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RAF-Terroristin Daniela Klette verhaftetIhre Flucht endet in Kreuzberg

Seit 30 Jahren wird nach den einstigen RAF-Terroristen Klette, Staub und Garweg gefahndet. Am Dienstag wurde Klette in Berlin festgenommen.

Nach der Festnahme von Daniela Klette, einst RAF-Terroristin, werden Spuren in einer Wohnung in Berlin-Kreuzberg gesichert Foto: Tobias Schlie/reuters

Berlin taz | Auch am Dienstag ist der Eingang des grauen, siebenstöckigen Mietshauses in einer ruhigen Seitenstraße in Berlin-Kreuzberg noch mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Po­li­zis­t*in­nen stehen davor, über Stunden durchkämmen ihre Kol­le­g*in­nen dort eine Wohnung, sichern Spuren. Am Abend zuvor war hier eine Frau festgenommen worden, die mit zwei Weggefährten seit mehr als 30 Jahren von der Polizei gesucht wurde: Daniela Klette, einst RAF-Terroristin. Eine der letzten, die noch flüchtig war.

Klette gehörte zur letzten, zur dritten RAF-Generation, die unter anderem für Morde an Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen und Treuhand-Präsident Detlev Rohwedder verantwortlich war. Klette selbst soll 1990 an einem Anschlag auf die Deutsche Bank in Eschborn und ein Jahr später auf die US-Botschaft in Bad Godesberg beteiligt gewesen sein. 1993 wurden von ihr auch DNA-Spuren beim Sprengstoffanschlag auf die im Bau befindliche JVA Weiterstadt in Hessen gefunden, ebenso von den RAF-Mitstreitern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg.

Seit Jahrzehnten wurde erfolglos nach dem Trio gesucht. Nach dem Abtauchen sollen die drei von 1999 bis 2016 sechs Überfälle auf Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen verübt haben, um ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Mehr als 2 Millionen Euro sollen dabei erbeutet worden sein.

Die Fahndung wurde mit enormem Aufwand betrieben. Anfangs ermittelte die Bundes­anwaltschaft, am Ende die Staatsanwaltschaft Verden. 150.000 Euro wurden für Hinweise auf das Trio ausgelobt. Erst vor wenigen Tagen wurde der Fall auch nochmal über die ZDF-Sendung „Aktenzeichen X … ungelöst“ ausgestrahlt, 250 Hinweise trudelten danach ein.

Auf einer am Dienstag eilig einberufenen Pressekonferenz zur Festnahme von Daniela Klette berichtete Niedersachsens LKA-Präsident Friedo de Vries, dass ein anderer Tipp entscheidend war. Im November 2023 habe man einen Hinweis aus der Bevölkerung auf die Wohnung in Berlin erhalten. Nach mehreren Überwachungsmaßnahmen sei man sich sicher gewesen, dass dort Klette lebte. Bei der Festnahme am Montag durch niedersächsische Zielfahnder und Berliner Polizeikräfte habe die 65-Jährige keinen Widerstand geleistet und sei allein in der Wohnung gewesen. Über Fingerabdrücke sei Klette eindeutig identifiziert worden. Gefunden wurden in der Wohnung auch zwei Magazine und Munition, aber keine Waffe.

Daniela Klette, ein ehemaliges Mitglied der aufgelösten RAF wurde nach mehr als 30 Jahren auf der Flucht in Berlin verhaftet Foto: ap

Offen blieb, wie lange Klette schon in Kreuzberg lebte. Laut Ermittlern lebte sie dort unter falscher Identität, mit ausländischem Pass. Mieterin der Wohnung sei sie nicht gewesen. Nachbarn geben am Dienstag vor dem Haus Jour­na­lis­t*in­nen Interviews: Klette habe sich „Claudia“ genannt, sei freundlich gewesen, oft mit einem Hund unterwegs, habe Mathe-Nachhilfe gegeben. Zudem zeigen sie Social Media Fotos in einem Kreuzberger Capoeira Verein, in dem sie offenbar über Jahre bis mindestens 2019 aktiv war.

