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Berichte über den Nahost-KonfliktIhre Heiligkeit, die UNO

Kommentar von Miriam Dagan

UNO-Berichte und die Aussagen von UNO-Experten werden fast nie hinterfragt. Das Beispiel Israel zeigt, warum sich das dringend ändern muss.

Hauptquartier des palästinensischen Hilfswerks UNRWA in Gaza Foto: dpa

D ie IPC (Integrated Food Security Phase Classification) wurde vergangene Woche veröffentlicht, ein Bericht, nach dem es doch keine Hungersnot in Gaza gibt. Er korrigierte damit einen früheren Bericht vom 18. März 2024. Der hatte eine drohende Hungersnot in Gaza vorausgesagt und mündete weltweit in die Nachricht, dass Kinder in Gaza verhungern. Auch die UN deklarierten das. Die Nachricht drehte sich weiter: Israel nutze das „Aushungern“ als Kriegsstrategie – eine Anschuldigung, die auch die UN gegen Israel richteten.

Die Anschuldigung bezog sich vorrangig auf den IPC-Report von März, der nun korrigiert wurde. Der erste Bericht erhielt globale Aufmerksamkeit, die Korrektur aber nicht. Die UN veröffentlichten am 4. Juni einen Kurzbericht, in dem steht: „Im Gegensatz zu den Annahmen, die für den Zeitraum März bis Juli 2024 gemacht wurden, wuchs die Menge an Nahrung […] stetig, welche die nördlichen Gebiete des Gazastreifens erreichte.“

Wie glaubwürdig sind die UN-Berichte, auf die sich so viele Medien, Menschenrechtsorganisationen und Politiker stützen? Diese Frage bewegt scheinbar kaum jemanden. Die Zahlen der Toten in Gaza, die in UN-Berichten genannt werden, beinhalten auch Hamas-Kämpfer – doch selten wird das differenziert dargestellt. Bei der Nennung israelischer Opferzahlen werden tote Soldaten hingegen nicht dazugezählt. Vielerorts werden UN-Berichte als unbestreitbar zuverlässige Quelle ohne Überprüfung aufgeführt und UN-Experten bedenkenlos zitiert.

„Jüdische Lobby“ ist schuld

Eklatantes Beispiel: die UN-Sonderbeauftragte für die palästinensischen Gebiete, Francesca ­Albanese. 2014 sprach sie auf einer Veranstaltung von einer „jüdischen Lobby, welche die USA in Schach hält“. Auch das Massaker vom 7. Oktober rechtfertigte sie – wofür sie scharfe Kritik erntete.

Es handelt sich dabei keineswegs um Einzelfälle, sondern um ein besonders schwerwiegendes Beispiel dafür, dass die UN, ihre Beobachter, Mitarbeiter und Berichte eben nicht den Heiligen Gral der absoluten Unabhängigkeit repräsentieren. Und oft sind sie von den nationalen Interessen ihrer 193 Mitglieder geprägt, von denen im Jahr 2023 laut dem jährlichen Demokratieindex des Economist lediglich 24 als „vollständige Demokratien“ eingestuft wurden. Israel war 2023 übrigens auf der Liste an 30. Stelle, gleich nach den USA und vor Portugal.

Im Jahr 2023 gab es bei den UN 15 Resolutionen gegen Israel und lediglich sieben auf alle anderen Länder verteilt. Es gab keine einzige Resolution gegen China, Venezuela, Saudi-Arabien. Das ist ein Muster, das sich durch die Jahre zieht: Seit 2015 haben die UN 140 Resolutionen gegen Israel verabschiedet, im Gegensatz zu insgesamt 68 Resolutionen gegen alle anderen Länder der Welt.

Diese Zahlen spiegeln globale Machtverhältnisse wider: Neben einer Mehrheit nicht demokratischer Staaten steht auch eine Mehrheit von rund 50 muslimischen Staaten, von denen die meisten israel­feindlich sind, einem einzigen jüdischen Staat gegenüber.

