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Antiisraelische Posts von FußballprofisWerte müssen mehr als Worte sein

Kommentar von David Kulessa

Noussair Mazraoui und Anwar El Ghazi posteten kürzlich anti-israelische Inhalte. Höchste Zeit, sie über die jüdischen Wurzeln ihrer Vereine aufzuklären.

Noussair Mazraoui wird für seine pro-palästinensischen Posts kritisiert Foto: Eibner/imago

K urt Landauer hatte Glück. Vier Wochen nach seiner Inhaftierung im KZ Dachau 1938 wurde der jüdische Fußballfunktionär und langjährige Präsident von Bayern München entlassen und konnte in die Schweiz flüchten. Viele seiner Geschwister hingegen wurden von den Nazis ermordet. Sein Verein Bayern München galt im Dritten Reich als „Juden-Club“.

Ja, dieser Exkurs in die Geschichte des deutschen Rekordmeisters ist wichtig, wenn man die Social-Media-Posts seines Spielers Noussair Mazraoui bewertet.

Am vergangenen Sonntag teilte der 25-jährige bei Instagram ein Video, in dem eine Stimme im Stile eines Gebets sagt: „Gott, hilf unseren unterdrückten Brüdern in Palästina, damit sie den Sieg erringen.“

Im Bild ist eine wehende Flagge Palästinas zu sehen. Mazraoui ist dieser Tage nicht der einzige Bundesligaprofi, dessen Äußerungen zurecht kritisiert werden. Anwar El Ghazi von Mainz 05 teilte unter anderem einen Beitrag mit der antisemitischen Losung „From the river to the sea, Palestine will be free“, die Israel das Existenzrecht abspricht. Kurz darauf löschte er den Beitrag.

Mainz 05 spielt in der Eugen-Salomon-Straße

Auch El Ghazis Verein ist jüdisch geprägt. Mitbegründer Eugen Salomon, der dem Verein einige Jahre vorstand, wurde 1942 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und noch im selben Jahr ermordet. Seit Jahren hält insbesondere die aktive Mainzer Fanszene die Erinnerung an Salomon hoch. Ihnen ist es auch zu verdanken, dass die 2011 eingeweihte Spielstätte des Klubs heute in der Eugen-Salomon-Straße 1 steht.

Von Mazraoui und El Ghazi zu verlangen, sich derart detailliert mit der Geschichte ihrer Arbeitgeber auseinanderzusetzen, ist im Fußballgeschäft vermutlich realitätsfern. Und natürlich ist niemand ein Antisemit, nur weil er sich grundsätzlich mit Palästina solidarisiert oder die vielen zivilen Opfer kritisiert, die Israel mit seiner Gegenoffensive auf Gaza heraufbeschwört. Es ist auch nicht überraschend, dass sich in einer multinationalen und multireligiösen Mannschaft verschiedene Standpunkte zu diesem Konflikt wiederfinden.

Aber wer es in der aktuellen Situation, nur wenige Tage nach dem schrecklichen Angriff auf die jüdische Zivilbevölkerung Israels, nicht schafft, sich von den Massakern der Hamas zu distanzieren, und antisemitische Beiträge auf Instagram teilt, der wird zu Recht kritisiert.

Das gilt umso mehr für jene, die in ihrem Berufsalltag als Fußballprofi einen deutschen Verein mit jüdischen Wurzeln repräsentieren. Die Forderung eines CDU-Hinterbänklers, Mazraoui „aus Deutschland zu verweisen“, ist freilich billigster Populismus.

Distanzierung zum Terror der Hamas ist das Mindeste

Es ist das Mindeste, dass die Bayern genau wie die Mainzer ein persönliches Gespräch mit ihren Spielern angekündigt haben. Vorher wäre eine Suspendierung, die von einigen gefordert wird, unangemessen. Doch sollten die Vereine beweisen, dass die Werte, die sie in ihren PR-Statements gerne betonen, mehr als nur Worte sind.

Mainz 05 hat 2021 öffentlichkeitswirksam ein Leitbild verabschiedet, in dem sich der Verein „gegen Ausgrenzung und Diskriminierung“ positioniert. Der FC Bayern hatte kurz nach Bekanntwerden des Angriffs der Hamas mitgeteilt, sich um seine Freunde in Israel zu sorgen. Eine eindeutige Distanzierung ihrer Angestellten zum Terror der Hamas ist jetzt das Mindeste.