Mit einem Hubschrauber wurde Klette später nach Bremen geflogen, wo das Amtsgericht Verden U-Haft für die Beteiligung an sechs Überfällen verhängte. Allein dafür drohen ihr mehrere Jahre Haft. Auch die Bundesanwaltschaft ist noch in das Verfahren involviert: Die Mitgliedschaft in der RAF ist verjährt, nicht aber der Vorwurf der drei Sprengstoffanschläge. Klette soll bisher die Aussage verweigern.

Sicherheitspolitiker überschlugen sich mit Jubel. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „­großem Erfolg“ der Ermittlungsbehörden. „Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen.“ Die Verbrechen der Rote Armee Fraktion stünden „bis heute beispiellos für die Gefahren des Linksextremismus und Linksterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland“. Niedersachsens Innen­ministerin Daniela Behrens (SPD) sprach von einem „Meisterstück“ und einem „Meilenstein in der deutschen Kriminalgeschichte“.

Auch LKA-Chef de Vries zeigte sich erfreut. Man habe bei der Fahndung nach dem RAF-Trio in den vergangenen Jahren wiederholt vor falschen Türen gestanden. Erst vor wenigen Tagen kam es zu einem großen Polizeieinsatz, als in einem Regionalzug in Wuppertal ein Mann fälschlich für Ernst-Volker Staub gehalten wurde.

De Vries kündigte an, dass man mit gleicher Intensität nun auch weiter nach Garweg und Staub suchen werde. Tatsächlich berichtete er noch am Dienstag von einer zweiten Festnahme in Berlin: von einem Mann ähnlichen Alters wie Klette, der ebenfalls mit falschen Papieren unterwegs war. Die Identität konnte zunächst nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Aktualisiert und ergänzt am 28.02.2024. um 08:15 Uhr. d. R.

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37 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Und nun warten wir mal in aller Ruhe ab, wie die Behandlung einer Terroristin A.D. im Vergleich zu der einer aktiven Rechts-Terroristin ist

  • Vielleicht wollte Daniela Klette gefasst werden, vielleicht ist sie krank und alt und kann nicht mehr.

    Ob das wirklich eine Topterroristin ist? Diese Darstellung ist m.M. schon ein wenig merkwürdig. Ossama bin Laden war für mich ein Topterrorist oder Carlos, aber Daniela Klette?

    Natürlich muss sie sich jetzt ihrer Vergangenheit stellen, aber ob Deutschland jetzt massiv sicherer geworden ist, weil man die Klette eingesammelt hat? Das ist doch einfach nur Propaganda der Polizei und Staatsanwaltschaft. Wenn die wirklich so super arbeiten würden, hätte man die Frau früher gefunden.

    • @Andreas_2020:

      Wer redet denn von "Top Terroristin"? Das les ich grad zujm ersten Mal. Ihre RAF Zeit ist längst vorbei. Die Frau und ihre Mitstreiter haben sehr wahrscheinlich zwischen 1999 und 2016 mehr als ein Dutzend schwerer Raubüberfälle begangen und dabei Sturmgewehre dabei gehabt.



      Die Staatsanwaltschaft hat klargestellt, dass es sich "nicht um terroritsische Taten" handelt und die Überfälle "zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts" dienen.



      Die Aufregung ist groß, weil das Trio zur 3. Generation der RAF gehört. Eine Haftstrafe für diese Taten hätten sie längst abgesesen.



      Am ende gehts um Schwerkriminille, die mit automatischen Waffen ihre Taten begehen. Was interessiert da, ob sie "vielleicht krank und alt" ist?



      Interessant ist zu sehen, wie solche Taten kleinreden werden können, wenn man einen bestimmten ideologischen Hintergrund vermutet.

  • Man hat wohl versucht durch Observation noch mehr zu bekommen. Das scheint nicht gelungen zu sein.

  • Eine Karlsruherin in Berlin. Wer hätte sie in Deutschland vermutet? Ziemlich gute Nerven muss sie gehabt haben. Der Hinweisgeber aus der Bevölkerung kann mit 50.000,- Euro (geschätzt) erst mal ´ne ruhige Kugel schieben. Zur Pensionierung reicht es allerdings nicht, da müsste der/die schon den Eurojackpot abräumen.

  • Wenn ich mir die Kommentare hier so anschaue... Mitleid mit einer Terroristin...Ach ja, sie gehört ja der linken Szene an...die darf das! Ihr seid nicht besser als die rechte Szene.