Unfassbar viele Resolutionen gegen Israel

Die UN stehen oft vor einem Dilemma. Durch Rotationsprinzipien übernehmen Staaten mit schlimmer Menschenrechtsbilanz den Vorsitz entsprechender Foren und machen ihre Arbeit zu einer Farce, so zum Beispiel Iran im Jahr 2023. Autoritäre Staaten, die Menschenrechtsverbrechen aufweisen, bringen Resolutionen ein.

Die UN sind eben bei Weitem keine „universale Wertegemeinschaft“, wie im Traum des Gründervaters ­Woodrow Wilson vorgesehen. Interessanterweise werden sie aber in der globalen Wahrnehmung bezüglich Israel als ebensolche gehandelt, wenn ihre Anklagen gegen Israel ungeprüft weiterverbreitet und zitiert werden.

Tiefgreifende Probleme mit den UN gibt es auch in anderen Bereichen. Zum Beispiel haben sie kürzlich der Forderung der Taliban nachgegeben, auf einer Konferenz in Doha keine afghanischen Frauen zuzulassen und Frauenrechte von der Agenda zu streichen. Im Mai berichtete die Deutsche Welle, dass Bangladesch Soldaten einer Einheit, die gemordet und gefoltert hat, auf Blauhelmmission geschickt hat. Dem Bericht zufolge ist diese Praxis keine Ausnahme.

Recherchen, die das Palästinenserhilfswerk UNRWA – die einzige UN-Institution, die einer bestimmten Volksgruppe zugeordnet ist – unter die Lupe nehmen, findet man dagegen kaum. Was wird an UNRWA-finanzierten Schulen gelehrt? Ein Blick in die Schulbücher zeigt, dass die Ablehnung des jüdischen Staats und Antisemitismus dort weit verbreitet sind.

UNRWA-Mitarbeiter jubelten auf Telegram

Letzten Montag haben mehr als hundert israelische Opfer und Familienangehörige von Opfern des 7. Oktober eine Klage gegen das UNRWA eingereicht. Die Anschuldigung, unter anderem: Es erlaube der Hamas, seine Einrichtungen als Waffenlager zu nutzen, habe Tunnel und Kommandozentralen unter seinen Schulen bauen lassen. Erwiesen ist, dass in einer Telegram-Gruppe mit 3.000 UNRWA-Mitarbeitern der Pogrom vom 7. Oktober gefeiert wurde und dass einige UNRWA-Mitarbeiter sogar aktiv daran beteiligt waren.

Während also an anderer Stelle Kritik geübt wird, Recherchen in Auftrag gegeben werden oder Verbrechen aufgedeckt werden, bleibt es meistens, wenn es um die Beziehung der UN zu Israel geht, ziemlich still.

Und anstatt die Voreingenommenheit der UN gegen Israels zu hinterfragen, wird der Spieß umgedreht. Israel werden Voreingenommenheit und sogar Schmäh­kampagnen gegen die UN vorgeworfen. Und die fehlgeleitete Politik des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu befeuert leider diesen falschen Vorwurf.

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Vereinten Nationen, ihren Unterorganisationen und ihrem Personal ist lange überfällig. Es stünde der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, die ihren wertebasierten Politikansatz so häufig betont, gut zu Gesicht, den Anfang zu machen.

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40 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Das ist die übliche israelische Propaganda gegen die UN. Ohne wirkliche Substanz.

    • @Francesco:

      Nö, da ist sehr viel Substanz dahinter, schon der Artikel, wenn man ihn liest, hilft da weiter.

  • Danke für den Artikel. Der verlinkte neue Bericht ist eindeutig: Es gibt keine Hungersnot in Gaza. Dass diese erfreuliche Nachricht in denjenigen Medien weitaus weniger Aufmerksamkeit erhielt, die zuvor die gegenteiligen, auf unzureichenden Daten beruhenden Behauptungen lautstark verbreitet hatten, insbesondere in öffentlich-rechtlichen Medien, zeigt zum wiederholten Mal, dass das Schicksal der Zivilisten in Gaza dort nur dann auf Interesse stößt, wenn man meint, es gegen Israel instrumentalisieren zu können.

