piwik no script img

Unicef-Sprecher über Gaza„Ohne Ende Horrorgeschichten“

James Elder von Unicef war jüngst in Gaza. Das Leid der Kinder dort habe er „in 20 Jahren noch nicht gesehen“ – und hat klare Forderungen.

„Ich stehe auf der Seite der Kinder“: vertriebene Palästinenser in einer Notunterkunft in Rafah Foto: Ibraheem Abu Mustafa/reuters
Jannis Hagmann
Interview von Jannis Hagmann

taz: Herr Elder, Sie sind vergangene Woche aus dem Gazastreifen zurückgekehrt. Sie haben von der Lage vor Ort berichtet, fast wie ein Reporter: live aus Krankenhäusern oder nach Luft schnappend mitten im israelischen Bombardement. Was war der Sinn Ihres Besuchs?

James Elder: Als Sprecher von Unicef ging es darum, die Geschichten von Frauen, Kindern und humanitären Helfern zu erzählen. Meine Rolle war es, ein Sprachrohr zu sein für die Kinder, die keine Stimme haben und zumindest einige der schrecklichen Ereignisse vor Ort einzufangen. Außerdem war es mein Ziel, Klarheit in die Situation zu bringen, denn einige der Narrative aktuell sind sehr schwierig.

Zum Beispiel?

Das Narrativ der Sicherheitszonen. Rechtlich ist eine Sicherheitszone nicht nur ein Ort, der nicht bombardiert wird, sondern wo die Zivilbevölkerung auch Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und Medizin hat. In den Sicherheitszonen in Gaza fehlt dies alles. Die Menschen werden aufgerufen, in Straßenzüge oder Nachbarschaften zu fliehen, in halbfertige Gebäude oder auf leeres Land, ohne Zugang zu Wasser oder Sanitäranlagen.

Im Interview: James Elder

ist Pressesprecher des UN-Kinderhilfswerks Unicef. Er war während der Feuerpause Ende November in Gaza und erlebte die Wiederaufnahme der Kämpfe im Süden mit.

Israel hat mehrere Gebiete zu Sicherheitszonen erklärt, die größte davon ist al-Mawasi, ein Gebiet an der Küste. Wie sieht es da aus?

Al-Mawasi ist 14 Quadratkilometer groß, vier Prozent des Gazastreifens, und sollte ursprünglich sogar die einzige Sicherheitszone sein. Doch im Gazastreifen wurden 1,8 Millionen Menschen vertrieben. Die anderen Sicherheitszonen sind noch kleiner. Innerhalb von Stunden füllen sie sich mit Tausenden von Menschen, die oftmals schon drei- oder viermal den Ort gewechselt haben mit dem wenigen, was sie tragen können. Mädchen müssen teilweise fünf Stunden anstehen, um eine Toi­lette zu benutzen. Die meisten Sicherheitszonen haben gar keine Sanitäranlagen. Wir haben daher die große Sorge, dass sich Krankheiten wie Cholera oder Typhus ausbreiten. Die Bedingungen dafür sind da: keine Sanitäranlagen, wenig Wasser, Regen und Kälte.

Sicher vor Beschuss sind die Sicherheitszonen aber?

Es ist das Mindeste, dass Sicherheitszonen nicht bombardiert werden. Im Norden allerdings hat es laut Berichten Gebiete gegeben, die, nachdem sie zur Sicherheitszone erklärt wurden, unter Beschuss gerieten. Kriegsparteien müssen alle machbaren Vorkehrungen treffen, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Es ist irreführend, die Leute aufzufordern, sich in die Sicherheitszonen zu bewegen. Nichts an ihnen ist sicher.

Ihre Videos und Audios aus Gaza wurden viel geteilt, was auch daran liegt, dass Sie sehr offen, vielleicht auch undiplomatisch sind. Sie sprachen etwa von „Angriffen auf Mütter und Kinder“, einem „Krieg gegen Kinder“ oder einem „Blutbad“, was vor allem von pro­palästinensischen Medien wie Al Jazeera aufgegriffen wurde. Müssen Sie sich als UN-Mitarbeiter nicht neutraler ausdrücken?

