Musiker über kulturelle Aneignung: „Da kommt was auf einen zugerollt“

Tom Fronza spielt Didgeridoo. Linke werfen ihm deswegen kulturelle Aneignung vor. Jetzt fühlt er sich von Rechten instrumentalisiert.

Digeridoo Spieler vor einer Wand, die gemalt ist mit Tanzenden

Das Instrument der anderen: Tom Fronza wurde kulturelle Aneignung vorgeworfen Foto: Quirin Leppert

wochentaz: Tom Fronza, wie war es, zum ersten Mal in ein Didgeridoo zu blasen?

Tom Fronza: Das hat sich gut angefühlt. Es war das Instrument meines Bruders und ich habe sofort einen Ton herausbekommen, aber auch gedacht: Okay, viel mehr geht darauf jetzt auch nicht. Dann lag es erst mal in der Ecke und ich habe es herausgeholt, wenn ich mal jemanden beeindrucken wollte. Ich hatte damals in einer Trip-Hop-Band gespielt, aber das Didgeridoo habe ich anfangs eher stiefmütterlich behandelt. Ich habe schon Bass gespielt, als es dazukam.

In den 90ern hatten nicht wenige ein Didgeridoo. Gefühlt auf jeder Parkwiese hat jemand eines gespielt. Einige Bands hatten eines, weil es so ungewöhnlich klang und gut zu Tanzmusik passte. War der erste Kontakt mit dem Instrument also ganz naiv?

1969 im italienischen Cles geboren, begann Tomas „Tom“ Fronza 1997 hauptberuflich Straßenmusik zu spielen und gründete das Label Umlaut Recordings. Fronza war damit der erste professionelle Straßenmusiker, der Didgeridoo spielt. Seit 1998 lehrt er Didgeridoo-Spielen in Workshops in Europa, in den USA und auch im Westen Australiens. Von 2019 bis 2020 war er Delegierter der Gema. Fronza lebt mit seiner Familie in Herford und ist heute vor allem Bühnen- und Studiomusiker, auch als Bassist und Perkus­sionst.

Total. Früher habe ich mich dafür ein bisschen geschämt, dass meine Beweggründe im Leben und in der Musik immer so naiv sind. Aber wenn man Biografien von einflussreichen Künstlern und Musikern liest, findet man genau das. Es ist also eine gerechtfertigte Herangehensweise. Technik kann man studieren, Kreativität nicht. Das muss aus einem selbst herauskommen. Da gibt es auch eine Verquickung mit meiner spirituellen Praxis.

Mit welcher spirituellen Praxis?

Ich war zweieinhalb Jahre in einem Zen-Dojo, unter spiritueller Leitung eines Zen-Mönchs. Ich hatte schon ein paar Jahre zuvor die Inspiration, mich mit dem Dharma auseinanderzusetzen, also mit dem Kern des Buddhismus. Buddhismus kann ja auch ein Glaube an eine Gottheit sein, aber der Dharma hat eher die Vernichtung des spirituellen Materialismus im Mittelpunkt, also die reine Praxis, Meditation: All das, was zu weniger Leid im Leben führt, kommt aus einem selbst, nicht von außen. Ich habe dann eine ganz plakative Indienreise gemacht und dachte, wenn ich zurückkomme, bin ich erleuchtet.

Und, hat das geklappt?

Ich war eher total verdrogt, als ich zurückkam. Aber ich habe dann quasi vor meiner Haustür jemanden gefunden, der diese Meditationspraxis vermitteln kann. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt so viel Vertrauen zu ihm, dass er quasi richtungsweisend in mein Leben eingreifen konnte. Und er hat mir gesagt: Mach das, nimm dieses Instrument! Setz dich auf die Straße und verdiene damit dein Geld. Damals konnte ich die Zirkuläratmung noch gar nicht …

… eine Blastechnik, die einen kontinuierlichen Luftstrom aus dem Mund auch während des Einatmens möglich macht.

Ja. Das Didgeridoo ist also an mich herangetragen worden und es hat mich zu dem Zeitpunkt spirituell erschlagen. Ich hatte keine Freundin und keine Wohnung mehr, ich habe teilweise im Wohnmobil oder im Bus gelebt und habe in allen Städten Deutschlands Straßenmusik gemacht. Ich habe jeden Tag stundenlang gespielt und habe mir dann auch die Zirkuläratmung beigebracht. Anderthalb Jahre später habe ich meine erste Platte aufgenommen und wurde als Studiomusiker gebucht. Der Umstand, dass es ein außergewöhnliches Instrument war, hat natürlich geholfen.