  • Die berüchtigten Resolutionen.

    Das IFO-Institut hat sich vor ein paar Jahren die Arbeit gemacht und die vielen Resolutionen gegen Israel ausgewertet.

    www.ifo.de/DocDL/ifosd_2015_07_5.pdf

    Die Ergebnisse zeigen, dass Israel



    im Vergleich zu den anderen genannten Staaten weder außergewöhnlich schwere Menschenrechtsvergehen begangen hat, noch in besonders viele militärische Konflikte mit



    zahlreichen Todesopfern verwickelt gewesen ist. Mithin ist



    die exorbitante Kritik in der UN-Generalversammlung – gemessen an den gewählten Indikatoren – nicht gerechtfertigt.



    Dies legt eine Voreingenommenheit des Gremiums gegenüber Israel nahe.



    Eine solche Voreingenommenheit könnte an weit verbreitetem Antisemitismus und damit an anti-israelischen Sentiments liegen. Allerdings ist dieses Argument unbefriedigend, da die meisten Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen keine antisemitische Tradition aufweisen.Dieser Theorie zufolge besteht für autoritäre und totalitäre Regime der Anreiz, Aufmerksamkeit und potenzielle Kritik vom eigenen



    repressiven Regierungsstil ab- und stattdessen auf einen



    anderen Staat umzulenken.

    So schade um die UN!

    Danke für den sehr guten und notwendigen Artikel.

  • Danke für diesen Artikel. Ich zog tatsächlich auch bereits länger den Vergleich zwischen Vatikan und UNO.

    Aber wenn selbst, üblicherweise in Bezug auf Autoritäten kritische, Linke der UNO und deren Berichten Glauben schenken, auch wenn die Informationen, Daten etc. direkt von der gegnerischen Kriegspartei kommen, ist das wohl nicht zu ändern.

    Die jüdische/israelische Minderheit und deren Unterstützer, zu denen ich mich zähle, lernen damit zu leben.

  • Guter Artikel, vielen Dank.

  • Der sehr einseitige Debattenbeitrag verwechselt Ursache und Wirkung. "Israel werden Voreingenommenheit und sogar Schmäh­kampagnen gegen die UN vorgeworfen", was wohl richtig und korrekt dargestellt ist. Bestätigt wird diese Tatsache in dem Artikel dadurch, dass die gewählte und legitimierte Regierung Netanjahu diese Sichtweise "befeuert". Bevor die UNO als scheinheilig dargestellt werden kann, müssen die Israelis eine andere Regierung wählen und die Zweitstaatenlösung bzw. ein multikulturelles Israel zulassen.

    • Käptn Blaubär , Moderator*in
      @stephan buchkremer:

      Wir dürfen eine Antwort der Autorin ausrichten:



      @Stephan Buchkremer: Der Bias der UNO lässt sich nicht durch die Regierung von heute erklären. Das sind zwei getrennte Themen, genau das wollte ich in meinem Artikel zum Ausdruck bringen. Und eine Zweitstaatenlösung haben die Palästinenser seit jeher abgelehnt. Israel ist übrigens ein sehr multikulturelle Gesellschaft, mit ca. 20% arabischer Bevölkerung (manche von ihnen identifizieren sich als Palästinenser), Christen, Drusen und anderen nicht-jüdischen Gruppen. Die jüdische Mehrheit besteht ungefähr zur Hälfte aus Nachfahren von Einwanderern aus nordafrikanischen und nahöstlichen Ländern, hinzu kommen Äthiopier, Russen und andere.

    • @stephan buchkremer:

      Israel ist ein multikulturelles Land. Es leben dort Juden, Araber, Christen, Berber und diverse andere Kulturen. Es gab bisher zig Versuche eine Zweistaatenlösung herbeizuführen gegeben. Wurde immer von der arabischen Seite abgelehnt.



