Bauernverband liegt daneben: Leckeres Brot aus Futterweizen

Mit 70 bis 80 Prozent der Weizenernte könne man backen, sagt ein Experte. Aber trotz Hungers in armen Ländern lande das meiste vor allem im Trog.

Hühner picken auf einem Bauernhof in Oberbayern eine Handvoll Getreide vom Boden auf.

Könnten das auch Menschen essen? Hühner mit Futterweizen Foto: dpa

BERLIN taz | Anders als der Bauernverband suggeriert eignet sich der meiste Weizen in Deutschland zum Backen und nicht nur als Tierfutter oder Biosprit. „Zwischen 70 und 80 Prozent des Anbaus müsste eigentlich problemlos verbacken werden können“, sagte Friedrich Longin, Getreideforscher und Leiter der Arbeitsgruppe Weizen an der Landes-Saatzucht-Anstalt der Universität Hohenheim der taz. Derzeit würden aber lediglich 30 Prozent der Weizenernte zum Backen verwendet. Der Umweltverband Greenpeace und die katholische Entwicklungsorganisation Misereor überreichten am Donnerstag an Bundesagrarminister Cem Özdemir Brot aus der eigentlich als Futter vorgesehenen Weizensorte „Elixer“.

Dass solche Pflanzen nicht gegessen werden, trägt den beiden Verbänden zufolge zu höheren Lebensmittelpreisen und Hunger bei. Deshalb übergaben sie dem Grünen-Politiker Özdemir eine von mehr als 58.000 Menschen unterzeichnete Petition mit der Forderung, weniger Getreide zu verfüttern oder als Agrotreibstoff zu verwenden.

Das lehnt der Deutsche Bauernverband jedoch ab. Denn Backweizen gedeihe „nur auf besseren Standorten“. Solche Weizensorten haben einen hohen Proteingehalt, so dass der Teig laut Professor Longin etwas leichter zu verarbeiten ist und stärker aufgeht. Dafür liefern diese Sorten weniger Ertrag pro Hektar. Ein Großteil der landwirtschaftlichen Fläche eigne sich lediglich für Futtersorten, so die Agrarlobby.

Hintergrund der Debatte ist, dass insbesondere infolge des Ukraine-Kriegs die Lebensmittelpreise stark gestiegen sind. Dadurch wächst in Deutschland der finanzielle Druck vor allem auf arme Menschen. Die hohen Preise sind auch eine Ursache dafür, dass die Zahl der Hungernden weltweit im vergangenen Jahr nach Angaben der Vereinten Nationen auf 828 Millionen gestiegen ist.

10.000 Tonnen werden täglich in der EU verheizt

„Die leckeren Weizenbrote sind ein Beleg dafür, dass sogenannter Futterweizen ein wertvolles Lebensmittel ist“, sagt Martin Hofstetter, Agraringenieur von Greenpeace, der taz. „10.000 Tonnen Weizen werden jeden Tag in der EU als Biosprit in Verbrennungsmotoren verheizt – genug, um davon Tag für Tag 15 Millionen solcher Brote zu backen“, so Hofstetter.

Das Weißbrot schmeckte dem Autoren dieses Artikels bei der Verkostung im Bundesagrarministerium in Berlin in der Tat genauso wie handelsübliche Ware: genauso pappig wie normales Weißbrot vom Vortag – es war laut Greenpeace am Mittwoch in Özdemirs baden-württembergischer Heimat gebacken worden. Es sah auch genauso voluminös aus wie normales Brot. Jeder Bäcker, erläuterte Longin, müsse sich eben „auf jede Mehllieferung etwas einstellen, mit angepasster Knetung und Wasserzugabe“.

Auf die Frage der taz, was er tue, damit die Industrie nicht mehr nur so genannten „Backweizen“ von den Landwirten verlange, antwortete Özdemir: „Wir sind im Gespräch mit dem Bäckerhandwerk.“ Die Reduktion der Beimischung von Agrosprit zu Benzin und Diesel „darf gern schneller und mehr sein“, als vom federführenden Umweltministerium vorgeschlagen, sagte Özdemir.

Aber er sei bei dem Thema „nicht der Allein-Entscheidende“. Das von der FDP geführte Verkehrsministerium wolle mit Agrosprit weiterhin die Klimabilanz des Transportsektors verbessern. Da sei aber zum Beispiel Elektromobilität effizienter. Agrosprit ist mehreren Studien zufolge klimaschädlicher als Erdöl, wenn man die Folgen des hohen Flächenverbrauchs einkalkuliert. Wie er die Blockade der FDP bei dem Thema brechen wolle? „Sprechen“, sagte Özdemir.

Der Bauernverband räumte auf Anfrage ein: „In Fachkreisen ist unbestritten, dass aus Getreide mit etwas niedrigeren Proteingehalten gutes Brot gebacken werden kann.“ Viele Standorte in Deutschland eigneten sich aber besser für Futtergewinnung als für Brotgetreide. Tierhaltung sei nötig, „um die Kreisläufe in der Düngung zu schließen.“ Greenpeace und Misereor verlangen aber nicht, überhaupt keine Tiere mehr zu halten. Sie wollen nur die deren Anzahl und den Fleischkonsum reduzieren.

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