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Frankreich verbietet islamische GewänderLaizität von Kopf bis Fuß

Erziehungsminister Attal verbietet Schülern und Schülerinnen, aus religiösen Motiven lange Kleider zu tragen. Dafür muss er kein Gesetz erlassen.

Macron warnt vor einer „Epidemie“: Schülerinnen und Schüler tragen öfter islamische Kleidung Foto: Neydt Stock/imago

Paris taz | Nach einem Verbot islamischer Kopftücher und anderer Verschleierungen will Frankreich auch das Tragen von langen Kleidern im Stil der Abayas durch Schülerinnen untersagen. Damit reagiere die Republik auf sich häufende Provokatio­nen, rechtfertigt der neue Erziehungsminister Gabriel Attal seinen Beschluss am Sonntagabend am Fernsehen TF1. Mit dem expliziten Verbot kommt er dem eindringlichen Wunsch zahlreicher Schulleiter entgegen, die sich über die bisherige Rechtsunsicherheit in dieser Frage beklagt hatten.

Unklar war die Frage, ob diese bis auf die Füße reichenden Gewänder – namentlich „Abaya“ für Frauen oder „Qami“ für Männer – auf einem religiösen Gebot im Islam beruhen. Nicht dieser Meinung ist der Repräsentative Rat der Muslime in Frankreich (CFCM), für den die Abaya keine spezifisch islamische Kleidung darstellt. Und darum sieht der CFCM auch keinen unmittelbaren Handlungsbedarf bei diesem Thema.

Für den zuständigen Minister muss diese Kleidung als ostentatives Zeichen einer religiösen Zugehörigkeit betrachtet werden. Und diese sind offi­ziell und per Gesetz aus den öffentlichen Schulen der Französischen Republik verbannt. „Wenn ein Lehrer das Klassenzimmer betritt, soll er nicht auf den ersten Blick die Religion seiner Schülerinnen und Schüler erkennen ­können“, argumentiert Attal.

In diesem Sinne hat er mit dem expliziten Verbot vor allem eine von den lokalen Schulleitungen gewünschte Klärung geliefert. Einen neuen Paragrafen braucht es seiner Darstellung nach dazu nicht, da das Gesetz von 2004 in dieser Hinsicht bereits ausreicht, weil darin keine ausführliche Liste der nicht zulässigen Bekleidungen aufgeführt ist.

Religion an Frankreichs Schulen

Die Beschwerden wegen Verstößen gegen die Laizität – die strikte religiöse Neutralität in den staatlichen Schulen – haben sich laut einem von mehreren Medien am Montag zitierten internen Rundschreiben des Erziehungsministeriums mehr als verdoppelt: von 2.167 für 2021/22 auf 4.710 für das Schuljahr 2022/23. Das nationale Bildungssystem sei wegen zunehmender islamischer Kleider in Schulen „mit einer Epidemie konfrontiert“, warnte Staatspräsident Emmanuel Macron.

Attal kündigte den in der Sorbonne versammelten Rektoren am Donnerstag an: „Unser Schulsystem wird getestet. Wir wissen, dass in den letzten Monaten religiöse Bekleidungen wie Abaya und Qami in gewissen Schulen aufgetaucht sind. Wir werden dem entschieden die Stirn bieten.“

Sein Vorgehen entspricht der Politik der letzten drei Jahrzehnte, islamische Kopftücher in Schulen und Verwaltungen und Integralverschleierung in der Öffentlichkeit sukzessive zu verbieten. Zweifellos wird dem Erziehungsminister in den kommenden Tagen vorgeworfen werden, er habe dem Druck von ganz rechts nachgegeben oder zumindest versucht, den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, die bei jeder Gelegenheit vor einer „Gefahr der Islamisierung“ warnen.

Positiv reagieren die Schulleitungen auf das Verbot. Sie fühlten sich bislang auf sich gestellt. Auch die Lehrergewerkschaften begrüßen Attals Entscheid, betonen aber, dass in jedem Fall der Dialog mit den betroffenen Familien einer Sanktion vorzuziehen sei.

Aus eigener Erfahrung meint in der französischen Tageszeitung Le Monde der Lehrer Rémy-Charles Sirvent, „in neun von zehn Streitfällen“ könnten die Schulbehörden im Gespräch eine Lösung finden. Zudem müsse vermieden werden, dass wegen solcher Konflikte Schülerinnen und Schüler aus dem Bildungssystem der Republik ausgeschlossen und in private religiöse Einrichtungen ausgegrenzt werden.