Mehr als 6.000 Kinder wurden laut den Behörden getötet. Das sind über 40 Prozent der Toten, prozentual mehr als in irgendeinem anderen Krieg. Wenn Ihre Frage darauf abzielt, auf wessen Seite ich stehe, dann ist meine Antwort: Ich stehe auf der Seite der Kinder. Wir haben seit dem grauenhaften Angriff vom 7. Oktober auch immer wieder die Freilassung der israelischen Kinder in Gaza gefordert. Die Qual, die die Eltern durchmachen, ist unvorstellbar, wissend, dass ihre Kinder von Bewaffneten festgehalten werden. Angesichts der hohen Zahl getöteter und schwer verletzter Kinder in Gaza entsprechen die Deutlichkeit und Dramatik meiner Statements leider dem, was vor Ort passiert.

Sie waren in Afghanistan, in der Ukraine, in Somalia. Ist das Leid, dass Sie in Gaza gesehen haben, wirklich etwas anderes?

Vergleiche sind schwierig. Für mich persönlich sticht die schiere Dichte und Intensität von verletzten und getöteten Kindern heraus. Das habe ich in zwanzig Jahren noch nicht gesehen. In den Krankenhäusern brauchte ich mich nur umzudrehen, um ein weiteres Kind mit Kriegsverletzungen zu sehen. In den Notunterkünften hörte ich ohne Ende Horrorgeschichten: Meine Frau wurde getötet, meine beiden Töchter sind tot, ich habe mein Zuhause verloren, meinen Lebensunterhalt, ich kann mein Kind nicht mehr versorgen. In den Krankenhäusern sagte mir das Personal in einem Fall: Denken Sie daran, wenn Sie mit dem Kind sprechen, dass es noch gar nicht weiß, dass seine Eltern tot sind. Wir sprechen nicht ohne Grund von einem „Krieg gegen Kinder“.

Sie sind recht still, was die andere Seite angeht: die Hamas und ihre Kriegsführung. Warum? Was haben Sie vor Ort gesehen, nutzt die Hamas gezielt zivile Infrastruktur?

Das habe ich nicht gesehen. Wenn Orte genutzt werden, um sich hinter Zivilisten zu verstecken, ist das ein klarer Bruch des Völkerrechts, genauso wie die Gräueltaten vom 7. Oktober. Aber wir versuchen, auf die Rechte von Kindern aufmerksam zu machen in einem Krieg mit der unverhältnismäßigsten Tötung von Kindern in der Gegenwart. Je länger dieser Krieg anhält, desto weiter entfernen wir uns von einem Frieden, der den Kindern in Israel, im Gazastreifen und im Westjordanland Sicherheit bringt.

Was konkret fordern Sie in der aktuellen Situation?

Einen Waffenstillstand.

Und solange es keinen gibt?

… müssen wir damit leben, dass die Menschen an Seuchen und aufgrund von Flüssigkeitsmangel sterben. Im Gazastreifen gibt es nicht genug Hilfe und die Verteilung im Kriegsgebiet ist extrem schwierig. Wir brauchen Wasser, Essen, Unterkünfte und Sanitäranlagen, um Seuchen zu stoppen. Wie schafft man das? Mit einem Waffenstillstand.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

34 Kommentare

 / 
  • Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Wenn die Diskussionen ausfallend werden, zu weit vom Thema abweichen, oder die Zahl der Kommentare zu groß wird, wird das manchmal leider nötig. Sonst können wir die Kommentare nicht mehr zeitnah moderieren. 

  • ich verstehe die kommentatoren nicht und auch nicht die taz moderatoren.



    bei jeder aussage von wem auch immer, die etwas zu diesem konflikt sagt und nicht 100% die linie der israelischen regierung folgt, wird immer sofort gefordert, sich von der hamas abzugrenzen und den terroristischen angriff vom 07.10. aufs tiefste zu verurteilen.



    hier ist ein interview eines unicef mitarbeiters, eine absolut neutrale person, der sein umfeld beschreibt. er sagt, er habe noch nie solch ein ausmass der verletzungen bei kindern gesehen.



    erste frage: hat er auch schon genug den terrorangriff der hamas verurteilt? weil sonst darf er vielleicht ja gar nicht ueber das leid palaestinensischer kinder sprechen, wenn er nicht parallel das der israelischen erwaehnt.



    und dann kommen die kommetare, die in keiner weise auf den artikel eingehen, sondern einfach nur wieder wie aus dem propagandaministerium israels die parolen hier drunterschreiben, ´die hamas muss erst komplett vernichtet werden, sonst kann es keinen frieden geben´.



    wenn man darauf antworten will, wird der kommentar erst gar nicht freigeschaltet.



    was ist da los in der taz-redaktion? nur noch tendenzioese berichterstattung?

