Angriff auf Kinder aus Ghana: „Abscheuliche Tat“
In Grevesmühlen sind zwei ghanaische Mädchen von Jugendlichen angegriffen worden. Die Polizei geht von einem rassistischen Motiv aus.
HAMBURG taz | Zwei acht und zehn Jahre alte ghanaische Mädchen sind am Freitagabend im mecklenburgischen Grevesmühlen angegriffen worden. Sie waren auf dem Nachhauseweg vom Sport, als sie aus einer Gruppe von rund 20 Jugendlichen heraus attackiert wurden. Die Täter sollen der Achtjährigen ins Gesicht getreten haben, bestätigte die Polizei am Sonntag der taz. Diese geht von einem rassistisch motivierten Angriff aus.
Der Vater, der die Jugendlichen zur Rede stellte, sei ebenfalls attackiert worden. Er und seine leicht verletzte achtjährige Tochter mussten im Krankenhaus behandelt werden. Die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung laufen und die Polizei sucht Zeug*innen.
In Grevesmühlen leben gut 10.000 Menschen. Am Wochenende war Stadtfest, das Grölen rassistischer Parolen zu dem Lied „L’Amour toujours“ offenbar inklusive, jedenfalls hat die Polizei entsprechende Anzeigen aufgenommen. Ob ein Zusammenhang zum Angriff besteht, werde geprüft. Jedenfalls war viel los und vom Stadtkern, wo gefeiert wurde, bis zum Ploggenseering, wo die Mädchen mit ihrer Familie laut NDR seit 2016 leben und nun angegriffen worden sind, sind es nur zehn Minuten zu Fuß.
Die Polizei beschreibt die Bewohner*innenschaft in den vier- und fünfgeschossigen Wohnblöcken am Ploggenseering als heterogen, Menschen unterschiedlicher Nationalitäten wohnten hier. Einen Übergriff wie diesen habe es so noch nicht gegeben.
Gesunkene Hemmschwelle
Die Reaktionen fielen entsprechend aus. Am Samstag schrieb Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) auf der Plattform X, ihre Gedanken und ihr Mitgefühl seien bei den betroffenen Kindern und ihrer Familie. „Diese abscheuliche Tat muss rasch Konsequenzen haben. Rassismus und Gewalt sind widerlich. Das gilt erst recht, wenn Kinder angegriffen werden.“
Der parteilose Bürgermeister von Grevesmühlen, Lars Prahler, besuchte die Familie am Wochenende. „Diese rassistisch motivierte Tat macht mich fassungslos. Das zeugt von bodenlosem Hass und enthemmter Unmenschlichkeit und lässt sich nicht entschuldigen. Auch nicht dadurch, dass es Jugendliche sind“, sagte Prahler dem NDR.
Daniel Trepsdorf vom Demokratiezentrum Westmecklenburg, einer Organisation, die sich für den Kampf gegen Rechts einsetzt, teilte am Sonntag mit, er sehe „Kontinuitätslinien“. Und: „Wir erleben auch bei unseren Beratungen in Schulen aus dem Landkreis Nordwestmecklenburg, wie stark in den letzten Jahren die Hemmschwelle gesunken ist, sich rassistisch, demütigend und mit Gewaltfantasien gegenüber Menschen mit Migrationsbiografie zu äußern.“
Die Polizei hat viele Hinweise, aber keine konkreten Beschreibungen. Die Integrationsbeauftragte Jana Michael appellierte an die Jugendlichen: „Jeder Zeuge, der schweigt, macht sich mitschuldig und verhindert die Aufklärung dieser widerlichen Gewalt an Kindern.“
Update: Am 17. Juni hat die Polizei Rostock ihre Angaben zu dem mutmaßlich rassistischen Angriff teilweise revidiert. Nach der Auswertung von Hinweisen Anwohnender stelle sich der Sachverhalt inzwischen anders dar, so die Polizei. Demnach soll das achtjährige Mädchen keine, wie zuvor angegebene, körperliche Verletzungen erlitten haben, die auf die zuvor geschilderte Tathandlung hindeutete. Weitere Angaben zum Tathergang und die Verletzungen des Vaters der Kinder wurden nicht revidiert.
