Deutsche Servicementalität: Hasswort „Gerne“

Seitdem unser Autor vor zwei Jahren Wirt geworden ist, begegnet ihm ständig das Wort „gerne“. Es treibt ihn zur Weißglut.

Ein schild steht im Fenster eines Restaurants.

Heute kein „Gerne“ auf der Karte Foto: Thomas Trutschel/photothek/imago

Das wäre doch perfekt für das „Wahre Rätsel“ hinten auf der Wahrheitsseite: Deutsche Servicementalität in fünf Buchstaben? Antwort: Gerne.

Seitdem ich vor zwei Jahren Wirt geworden bin, gernt es unablässig um mich herum und an mich heran. Man hat es als Unternehmer einfach mehr mit Leuten zu tun, die mit einem ins Geschäft kommen wollen. Meine Vermutung ist: Weil alle irgendwie mit dem Bereich Gastlichkeit zu tun haben, kommt kaum ein Satz ohne das Wörtchen aus:

„Gerne unterbreiten wir Ihnen folgendes Angebot …“

„Gerne bestätigen wir die Stornierung …“

„Haben Sie noch Fragen: Dann kommen Sie gerne auf uns zu …“

Wie ich es hasse. Vor allem, wenn ein Satz mit „gerne“ beginnt. Häufig endet das in einer grammatikalischen Verknotung. Mich erinnert das an Nachrichtensätze, die Lokaljournalisten für das ultimative Deutsch halten. Von wegen „Subjekt, Prädikat, Objekt“, wie mir das nicht erst im Volontariat beigebracht wurde. Nein, wenn das Objekt das vermeintlich Wichtigste oder Konkreteste an der Nachricht ist, dann wird es an den Anfang geschoben. Die Zeitungsmeldung geht dann so: „Einen SUV der Marke Mercedes-Benz hat am Samstag ein Ochse auf die Hörner genommen.“ Top-Deutsch, oder?

Wenn ein Satz mit „gerne“ beginnt, dann weiß ich schon: Zuallererst soll Haltung signalisiert werden. Übersetzt: „Ich bin gerne für Sie da (aber bei was und wie genau, ist eine andere Frage).“ Meiner Meinung nach haben die Ansagen der Deutschen Bahn dafür gesorgt, dass „gerne“ so in Mode gekommen ist und inzwischen so gebraucht wird wie im Englischen das „fuck“. Der dazugehörige geflügelte Satz heißt: „Gerne servieren wir Ihnen in unserem Bordbistro Kaffee und Kuchen.“ Die Bahn schenkt sich das inzwischen. Heute wird man eher darüber informiert, dass das Bistro noch nicht offen ist oder das Personal bald Feierabend hat.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Bitte schreiben Sie mir, wenn in einem Anschreiben unseres Hotels das Wort „gerne“ auftaucht. Wir haben eine Buchungssoftware, mit der Gäste ihre Reservierung zum großen Teil selbst verwalten können. Was aber dazu führt, dass man bei jedem Schritt standardmäßig Bestätigungs-, Dank- und Erinnerungsschreiben per Mail erhält, getreu der Regel: Ein „gerne“ kommt selten allein.

Bis vorgestern war ich der Überzeugung, ich hätte den Spam auf ein dezentes Maß reduziert und auch das „gerne“ erfolgreich aus allen Textvorlagen gelöscht. Aber dann kam ein Update. Nun bin ich wieder dabei, die Devotheit aus den Vorlagen zu entfernen, und denke dabei sehr bayrisch – auf Hochdeutsch zu denken ist mir schon immer schwer gefallen: Ihr mit eurem ‚gerne‘ könnts mi amoi gern haben.

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