Gerade der deutsche Rekordmeister hat in dieser Hinsicht viel aufzuholen. Es dürfte gar nicht so leicht werden, Mazraoui zu erklären, warum sein Post mit den Werten des Vereins unvereinbar ist, wo die Bayern doch noch in der letzten Saison für die staatliche Fluglinie Katars warben. Das Golf-Emirat gehört seit etwa 15 Jahren zu den wichtigsten Unterstützern der Hamas.

Mainz 05 hat unterdessen reagiert. Am Dienstagabend teilte der Verein mit, Anwar El Ghazi vom Spiel- und Trainingsbetrieb freizustellen. In dem wieder gelöschten Social-Media-Post habe der Spieler „in einer Art und Weise Position zum Konflikt im Nahen Osten bezogen, die für den Verein so nicht tolerierbar war.“

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34 Kommentare

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  • Haben die Herren im Namen ihrer Vereine geschrieben, oder was geht die private Meinung den Arbeitgeber an?

    • @Fabian Wetzel:

      Soeben sagt Thomas Tuchel in der 'Sportschau':



      "Die Kabine hat heilsame Wirkung"



      Er begründet das mit dem "Mikrokosmos".



      Die "Makro-Wirksamkeit" von Arbeitnehmenden mit zahlreichen Follower*innen oder Fans, die Wirkung als Meinungsmacher-Allianz wird nicht berücksichtigt oder adressiert. Aber in einem Satz wird das Wort Werte Mantra-artig wiederholt. Wir haben (nicht) verstanden.

    • @Fabian Wetzel:

      Profifußballer müssen sich auch in privaten öffentlichen Äußerungen an die Vorgaben des Vereins halten, dafür gibt es Verträge.

    • @Fabian Wetzel:

      Es gibt eine Reihe von Arbeitgebern, die der öffentlich geäußerten Meinung ihrer Mitarbeiter Grenzen setzen.

      Fußball gehört doch schon seit langem dazu.

      Das wissen wir doch spätestens seit „für meinen verehrten Präsidenten, hochachtungsvoll“ von Özil und Gündogan.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Inwieweit Äußerungen zum aktuellen Geschehen von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, wird wohl in einigen Fällen letzten Endes arbeitsgerichtlich entschieden werden.

    Aufschlussreich ist in jedem Falle, wie bedeckt man sich im Falle der Aktion gehalten hat und wie engagiert man sich im Falle der Reaktion präsentiert.

  • Aufarbeitung ist sicherlich ein guter Ansatz.



    Immerhin gab es nicht nur den Deal mit der Airline als Sponsor auf den Ärmeln.



    /



    In den Archiven gibt's viel Stoff, u.a.



    "FC Bayern und Katar



    Ein großes Geschäft"



    www.deutschlandfun...-grosses-geschaeft



    /



    Dass die Moral über dem Profit steht, ist im Profifußball in vielen Bereichen seit langem Utopie.

  • Meinungsfreiheit ist scheinbar nur legitim, wenn die politische und mediale Sicht wiedergegeben wird. Man muss andere Meinungen auch aushalten können, ohne sie gleich zu verdammen oder zu verbieten. Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht und kein Privileg der Mächtigen.

    • @Markus H.:

      Ok inwiefern ist die Losung "from the river to the sea" eine einfache Meinungsäußerung, wenn ich damit 11 Millionen Menschen mit Auslöschung drohe? Das selbe würde "ein Sieg der Hamas" bedeuten.



      Wären das bei "von der Etsch bis an den Belt" oder dem Wunsch auf den "Endsieg" denn anders zu bewerten?

      Dafür würde man auch zurecht gefeuert und das in jedem Job, oder zumindest diszipliniert.

      Bitte jetzt nicht falsch verstehen ich verachte Bibi genauso wie die Hamas, beide gehören aus der Verantwortung für ihre Bevölkerung gejagt.



      Ich fände eine bewaffnete UNO Mission mit Blauhelmen, die die israelischen Siedlungen zurückbaut, Jerusalem international verwaltet und die ursprüngliche Zweistaatenlöusng durchsetzt einen guten Lösungsansatz.