Leser*innenkommentare
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Sonja Bleichle
Erschreckend viel Vorverurteilung in den Kommentaren. Mit dem Nachtrag vom 17. stellt sich die Tat anders dar, aber noch sind ja nicht alle Punkte geklärt. Und ja, auch verbale Gewalt ist Gewalt. Grobe Vorverurteilung ohne Informationen ist aber sicher auch nicht hilfreich.
Puky
Der Nordkurier hat ein Video zum Vorfall veröffentlicht.
www.nordkurier.de/...i-maedchen-2619270
Inzwischen geht die Polizei auch nicht mehr von einer Körperverletzung zu Lasten eines der Mädchen aus.
Ist jetzt die Tat oder die Vorverurteilung der Jugendlichen schlimmer ?
Kaboom
Es ist wohl davon auszugehen, dass man die Täter nicht dingfest machen kann. Obwohl vermutlich jeder sie kennt. Nach dem Komplettversagen bei Charakter, Erziehung und Kultur würde es jedenfalls ins Bild passen, wenn diese ganz besonders besorgten Bürger von den restlichen Eingeborenen geschützt würden.
Ludowig
Neuesten Erkenntnissen zufolge, wurde keines der Kinder angegriffen oder gar verletzt. Zeit für eine Neueinschätzung des Vorfalls.
Hubertus Behr
Ist denn der Sachverhalt schon vollständig geklärt, im Text heißt es doch, dieBehörden ermitteln noch.
PeterHH
GREVESMÜHLEN da war doch 1996 mal was. Brandanschlag in Lübeck taz.de/Rechtsextre...grevesm%C3%BChlen/
Man muss in der Archivsuche der taz nur mal das Stichwort Grevesmühlen eingeben und findet reichhaltig Quellen für das rechte Klima und rechtsradikale Übergriffe Klima in diesem kleinen Ort in MVP.
adagiobarber
die wahlergebnisse zur eu-wahl ...
lassen die enthemmung geradewegs aufgeputscht voranschreiten.
solche menschenverachtenden angriffe sind erst der anfang.
es ist ernsthaft zu befürchten, daß es sich fortsetzen wird.
noch massiver.
Deep South
Als es hieß, dieses Lied wird auf bestimmten Veranstaltungen jetzt nicht mehr gespielt, war ich eher entsetzt, dass man die Aufführung eines an sich unpolitischen Songs verbietet, weil dieser von Rechten mißbraucht wird. Den Text kann man ohne Weiters auf jeden Ohrwurm draufdichten, wenn man will.
Jetzt bin ich einegntlich nie auf Veranstaltungen, wo solche Musik läuft. Und deshalb frag ich mich grad, ist der Song grad dermaßen Hype, dass er überall läuft oder wird er grad vermehrt gespielt, wegen dieses Nazi-Mitgröl Potentials. Zumindest müssen sich Veranstalter schon mal fragen lassen, obs jetzt wirklich angemessen ist, das nach diesen Vorfällen unbedingt auflegen zu müssen.
Und zum Vorfall selbst. In der Gruppe auf zwei Kinder losgehen. Keine Worte für soviel asoziale Verrohung. Hoffentlich identifiziert man die Leute.
Chris McZott
Ich weiß nicht wo Hr. Trepsdorf dort eine gesunkene Hemmschwelle sieht.
Grevesmühlen ist selbst für M-V-Verhältnisse ein übles Nazikaff - ich habe 1,5 Jahre dort gelebt.
Man muss nicht mal den Erfolg der AfD bemühen, denn dort war die NPD schon immer sehr stark - siehe Jamel, Thinghaus, Sven K.s Nazi Gang. Die M-V-AfD ist gemäßigt dagegen.
My Sharona
"„Jeder Zeuge, der schweigt, macht sich mitschuldig und verhindert die Aufklärung dieser widerlichen Gewalt an Kindern.“" - das ist so! Und doch auch ganz anders: diese 20 Jugendlichen haben Brüder, Schwestern, Freunde, die genauso drauf sind. Wenn man weiterhin dort leben will (oder muss) dann kann es eine schwierige, ja existentiell gefährliche Entscheidung sein, sich als Zeuge zu melden.