Was wussten Sie damals übers Didgeridoo?

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt selbst noch keine Verbindung mit Aboriginals, nur zu Menschen, die Verbindung zu australischen Ureinwohnern haben. Ich habe schnell gemerkt, dass auch die teilweise bevormunden: Das darf man darauf spielen und das nicht! Ich habe schon gesehen, dass es sehr ambivalent belegt ist und habe gedacht: Ich halte mich da lieber raus und bin zeitgenössisch und entwickele meine eigenen Spieltechniken. So habe ich eigentlich eine Hassliebe zu meinem Instrument entwickelt. Das ist ja nicht selten bei Musikern, die mit ihrem Instrument auch noch etwas bewirken wollen. Mit 26 will man noch irgendwohin und hat eine Idee von Karriere und dem Weg, der vor einem liegt, vielleicht auch eine ganz naive Vorstellung.

Ihr Weg war aber erst mal die Straße?

Ich habe schnell Musiker gefunden, mit denen ich auf der Straße spielen kann, und wir haben dann auch weltweit Touren gemacht. Ich habe Klaus den Geiger kennengelernt – mit dem spiele ich nun seit 25 Jahren in einer Band und darüber bin ich sehr glücklich. Ich habe dann über die Straßenmusik immer mehr zur Bühne gefunden und habe damit immer mehr meinen musikalischen Lebensweg und meinen Berufsweg bestritten.

Sie spielen Didgeridoo seit über 25 Jahren professionell. Was treibt Sie an?

Die Leidenschaft ist die Musik. Sie ist wirklich mein fliegender Teppich. Das hört man ja von vielen Künstlern: Ohne Musik wäre ich schon nicht mehr! Das ist bei mir tatsächlich so. Die zentralen Themen, um die mein Leben kreist, sind die Musik, die Sitzmeditation und Familie. Das gibt mir ein Zentrum, von dem aus ich agieren und schauen kann: Wie weit kann ich gehen? Wo wird es zu extrem? Wo bleibe ich ausreichend bei mir? Ich lote aus, wie mein Leben funktionieren kann. Ich bin übrigens kein Esoteriker, ich würde mich als spirituellen Zyniker bezeichnen. In dieser Perspektive ist dann auch Politik eine Kunstform. Deswegen bin ich politisch aktiv, ich war zum Beispiel in Lützerath, um Präsenz zu zeigen und zu sagen, dass es so nicht weitergehen kann.

Politisch aktiv heißt also: links?

Grundsätzlich halte ich mich in einem linken Umfeld auf, aber ich bin auch immer wieder mal in linken Kreisen mit Leuten aneinandergeraten. Ich bin zum Beispiel Delegierter der Gema gewesen und halte das für eine wichtige Einrichtung. Da bin ich mit linken Kollegen aneinandergeraten: Die haben den ganzen Kühlschrank voller Beck’s-Bier, das sie verkaufen, und kein Problem damit, internationalen Konzernen Geld zu geben, aber sie haben ein Problem damit, mich als Urheber für meine Arbeit an dem Abend zu bezahlen.

Nun kommt aus diesem Spektrum, mit dem Sie sich kulturell und politisch in vielem einig sind, der Vorwurf, es sei „kulturelle Aneignung“, wenn Sie als weißer Mann ein Didgeridoo spielen. Eine Veranstaltungsgruppe hat ein Konzert in Kiel deswegen abgesagt. Das haben Sie auf Facebook öffentlich gemacht und den Vorwurf zurückgewiesen. Was ist da passiert?

Ich habe 2019 noch im Fahrrad-Kino-Kombinat gespielt und habe immer noch Kontakt zu einigen Leuten vom FKK, das mein Konzert abgesagt hat. Aber die stehen unter Druck und gehen dort unter. Ich glaube, dass sich während der Pandemie dort etwas radikalisiert hat und Leute den Diskurs gekapert haben. Ich glaube, sie haben dort ein internes, strukturelles Problem und ein Kommunikationsproblem untereinander und augenscheinlich auch nach außen. Anfragen von Zeitungen haben sie auch nicht beantwortet.

Sie haben von der Absage des Konzerts erst erfahren, als Sie die Veranstaltung auf Facebook verlinken wollten und sie nicht mehr gefunden haben?