      "Frieden wird es geben, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben, als sie uns hassen." -Golda Meir-

  • Wer sich intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen möchte, dem sei folgendes Buch empfohlen:

    A. Feuerherdt/F. Markl: „Vereinte Nationen gegen Israel“. Hentrich und Hentrich, Berlin 2018, 336 S., 24,90 Euro

    "„Wenn Algerien in einem Resolutionsentwurf erklären würde, dass die Erde eine Scheibe ist und Israel sie dazu gemacht hat, dann würde diese Resolution mit 164 zu 13 Stimmen bei 26 Enthaltungen angenommen werden.“

    Nach der Lektüre des Buchs „Vereinte Nationen gegen Israel. Wie die UNO den jüdischen Staat delegitimiert“ des Publizisten Alex Feuerherdt und des Politikwissenschaftlers Florian Markl, in dem dieses Verhältnis ausführlich analysiert wird, kann man durchaus zu diesem Schluss kommen. Denn tatsächlich fanden in den Gremien der Vereinten Nationen bereits Anträge eine Mehrheit, die ähnlich absurde Positionen gegenüber Israel einnehmen."

    taz.de/Buch-Verein...n-Israel/!5577104/

    • @Jim Hawkins:

      Konjunktive als indikative zu verwenden , deute immer auf schwaches Argument hin. Ohne UNO hat Israel keine Existenzgrundlage. Ohne Zweistaatenlösung keine Zukunft.

      • @stephan buchkremer:

        Eine Liste der Resolutionen findet sich in der englischsprachigen Wikipedia. Sie sind interessant zu lesen.

      • @stephan buchkremer:

        Fein herausgefischt.

        Das mindert allerdings nicht die Qualität des Buches.

        Und: Die UN von 1948 hat so rein gar nichts mit der von heute zu tun.

        Heute wäre dort die Gründung eines jüdischen Staates ein Ding der Unmöglichkeit.

        • @Jim Hawkins:

          Hanna Ahrend (und viele andere Juden auch) lehnte zurecht einen jüdischen Staat ab. Sie argumentierte schon damals, ohne Verständigung mit der arabischen Seite würde es zu einem unlösbaren Konflikt kommen – damit hat sie leider bis heute Recht behalten.

          Wenn die einseitige koloniale Unterstützung Großbritanniens nicht gewesen wäre, die die nationalistischen Hardliner unterstützte, dann gäbe es heute ein florierendes Israel oder Palästina mit einer gemischten Bevölkerung, das auch in die ganze arabische Welt hinaus gestrahlt hätte.

          Eine Welt wie sich viele der dorthin migrierten Juden sie sich erträumt haben. Leider haben die nationalistischen Falken und die Rechtsextremen die Oberhand gewonnen.

          • Käptn Blaubär , Moderator*in
            @Rudolf Fissner:

            2/2:



            Wenn es keinen jüdischen Staat gäbe, wären die Juden, wie schon seit Jahrtausenden, eine unterdrückte Mehrheit in einem vermutlich nicht ganz demokratischen palästinensischen Staat.

          • Käptn Blaubär , Moderator*in
            @Rudolf Fissner:

            Wir dürfen eine Antwort der Autorin ausrichten - 1/2:



            @Rudolf Fissner: Die Ablehnung des Rechts der Juden auf einen souveränen, jüdischen Staat ist sehr problematisch. Großbritannien war Kolonialmacht und hat mit der Balfour-Deklaration einen wichtigen Baustein für den Nationalstaat der Juden gelegt. Doch die Juden haben eine mehr als 3000-jährige Geschichte in dem Land ihrer Vorfahren – die lässt sich nun wirklich nicht bestreiten. Siehe z.B. www.nytimes.com/20...istory-israel.html

            Somit kann man die Juden auch als „indigen“ betrachten. Der Vorwurf des Kolonialismus ist total verfehlt, ihm liegt ein Narrativ zugrunde, bei dem Juden/Israelis in jedem Zeitalter das „Böse“ repräsentieren: Und in der heutigen Zeit ist das eben Kolonialismus und Rassismus. Die Briten haben die Juden hinterher keineswegs unterstützt, sondern während der Shoah die Einreise von Flüchtlingen brutal verhindert. Jüdische Milizen, einschließlich der Vorläufer der heutigen Armee, kämpften im heutigen Israel gegen die Kolonialmacht Großbritannien. Und was einen florierenden Staat Palästina-Israel angeht, das ist leider eine Illusion.

