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Kontroversen beim Nahost-KonfliktSolidarität. Ja, aber …

Warum ist Mitgefühl im Nahost-Konflikt so ungleich verteilt? Bei den Debatten spielen vor allem Emotionen eine Rolle, trotz der realen Fakten.

Was ist mit „From the river to the sea, we demand equality“? Foto: Katja Gendikova

D ie einigen Hundert Menschen, die jüngst in der langen Nacht der Museen in Münster in einer Schlange standen, wurden beim Warten abgelenkt: Propalästinensische AktivistInnen hielten ihnen Schilder entgegen, darauf eine halbe Melone in den Farben Schwarz, Weiß und Grün, den palästinensischen Nationalfarben. Die Aktivisten skandierten „Stop the War“ und „Ceasefire“ – so weit, so gut. Doch dann ertönte „From the River to the Sea, Palestine will be free“. Da war es wieder, dieses unangenehme Gefühl, das diesen uralten palästinensischen Demospruch seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober anders klingen lässt. Der Hamas schwebt eine Art judenfreies Palästina vor, der Spruch ist in Deutschland mittlerweile verboten.

Charlotte Misselwitz

Charlotte Misselwitz ist in Ost-Berlin aufgewachsen. Ihre Magisterarbeit „Die ostdeutsche Identität treibt um“ wurde im Stekowicz-Verlag veröffentlicht. Seitdem behandelt sie immer wieder ostdeutsche Themen in Radio und Print. Zudem promoviert sie an den Universitäten Essen und Tel Aviv.

Eigentlich gehöre ich zu den „Ja, Aber“-Linken. Eine mit diesem Begriff verunglimpfte Sorte Menschen, die trotz des Terrors durch die Hamas daran erinnern, dass deren furchtbares Massaker eine Vorgeschichte hat. Die Gewalt der Hamas war unverhältnismäßig, ja. Aber: Auch die Gewalt der Israelis in den vorherigen Kriegen in Gaza, ebenso wie im Jetzigen, ist unverhältnismäßig. Dieses „Ja, Aber“ kann ich nicht abstellen.

Im Frühjahr 2023 habe ich einen renommierten Postdoc an der Universität in Jerusalem abgesagt, weil mein israelischer Mann mit Antritt der rechten Regierung nicht mehr nach Israel gehen wollte. Die Berichte über brutale Siedler, über die wachsende Zahl an Palästinensern, die in der Westbank durch die Besatzung sterben, mehrten sich. Mein Mann war sich sicher, dass über kurz oder lang eine Intifada ausbrechen würde, angesichts dieser Aussicht wollte er nicht mit mir und unserer Tochter dort für längere Zeit leben.

Natürlich hatte er nicht mit dem Massaker am 7. Oktober gerechnet. Und ich habe meinen Postdoc nicht im luftleeren Raum abgesagt. Es gab das eskalative israelische Verhalten, das auch die Eskalation auf der anderen Seite befeuert. Und diesem beidseitigen Blick, diesem Ja-Aber, verdanke ich, dass unsere Familie in Berlin heil weiterlebt.

Davon abgesehen, beharren auch diejenigen, die das „Ja, aber“ ablehnen, eigentlich auf einer Vorgeschichte: Ja, der Krieg in Gaza ist brutal, aber die Hamas ist für das Massaker verantwortlich. Kurz, bestimmte Ja-Abers scheinen legitim, andere nicht.

Narrativ der „friedlichen Koexistenz“

Emotionen spielen in den Diskursen eine große Rolle. Auch ich bin empfindlich. Warum gibt es beispielsweise nicht einen Slogan, der Juden und Palästinenser gemeinsam zwischen dem Fluss und dem Meer frei sein lässt? Mittlerweile gibt es Varianten, wie „From the river to the sea, we demand equality“. Wird der wirklich verwendet?