  • "Kriegsparteien müssen alle machbaren Vorkehrungen treffen, um die Zivilbevölkerung zu schützen."

    Sollte das dann nicht auch für die Hamas gelten?

    Deren Verhalten ist ja geradezu das strukturelle Gegenteil. Sie nutzt die Zivilisten als Schutzschild und kalkulierten deren Tod ein, den sie dann propagandistisch ausschlachtet.

    Würde die Hamas kapitulieren, das Elend wäre vorbei. Das fordert nur keiner, weil sie das ja nicht tun wird.

    Das ist ein Axiom ähnlich dem, das besagt, es macht keinen Sinn, Russland zum Beenden des Krieges aufzufordern.

  • Warum benennt er nicht konkret die Hamas als Verursacher? Das irritiert. Israel hat die Zivilbevölkerung aufgefordert, den Raum zu verlassen. Regelmäßig wird gewarnt. Die Hamas tut das nicht. Sie schiebt Kinder vor, nutzt zivile Einrichtungen gezielt und bombardiert zivile Ziele.

    Sorgen Sie dafür, dass die Geiseln endlich freikommen (Kinder, Frauen, alte Menschen ...) und tun sie etwas gegen den Terror.

  • Ein sehr wichtiges Interview. Vielen Dank, dass Sie diesem Bericht Platz eingeräumt haben. Ich bin erstaunt, in wie vielen Kommentaren eine Alles-oder-Nichts-Perspektive eingenommen wird. Auch Schuldfragen und historische Narrative sind selten ein für allemal fein säuberlich aufzulösen. Deshalb hat ein Waffenstillstand oberste Priorität. Danach beginnt die Arbeit.

  • Hey Leute! Alles, was Ihr hier auflistet mag berechtigt oder richtig sein, aber keiner scheint begriffen zu haben oder blendet es in dem heute wohl üblichen reflexhaften Reizwort-PingPong aus, dass es dem um all das Angeführte gar nicht geht, sondern einzig und allein um die KINDER! Und in dieser Hinsicht ist der ganze Rest komplett irrelevant! Kinder leiden und sterben in einem Krieg der Erwachsenen, ihnen muss geholfen, sie müssen beschützt werden!

  • einige aussagen in diesem interview verstehe ich nicht.



    „regen und kälte“ in diesem gebiet? und bezugnahme auf aussagen von den „behörden vor ort“?

    • @peanuts:

      Im Winter gibt es Regen und Kälte in diesem Gebiet. Ist leicht nachzurecherchieren.

  • Tatsächlich kann nur ein Waffenstillstand, die von beiden Seiten verübten Kriegsverbrechen stoppen und das massenhafte Sterben der Zivilbevölkerung stoppen. Hier kann man mitmachen und von der jeweils eigenen Regierung (in vielen Ländern) fordern, sich sofort für einen Waffenstillstand, die bedingungslose Freilassung der Geiseln und die Versorgung der Zivilgesellschaft im Gazastreifen einzusetzen, sowie für die Untersuchung und juristische Verfolgung der von beiden Seiten begangenen Kriegsverbrechen.



    www.amnesty.de/isr...ffenstillstand-auf

  • Leider hat Jannis Hagmann James Elder nicht gefragt, ob es in der Ukraine, wo Elder laut Interview ebenfalls war, Sicherheitszonen gibt, die von Russland als solche deklariert wurden. Bei der Berichterstattung in deutschen Medien über Kriege, an denen Israel nicht beteiligt ist, wird Elders Forderung "Kriegsparteien müssen alle machbaren Vorkehrungen treffen, um die Zivilbevölkerung zu schützen." üblicherweise nicht einmal erwähnt, geschweige denn, dass die Frage behandelt wird, ob die betreffende Kriegspartei solche Vorkehrungen getroffen hat.

    • @Budzylein:

      Das ist eine verzerrte Sichtweise. Was wurde in den Medien nicht alles über die schreckliche Lage in Mariupol während der russischen Angriffe berichtet? Oder über die Morde in Butsche. Bei jedem russischen Raketenangriff, bei dem irgendwelche zivilen Wohngebiete oder auch nur Einrichtungen wie Rathäuser oder Energieunternehmen getroffen wurde, wird sofort die völkerrechtswidrige Kriegführung der Russen angeprangert. Die internationalen Organisationen, die mit Fragen der humanitären Regeln des Krieges befasst sind (dazu kann man auch Elder zählen), betonen diese Regeln und den Schutz der Zivilbevölkerung bei jedem bewaffneten Konflikt auf der Welt, sei es im Jemen oder in Berg-Karabach oder im Sudan, dauernd und immer wieder neu.