  • Natürlich kann man auch die UNO kritisch sehen. Immerhin hat sie sich offenbar korrigiert. Vielleicht besteht das Drama aber auch deswegen nicht mehr, weil die UNO Alarm schlug?

    Natürlich kann man auch das Handeln Netanyahus kritisch sehen. Die Baby-Nummer abzuziehen war übrigens schon heftig. Ist die schon korrigiert?

    Die UNO sind zuletzt letztlich noch sehr nett zur israelischen Seite, wenn man den Katalog des Völkerrechts anlegt, oder?

    • @Janix:

      Und besonders nett sind die UN auch zu einem riesigen Haufen Staaten, der die Menschenrechtskonventionen systematisch nicht umsetzt: Ägypten, Afghanistan, Belarus, China, Iran, Jemen, Russland, Saudi-Arabien, Syrien, Somalia, Sudan... you name it.

      Wo sind die UN-Resolutionen zu den Menschenrechtsverbrechen in diesen Ländern?

      • @hierbamala:

        Hier geht es doch aber um Israel und die PA-Gebiete. Und da wäre den beiden ihre Schuld aufzuzeigen und dann entsprechende Urteile zu verfassen....zum Glück stehen die Gebäude der Gerichtsbarkeit auf "unseren Territorien" und somit entscheiden wir wer vor Gericht kommt und wer nicht.

  • Die Menge an Nahrung wuchs... ja das kann schon sein, heisst aber noch lange nicht dass das ausreicht.



    Was das Hilfswerk UNWRA angeht so gibt es hier direkte Infos der Agentur selbst unter Claims Versus Facts: www.unrwa.org/unrw...acts-february-2024

    • Käptn Blaubär , Moderator*in
      @Martha:

      Wir dürfen eine Antwort der Autorin ausrichten:



      @Martha: Auf die UNRWA selbst als Quelle zu verweisen, ist meiner Meinung nach falsche Logik. Warum sollten Lazzarini und Co. mit ihren gut bezahlten Posten sowie mit der Hamas involvierte UNRWA-Mitarbeiter Beweise ihrer Schuld aufführen oder eingestehen?

  • Die UNO ist nicht perfekt und spiegelt viel zu oft den Zustand der Welt wieder. Und jedes Dokument gehört quellenkritisch gelesen. Das sollte aber nicht dazu führen, alles in einen Topf zu werfen: persönliche Äußerungen von Angestellten von UN-Unterorganisationen, teils Jahrzehnte altes Abstimmungsverhalten, in spezifischen historischen Momenten verfasste Berichte und ihre Korrekturen. Das ist - wenn man an einer möglichst wahrheitsgetreuen Darstellung interessiert ist - nicht hilfreich und mindestens methodisch unsauber. Man muss auch aufpassen, dass man nicht in eine faszinierte "Villainization" verfällt. Ferner sollte man nicht so tun, als ob UN-Berichte besonders wirksam sind, was die Politikgestaltung der Mitgliederstaaten angeht. Die Rezeption in den Medien ist zudem eher ungleichmäßig, da wirken andere Dynamiken der Aufmerksamkeitsökonomie.

    • Käptn Blaubär , Moderator*in
      @My Sharona:

      2/2:



      Auch was die Wirksamkeit angeht muss ich widersprechen: In anderen Fällen werden UN-Berichte vielleicht ignoriert, aber im Falle Israel werden sie, wie im Artikel erläutert, weit und breit als Beleg für die Anschuldigungen aufgeführt und befeuern damit auch den globalen Aufschrei gegen Israel und rechtliche Klagen (wie im Falle Südafrika – nach dem UN-Bericht vom März hat Südafrika die Anschuldigung des Aushungerns – ein Kriegsverbrechen – in seiner Klage gegen Israel mit aufgenommen).