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43 Kommentare

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  • Eine Abbaya an sich ist nicht religiös - sie wird ja nicht von allen religiösen Musliminnen getragen. Nirgendwo gebt es die religiöse Vorschrift: Trag als Muslima eine Abbaya! Je nach Land und Herkunftsmilieu werden vollkommen unterschiedliche Kleidungsstücke von muslimischen Menschen genutzt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich oft an religiösen Vorschriften orientieren, nämlich der Idee, die Konturen des menschlichen Körper nicht zu betonen, sondern eher zu verhüllen (gerade bei Frauen). Dementsprechend trägt eine muslimische Frau eine Abbaya, nicht weil die Abbaya so islamisch ist, sondern weil sie bzw. ihre Vorfahren einen bestimmten kulturellen Hintergrund hat/haben, z.B. aus Nordafrika und diese Bekleidung aus ihrer Sicht/dem ihrer Umwelt diesem religiösen Prinzip entspricht. Wenn der französische Staat als laizistischer Staat etwas gegen das Ausleben von Religion durch Kleidung tun wollte, dann müsste er nicht (nur) die einzelnen kulturell begründeten Formen der Kleidung verbieten, sondern er müsste generell verbieten, dass Kleidung getragen wird, die den Körper verhüllt und nicht betont, denn darin liegt ja das eigentliche religiöse Gebot. Das stelle ich mir zum einen vor dem Hintergrund der jetzigen Mode als schwierig vor, denn jeder Oversize-Pulli könnte dann als Ausdruck dieses religiösen Gebots verstanden werden, wenn ihn eine Muslimin oder ein Muslim trägt. Zum anderen zeigt dieses Verhalten des französischen Staats doch, worum es wirklich geht - kulturelle Bekleidung und religiöse Bekleidungsvorschriften werden eins zu eins gleich gesetzt, um Menschen einer bestimmten Glaubensrichtung vorzuführen und auszugrenzen. Denn ehrlich - außer im Sportunterricht stört die Abbaya das Lernen genauso wenig wie der Oversize-Pulli oder eine körperbetonte Loggins.

    • @Patricia Jessen :

      Diverse Rechtschreibfehler bitte ich zu ignorieren - stressiger Vormittag ;-)

      • @Patricia Jessen :

        Es geht um Neutralität; mit einer Schuluniform wäre das ja gegeben. Verhüllung als Ideal ist mir unverständlich und untermauert ein Menschenbild, welches von einer negativen Gesinnung ausgeht: unzüchtige Frauen und notgeile Männer. Diese dummen Dogmen sind doch eigentlich überwunden.

        • @Petcat:

          Die islamische Vorschrift, den Körper nicht zur Schau zu stellen bezieht sich im Koran auf Männer und Frauen. Was das Patriarchat daraus gemacht hat, ist eine andere Sache. Und ob Ihnen oder mir Verhüllung als Ideal zusagt oder nicht ist doch eher unerheblich, denn in einem laizistischen und demokratischen Staat sollte ich doch eigentlich tragen dürfen, was ich möchte. Falls es Ihnen dann um Neutralität geht - dann müssten Sie ja nicht spezifisch gegen Verhüllung oder Abaya oder ähnliches sein, sondern dagegen, dass Menschen in der Kleidung zur Schule kommen, die ihnen genehm ist, da sich über Kleidung ja recht vieles ableiten lässt (Reichtum, Armut, kultureller Hintergrund, Geschlecht...). Damit ist keine privat ausgesuchte Kleidung neutral.

  • Linke verteidigen nicht den politischen Islam. Im Gegenteil, sämtliche Rojava-Aktivist_innen bekämpfen ihn.



    "Steigbügelhalten" ist so eine imaginäre Rhetorik.



    Das Hakenkreuz wird andersrum gezeichnet als das hinduistische Swastika-Symbol. Schon bemerkt?



    Im Feld der Governance/ Verwaltung gibt es Politiker/innen, die allen Interessen ausgleichend entgegenkommen wollen.



    Ich kann mit islamischen Regeln nichts anfangen.



    Ich sehe jedoch auch, dass es im Feld der Muslime viele gerechtigkeitsorientierte Menschen gibt, die auch auf der Seite von Arbeitern zu finden sind. Es gilt da einen common sense zu finden - unabhängig von der Stimmungsmache.



    Die Moralpaniken, eine Sünde zu begehen wie sie Imame, hervorbringen, sind behindernd. Und die Abgrenzungen sind es auch.



    Ich denke, da sehr viele der heutigen islamistischen Regeln nicht im Koran stehen, geht es v.a. um Zugehörigkeit.



    Da hat ja Kalle Schönfeld schon letztens gegengefragt: wie denn der Zusammenhalt im linksliberalen Milieu aussehen würde. Weil ich schrieb: Zusammenhalt sei im Rechtspopulismus nur völkisch denkbar.



    Nun: es gibt jederzeit freie Assoziation.



    Aber ich muss nicht fürchten um den Zusammenhalt dadurch, dass das Zusammenleben pluralisiert wird.