    • @Budzylein:

      Weils halt einfach nicht stimmt.

      Rußland wurde mit der klarsten jemals getroffenen UN-Resolution (141 Ja zu 7 nein Stimmen) vom 24.02.2023 für seine Angriffe in der Ukraine verurteilt und zum "bedingslosen Abzug und der Einhaltung des humanitären Völkerrechts zum Schutz von Zivilisten und ziviler Infrastruktur" aufgefordert.



      Darin wird außerdem "verlangt, dass alle Parteien den sicheren und ungehinderten Durchlass zu Zielen außerhalb der Ukraine gestatten und den raschen, sicheren und ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe für die Hilfebedürftigen in der Ukraine erleichtern, dass sie Zivilpersonen, einschließlich des humanitären Personals, und Menschen in verletzlichen Situationen, darunter Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, indigene Völker, Migrantinnen und Migranten und Kinder, schützen und die Menschenrechte achten."

      de.wikipedia.org/w...Generalversammlung

      www.rnd.de/politik...JW54DLO7P5ILU.html

  • Tatsächlich wird nur die komplette Zerstörung der Hamas am Ende Frieden bringen. Wenn die Palästinenser, die Frieden wollen, dies verstehen und auch umsetzen, dann kann es Frieden geben.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Natürlich muss Israel dann auc hdie Rechte der Palästinenser:innen anerkennen. Das hat es bis heute nicht getan.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Aber was wenn selbst IDF-Kämpfer dies anders sehen? Ist eine "komplette Zerstörung der Hamas" überhaupt möglich? Und gibt es einen einen einigermaßen objektiven Nachweis dafür, dass das "Outcome" vorhersehbar ist?

      • @widerspruch123:

        War eine komplette Zerstörung der Nazis möglich? Nein, aber die Zerstörung war so massiv, dass allen klar wurde, dass das Naziregim keine Zukunft hat.

      • @widerspruch123:

        Wenn manche IDF-Kämpfer das anders sehen und offen formulieren, spricht das für die Demokratie in Israel.

        Araber in Israel nutzen sie ebenfalls.

        Manche fordern die Zerstörung der Hamas, z. B. die Familie von dem 21-Jährigen, der in Sderot Zigaretten holen ging und am 7.10. erschossen worden ist.

        Die Familie stammt übrigens selbst aus Gaza und hat Verwandte dort.

        "Zerstörung" muss nicht heißen, dass jedes Hamas-Mitglied festgenommen oder getötet worden ist.

        Eine Organisation ist zerstört, wenn sie nicht mehr organisiert ist.

        Wenn die Kommandostrukturen und die Infrastruktur dieser Gruppe zerstört sind.

        Wenigstens in Gaza.

        Ob Israel das schafft, bleibt abzuwarten.

        Wenn Israel es nicht schafft, werden nächstes Jahr weitere tausend Menschen in Israelis massakriert werden, wie die Hamasführer und manche Freigelassenen es bereits angekündigt haben.

        Dieses Outcome ist deshalb vorhersehbar.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ja, das sehe ich auch so.

      Hier geht es aber um Zivilisten, Kinder, die jetzt in Lebensgefahr sind, schwer verletzt werden, umkommen.

      Elders Berichte und Appelle muss wan ernst nehmen - dabei helfen kann zwar auch, wenn die UN jeden Eindruck der Parteilichkeit glaubhaft entkräften könnte (also z.B. Guterres zurückträte, nicht dauernd der Eindruck entstünde, die Verbrecher von der Hamas würden doch als Freiheitskämpfer gesehen), aber die Lage für die Bevölkerung ist aktuell katastrophal.

      Auch Freunde Israels (nicht unbedingt seiner Regierung) müssen jetzt auf Waffenruhen, Möglichkeiten für Hilfe an die Zivilbevölkerung in Gaza dringen.

      • @ke1ner:

        Warum in aller Welt sollte denn Guterres zurücktreten? Das würde doch alle Vorwürfe gegen ihn und die UN im Nachhinein als berechtigt qualifizieren. Und das sind die mE zum Großteil eben nicht.

    • @Gnutellabrot Merz:

      So ist es. Zumal die Hamas sich die Hilfslieferungen für die Bevölkerung unter den Nagel reißt.

  • >> nutzt die Hamas gezielt zivile Infrastruktur?