Dabei geht es nicht um das Narrativ von der „friedlichen Koexistenz“, das seit Jahrzehnten die ungleichen Rechte der palästinensischen gegenüber jüdischen Israelis verschleiert. Hierzulande gibt es einen ähnlichen medialen Diskurs. Zwar werden die nüchternen Fakten zum Leid und Sterben in Gaza vermeldet, aber das Mitgefühl bleibt ungleich verteilt. Alle großen Medien und PolitikerInnen beeilten sich nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober mit über 1.200 Toten und hunderten Geiseln, ihre Solidarität und ihr Beileid auszudrücken. Die Rede des Wirtschaftsministers Robert Habeck, mit der er seine Solidarität mit Jüdinnen und Juden in diesem Land bekundete, wurde gefeiert.

Aber welcher Politiker in Deutschland hat öffentlich sein Beileid für die Toten in Gaza bekundet? Kaum jemand fordert von den vielen Israel-Freunden hierzulande, sich vom gewaltvollen Vorgehen der israelischen Regierung zu distanzieren. Von allen, die sich mit Palästina solidarisieren, wird jedoch verlangt, sich von der Hamas zu distanzieren. Mittlerweile gibt es 30-mal mehr Tote in Gaza als auf israelischer Seite, die Zerstörung der Städte und Dörfer ist unvergleichbar. Die maßlose Gewalt der Hamas wurde von der maßlosen Gewalt der israelischen Armee in Gaza überlagert. Wer vor diesem Hintergrund die mangelnde Empathie von Palästinensern beklagt, muss sich selbst mangelndes Mitgefühl vorwerfen lassen.

Und doch, in Momenten wie dem „River“-Spruch, spüre ich die Härte, diese Einseitigkeit, wenn nicht gesehen wird, dass einige Deutsche oder Israelis gegen den Krieg in Gaza sind. Plötzlich habe ich Angst, dass selbst die Progressiven im propalästinensischen Camp kein Zusammenleben mehr wollen. Dass sie die Hamas vielleicht doch gut finden.

Empathielosigkeit und Verallgemeinerung

Sie alle. Mittlerweile rede ich also auch schon so. Dabei weiß ich doch, dass nicht wenige PalästinenserInnen nach dem Massaker am 7. Oktober geschockt waren, dass sie Beileid bekundeten. Sie sind nicht alle so, genauso wie wir nicht alle so sind. Was als Schmerz im Umgang spürbar wird – die Empathielosigkeit und die Verallgemeinerungen seitens palästinensischer gegenüber nichtpalästinensischen oder jüdischen Menschen – ist oft Ausdruck eines viel größeren Leids.

Wohin können sich PalästinenserInnen noch wenden? Deutsche PolitikerInnen nehmen zwar endlich das Wort Waffenstillstand in den Mund. Jedoch umständlich, so wie Bundeskanzler Scholz: Die Palästinenser würden ihren eigenen Hungertod „riskieren“. In Israel plädieren immer noch 80 Prozent der Bevölkerung für eine Weiterführung des Krieges. Dann wieder, fast 70 Prozent der PalästinerInnen unterstützen die Hamas-Aktionen. Unwillkürlich baut sich ein weiteres Gefühl auf: Wir spüren Schmerz und fügen selbst Schmerz zu.

Spätestens jetzt steht der Spruch „From the River to the Sea“ nicht mehr allein da. Ich spüre Gleichzeitigkeiten der Gefühle, Verschiebungen, Überlagerungen. Das erlebe ich auch bei Freunden in Israel. So hatte der Künstler Ronen Eidelman einen Brief initiiert, den tausende israelische KünstlerInnen gegen die fehlende Erwähnung der Hamas-Verbrechen in einem vorherigen Brief von internationalen Künstlern im Oktober 2023 unterschrieben hatten. Auch deutsche Medien hatten darüber berichtet.

