Auf Konversionsfläche in Brandenburg: Kahlschlag für Sonnenenergie

In Bad Freienwalde will ein Investor 370 Hektar Mischwald roden. Dort soll eine Photovoltaik-Anlage entstehen, für die es Garantievergütungen gäbe.

Blick aus der Luft auf Bad Freienwalde und die Oder

Als Konversionsfläche hat das Gebiet keinen besonderen Naturschutzstatus: Grenzfluss Oder Foto: Pro Wald Hohensaaten

FREIBURG taz | An solche Projekte dachte vermutlich niemand, als man in Deutschland die Energiewende ausrief: In Hohensaaten, einem Stadtteil von Bad Freienwalde in Brandenburg, will ein Investor 370 Hektar Wald roden, um auf bis zu 250 Hektar eine etwa 200 Megawatt große Photovoltaikanlage (PV) zu errichten. Der Rest der Fläche soll zum Industrie- und Gewerbegebiet werden.

Dass so ein Tausch Natur gegen erneuerbare Energien an dieser Stelle tatsächlich möglich sein könnte, liegt daran, dass das Waldgebiet an der polnischen Grenze formal als Konversionsfläche gilt. Schon in der NS-Zeit wurde das Areal militärisch genutzt, dann übernahm in der DDR die Nationale Volksarmee die Flächen, ehe im Zuge der deutschen Wiedervereinigung die Bundeswehr Eigentümerin wurde. Diese verkaufte den bis zuletzt wenig bewirtschafteten Mischwald zwischenzeitlich an Privateigentümer.

Für all jene, die das Biotop erhalten wollen, ist das eine denkbar ungünstige Konstellation. Denn nur weil die Fläche formal als „benachteiligtes“ Konversionsgebiet gilt, fällt sie in die sogenannte Gebietskulisse des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Und das ermöglicht es, mit der Anlage Garantievergütungen nach EEG für den Strom zu bekommen.

Weil das ganze Gelände eingezäunt ist, haben zugleich die Menschen vor Ort wenig Bezug zu dem Wald, was die politische Arbeit für dessen Erhalt erschwert. Wäre die Waldung als Naherholungsgebiet im Bewusstsein der Menschen verankert, wäre deren Wert offenkundiger.

Isolation half Artenvielfalt

Zugleich haben die Absperrungen wiederum mit dazu beigetragen, dass sich in dem Mischwald mit seinen Eichen, Buchen, Linden und Kastanien eine hohe Artenvielfalt entwickeln konnte. Heute leben dort laut der Bürgerinitiative Pro Wald Hohensaaten „bedrohte Arten wie Uhu, Schwarzstorch oder Seeadler und weitere, die sonst kaum noch ein so großes, zusammenhängendes Gebiet als Heimat finden können“. In unterirdischen Schächten, die einen Teil des Waldes durchziehen, wohnen Fledermäuse. Einen formalen naturschutzrechtlichen Status hat das Areal als Konversionsfläche aber nicht.

Da der Zugang zu dem Gebiet selbst für Naturschützer nur bedingt möglich ist, habe man auch Infrarotaufnahmen aus der Luft ausgewertet, sagt Martin Gemeinholzer von der Bürgerinitiative. Er berichtet von mehr als 30 Baumarten, die in dem Wald nachgewiesen wurden – während der Investor von einer Kiefernmonokultur spricht. Neben der Artenvielfalt hebt die Bürgerinitiative zudem die Bedeutung der Naturfläche für das Lokalklima hervor – der Wert des Waldes sei „als Wasserspeicher und Kühlungselement“ in dieser trockenen Region „schlichtweg unermesslich“. Umweltverbände in Brandenburg, wie der Nabu und der BUND, lehnen das PV-Projekt daher vollumfänglich ab.

Der Investor, die Lindhorst-Gruppe aus Winsen an der Aller, spricht unterdessen von einem „energiepolitisch wichtigen Projekt“, das „die Entwicklung der Region signifikant voranbringen, Arbeitsplätze schaffen, die Werte von Immobilien steigern, das Steueraufkommen auch für Hohensaaten verbessern und jedem Bewohner günstigeren grünen Strom zur Verfügung stellen“ werde.

Wachsende Skepsis

Angesichts dieser vielfältigen Versprechen gab es in der Stadtverordnetenversammlung von Bad Freienwalde bislang eine Mehrheit für das Projekt. Aber zwischenzeitlich kämen viele Bürger durch die aufkommende öffentliche Debatte und die Informationsarbeit der Umweltverbände ins Grübeln, beobachtet Björn Ellner, Vorsitzender des Nabu Brandenburg. So wandle sich die Stimmung vor Ort langsam. Vor allem habe es Empörung gegeben, als der Investor auch noch Pläne zum ergänzenden Bau von Windrädern auf derselben Fläche vorstellte – die er nach dem Protest aber schnell wieder kassierte. Ein wenig will das Unternehmen nun wohl auch die PV-Anlage abspecken, von 250 auf 200 Hektar.

Im Moment warten alle Beteiligten auf die Vorlage des Artenschutzfachbeitrags, ein Gutachten, das ein wichtiger Bestandteil von Planungsprojekten ist und die Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt am betreffenden Standort bewertet. Dass dieses Gutachten sich bereits verzögert, werten Naturschützer als mögliches Indiz dafür, dass darin Dinge stehen werden, die dem Investor nicht ganz gelegen kommen. Eine Anfrage der taz dazu ließ die Lindhorst-Gruppe unbeantwortet.

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