    • Käptn Blaubär , Moderator*in
      @My Sharona:

      Wir dürfen eine Antwort der Autorin ausrichten - Teil 1/2:



      @My Sharona: Da muss ich stark widersprechen: Die persönlichen Äußerungen von UN-Beamten, UN-Berichte, Resolutionen und Abstimmungsverhalten ergeben ein Gesamtmuster, bei dem Israel als Aggressor und Menschenrechtsverletzer überproportional und unausgewogen im Fokus liegt. Zuletzt twitterte Guterres, dass Libanon kein zweites Gaza werden solle. Kein Wort über mindestens 60.000 Binnenflüchtlinge allein aus dem Norden Israels, wo die Hisbollah in den Städten, landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern bereits tiefgreifende Zerstörung angerichtet hat und auch schon Zivilisten beim Beschuss umgekommen sind. Es wird nahegelegt, Israel wolle Krieg, doch Hisbollah (=Iran) ist am 7.10. mit eingestiegen und begann, Israel zu beschießen. Nicht zu vernachlässigen ist dabei die Rolle der UN-Blauhelme, die seit Jahren an der libanesischen Grenze stationiert sind, um genau diese Situation zu verhindern, und dabei kläglich gescheitert sind.

  • Danke für so viel Klarheit. Nur wird es fürchte ich leider nichts fruchten; zu groß ist die Ignoranz und die grundsätzliche Ablehnung Israels wie man nicht zuletzt bei einiges Foristen hier immer wieder sehen kann.

  • Das Problem an der UN sind halt die Veto-Mächte. Jetzt kann man lange darüber diskutieren, dass das eigentlich geändert werden sollte, nur wird das realistischerweise wohl halt nie geändert werden. Daher ist es richtig und wichtig, die strukturellen Hintergründe der UN zu kennen und bei einer Analyse der Berichte stets zu bewerten. Eine bessere Alternative gibt es derzeit halt nicht.

    • @DiMa:

      Bezogen auf Israel muss ich Ihnen leider widersprechen: Gäbe es hier nicht immer wieder das Veto der USA, dann hätte es noch viel mehr Verurteilungen Israels gegeben, vorangetrieben von Staaten die ohne Hemmungen und Skrupel ihre eigene Bevölkerung abschlachten und unterdrücken und denen es ansonsten vollkommen egal ist wenn die lieben Glaubensbrüder unterdrückt werden. Grundsätzlich haben Sie in Sachen Veto natürlich recht, aber mehr noch krankt die ganze UNO daran, dass dort halt jeder Staat und sei er noch so diktatorisch und autokratisch seine Stimme hat. Wie anders ist es möglich, dass neben den im Artikel aufgeführten Absurditäten in der Beurteilung Israels beispielsweise ein Land wie Saudi-Arabien den Vorsitzt in der Kommission für Frauenrechte übernehmen kann?

  • ... traurig aber nachvollziehbar.



    Wenn jede undemokratische Autokratie gleiches Stimmrecht hat.



    Siehe Ungarn in der EU — ein Spaltpilz. Für nix gut, außer für toxisches Verhalten.

    Gruß



    Fritz

  • Hmmm, da steht im neuen Bericht: „wuchs die Menge an Nahrung“ und ihr stellt es so dar als ob der alte Bericht nicht stimmen würde. Wann kam noch mal der mobile Pier? Nur weil sich was verändert hat muss es vorher nicht genau so gewesen sein.

  • Der Inhalt des Bericht zur Versorgungslage in Gaza wird hier zumindest unpräzise dargestellt: denn es wird zwar eine akute Hungernot (d.h. Stufe 5 auf der entsprechenden Skala) verneint, aber die Kategorisierung als Stufe 4 - d.h. drohende Hungersnot - weiterhin beibehalten und die Situation als "katastrophal" beschrieben. Zudem wird betont, dass die Menge an Lebensmitteln in Nordgaza keine Ausage über den individuellen Zugang zulässt (weil sich z.B. Preise zu hoch sind, Kämpfe den Zugang erschweren etc.). Hungertote in Gaza sind ja bezeugt und keine Erfindung der Hamas. Ich kann nur nahelegen, den Bericht ganz zu lesen; er eignet sich sicher nicht als Apologie der israelischen Kriegsführung - und vor allem nicht zur Anklage gegen die UNO, die hier ja ihre Fähigkeit zur Selbstkorrektur unter Beweis gestellt hat und das obwohl ihr Zugang zu Gaza stark beschränkt ist (und auch dafür ist nicht nur Hamas verantwortlich...).