Im Februar 2024, vier Monate später, war Eidelman kurz in Berlin. Mittlerweile hat Judith Butler klar gemacht, dass die Hamas-Taten in ihr Grauen auslösen. Mittlerweile ist Gaza in großen Teilen zerstört. Eidelman sagt rückblickend: „Ich stehe zu jedem Wort, was ich in dem Brief geschrieben habe. Aber ich weiß auch, heute würde ich diesen Brief nicht mehr schreiben.“

Höhere Todeszahlen in Gaza, anhaltender Terror

Was mir Eidelman einst im Vertrauen sagte, darf ich jetzt veröffentlichen. Auch bei ihm haben sich die Gefühle verschoben oder überlagert. Gefühle sind nichts Statisches. Ja, da ist das Sicherheitsbedürfnis der Israelis nach der Hamas-Attacke, da ist das Bedürfnis, die Täter bestraft zu sehen. Aber, da ist auch die Schuld angesichts der massiven zivilen Verluste durch diesen Krieg, das Wissen, dass auch dieser Krieg kaum mehr als Zerstörung bringt – und nicht die Zerstörung der Hamas.

Da sind die viel höheren Todeszahlen in Gaza, der anhaltende Terror. Dann wieder gibt es die traumatischen Erinnerungen an die Pogrome, den Holocaust. Eigentlich müssten wir alle, im Herzen gebrochen, ein Ende der Gewalt fordern. Warum ist das nicht so?

Zu den emotionalen Frames, in denen wir über den Krieg in Nahost sprechen, fügt sich der stete Verweis auf die Empathielosigkeit der Palästinenser ein wenig zu gut. Eine Szene in Ramallah wurde im taz-Podcast beschrieben: In einem Restaurant hätten Palästinenser nach der Al-Jazeera-Übertragung über israelische Geiseln einfach weiter gegessen.

Dagegen steht das israelische Fernsehen: Dort fragt niemand mehr nach den zivilen Opfern in Gaza. Eine solche Frage hatte schon im letzten Gaza-Krieg eine Fernsehmoderatorin ihren Job gekostet. Der Verweis auf die angeblichen Fehler der israelkritischen Camps wird immer vehementer. So wurde den Preisträgern des Dokumentarfilms „No Other Land“ der diesjährigen Berlinale vorgeworfen, sie hätten die Massaker der Hamas nicht genannt und einseitig ihre Palästinasolidarität bekundet. Eigentlich haben sie einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza gefordert. Immer wieder reden wir durch den Verweis nur über die Unsensibilität der Sprechenden und nicht über einen Waffenstillstand.

Krieg mit Gefühlen

Deshalb steht mit der Wiederholung solcher Verweise medial eine Art emotionaler Konditionierung im Raum. Die psychologische Analyse der Massenmedien der Philosophen Max Horkheimer und Theodor Adorno hat eine mediale Konditionierung und Regulierung der Affekte bereits ausführlich belegt. Während im israelischen Fernsehen die Geschichten der Opfer vom Hamas-Massaker, die Geschichten der Geiseln in Gaza, nahezu in Dauerschleife, erzählt werden, kann der Krieg in Gaza weitergehen. In Deutschland wird die deutsche Schuld im Holocaust durch Israels Sicherheit als deutsche Staatsräson übersetzt, Waffenlieferungen erscheinen alternativlos. Das ist kein Spiel mit Emotionen, das ist ein Krieg mit Gefühlen.

Deswegen habe ich nicht nur ein Unbehagen bei den „River“-Sprüchen, sondern auch bei den Verweisen darauf. Ja, unter Palästinensern gibt es Antisemitismus, ja, in den palästinensischen Territorien leben nicht nur gute Menschen. Viele sagen, dass ihnen der Krieg in Gaza klein und gerechtfertigt erscheint, wenn sie vom Massaker der Hamas hören. Wenn dieselben Menschen vom Krieg in Gaza hören, erscheint ihnen dagegen das Hamas-Massaker klein. Wir sind alle zerrissen. Vielleicht geht nicht beides gleichzeitig.

Die fehlende Empathie der in Deutschland weitaus weniger repräsentierten PalästinenserInnen jedoch betonen zu wollen, dient der Fortführung des Krieges – und zeigt nur unsere schlechte Seite. Am Ende werden bestimmt viele Ja-Aber-Linke gewesen sein wollen. Aber dann müsste schon längst, auch auf Seite 1 dieser Zeitung, stehen: Waffenstillstand, sofort.