      So lange auf beiden Seiten aber diejenigen an der Macht sind, die der anderen Seite auf Grundlage ihrer Version des selben Hirtenromans das Existenzrecht absprechen, solidarisiere ich mich nur mit den Unbeteiligten auf beiden Seiten die unter deren Wahnsinn zu leiden haben.

      • @Oliver Grimm:

        Die Idee mit der UN- Mission ist nicht schlecht. Bitte nicht vergessen, die Aussagen vieler Politiker um Netanjahu ist nicht weniger menschenverachtend.

    • @Markus H.:

      Was ist denn " Meinung"? Und wenn diese nun abstoßend ist, wie z.B. das Abfeiern von Terror, warum soll man das tolerieren müssen? Die Gedanken sind "frei". Sicher, das kann man nicht ändern. Aber das aus Gedanken auch Worte, und daraus dann Taten werden, dss muss man doch verhindern!

    • @Markus H.:

      Die Meinungsfreiheit findet ihre absolute Grenze im Tatbestand der Volksverhetzung (die übrigens auch geahndet wird, wenn sie von "den Mächtigen" begangen wird - Herr Höcke macht dankenswerterweise gerade Bekannschaft mit diesem Umstand). Vernichtungsphantasien gegenüber dem Staat Israel zu verbreiten oder die Hamas-Massaker öffentlich als "Befreiungskampf" darzustellen, ist mindestens mal haarscharf dran an einem solchen Vergehen. DESHALB wird man so eine "Meinung" auch schwerlich in den Medien finden. Das hat aber nichts mit dem Verbot einer "nichtherrschenden Meinung" zu tun.

      • @Normalo:

        Fast unglaublich, aber da bin ich einer Meinung wie Sie. :-)

    • @Markus H.:

      Ggf. Muss man sich dann einen anderen Arbeitgeber suchen- vielleicht in Saudi-Arabien.

    • @Markus H.:

      Antisemitismus ist genauso wenig eine Meinung, wie es Rassismus ist!

    • @Markus H.:

      Du darfst gerne deine Meinung teilen, allerdings steht nirgendwo, dass daraufhin keine Konsequenzen in irgendeiner Form erfolgen dürfen.

      • @gyakusou:

        Kommt aber durchaus darauf an, welche Konsequenzen hier gemeint sind. Wenn natürlich schon eine (massive) Kritik an der Meinungsäußerung als inakzeptable "Unterdrückung" derselbigen angesehen wird, ist den Betroffenen auch nicht mehr zu helfen.

    • @Markus H.:

      Yep und dann muss man die Konsequenzen seiner Meinungsäusserung akzeptieren und aushalten können.

  • Seit wann ist Israelkritik und Solidarität mit Palästinensern Antisemitismus? Wäre mir neu. Israel ist ein Staat. Das Judentum eine Religion.

    • @Adam00:

      ...und manche Menschen ziehen sich die Hose auch mit der Kneifzange an.

    • @Adam00:

      Und eine ethnische Zuordnung.

    • @Adam00:

      Gegen Solidarität mit Palästinensern ist nichts einzuwenden. Wenn ein Fußballer in diesen Tagen wünscht, dass sie "den Sieg erringen" kann er aktuell aber nur den Sieg der Hamas meinen. Und die will die Juden in Israel komplett vernichten, wenn sie es denn könnte. "From the river to the sea" meint genau das. Israelkritik und Israelvernichtung ist auch eine entscheidend andere Dimension. Das ist sogar schlimmer als Antisemitismus, denn in Israel leben auch christliche und muslimische Bürger (letztere werden von der Hamas als Verräter angesehen und sollen gleich mitvernichtet werden)

      • @Winnetaz:

        "Das ist sogar schlimmer als Antisemitismus,..."

        Ich kann jetzt keinen wirklichen moralischen Unterschied zwischen antisemitischer Mordlust und ethnisch/religiös gemischter erkennen, muss ich sagen. Massenmord ist Massenmord.

    • @Adam00:

      Der Artikel ist mit "antiisraelische Posts" betitelt, nicht "antisemitische Posts". Solche werden im Artikel auch gar nicht genannt.

      Das zitierte „From the river to the sea, Palestine will be free“ ist genauso untragbar wie die Forderung nach einem "Groß-Israel" der Extremisten auf der anderen Seite der Mauer, oder die Nichtanerkennung der Oder-Neisse-Grenze bei uns.