Genau. Aber ich möchte noch mal betonen, dass es nicht per se ein politisches Problem ist. Ich ramme meine Hacken in die Erde, wenn jemand versucht, mir meinen Beruf streitig zu machen, wie bei der Straßenmusik das Ordnungsamt oder in dieser Geschichte mit dem Urheberrecht. Weil ich denke, dass man die Kunstfreiheit verteidigen muss, da hängen auch Rechte wie der Urheberschutz dran. Aber wenn mir das passiert, dann sehe ich auch nicht das Abendland untergehen.

Sie spielen darauf an, dass die Boulevardpresse und Dieter Nuhr die Geschichte dann aufgegriffen haben, um gegen eine angebliche woke Verbotskultur Stimmung zu machen? Ein AfD-Politiker hat Ihnen sogar einen Brief geschrieben und Ihnen viel Erfolg gewünscht, und Sie haben in Ihrer Antwort der AfD daraufhin möglichst wenig Erfolg gewünscht.

Ja, es geht nicht darum, dass einige Linke vermeintlich genauso schlimm sind wie die Nazis. Ich sehe das Problem eher in der Kommunikation und im Ungebildetsein. Selbst wenn es keine politische Motivation gegeben hätte, das Konzert zu canceln: Wenn man mit mir so umgesprungen wäre, hätte ich mich nach einer Frist an die Öffentlichkeit gewandt, um den Leuten zu sagen: Hey, bei dem Club braucht ihr nicht mehr anzufragen, die sind nicht professionell, die verbocken das, die haben mich hängen lassen. Geht da nicht mehr hin und spielt da nicht mehr.

Empört hat Sie also der Umgang mit Ihnen als Person? Fühlen Sie sich missverstanden?

Ja, natürlich. Es ist das erste Mal, dass mir das so auf diese Weise passiert ist. Im ersten Moment und vor allem, als ich gemerkt habe, dass die überhaupt nicht mit mir sprechen wollen, war ich persönlich angefasst. Weil ich mich da ohne Kommunikation als jemand porträtiert fühle, der sich einfach an einer anderen Kultur ein bisschen bereichern will, und das so scheuklappenmäßig und engstirnig, dass das nach einer Richtigstellung geschrien hat. Ich konnte das ja mit zwei, drei Sätzen auch entkräften. Das war bestenfalls gut gemeint von denen, aber schlecht gemacht.

Mittlerweile hat auch das Konzertkollektiv noch ein Statement zu der Absage verfasst und die Vorwürfe von sich gewiesen.

Das FKK hat sich nach vielen Wochen des Schweigens doch noch bequemt, seinerseits ein Statement abzugeben. Das soll eine Entschuldigung sein, strotzt aber nur so vor Unaufrichtigkeiten, Widersprüchen und Anschuldigen. Es wird dort zum Beispiel behauptet, es hätte nie eine gültige Abmachung zwischen uns gegeben und kulturelle Aneignung sei nie der Grund einer Absage gewesen. Das lasse ich natürlich so nicht stehen, denn ich habe eine schriftliche Abmachung mit meiner Kontaktperson gehabt. In einer persönlichen Mail an mich versuchte das FKK dann wieder zurückzurudern und schwächte ab: Kulturelle Aneignung sei nur der mir durch meine Kontaktperson vermittelte Grund zur Absage gewesen. Dabei hat das FKK schon eine belegbare Historie solcher Vorfälle und auch meine Anfrage, einen Ersatztermin für das Konzert abzumachen, wurde mir mit der Begründung „kulturelle Aneignung“ abgeschlagen. Zudem wurde mir – unbelegt – rassistische Sprache vorgeworfen und mir eine Mitverantwortung für den entgleisten Diskurs in der Gesellschaft gegeben.

Gegen eine Diskussion über kulturelle Aneignung haben Sie selbst gar nichts, schreiben Sie.

Es ist richtig, dass der Diskurs über kulturelle Aneignung und koloniales Erbe geführt werden muss. Aber das war sehr ungebildet und sehr unkommunikativ. Sie hatten wahrscheinlich diese Scheuklappen: Ich bin ein weißer Cis-Mann, selbst wenn ich recht habe, kann ich nicht recht haben. Selbst wenn ich Wissen habe, das sie nicht haben – das ich direkt von den Leuten habe, die die eigentlichen Betroffenen wären und befugt sind –, dann habe ich nicht das Recht, denen das zu vermitteln.

Ist es denn kulturelle Aneignung, wenn das Didgeridoo außerhalb ritueller Kontexte gespielt wird?