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42 Kommentare

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  • OHNE WENN UND ABER

    Man kann ganz einfach die Massaker der Hamas UND die zehntausendfache Tötung von palästinenischen Zivilisten und das Verhungernlassen von Menschen durch Israel ohne Wenn und Aber entschieden ablehnen

  • Es gibt nur noch die Identifikation mit der eigenen Gruppe, wie die Stammesloyalität Asabiyya.



    In der Psychologie wird von de.wikipedia.org/w...C3%BChlsansteckung gesprochen.



    Der Kulturkampf ist vorwiegend emotional. Populismus ist eine Kampagne für Verunsachlichung von Politik.

  • Danke für diesen sehr guten Artikel.

    Niemand kann angesichts des dauernden Leides (sowohl der Palästinenser und auch der Israelis) gleichgültig bleiben. Doch wer sich mehr auf die eine als auf die andere Seite stellt, hat sich von seinem eigenen streototypischen Denke nicht befreit, hat nicht verstanden, dass dieses Denke, 'wir' und 'die anderen' die Ursache aller Konflikte ist.

    Der Nahostkonflikt kann, wie alle anderen Konflikte dieser Welt, nur dann gelöst werden, wenn zunächst die eine Seite die Waffen niederlegen (besser noch: zu Versöhnung bereit) wäre. Leider rückt dieser Tag mit der immer tiefer werdenden Spirale der Gewalttaten immer ferner, der Hass wird immer größer, die Versöhnung schwieriger.

  • Danke! Ich hoffe, der Artikel wird Ihnen keinen allzu großen Shitstorm bescheren!

    Dass die deutsche Regierung noch Waffen nach Israel liefert, statt diesen Unrechtsstaat zu sanktionieren, ist unerhört.

    Da es keinen offiziellen palästinensischen Staat gibt, bzw. Staaten wie Israel, Deutschland, die USA etc. ihn nicht anerkennen, sind es nach israelischem Recht denn dann nicht israelische BürgerInnen, die sie dort so grausam abschlachten? Denen sie den Wohnraum mit Gewalt wegnehmen seit Jahrzehnten? Und an was erinnert einen das sehr unangenehm? Gerade als Deutscher.

  • Die letzte Parlamentswahl in Gaza war soweit ich mich erinnere 2006. Und damit ist schon fast alles über die Hamas gesagt, die ihr eigenes Volk unterdrückt um es für ihren Krieg gegen Israel bei der Stange zu halten.

    "From the river to the see, we demand equality", nämlich zuerst einmal regelmäßige Wahlen und eine demokratische Representation für die Palästinenser, halte ich für eine sinnvolle Sache.

    • @B. Iotox:

      Versuche, Wahlen im Gaza abzuhalten, hat es durchaus gegeben. Aber das geht nicht ohne das israelische "Sicherheitsbehörden" zustimmen. Insbesondere dann, wenn die Wahlen gleichzeitig mit denen auf der Westbank stattfinden sollen. Das hat Israel nie gewollt. Netanjahu hat das aktiv verhindert. Denn er wollte die Anklage, die Hamas sei nicht gewählt, nicht verlieren.



      Wie nützlich diese Argumentation ist, kann man seit Monaten sehen. Würde Israel irgendetwas anders machen, wäre die Hamas gewählt? Wohl kaum. Und eine Mehrheit der Israelis will schon lange keinen Netanjahu als Premier mehr - aber Wahlen konnten seinen Verbleib an der Macht nicht verhindern.

    • @B. Iotox:

      Dafür, dass sei 2006 keine Parlamentswahlen stattgefunden haben, ist nicht die Hamas verantwortlich, sondern die Autonomiebehörde in Ramallah. Grund ist die Befürchtung, dass die Hamas noch deutlicher gewinnen würde als 2006.