    • Käptn Blaubär , Moderator*in
      @O.F.:

      Wir dürfen eine Antwort der Autorin dazu ausrichten:

      @O.F.: Sie haben völlig Recht, in dem Bericht wird von einer katastrophalen Versorgungssituation in Gaza und einer drohenden Hungersnot gesprochen. Das hätte ich vielleicht im Artikel erwähnen sollen, damit es nicht nach bewusster Weglassung aussieht. Aber der Bericht ist verlinkt und dass die Menschen in Gaza leiden, ist, denke ich, allen klar. Ich habe bewusst nicht das Faß aufmachen wollen, denn dann hätte man auch besprechen müssen, wer die Verantwortung für die schlechte Versorgungslage trägt. Und das wäre Thema für ein eigenes Debattenstück gewesen. Aber es ist auch wichtig anzuerkennen, dass die Nachricht vom März über eine bestehende Hungersnot unpräzise war, die Nachricht der Korrektur wenig Beachtung findet, und dass der Vorwurf des Aushungerns als Kriegsstrategie voreilig war. Die Verantwortung für diese schreckliche Situation wurde einzig und allein Israel zugeteilt, und nicht etwa beispielsweise der UNO, die sich u.a. aus Angst um ihre Mitarbeiter geweigert hat (wegen Schießereien und Plünderungen), Hilfsgüter zu liefern. Siehe dazu auch www.wsj

      • @Käptn Blaubär:

        Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihre Schlüsse Teil: denn auch wenn nicht die höchste Stufe auf der Skala erreicht wurde, gab es dramatische Versorgungsengpässe (die Berichte über einzelne Hungertote sind ja verifiziert) - und es lässt sich nicht bestreiten, dass diese Engpässe auch (!) auf die israelische Politik zurückzuführen sind (und das Schlimmste wohl nur durch den Druck der USA und der EU verhindert wurde); was die Unsicherheit bei Lieferungen angeht: auch hier ist zu berücksichtigen, dass Israel nicht nur Hamas-Milizen angegriffen hat, sondern auch die reguläre Polizei, die solche Transporte sichern sollte. Nun kann man vielen Akteuren einen Vorwurf machen (der UNO vielleicht am wenigsten), aber Israel ist als Besatzungsmacht und Kriegspartei in hohem Maße verantwortlich für das Elend in Gaza - das kann man einfach nicht schönreden.

    • @O.F.:

      "keine Ausage über den individuellen Zugang zulässt"

      Was in der Verantwortung von Hamas liegt, die UN aber zu Angriffen von Hamas auf Konvois schweigt.

      Der Bericht eignet sich sehr gut dafür zu sagen: Etwas das droht ist nicht.

      Natürlich ist die Lage in einem Kriegsgebiet katastrophal. Die Lage im Ahrtal war auch katastrophal. Quasi alles in dem Menschen nicht geregelt ihre drei Mahlzeiten von der selben Stelle bekommen ist katastrophal.

      Übrigens waren im letzten Bericht der IPC die Kriterien für Phase 4 auch für die meisten Teile Gazas nicht durchgängig erfüllt. Aber die nicht erfüllten Kriterien wurden als gegeben von "Pro" Palästinensischer Nationalbewegung genutzt um zu behaupten, dass es gab was es nicht gab.

      "Preise zu hoch"?! Die Hilfslieferungen sind gratis, Kriegsgewinnler*innen gehören bestraft.

