Witz!



      Diese Kanzlei führt vor Gericht erfolgreich eine Werbekampagne in eigener Sache um danach mit weiteren hochdotierten Mandaten überschwemmt" zu werden.



      Selbst die RA, die im St-Pauli Mörderfall Pinzner die Waffe beorgt hatte, mit der Pinzner sich und seine Frau im Gefängnis tötete, bekam nur ein zeitlich begrenztes Berufsverbot um nach dessen Ablauf als RA weiter zu arbeiten.

    • @LeSti:

      Ja, das bringt ihnen bei den Kollegen eine höhere Reputation und sie können höhere Stundensätze verlangen ;)

      • @Altunddesillusioniert:

        Das wird wohl kaum der Fall sein - wer missbräuchliche Anträge stellt, wird vom Gericht sicher auch nicht entgegenkommend behandelt, das kann sich also für den Mandanten durchaus als Bumerang erweisen und hat auch bei der anwaltlichen Kollegenschaft sicher keine große Wertschätzung zu erwarten. Und solche für die Mandantschaft pozenziell nachteilige Verhaltensweisen wedren sicher auch keine besseren Honorare bringen !

        • @StromerBodo:

          Das ist nicht gesagt. Ein Anwalt macht seinen Job dann richtig, wenn er das für seinen Mandanten bestmögliche Ergebnis herausholt und dabei die Grenzen der Legalität nicht nachweisbar überschreitet. Das müssen auch Gerichte respektieren und bemüht sein, damit neutral umzugehen. Natürlich sind auch Richter nur Menschen, aber wenn sie nicht gerade kurz vor der Rente stehen, wird sich bei ihnen auch das Missfallen über solche Taktiken mit der Befürchtung die Waage halten, von so einem garstigen Anwalt bei einem Fehler erwischt zu werden. Also nein, solche Anwälte haben absolut ihren Markt und gehören auch häufig genug zu den teureren Prozessvertretern. VIELLEICHT liegt das auch daran, dass es vielen ihrer Kollegen einfach keinen Spaß macht, ihren Job so zu verrichten...

  • Der AfD Anwalt beweist mit seiner Vorgehensweise nicht nur eine Rechtsradikalität sondern eine Verleumdung der Demokratie.



    Der Ausschluß der Öffenlichkeit in diesem Verfahren ist ein weiteres Indiz die AfD zu verbieten, die wollen nicht das die faschistischen und menschenfeindlichen Ideen der breiten Öffentlickeit bekannt werden.

    • @Tino Winkler:

      In einem Bericht der Zeit stand, dass die AfD bzw. ihre Anwälte an der Stelle „aus einem offiziellen Dokument zitieren wollte[n], das nicht veröffentlicht werden darf“ – es war also verfahrensrichtig, dass für diesen Punkt(!) kein Publikum zugelassen war.

    • @Tino Winkler:

      Was die AfD-Anwälte machen, bewegt sich im Rahmen des deutschen Rechts und man kennt das schon aus zahlreichen anderen Verfahren. Es ist zu hoffen, dass das Verfahren kein Schuss ins eigene Knie wird und letztendlich der AfD noch politischen Auftrieb beschert.

      • @Thomas Müller:

        Da habe ich im Artikel oben aber auch was von missbräuchlich gelesen.

    • @Tino Winkler:

      Naja und bei Ausschluß der Öffentlichkeit kann man hinterher auch das Geschehene so darstellen wie man es gern möchte und zu eigenen Zwecken missbrauchen.

  • Scheinbar sind Rechtsradikalen bei Richtern immer noch gut gelitten und Recht und Rechts gesellt sich scheinbar gern.



    Wenn man sich Dokumentationen der ÖR aus der Vergangenheit ansehen möchte, z.B. "Stunde der Populisten", RBB, Autor u.a. Olaf Sundermeyer, dann findet man in der ARD Mediathek einen toten Link, und anderenorts nur einen Link auf ein privates/gesperrtes Youtube Video. Eine Anfrage per Mail beim RBB dazu bleibt ohne Antwort. Ähnliches mit weiteren Filmen des ÖR zur AgD einmal gesendet, nicht mehr in der Mediathek maximal private/gesperrte Videos auf Youtube. Ab und an mal ein Hinweis, dass die AgD "erfolglos" rechtlich dagegen vorgegangen sei. Das ist für mich ein weiteres Zeichen das wir nach Rechts kippen, scheinbar grundlos knickt der ÖR vor den Faschisten langsam ein. Dann die Gerichte und dann die Parlamente, denn Union und FDP ist das eigene Süppchen wichtiger als Demokratie.