  • Ein sehr ausgewogener und interessanter Artikel über Emotionen und Empathie im Nahostkonflikt.

    Ich denke, man sollte bei der Betrachtung des Konfliktes diesen nicht nur als eine Abfolge oder eine Spirale von Gewalt und Gegengewalt sehen. Für eine rationalere Betrachtung des Konflikts, die vielleicht auch Lösungswege aufzeigt, sollte das Völkerrecht und die Frage der Menschenrechte in dem Gebiet eine größere Rolle spielen. In diesem Zusammenhang fand ich es beunruhigend, wie in Deutschland auf die Dokumentationen von Amnesty International und Human Rights Watch über die Apartheidsituation in den von Israel beherrschten Gebieten reagiert wurde: ohne inhaltlich auf die Dokumentationen einzugehen, wurde der Vorwurf von vielen Seiten entrüstet zurückgewiesen oder sogar AI Antisemitismus vorgeworfen. Das ist die gleiche billige Masche, die Netanyahu benutzt: jeder, der ihn oder seine Politik im Ausland kritisiert, wird als Antisemit diffamiert.

    • @Kölner Norden:

      Ein Problem, das ich häufig mit so genannter Israel-Kritik habe: Sie ist auf maximale Verurteilung aus und damit eben im Kern antisemitisch. Wenn AI Israel kritisieren will, gerne, nur, wozu braucht es dafür beispielsweise den Apartheidsbegriff? Was ist die sachliche Grundlage, einen historisch sehr spezifischen Begriff für Israel anwenden zu wollen bzw. ihn sich dafür zurechtzubiegen? Verbirgt sich dahinter nicht wieder die Dämonisierung der Jüd*innen? Ähnlich sehe ich es bei den Begriffen Genozid und Kolonialismus.

      Ich würde mir wünschen, diese Begriffe würden nur nach einer gründlichen Definition verwendet, die eben nicht darauf abzielt, möglichst nur Israel zu meinen, aber nicht etwa China, Russland und andere.

      Wir leben nun einmal in einer multipolaren Welt. Wer sich da im Sagen und Handeln auf Israel versteift, muss sich einen latenten Antisemitismus unterstellen lassen.

      • @DieLottoFee:

        Für Apartheid gibt es eine rechtlich verbindliche Definition (die übrigens auf formalen Kriterien beruht, nicht auf einem historischen Vergleich mit Südafrika); ähnliches gilt für Genozid. Dass Israel sich der Apartheid schuldig macht, begründet AI auf c. 200 Seiten; ob es einen Genozid begeht, verhandelt gerade der IGH. Vielleicht sind beide Vorwürfe falsch – das allerdings sollte man dann sachlich begründen, statt die Ankläger zu diffamieren.

    • @Kölner Norden:

      Ganz genau!

  • Wer Frieden will im Nahost, der muss die Kräfte vor Ort unterstützen, die das auch wollen. Das ist weder die Netanjahu-Regierung noch ist es die Hamas.

  • Schalom!



    Ich hoffe, dass die derzeitigen Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis führen.



    Der Konflikt zeigt, wie überall, dass Gewalt keine Lösung ist und Mord und Krieg keine Antwort auf komplizierte Fragen.

  • 6G
    696439 (Profil gelöscht)

    Ein Teil dieser Dissonanz die die Autorin hier beschreibt ist sicher auch, daß wir hier nicht von 2 Staaten und noch nichteinmal von Augenhöhe sprechen. Den Palästinensern wird seid jeher eine eigener Staat verwehrt und das mit den unterschiedlichsten rassistischen, eurozentristischen und kolonialistischen "Argumenten". Das hat zur Folge, daß diese Gebiete sich nicht entwickeln können. Hier beherrscht also ein hoch entwickeltes, reiches Israel ein abgehängtes und besetztes Gebiet mit mehrheitlich palästinensischer Bevölkerung. Und so ungleich die Macht und Wohlstandsverhältnisse, so ungleich ist das Leid und die Opferzahlen verteilt. Und das von Anfang an.