Suryo
Es kann doch nicht so schwer sein, in einer Kleinstadt eine Gruppe von 20 Leuten, die schon Stunden vor der Tat besoffen in der Gegend herumgelungert war, wenigstens zum Teil zu identifizieren.
Vielleicht würden ansonsten auch ein paar Sicherheitskameras helfen.
Lindenberg
Erwähnenswert ist, dass es in MVP am Wochenende eine ganze Serie von Selbstdarstellungen (eine Jugendgruppe zeigte z. B. den Hitlergruß beim Schweriner Schloß) gab.
Suryo
@Lindenberg Nach den Wahlen wird es jetzt so richtig losgehen mit den Hassverbrechen. War in GB nach dem Brexitreferendum genauso.
CallmeIshmael
"Klimaaktivisten" werden gesucht und verurteilt. Eine Rassistische- Terroristische Bande hat leider niemand gesehen, es tut mir Leid, die Polizei kann nicht machen.
Martin Rees
..."aus einer Gruppe von rund 20 Jugendlichen heraus attackiert wurden. Die Täter sollen der Achtjährigen ins Gesicht getreten haben,"
/
Erschreckend, welche Dynamik sich zeigt, wenn Gruppen agieren. Das bedarf einer eingehenderen Untersuchung.
/
www.krimlex.de/art...CHSTABE=G&KL_ID=83
amigo
UPS, hat da etwa die AfD gänzlich unbemerkt eine neue Generation HJ herangezüchtet? An Heldenmut sind die Nachwuchsbarbaren kaum zu übertreffen! Einem achtjährigen Mädchen ins Gesicht zu treten, weil es eine dunkle Hautfarbe hat, lässt Hitler, Himmler und Goebbels in der Hölle aufjubeln!
Merke: die AfD ist nicht nur politischer Gegner, sie ist der Feind eines jeden, der nicht zurück nach 1933 will!
Monomi
Ich kann mir notfalls noch vorstellen, dass hier und da einer oder eine dazu kommen kann, so eine Aggression auszuleben, wenn Dummheit (jawohl: Dummheit), mangelnde Impulskontrolle, schlechte oder gescheiterte Erziehung mit Alkohol oä kombiniert wurden.
Aber 20 von der Sorte? Wo kommen so viele mit diesem Status her? Und wie haben die zueinander gefunden? Und niemand, wirklich niemand unter diesen vielen schafft das Ausscheren aus dem Gruppendruck, nachdem irgendeine(r) mit der Aggression angefangen hat? Ist der innere Druck so unwiderstehlich, mit so einer Aktion sich selbst zu beweisen, dass da noch jemand unterhalb einem selbst sein muß?
Und wie kriegt man sowas aus so vielen Köpfen wieder raus?
Nobodys Hero
Wie kann ein Mensch nur sowas machen. Das ist wirklich so unglaublich traurig.
Dorian Müller
Wenn die örtliche Polizei offensichtlich überfordert ist und die Täter nicht ermitteln kann, sollte dann nicht besser der Staatsschutz das Verfahren an sich ziehen bei einer Nazigruppe von 20 Personen?
vieldenker
Jetzt kann die Polizei und Justiz in MV beweisen, dass sie auch gegen rechtsradikale Strukturen konsequent vorgehen.
O sancta simplicitas
Frei nach olle Max Liebermann: man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte. Die Saat der AfD-Rassisten geht auf.
toldin
@O sancta simplicitas Danke afdNazis, deshalb #NOafd!
Reisehank
Die sind auf freiem Fuß und kriegen ein paar Arbeitsstunden...Angemessen wären ein paar Jahre schwedische Gardinen...Was für ein Gesindel.
realnessuno
Radikalisierung geschieht überwiegend über Handy (als technisches Mittel) und mit Hilfe von Werbekonzernen und deren Allgorithmen, weil dadurch Menschen verlernen aus ihrer Blase herauszuschauen, tolerant zu sein.
Mangelnde Bildung und soziale Ungerechtigkeiten zun ihr Übriges.
Wer also etwas gegen Populismus und Nazis tun will, sorgt für BIldung, Kontakt zu den Bürgern, Glücksgefühle, Betätigungsfelder für Jugendliche, gute Versorgung von Kindern (mit Betreuung, Essen, Ärzten...).
MACHT etwas, statt immer nur zu reden. Danke!