Auslieferung nach Ungarn: Beigeschmack von Feindstrafrecht
Der Krimi um die Auslieferung von Maja T. zeigt, welche Prioritäten der deutsche Staat bei der Strafverfolgung setzt. Gegen Linke zeigt er Härte.
M an muss sich den Kontext vor Augen führen: Im Herbst könnte in Deutschland eine rechtsextreme Partei in manchen Bundesländern stärkste Kraft werden. Die politische Debatte scheint sich nur noch um Abschiebungen zu drehen. Die radikale Linke ist zerstritten und gesellschaftlich isoliert wie lange nicht mehr. Und trotzdem scheint es für den deutschen Staat nichts Wichtigeres zu geben, als militante Antifaschist:innen zu verfolgen und möglichst hart zu bestrafen. Dafür sind Behörden offenbar sogar bereit, sie dahin auszuliefern, wo noch härter durchgegriffen werden kann.
Der Fall Maja T. verdeutlicht das. Am Donnerstagnachmittag hat das Berliner Kammergericht der Auslieferung von Maja T. nach Ungarn stattgegeben. Maja T., ein:e non-binäre:r Antifaschist:in aus Thüringen, soll im Februar 2023 an Angriffen auf Rechtsextreme in Budapest während des neonazistischen „Tag der Ehre“ beteiligt gewesen sein. Ungarn, ein autoritär geführtes Land mit teils queerfeindlicher Gesetzgebung, hatte darauf die Auslieferung beantragt.
Die Erklärung des Gerichts, dass man auf die Garantien der Orbán-Justiz schon vertrauen könne, sind hanebüchen. Denn schon in den deutschen Behören gelten für Antifaschist:innen offenbar längst andere Regeln, die immer mehr den Beigeschmack von Feindstrafrecht erhalten. Davon zeugt zum Beispiel, dass das Landeskriminalamt laut Anwalt Sven Richwin noch in der Nacht zu Freitag mit der Überstellung von Maja T. nach Ungarn begann. Der Verdacht liegt nahe, dass so Tatsachen geschaffen werden sollten, bevor die Anwälte Rechtsmittel einlegen konnten.
Kein faires Verfahren zu erwarten
Auf deren Antrag griff das Bundesverfassungsgericht schließlich ein. Es stellte am Freitagmorgen um 10:50 Uhr per Beschluss klar, dass Maja T. nicht nach Ungarn ausgeliefert werden darf, bis das höchste Gericht über die Beschwerde der Anwälte entschieden hat. Doch da war es schon zu spät. In einer Mitteilung schreibt das Bundesverfassungsgericht, es sei am Freitag gegen Mittag darüber informiert worden, dass Maja T. bereits um 10 Uhr morgens den ungarischen Behörden übergeben worden sei. Das Gericht wies die Generalstaatsanwaltschaft zwar auch an, T. notfalls nach Deutschland zurückzuholen. Inwiefern das realistisch ist, ist aber unklar.
Wenn schon Deutschland so mit Antifaschist:innen umspringt – wie kann dann behauptet werden, dass ausgerechnet in Ungarn, wo Orbán die Unabhängigkeit der Justiz untergräbt, ein faires Verfahren möglich ist? Selbst die Rechtsaußen-Regierung Italiens hatte immer wieder gegen die Haftbedingungen für italienische Antifaschist:innen in Ungarn protestiert. Für Maja T. als non-binäre Person ist die Bedrohungslage eine doppelte: Immer wieder kritisieren Menschenrechts-NGOs die Haftbedingungen für queere Menschen in Ungarn deutlich.
Der Krimi um die Auslieferung von Maja T. zeigt erneut, welche Prioritäten der deutsche Staat bei der Strafverfolgung setzt. Die liegen klar links – und nicht etwa bei den Neonazis, die tatsächlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohen.
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