    Wir sollten also aufpassen, nicht allzu leichtfertig in politische Fallen zu tappen und einfache Erklärungen und Schlüsse kritisch hinterfragen. "Die Hamas ist Schuld" reicht hier einfach nicht.

    • @696439 (Profil gelöscht):

      Ja, es ist quasi das alte "1.-Welt/3. Welt"-Thema in Lupenvergrößerung.

      Die reichen Staaten in Nordamerika, Westeuropa und zum Teil Südostasien sind die dominanten World-Leader und der Rest, insbesondere in Afrika soll gefäligst hinnehmen, dass es diese Dominanz gibt.

      Wenn es unter solche Bedingungen Frieden gibt, schafft es dennoch das große Elend, das leise Sterben in den abgehängten Ländern nicht ab.

      Wieso wird das in den Hauptmedien und in der großen Politik nicht thematisiert? Auch nicht von den Grünen und schon gar nicht von Scholz, Merz und Lindner?

    • @696439 (Profil gelöscht):

      Richtig, eine objektive Betrachtung ist wichtig

  • „Die Gewalt der Hamas war unverhältnismäßig ...“ – an diesem Punkt konnte ich nicht weiterlesen. Der Terror der Hamas hat überhaupt kein legitimes Ziel, zu dem man irgendwie Gewalt in ein Verhältnis setzen könnte. Das Ziel eines Völkermordes, einer ethnischen Säuberung, eines zweiten Holocausts ist das erklärte Ziel der Hamas und kommt in dem verbotenen Spruch implizit zum Ausdruck.



    Jetzt zum „ja, aber ...“: Die Kriegsführung Israels ist unverhältnismäßig und vor allem untauglich. Die Hamas wird so nicht vernichtet und kein Frieden gewonnen. Zudem sitzen in der israelischen Regierung Rassisten und Verbrecher, denen man den Prozess machen muss. Ihre Politik gefährdet im Übrigen m.E. auch die Sicherheit Israels und seiner Bürger:innen.



    Und wer konsequent und hart gegen Leute vorgeht, die einer terroristischen Mörderbande huldigen, darf den Freund:innen in Israel durchaus auch sagen, dass man sich um Israels Sicherheit sorge und einen neuen, besseren Weg einfordern. Aber nicht, indem man Terror relativiert und Rache zu einem legitimen Ziel der Anwendung von Gewalt gegen Zivilist:innen erklärt!

  • Es müsste auf Seite 1 stehen: Waffenstillstand und Geiselbefreiung, sofort!

    Druck auf Israel kann Deutschland ausüben.

    Die Frage ist nur: wer übt gleichzeitig den nötigen Druck auf die Hamas aus, damit auch die einen Waffenstillstand einhalten und die Geiseln befreien?

    Wer übt Druck auf Katar aus, die Führungsriege der Hamas auszuliefern, wenn sie nicht sofort die Geiselbefreiung befehlen?

    Es gibt Einseitigkeiten in Worten, aber noch viel stärkere in Taten: nur auf Israel wird Druck ausgeübt.

    • @Arne Babenhauserheide:

      Das ist die traurige Wahrheit. Der Druck muss auf Hamas und palästinensische Nationalbewegung auch im Ausland erfolgen.

      Wo soll sich eine Bewegung entwickeln, die nicht antisemitisch und eliminatorisch ist und Blut und Boden huldigt, wenn nicht in Sicherheit außerhalb von Hamas Zugriff?

  • Die Fronten sind verhärtet. Die Empathie sofern sie vorhanden war aufgebraucht. Die Realität ist das anscheinend 70% der Palästinenser die Aktionen der Hamas unterstützen und 80% der Israelis für eine Fortsetzung des Krieges sind. Unter solchen Voraussetzungen läßt sich keine gemeinsame Ebene finden die auf kurzer Sicht zum Frieden führt.