      Kann man so fordern, man muss aber damit rechnen dass man sich damit keine Freunde macht.

      • @Limonadengrundstoff:

        Ich bezweifle aber, dass die Forderung nach einem Groß-Israel solche Reaktionen nach sich ziehen würde.



        Und „From the river to the sea, Palestine will be free“ kann auch die Forderung nach einer Einstaatenlösung sein.

        • @Francesco:

          "Und „From the river to the sea, Palestine will be free“ kann auch die Forderung nach einer Einstaatenlösung sein."

          Könnte sein... das ist es aber nicht. Es wie die "88" die sich manche stramme Kameraden tätowieren lassen, das könnte auch ein Hinweis auf die Liebe zur Hansestadt Hamburg sein... das ist es aber nicht.

          Oder doch, das ist sogar ganz sicher die Forderung einer Einstaatenlösung, aber halt einer anderen...

      • @Limonadengrundstoff:

        Im Artikel wird dann aber durchaus die Antisemitismus Keule geschwungen

    • @Adam00:

      Das ist nur noch peinlich.

      Wo ist denn das da "Kritik". Das ist beides der Wunsch der Vernichtung des Staates Israel, der Wunsch nach dem Sieg der Hamas, im Endeffekt der Wunsch danach, allen Juden im Staat Israel die Köpfe abzuschneiden...

      Wie "gewinnen" die "Brüder" denn, ohne den Staat Israel zu vernichten und alle Juden zu töten oder mindestens zu vertreiben?

      Außer dir weiß die ganze Welt, wie "from the river to the sea" gemeint ist.

    • @Adam00:

      Der Mythos von den ‚jüdischen‘ Bayern ist eine längst entlarvtes falsches Alibi. Die aktuelle Forschung belegt, die Bayern waren ein ganz normaler Nazi-Mitläufer Club mit jeder Menge sehr früher NSDAP Mitgliedern.



      www.nd-aktuell.de/...ur-entlastung.html

      Abgesehen davon, was will der Autor eigentlich mit der Behauptung? Dürfen sich Schalke Spieler irgendwie anders äußern?

      • @guzman:

        Herzlichen Dank für diesen sehr aufschlußreichen Link!



        Da machte sich ja Jemand die Arbeit tiefgründig und umfassend zu recherchieren. Sowas hat mittlerweile hierzulande leider Seltensheitswert.

      • @guzman:

        Niemand behauptet, dass der FC Bayern oder andere prominente Vereine mit jüdischen Mitgliedern und Funktionären deswegen "jüdische Vereine" gewesen seien. Es ist dennoch wichtig, dass der FC Bayern, TeBe, der FCN, Arminia Bielefeld und andere auf die Verdienste ihrer jüdischen Mitglieder hinweisen. Juden und Jüdinnen waren engagierte Aktive. Es ist wichtig, dass auch die Vereine diesen Teil der Geschichte aufarbeiten, Verantwortung für Unrecht übernehmen und ihren jüdischen Mitgliedern auch postum danken und gedenken.

        • @NurFürDieKommentareHier:

          Wenn der erwiesen ganz normale Mitläufer-Verein ‚Bayern‘ (spätestens ´35 waren alle jüdischen Mitglieder eliminiert) jetzt mit jüdischen Wurzeln daherkommt, dann ist das blankes Kostümjudentum.

        • @NurFürDieKommentareHier:

          Mich erinnert das hausieren dieser Vereine mit ihren angeblichen „jüdischen Wurzeln“ (so titelt hier der Autor) an diesen Fall: „Falsche jüdische Identität vorgetäuscht: Journalist Fabian Wolff ist unglaubwürdig.“



          Dass sich alle Vereine ihrer geschichtlichen Verantwortung stellen, ohne sich auf ungebührliche Weise anzuvettern, muss doch selbstverständlich sein. Warum sollten nur die von ihnen gelisteten Clubs das tun?

          • @guzman:

            Wie sieht dieses "Hausieren" mit jüd. Wurzeln denn aus?



            Stört sie das auch, wenn man sich auf bspw. proletarische Wurzeln bezieht?

            Nicht nur die von mir explizit genannten Vereine sollten sich ihrer geschichtlichen Verantwortung stellen, sondern (wie ich auch geschrieben habe) auch die Anderen.