Die Begrifflichkeit Didgeridoo in ihren unterschiedlichen Schreibweisen ist wohl eine ono­ma­to­poe­tische Wortschöpfung des nicht unumstrittenen An­thro­po­lo­gen Herbert Basedow. In den verschiedenen australischen Kulturräumen, in denen das Instrument eine uralte Tradition hat, wird es je nach Sprache, Form und kultureller Funktion anders benannt und bezeichnet. Diese Instrumente unterliegen, genau wie gewisse musikalische Abfolgen und Rhythmen in den Zeremonien, im Stammeskontext einem strikten und komplexen Regelwerk. Außerhalb dieses eng gesteckten Kontextes haben die im jeweiligen Kulturkreis für die Instrumente verantwortlichen Persönlichkeiten nie ein Problem damit gehabt, dass zum Beispiel Nichtaboriginals oder Frauen so ein Instrument spielen. Ganz im Gegenteil unterrichten viele großartige Spieler der Yolngu das Instrument sogar den sogenannten Balandas, also weißen Menschen. Das zeitgenössische, also nichttraditionelle Spiel der Weißen mit ihren musikalischen Eigenkreationen wird deshalb von ihnen auch augenzwinkernd als „Balanda-Didge“ bezeichnet.

Die frühesten bekannten Hinweise auf ein solches Aerophon sind aber bis zu 3.500 Jahre alte Felszeichnungen, oder?

Es gibt Bereiche in Australien, in denen dieses Instrument eine viele Jahrtausende alte Kultur hat. Dort gibt es ein Sozialsystem untereinander, das extrem kompliziert ist. Ich kann zum Beispiel die Verwaltung eines Traums besetzen …

… Träume, Traumpfade, die Traumzeit: Diese Begriffe meinen nicht dasselbe wie Träume im Schlaf. Aboriginals bezeichnen mit ihnen die spirituelle, natürliche und moralische Ordnung des Kosmos.

Es ist Wissen: Wissen über etwas, über ein Instrument oder ein kulturelles oder landschaftliches Merkmal wie die Songlines oder Traumpfade. Darüber hat zum Beispiel eine Person die Verwaltung. Und jemand anderes entscheidet zusammen mit dem Verwalter, wer es nutzen kann. Und dann gibt es eben jemanden, der es nutzen darf. Selbst für viele in der Yolngu-Community und auch für die Frauen dort ist das Instrument, wenn sie sich der traditionellen Lebensweise verschrieben haben, tabu.

Ich habe gelesen, dass Frauen bestimmte Instrumente doch spielen dürfen?

Es gibt so etwas Ähnliches wie ein Didgeridoo. Da reden wir jetzt über den Dachbegriff. Bei den Yolngu wird es Yiḏaki, Gunbork oder Gunbarrak Garra genannt. Ein Yiḏaki hat durch die Herkunft eine ganz besondere Form und Bemalung. Durch die Form ist auch die Spielweise eine ganz andere als bei eher zylindrischen Instrumenten. Für Frauen gibt es spezielle Instrumente, die eigentlich keine Di­dge­ridoos sind. Aber das sind alles Tabus und Regeln innerhalb dieses Lebenskreises. Außerhalb davon weiß ich zumindest von denen, die dazu befugt sind, den Verwaltern dieser Umstände. D. G. etwa …

… eine Abkürzung für den Namen eines Didgeridoo-Spielers, -Machers und spirituellen Hüters des Yiḏ aki. Verstorbene Aboriginals sollen nicht mit Namen erwähnt werden …

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

… der vor zwei Jahren gestorben ist und den ich persönlich getroffen habe, hat das Instrument allen vermittelt, auch Frauen: Spielweisen, traditionelle Techniken, nicht aber Songs oder traditionelle Riten. Die dürfen nur initiierte Männer spielen.

Wie ist es außerhalb dieser Lebenswelt?

Außerhalb dieses Kontextes haben zumindest die Verantwortlichen aus dem Norden alle kein Problem damit. Auch andere nicht und ich kenne recht viele Aboriginals aus verschiedenen Stämmen. Die ärgern sich zwar darüber, dass Spieler der Aboriginals nicht häufiger nach Deutschland eingeladen werden, das ist eine finanzielle Frage. Aber grundsätzlich haben sie nichts dagegen, dass wir ein Instrument spielen, das nicht traditionell oder im Stammeskontext eingesetzt wird. Ein Aboriginal, der in Holland gelebt hat, hat mal zu mir gesagt: Ein Holländer kann einem Deutschen auch nicht verbieten, schneller als 100 zu fahren, nur weil es in Holland ein Tempolimit gibt.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie nach Australien gegangen sind, um mehr über Ihr Instrument herauszufinden?