    Aber auch den Auslöser sollte man klar benennen und das ist die Hamas. Israel hat mit seiner Reaktion die Verhältnismäßigkeit ausser Kraft gesetzt und Leid und Elend unter den Palästinensern ausgelöst. Das ist das Resultat wenn ein Land permannten Übergriffen ausgesetzt ist und das seit seiner Gründung.

    Ein Land dem das Existenzrecht abgesprochen wird und dessen Bevölkerung immer wieder Raketenangriffen und Anschlägen ausgesetzt wurde.

    Jetzt werden auf palästinensischer Seite die vielen Toten betrauert und der Zorn richtet sich einseitig gegen Israel. Dabei sollte er auch der Hamas gelten, welche die palästinensische Bevölkerung nur für ihre islamistischen Zwecke instrumentalisiert hat und Gaza seit 20 Jahren als "Selbstbedienungsladen" betrachtet.

    Das unter solchen Umständen hierzulande Antagonismus vorherrscht, besonders auf Seiten der Linken, erstaunt mich daher eher wenig.

    • @Sam Spade:

      "Der Frieden wird kommen, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben als sie uns hassen." so elegant hat Golda Meir (angeblich) die Verantwortung für den Frieden schon 1956 oder 57 ganz auf die andere Seite abgewälzt.



      Dieser Zeitpunkt ist auch 67 Jahre später noch nicht erreicht. Dafür ist die israelische Gesellschaft vom jahrzehntelangen Krieg & den Menschenrechtsverletzungen der IDF zermürbt und gespalten - und wählt trotzdem immer noch keine Regierung die eine einvernehmliche friedliche Lösung sucht.

      PS: Den letzten Satz hätte ich fast 1:1 auch mit 'palästinensische Gesellschaft' und 'Hamas' schreiben können, nur leider hat die Hamas seit 2006 in ihren Gebieten nicht mehr wählen lassen.

      • @B. Iotox:

        >>"Der Frieden wird kommen, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben als sie uns hassen." so elegant hat Golda Meir (angeblich) die Verantwortung für den Frieden schon 1956 oder 57 ganz auf die andere Seite abgewälzt.

      • @B. Iotox:

        Nein, eben nicht "immer noch". Netanyahu ist im Kielwasser der Hamas großgeworden. Es gab vorher ausgestreckte Hände, die gibt inzwischen nicht mehr, und das haben die Palästinenser selbst gewählt. Dass die Israelis Netanyahu wählen, ist falsch, aber nachvollziehbar. Auch da gibt es eine Vorgeschichte.

        • @Kurt Kraus:

          Ich dachte zuerst mit "ausgestreckte Hände" seien die Palästinas bzw Arafat gemeint gewesen.



          Es muss wohl daran erinnert werden dass es ein religiös rechtsextremer israelischer Nationalist war, der mit der Ermordung Rabins möglichen Fortschritt beendet hat. Wenn es eine ausgestreckte Hand Israels gab, wurde sie zurück gezogen. Denn in der israelischen Politik wollte niemand Rabins Schicksal riskieren.

    • @Sam Spade:

      Teil des Problems ist auch das einige israelische Politiker die ständigen Angriffe und damit einhergehende Bedrohung instrumentalisieren.

      Netanjahu hat die Finanzierung der Hamas geduldet, weil er den Status Quo für seine Ziele (Siedlungspolitik) nutzen wollte.

      Die Hamas galt als kalkulierbares Risiko, der 7te Oktober hat gezeigt wie falsch man da lag.

      Ähnlich falsch wie bei der Entstehung der Hamas...als diese von Israel direkt/indirekt gefördert wurde, damit die Palästinenser sich gegenseitig zerfleischen.

      Ja die Situation ist fast unlösbar, vor allem wenn das Vorgehen Israels weiter ohne Konsequenzen bleibt... Frieden ist für die aktuelle rechte Regierung Israels ganz einfach nicht opportun.

      Gäbe es Frieden könnten Siedler:innen nicht immer weiter das Land besetzen, wäre die Vertreibung von Palästinenser:innen schwerer, müssten Wasserrechte /Landrechte geklärt werden, usw.