  • Es ist wohl dem Hufeisen geschuldet, daß so viele Kommentare sich mehr oder weniger mit der Terroristin solidarisch erklären, oder dies verklären. Genau dies findet sich auf der anderen Seite des Hufeisens auch wieder. Jede terroristische Person sollte aus dem Verkehr gezogen werden !!

  • 30 Jahre hat sie unbehelligt offenbar noch ein gutes Leben gehabt. Musste sich nicht in dunklen Löchern verstecken, sondern konnte zumindest eine Zeit frei in Berlin leben. Diese 30 Jahre kann man ihr nicht mehr nehmen.

    Ich hoffe, sie schweigt beharrlich.

    • @Kakaobutter:

      Ja, das muss man anerkennen. Schwer vorstellbar, dass ihr dies ohne den Beitrag krimineller linksextremischer Netzwerke solange gelingen konnte. Was die Opfer betrifft, die Klette in ihrer selbstgerechten und rücksichtslosen Weltsicht in ihrem "guten Leben" hinterlassen hat, trifft Ihre Beschreibung vermutlich nicht zu. Wenigstens wird sie sich nun vor Gericht verantworten müssen. Mit Schweigen wird sie ihre Schuld allerdings nicht mal im Ansatz aufarbeiten können.

    • @Kakaobutter:

      Sie goutieren ihre Taten?

    • @Kakaobutter:

      Zeit hatte sie auf jeden Fall. Die hätte sich mal ihre Fingerabdrücke ändern lassen sollen. Oder nach Montevideo ziehen. Oder am besten beides. Nach dem Freitag, 30. Juli 1999, Duisburg. Etwas über eine Million Mark. Geteilt durch 3 Nasen.

    • @Kakaobutter:

      Klingt fast, als wenn Sie auch von einer kriminellen Kartiere träumen.

    • @Kakaobutter:

      und kommt nie wieder aus dem Gefängnis frei.

  • Gut dass wieder ein Mitglied dieser Mörderbande gefasst wurde. Die RAF hat Deutschland mit ihrer Mordserie jahrelang in Atem gehalten, das darf nicht verharmlost werden.

  • "Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „­großem Erfolg“ der Ermittlungsbehörden" — ach?

    ... nun ja — 30 Jahre Untergrund sind auch eine Strafe.

    Gruß



    Fritze

    • @Fritz Müller:

      Selbstschädigung ist gerade KEINE Strafe.

  • Sie musste noch echt was tun für ihren Terroristinnenenstatus. Heute reicht ja schon eine Tube Sekundenkleber.

  • „Meisterstück“ und einem „Meilenstein in der deutschen Kriminalgeschichte“.



    31 Jahre. Effizienz!

    Die Verbrechen der Rote Armee Fraktion stünden „bis heute beispiellos für die Gefahren des Linksextremismus und Linksterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland“.



    Sie meint da doch nicht etwa die Mathe-Nachhilfe?

    • @guzman:

      Bis auf Mordversuch und den Banküberfall 2016 dürfte fast alles verjährt sein. Deshalb werden die Ermittler auf Teufel komm raus am Mordversuch festhalten, egal wie dünn die Beweislage ist, um nicht komplett als deppen dazustehen. Da die Überfälle nur zur Fluchtfinanzierung verübt wurden, gibt's kaum Wiederholungsgefahr, das ganze wird intensiv genutzt werden eine grosse Gefahr des linksextremismus aufzubauschen. Um vom Versagen und der Rechtslastigkeit der Polizei und Sicherheitsbehörden abzulenken.

    • @guzman:

      Nein, die Attentate und Sprengstoffanschläge.



      Nicht zu vergessen die Überfälle auf Supermärkte und Geldtransporter.

  • „Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen.“



    Dieser Satz wäre glaubhafter wenn auch die ganzen Rechten im Untergrund mit dem gleichen Aufwand gesucht werden würden!

    • @WM:

      Von wem reden Sie?

      • @Klaus Kuckuck:

        Vielleicht von denen hier:

        "Die Zahl steigt stetig an. Nach 596 Rechtsextremen fahndeten die Ermittlungsbehörden zuletzt wegen offener Haftbefehle – im vergangenen März waren es noch 459."

        taz.de/Rechtsextre...befehlen/!5830846/

    • @WM:

      Werden die ja auch, nur Sympathiesanten bei der Polizei können das gelegentlich verhindern.