      Es braucht einen anderen Akteur in Gaza, der die Versorgung und Verteilung sichert. Die Diaspora hat versagt diesen Akteur zu schaffen, stattdessen hat sie Israel dämonisiert und Massaker verteidigt.

  • "Erwiesen ist, dass in einer Telegram-Gruppe mit3.000 UNRWA-Mitarbeiternder Pogrom vom 7. Oktober gefeiert wurde und dass einige UNRWA-Mitarbeiter sogar aktiv daran beteiligt waren."...dies wiederspricht dem Bericht der neutralen Untersuchungskommission zu der Abschuldigung gegen UNRWA. Für die israelische rechtsextreme Regierung bedeutet UNRWA ein unliebsamer Zeuge der Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch Israels Kriegsführung, sowie seiner illegalen Siedlungspolitik (=Kolonialpolitik) im Westjordanland.

  • Huch, soviel Wahrheit am frühen Morgen. Da werden die entsprechenden Kommentare nicht lange auf sich warten lassen.

  • "Bei der Nennung israelischer Opferzahlen werden tote Soldaten hingegen nicht dazugezählt. "



    Frau Dagan, das ist nicht korrekt. Die Opferzahlen aus isr. Seite inkludieren IMMER Zivilisten, Reservisten wie auch Mitglieder der isr. Streitkräfte. Israel gibt keine Daten heraus die darin unterscheiden. Es wird immer von den ca. 1200 Toten am 07.10.2023 gesprochen, nirgends ist davon die Sprache wieviele Polizeikräfte in den Dörfern/Städten verletzt oder getötet wurden. Von den Angriffen am 07.10.2023 welche als erstes auf die Militärbarracken stattfanden, fehlt bis heute jegliche Kennzahl wieviele dabei getötet wurde.

    Dagegen unterscheidet das Gesundheitsministerium von Gaza sehr wohl zwischen Kämpfern und Nichtkämpfern. Dazu muss man aber auch die der Reporte lesen wo diese Unterscheidung dann vorgenommen wird. Diese ist wie Sie sagen, nicht identisch mit den kurz nach dem Angriff verlautbarten Zahlen. So wie sie auch bei keinem anderen Fall identisch sind. Ob Selbstmordanschlag, oder im Krieg.

    Auch beim Thema "vollständige Demokratien" hätte man erwähnen können, das darunter gerade NICHT USA und Israel und Portugal fallen. Eine Erklärung wieso wäre wünschenswert gewesen.

    • @Chris Ehl:

      "Die Opferzahlen aus isr. Seite inkludieren IMMER Zivilisten, Reservisten wie auch Mitglieder der isr. Streitkräfte. Israel gibt keine Daten heraus die darin unterscheiden"

      Ein Blick auf wikipedia und in einer Sekunde ist klar: "Israelischen Angaben zufolge wurden beim Angriff auf israelischer Seite 1139 Menschen ermordet oder im Kampf getötet – darunter 695 israelische Zivilisten, einschließlich 36 Minderjähriger, 373 Mitglieder der israelischen Sicherheitskräfte und 71 Ausländer" .

      Das "Gesundsheitsministerium von Gaza" ist ein Instrument der Terrororganisation die eben jenen Überfall geplant und ausgeführt hat und u.a. die Opfer ihrer eigenen Raketen der Gegenseite zurechnet.

      Auge um Auge und das Aufrechnen von Opferzahlen bringt keine Lösung, ebensowenig wie an der Hamas als Regierungspartei mit "Gesundheitsministerium" sic! und wahrscheinlich sogar an Gaza festzuhalten. Frieden geht nur über abrüsten und Vertrauen bilden, und dabei hat die UN und ganz besonders die UNRWA kläglichst versagt, ebenso wie die Länder die Israel ohne Druck und Sanktionen gegen die illegale Siedlungs- und Anektionspolitik unterstützen.

      • @Fritz Lang:

        Ja Vertrauen bilden, das wär was. Grad war der Verteidigungsminister des Staates Israel in den USA und sagte die israelische Armee wäre bereit den Libanon in die Steinzeit zurückbomben.

  • Danke für die Klarstellung.