  • Dieser Slogan ist auch nicht besser: "... between the Sea and the Jordan there will only be Israeli sovereignty." Likud 1977.

    • @ecox lucius:

      Ein Zitat von 1977 auszubuddeln, das dadurch selbst vor den Friedensschlüssen einer (Likud-geführten) Regierung Israels mit Ägypten aufkam, erscheint mir zum Verständnis des aktuellen Kontextes sehr wenig hilfreich.

      • @Agarack:

        Nun ja, die Hamas- Charta ist ähnlich alt. Und ich wüsste nicht, dass der Likud seine Position wesentlich geändert hätte. Aber die Likud-Posirion war ja damals schon ein Fortschritt. Die Vorgängerin Herut hat noch das ganze Mandatspalästina einschließlich Jordaniens gefordert.

    • 8G
      81283 (Profil gelöscht)
      @ecox lucius:

      ... und wie oft wurde er in der letzten zeit skandiert?

    • @ecox lucius:

      Es muss doch auch einen Mittelweg geben

      • @Syltfreund:

        Für die Palästinenser ist das inzwischen ein hundertjähriger Krieg. Seit dem ersten Weltkrieg, als die Briten sich als arrogante Kolonialherren aufspielten und die westliche Welt ihnen den Segen dazu gab, ist der Zustand letztlich so. Und davor herrschten die Osmanen. ich glaube nicht mehr an einen friedlichen Weg. Entweder vernichtet der eine den anderen, oder es geht so weiter. Einsicht sehe ich nicht,.

  • Die Friedliebenden in beiden "Camps" müssen sich zusammenschließen. Ja, da gibt es schon einige Initiativen, aber es reicht nicht. Es könnte noch viel mehr getan werden. Sie müssen versuchen, den Diskurs zu verschieben. Selbst wenn es heute nur 20-30% auf beiden "Seiten" sind. Ich würde vermuten, dass das Potenzial wesentlich höher ist, und die hohen Zahlen der Gewaltbefürworter nur der aktuellen aufgeheizten Situation geschuldet sind.

  • Noch schöne wäre: "From the river to the sea- justice, peace and liberty". Für Juden und Palästinenser. Dieses "Team Israel" vs. "Team Palestine" bringt nichts weiter. Da hat der Kommentar sehr recht. Der Angriff vom 7. Oktober war monströs. Israels Reaktion weit über alles hinausgehend, was man noch verhältnismäßig nennen kann.

    • @Kartöfellchen:

      So wie auch das Irak-Massaker der USA nach 9/11.

  • Ja, aber...



    Weltweit gesehen, z.B. auch bei der UNO sind "die PalästinenserInnen" wohl eher überrepräsentiert, bzw. besser: eine Israel-feindliche Haltung.



    "Die fehlende Empathie der in Deutschland weitaus weniger repräsentierten PalästinenserInnen jedoch betonen zu wollen, dient der Fortführung des Krieges"



    Das ist zwar kein logischer Schluss, reiht sich aber ein in die permanenten Unterstellungen, wer "die Palästinenser" kritisiert oder auch nur Israel-solidarisch ist, ist automatisch auch für Netanjahu und den Krieg. Und gegen einen Waffenstillstand.

    • @Kai Ayadi:

      Guter Kommentar zu einem guten Artikel. Danke!

  • Dieser Kommentar war seit 7 Monaten überfällig.

  • Ja aber, warum hört man denn solche Gedanken der Empathie für die „Gegenseite immer nur aus dem jüdisch-israelischen Kontext? Wo bleiben die kritischen Stimmen der Palästinensische Intellektuellen, Kunstschaffenden und JournalistInnen zum Vorgehen der eigen Leute? Da fehlt wohl auch sehr viel Empathie, oder was?

  • Vielleicht wäre es nicht schlecht auch zu erwähnen das es ein — permanenter Waffenstillstand sein muss — und das die Grünen mit dem Versprechen “keine Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete” in den letzten Wahlkampf gegangen sind — “bereit weil Ihr es seid” 😕