    • @WM:

      Tut man ja.

      Viel Mühe war hier ja nun nicht.

      Da hatte man ja selbst für den NSU mehr Aufwand betrieben

    • @WM:

      Ja, mit einer Deutschlandfahne und einem Trecker wäre das nicht passiert.

  • Ganz wichtig.....



    Kein SKS war im Einsatz, keine Tür wurde auf gesprengt, es wurde von normalen Polizeikräften geklingelt, geöffnet und zur Überraschung.....die Bewohnerin war Frau Klette.



    Da haben Fr. Klette und (vielleicht) auch die Polizisten Schwein gehabt.

    Diesem Insidertipp war wohl im Vorfeld keine größere Erfolgsaussicht unterstellt worden.

    • @Peace85:

      Im Artikel steht, dass es mehrere Überwachungsmaßnahmen gab. War wohl doch etwas aufwändiger.

  • Ich hoffe, dass Frau Klette aussagt und so ggf ihre Strafe mildert - aber vor allem den Hinterbliebenen der Opfer Aufkärung und Gewissheiten bringt!

    • @Rufus:

      Sie haben den einzig guten Kommentar abgegeben, bei den anderen Kommentaren fühle ich mich in die 80-iger zurückversetzt

    • @Rufus:

      Was für Hinterbliebene? Ihr werden keine Tötungen vorgeworfen.

  • Wäre der Staat da frühzeitig ein wenig konstruktiver auf die Auflösung der RAF eingegangen, wären die drei schon lange wieder frei und hätten ihren Lebensunterhalt auf legale Weise verdienen können. Politische Verbrechen begangen haben sie ja nicht mehr, die Überfälle waren fast Mundraub (denn sie konnten ja noch nicht einmal H4 beantragen). OK, für die Beteiligten sicher trotzdem Scheiße.

    Aber irgendwie ist das wirklich billige Freude bei den Ermittlern.

    Naja, wenigstens wird sie jetzt warm, trocken und mit drei Mahlzeiten täglich und ohne das ständige Warten auf die Entdeckung im Gefängnis sitzen und hatte bis dahin vielleicht ein wenig ein halbwegs friedliches Leben. "Freundlich, mit dem Hund unterwegs, Mathe-Nachhilfe geben...". Klar, so jemanden muss man sofort einsperren!

    Und Rente hätte sie ja nicht beziehen können. So manche/r heute 65jährige wird sich das heute und in nächster Zukunft als Armutsrentner nur noch wünschen können... Ich z.B., lol.

    • @Mustardman:

      Na dann. Wenn Zschäpe das gewesen wäre, wären Sie vermutlich auch so nachsichtig, oder? Wie stehen Sie den zu den ganzen Nazi-Verbrechern, die mit 90+ noch auf die Anklagebank mussten und nichts mehr mit Nazis zu tun hatten, zum Tatzeitpunkt kaum erwachsen waren und sechzig Jahre sich nicht zu schulden haben kommen lassen?

      Es erstaunt mich doch, wieviel Sympathie hier im taz-Forum ehemaligen RAF-Mitgliedern entgegenschlägt. Und wo man einen kleinen Bankraub als Kleinigkeit für die Beteiligten abtut.

    • @Mustardman:

      Beinahe lustig, wie hier die ganzen Verbrechen, Bombenanschläge, Morde und bewaffnete Raubüberfälle relativiert werden.



      Schonmal an die Menschen gedacht, die wegen Frau Klette unermessliches Leid erfahren mussten und wegen dieser komplett durchgedrehten Frau wahrscheinlich bis heute leiden müssen?

    • @Mustardman:

      Ich denke auch, dass in Berlin weitaus schlimmere Gestalten rumlaufen und mehr Gefahr für den Staat darstellen als Frau Klette und den Knast eher verdienen.

      • @DocSnyder:

        Es steht Ihnen frei, die Polizei mitz entsprechenden hilfreiche Tipps zu versorgen. Pauschale Whatabouttisms bringen dagegen niemand hinter Gitter.