    > Das habe ich nicht gesehen.

    Das klingt ausweichend. Hat er darauf geachtet? Wenn die Hamas nämlich zivile Infrastruktur nutzt, ändert das grundlegend, wer das Leid der Kinder in Gaza beenden kann: dann muss die Hamas diese Infrastruktur aufgeben, wenn sie nicht für das Leid der Kinder mitverantwortlich sein will.

    • @Arne Babenhauserheide:

      ">> nutzt die Hamas gezielt zivile Infrastruktur?

      > Das habe ich nicht gesehen."

      Für mich klingt das nach einem rhetorischen Kniff, als Chef der UNICEF kennt er die Wirkung von Worten sicherlich außergewöhnlich gut ... was ja in Ordnung ist und zu seinem Job gehört.

    • @Arne Babenhauserheide:

      Ja, das muss in der Tat untersucht werden - wenn sich Kriegsparteien in belebten bzw. bewohnten zivilen Einrichtungen verschanzen ist das ein Kriegsverbrechen. UN-Mitarbeiter zur Untersuchung von Kriegsverbrechen werden jedoch auch erst im Waffenstillstand nach Gaza geschickt, seit Kriegsbeginn wurden bereits 130 UN-Mitarbeiter im Gazastreifen getötet. Es ist jedoch ebenso ein Kriegsverbrechen, wenn die andere Seite zivile Einrichtungen und zivile Wohngebiete (darunter auch UN-Einrichtungen, Krankenhäuser und belebte Plätze) bombardiert, in denen sie feindlich Kämpfer vermutet aber auch viele Zivilist:innen erkennbar sind. Ein Beispiel aus einem anderen Krieg: Als US-Militär in Syrien die Stadt Rakka, die von der IS erobert worden war in Grund und Boden bombte, um das Kriegziel "Eliminierung des IS" zu erreichen, war das ebenfalls ein Kriegsverbrechen. Das Argument, dass das Kriegsziel anders nicht hätte erreicht werden können, zählt dann nicht. Auch das 2. Argument, dass man die Zivilbevölkerung vom IS habe befreien wollen, eine Befreiung hatte die Zivilbevölkerung in Rakka tatsächlich zu großen Teilen gewünscht, brachte dieser gar nichts, da sie nach der Befreiung größtenteils tot war.

      • @Nina Janovich:

        Soweit ich recherchieren konnte ließen sich im Falle von Rakka lediglich etwas über tausend zivile Opfer durch Luft- und Artillerischläge "westlicher" Bündnispartner identifizieren.

        raqqa.amnesty.org/people.html



        airwars.org/news/raqqa-capture/

        (Andere zivile Opfer durch den IS oder syrische Verbündete bei der Erstürmung können der Bombardierung nicht angelastet werden.)

        Wenn man das mit der geschätzten Einwohnerzahl von zuvor 160-200 tausend bzw. der von Airwars angegebenen Geschosszahl von 20 tausend und der hohen Anzahl zerstörter Gebäude vergleicht, sind das nach meinem Ermessen sehr wenige; demnach dürfte bei dem Beschuss nicht mal auf jedes zehnte Geschoss ein zivilies Opfer gekommen sein, bzw. es mussten überwiegend Gebäude getroffen worden sein, wo keine Zivilisten mehr waren.

        Ich kann nicht nachvollziehen, auf welcher Grundlage Sie behaupten, es sei ein Kriegsverbrechen gewesen, bzw. dass die Zivilbevölkerung größtenteils tot gewesen sei?

        Aus welchen Quellen beziehen Sie Ihre Informationen? Stand jetzt kann ich Ihnen nur nahelegen vermehrt Faktenprüfung zu betreiben, um nicht versehentlich Falschinformationen zu verbreiten.

      • @Nina Janovich:

        "Es ist jedoch ebenso ein Kriegsverbrechen, wenn die andere Seite zivile Einrichtungen und zivile Wohngebiete (darunter auch UN-Einrichtungen, Krankenhäuser und belebte Plätze) bombardiert, in denen sie feindlich Kämpfer vermutet aber auch viele Zivilist:innen erkennbar sind."