    • @Axel Schäfer:

      "Recht und Rechts" gesellt sich gern."



      ??? Haben Sie, bevor Sie in die Tasten gegriffen haben, den Bericht zumindest überflogen?



      Falls ja: Welche Passagen unterstützen denn Ihre Behauptung?



      Gespannte Grüße

  • Leider verfüge ich nicht über das resignierte bis stoisch-gelangweilte Gemüt der “Zwei Menschen” im grossen Saal des Oberverwaltungsgerichts Münster - es tut mir leid. Justitia wird auch in dieser Causa ihren Weg gehen - und hoffentlich ist der nicht so weit, dass wir an seinem Ende nicht ein Verbot der AfD sehen werden.



    Wenn ich mir so “furchtbare Juristen” (Ingo Müller) wie den Christian Conrad - und seine Versuche, das Urteil mit üblen Verfahrenstricks hinauszuzögern - anschaue, verliere ich doch etwas meine Contenance. Wenn die AfD eines Tages doch erfolgreich sein sollte und sich an den Umbau unserer Gesellschaft macht, werden solche Rechtsverdreher nicht zögern, für ihre Herren den Freisler zu geben.



    Zu polemisch? Ich weiß ja, etwas mehr Gelassenheit und Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat wären wahrscheinlich angeraten.

    • @Abdurchdiemitte:

      Gelassenheit und Vertrauen ist gut, aber Wachsamkeit ist besser. Wenn man sich in Europa und anderswo umschaut, überall dort wo rechte Regierungen an die Macht gekommen sind, ergibt sich doch ein erkennbares Muster. Erst versuchte man verbal die Justiz zu delegitimisieren und dann kommen sogenannte "Justizreformen".

  • Man lese die Prozessakten der Nazis in den Jahren vor 1933 und merke: genau diese Vorgehensweise war damals auch Mittel um das Ziel 30.1.1933 zu erreichen: damals waren aber alle Richer Freunde. Deswegen die Befangenheitsanträge - von Demokraten lassen wir uns nicht verurteilen, meint der Nazi.

    • @oldleft:

      Stimmt.



      Im Ulmer Reichswehrprozess 1930 erklärte Hitler:



      „Die Verfassung schreibt nur den Boden des Kampfes vor, nicht aber das Ziel. Wir treten in die gesetzlichen Körperschaften ein und werden auf diese Weise unsere Partei zum ausschlaggebenden Faktor machen. Wir werden dann allerdings, wenn wir die verfassungsmäßigen Rechte besitzen, den Staat in die Form gießen, die wir als die richtige ansehen.“



      Auf die Nachfrage von Richter Baumgarten „Also nur auf verfassungsmäßigem Wege?“ entgegnete Hitler „Jawohl“.



      Den Richter hat nicht interessiert, WAS die Nazis wollten, sondern nur MIT WELCHEN MITTELN.



      Da sind wir zum Glück deutlich weiter. Und hoffentlich erfolgreich.

      • @Michael Kuckenburg:

        Solch eine Vorgehensweisewurde nicht nur bei den Nazis verfolgt. Sie ist auch unter dem Namen "Marsch durch die Institutionen" von Links bekannt. de.wikipedia.org/w..._die_Institutionen

        Gerichtsverfahren waren aber wohl von beiden Seiten nicht damit gemeint.

      • @Michael Kuckenburg:

        "Da sind wir zum Glück deutlich weiter. Und hoffentlich erfolgreich."

        Warten wir das mal ab. Ich gehe bis auf Weiteres davon aus, dass sich - sicherlich im Osten - früher oder später ein Konservativer finden wird, nach einer Wahl verlauten lassen wird, dass er einen AfD-Spitzenkandidat "an die Wand quetschen wird, bis er quietscht".