AfD attackiert gemeinnützige Vereine: Der Ruch des Illegalen

Die AfD zeigt Vereine mit Zivilcourage beim Finanzamt an. Das geht, weil die Ampelkoalition noch nicht das Gemeinnützigkeitsrecht reformiert hat.

Demonstration mit Transparent und Megafon.

Initiativen, die eine eigene Meinung, eine klare Haltung im Diskurs formulieren, droht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit Foto: Funke Foto Services/imago

Das Netzwerk Polylux ist bemerkenswert. Es sammelt Spenden, um Projekte im Osten des Landes zu unterstützen und Orte nicht den Rechten zu überlassen. Ein alternatives Café in Dresden, ein Festival in Anklam, ein Kulturverein in Suhl – um nur einige zu nennen. Für diese Arbeit wurde Polylux gerade mit dem taz Panter Preis ausgezeichnet. Aber noch etwas macht Polylux speziell. Sie begreifen ihre Arbeit zwar sehr zu Recht als gemeinnützig. Aber die offizielle Gemeinnützigkeit haben sie erst gar nicht beantragt. Sie wollen bei ihrer dezidiert antifaschistischen Arbeit nicht durch staatliche Regelungen angreifbar sein.

Für Polylux ist das eine Lösung. Für die Gesamtgesellschaft jedoch verdeutlicht dieses Vorgehen nur das Problem. Meinung und Haltung sind zwar die Grundpfeiler jeder Demokratie. Aber Initiativen, die das nicht nur so allgemein formulieren, sondern darüber hinaus auch noch eine eigene Meinung, eine klare Haltung im Diskurs formulieren, droht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Weil, so die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Attac-Urteil von 2019, Politik, die tatsächlich auch Position bezieht, nicht „neutral“ genug sei.

Diese Sicht ist auf mehreren Ebenen fatal. Un­ter­stüt­ze­r:in­nen können ihre Spenden nicht von der Steuer absetzen. Initiativen bekommen somit weniger Geld. Zudem müssen sie auch noch Körperschaft- und Gewerbesteuer zahlen. Das mag wie ein Orchideenthema für Fi­nanz­amts­ex­per­t:in­nen klingen, ist es aber nicht. Es erschwert nicht nur die Arbeit der Engagierten, es trifft die Gesellschaft ins Mark. Denn politische Haltung bekommt den Ruch des Illegalen. Und das ist nichts anderes als eine Steilvorlage für die extreme Rechte, die sie schon jetzt fleißig nutzt.

Selbst Sportvereine oder Kulturinitiativen, die sich an lokalen Bündnissen gegen rechts beteiligen, müssen damit rechnen, aus AfD-Kreisen beim Finanzamt angeschwärzt zu werden. Also halten sie lieber die Schnauze. Kein Wunder, dass sich nun mehr als 100 Vereine und Stiftungen per Brandbrief an den Bundeskanzler gewandt haben. Der hatte noch als Finanzminister eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts angekündigt. Auch im Koalitionsvertrag wurde die vereinbart. Getan hat sich nichts, obwohl die Zeit drängt.

Bei den Landtagswahlen zeichnet sich ein extremer Rechtsruck ab. Die AfD wird dann jeden Zipfel ihrer Macht nutzen, um dem politischen Gegner an den Karren zu fahren. Wenn der nicht schleunigst – auch durch die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts – widerstandsfähiger wird, fliegt er auseinander. Dann brechen Strukturen weg – auf viele Jahre.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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