        Das ist so nicht richtig. Wenn sich eine der Kriegsparteien in bewohnten zivilen Einrichtungen verschanzt, dann sind diese - unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit - durchaus ein legitimes militärisches Ziel. Der Umstand, dass sich im Zielgebiet auch Zivilisten aufhalten, ist jedenfalls kein absoluter Hinderungsgrund. taz.de/Voelkerrech...en-Osten/!5966524/

        Die Scheinheiligkeit der weltweiten Debatte besteht allerdings darin, dass für die hohe Zahl der zivilen Opfer ausschließlich Israel verantwortlich gemacht wird - nicht aber die Hamas, die die Zivilbevölkerung systematisch als Schutzschild missbraucht, um deren Sterben anschließend propagandistisch auszuschlachten.

  • Gewalt, Mord, Krieg sind niemals Lösung, nur Ursache für weiteren Krieg, Elend und Leid. Was da passiert, in dieser Dimension, ist absolut inhuman und kann von zivilisierten Gesellschaften weder geduldet noch gerechtfertigt werden.

    • @Just Thinkback:

      Sie waren schon oft genug die Lösung. Die Frage ist nur ob man stark genug für die vollständige Vernichtung des Gegners ist.

      Wie soll denn Ihrer Meinung nach die Nichtduldung durch zivilisierten Gesellschaften aussehen? Krieg?

  • Warum fordert er nur einen Waffenstillstand?

    Warum fordert er nicht, dass Ägypten die Grenzen aufmacht und die Menschen mit Kindern fliehen lässt?

    Dann müsste man nicht mehr in einem Kriegsgebiet verteilen.

    Wasser, Essen, Unterkünfte und Sanitäranlagen, um Seuchen zu stoppen, ließe sich in Ägypten vielleichter organisieren.

    Die Syrer durften ja auch raus aus Syrien.

    • @rero:

      Weil das Öffnen der Grenze zu Ägypten zwar eine sehr kurzfristige Lösung für die akuten Problem wäre, aber sehr wahrscheinlich danach zu einer weiteren Verschärfung führen wird.

      Glauben Sie denn ernsthaft, dass palästinensische Menschen, einmal über Rafah nach Ägypten gekommen, jemals wieder zurückkehren könnten? Es haben ja schon Rechtsaußen der israelischen Regierung erklärt, dass es das Ziel wäre, den Gazastreifen zu räumen. Und es gibt wohl auch ein geleaktes Papier eines israelischen Geheimdiensts, das dieses Szenario aufgreift.

      Und die bisherige Abfolge der Kampfhandlungen (Aufruf zum Verlassen des Nordens, Flucht aus dem Norden in den Süden, Bombardement der Nordens und Zerstörung der dortigen Infrastruktur, Aufruf zum Verlassen wesentlicher Teile des Südens, erneute Flucht aus diesen Teilen in 'sichere' Orte Richtung Rafah und am Meer, Bombardement der o.g. wesentlichen Teile des Südens und Zerstörung der Infrastruktur auch dort) lassen den Schluss zu, dass das auch beabsichtigt sein könnte.

  • Palästinenser entführen Israelis. Israelis bekämpfen Palästinenser. Palästinenser weigern sich die Geiseln freizulassen.

    Warum sollte Israel die Kampfhandlungen einstellen?

    • @Batrio:

      ..weil es eben nicht so unterkomplex ist. Weil "Palästinenser" ungleich "Hamas" ist. Weil sehr viel Leid für alle Beteiligten erzeugt wird. Weil das "Outcome" auf lange Zeit gesehen völlig unklar ist. Weil trotz berechtigter Intention (Hamas zerstören) in Gaza eben auch eine humanitäre Katastrophe existiert, die sehr viel unschuldiges Leid/Tot mit sich bringt und sich exponentiell steigert, wenn Menschen nichts mehr zu essen haben und verhungern oder die Wasservorräte ausgehen. In meinen Augen würde eine längere Feuerpause allen Beteiligten guttun. Die Zivilbevölkerung könnte zwischendurch nen Happen essen. Die Idee, die Tunnel der Hamas zu fluten (in vergangenen Tagen durch eine Person in den Kommentarspalten als "berechtigte Zerstörung von Bunkeranlagen" gefeiert) würde aktiv israelische Geiseln gefährden.

      • @widerspruch123:

        Vielen Dank für Ihre differenzierte Entgegnung.

  • Wo bleibt auch in diesem Beitrag die kriegsbeendende, unmißverständliche Aufforderung an die Hamas und ihre Unterstützer: Sofort alle noch verbliebenen Geiseln freilassen! Sofort die Waffen niederlegen!

    • @Beate Homann:

      Er hat ja immerhin in einem Nebensatz erwähnt, dass man schon des Öfteren die Freilassung der Geiseln gefordert hat...