Ich habe Didgeridoo sechs, sieben Jahre autodidaktisch gespielt. Ich habe mit einer irisch-australischen Band gespielt, Laliya. Die haben mich immer wieder nach Australien eingeladen. 2003 wurde ich dann auf ein großes Festival in Kalifornien eingeladen. Dort habe ich die Familie kennengelernt, zu der D. G. gehört. Mit ihm hatte ich einen zwar nur kurzen, aber engen Kontakt. Mein weißer Didgeridoo-Bauer Eddy Halat ist im Stamm initiiert und adoptiert worden. Obwohl ich also eigentlich gar nicht vornehmlich ein Interesse an der australischen Kultur hatte, sondern an der Musik, lässt es sich gar nicht vermeiden, dass das Wissen zu einem kommt. Ich habe das nicht studiert, sondern durch den Austausch mit anderen Spielern und mit Leuten gelernt, die sich um die Kultur Gedanken gemacht haben.

Später haben Sie selbst in Australien Didgeridoo-Spielen gelehrt?

Ich habe erst Workshops gegeben im weltweit größten Didgeridoo-Laden in Perth. Die Besitzer hatte ich auch in Kalifornien kennengelernt, weil die Band Laliya aus derselben Stadt kam. Ich habe dann knapp anderthalb Jahre in Fremantle City gelebt und in diesem Didgeridoo Store unterrichtet. Darüber bin ich mit dem Ministerium für multikulturelle Angelegenheiten in Kontakt gekommen, die wiederum Touren im Wheatbelt und im Outback gemacht haben zu sogenannten Remote Communities, die sehr weit draußen liegen und zu denen nur Schotterstraßen führen. An diesen Schulen habe ich den Kindern Spieltechniken vermittelt, also überhaupt erst mal die Grundtechnik, im Rahmen dieser Tour für das Ministerium.

Das Ministerium hatte kein Problem damit, dass ein Deutscher den Kindern Didgeridoo beibringt?

Dieses Ministerium ist als regionales besetzt mit Ureinwohnern aus der Region und ist als Ministerium für multikulturelle Angelegenheiten natürlich auch multikulturell besetzt. Da hätte es ja zu auch einem Aufschrei kommen müssen, weil ich das unterrichte. Aber das gab es nicht.

Gab es denn vor der Kieler Konzertabsage den Vorwurf, dass Sie kulturelle Aneignung betreiben?

Ich kann mich nur daran erinnern, dass es ein-, zweimal beim Straßenmusikmachen dazu kam. Da hieß es: Du darfst das ja gar nicht. Das ist ein Halbwissen und die Leute lassen sich auch mit guten Argumenten nicht davon abbringen. Nach einem Jazzfestival, auf dem wir gespielt haben, wurde ich mal gefragt, was ich denn von dem Vorwurf der kulturellen Aneignung halte.

Kein Vorwurf also, sondern eine Frage?

Ja, und diese Fragen sind auch berechtigt. Trotzdem ist es so, dass man merkt: Hey, da kommt was auf einen zugerollt und das ist nicht angenehm, und man muss nach einem Auftritt, wo man sich gerade mit Leuten darüber unterhält, wie schön das Konzert war, Politik machen. Das ist nie angenehm.

Dass es Grenzen geben soll, wer ein Instrument auf welche Weise wo spielen darf: Ist das eine Beleidigung für einen Musiker?

Es ist mehr als eine Beleidigung, weil es impliziert, dass es ein ganz objektives Verbot gibt. Und objektive Verbote haben den Anspruch, ein Gesetz zu sein. Da ist man wieder bei der Kunstfreiheit, Artikel 5 des Grundgesetzes …

… Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei, es findet keine Zensur statt.

Das kommt damit in Konflikt. Es ist mir freigestellt, das zu tun. Aber es gibt Leute, die der Meinung sind, das könnte durch ihre eigene Sichtweise überschrieben und sollte eingeschränkt werden. Einige brauchen offenbar Richtlinien, an denen sie sich ganz, ganz eng entlanghangeln, und alles außerhalb davon wird als Bedrohung wahrgenommen. Wenn man das mal loslässt, diese Richtlinie, fällt man in die große, weite Welt der Differenzierung und millionenfacher Perspektiven. Das ist es, was man als Künstler tut, ohne Netz und doppelten Boden, im besten Falle.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.