  • Das Thema ist wie beim deutschen Kopftuchverbot in Behörden relativ einfach. Niemand muss seinen Glauben zu Hause lassen oder wird aufgrund seines Glaubens diskriminiert, wenn er für die Zeit in einer öffentlichen Einrichtung religiöse Symbole nicht nach außen trägt. Jedem Menschen ist es zuzumuten, sich für ein paar Stunden am Tag neutral zu kleiden. Wer das nicht versteht, dem ist sein Glauben fundamental wichtiger, als die Gemeinschaft in der sich aufhält und die Regeln, die sich diese Gemeinschaft aus guten Gründen gegeben hat.



    Da es viele Gläubige ganz von selbst schaffen, im Alltag auf offene Symbolik zu verzichten, kann man schon davon ausgehen, dass es einer radikalen Auslegung bedarf, sich das partout nicht vorstellen zu können.

    • @Deep South:

      Was bitte ist neutrale Kleidung? Vor 50 Jahren war das Tragen von Jeans ein gesellschaftspolitisches Statement. Später drückte die Kleidung die Zugehörigkeit zu den Punks oder den Poppern aus.

      • @Francesco:

        Es geht um Laizismus. Nicht um Popkultur. Auch wenn Musik durchaus Religion sein kann.

        • @Deep South:

          Als hätte Popkultur nicht auch religiöse Züge. Und es ging nicht um Musik, sondern um die Lebensweise.

          Zum Laizismus: Da ging es ursprünglich gar nicht um die Religion, sondern darum, den Einfluss der Kirche, d.h. des Klerus im Staat zurückzudrängen. Es ging aber nie um den Glauben der Menschen. Heute wird der Laizismus missbraucht, um gegen den Islam vorzugehen.

  • 6G
    665119 (Profil gelöscht)

    Um diese ganze vorhersehbaren Relativierungs- und Dummstell-Volten mal abzukürzen: politische Symbole sind politische Symbole. Diese zu verbieten kann täppisch und unsouverän sein.



    Wer würde aber bei einem Hakenkreuzverbot sich über eventuell diskriminierte Hindus echauffieren? Oder herumblödeln, dass ein Hakenkreuz nur ein eigenwilliges Pluszeichen sei?



    Das regelmäßige Steigbügelhalten und Relativieren der Linksidentitären für reaktionäre islamische Strömungen bis hin zum Islamfaschismus nervt gewaltig!

    • @665119 (Profil gelöscht):

      Öhm. Langes Kleid = Hackenkreuz?



      In Geschichte nicht aufgepasst?

    • @665119 (Profil gelöscht):

      Mich auch.

    • @665119 (Profil gelöscht):

      Sprachverständnisprobleme sind eben solche, oder es handelt sich vielleicht doch um eine popellistige Diskursverschiebung.



      Jedenfalls hat weder die Maßnahme, noch der Artikel und auch nicht die Gewänder irgendewtas mit politischen Symbolen zu tun.

      Wegen des Wortes "Islamfaschismus", das ich für eindeutig diffamierend halte, melde ich ihren geistlosen Kommentar mal dem Admin.

      • 6G
        665119 (Profil gelöscht)
        @Tripler Tobias:

        Ich halte den Swastika-Vergleich für geistreich und fruchtbar und Ihr diskursverweigerndes Denunziantentum dagegen für ziemlich hilf-und geistlos.

        Das Wort "Islamfaschismus" bezeichnet allerdings einen stehenden Begriff in der politischen Debatte:

        de.m.wikipedia.org/wiki/Islamfaschismus

      • @Tripler Tobias:

        Der politische Islam, also Islamismus in seinen verschiedenen Spielarten, ist nicht "Religion" oder "Kultur", sondern ein politisches Programm. Und zwar ein radikal menschenverachtendes. Es instrumentalisiert den Islam, um die Menschen in Gläubige und Ungläubige zu unterteilen (durchaus vergleichbar mit den Ariern und Untermenschen der Nazis) und Gewalt gegen letztere zu legitimieren. Zb mit dem LKW in eine Menschenmenge.



        Die verschiedenen Formen der Verhüllung des (sündigen!) weiblichen Körpers haben Sie vor 30 Jahren in islamischen Gesellschaften nur hin und wieder gesehen, heute sind sie zum Zeichen des Siegeszugs des Politischen Islam (oder eben: Islamfaschismus) geworden.

  • Die Verschleierung ist muslimisch, die Gewänder sind es nicht. Das ist eigentlich klar. Es riecht nach einer Kampagne, wie man sie von uns kennt (Merz' Sozialtourismus etc., Faesers Antiasylgesetz, Thomas Freys Äußerungen), um vermeintlich den ganz Rechten die Stimmen abzujagen.

    Und ich möchte im katholischen Frankreich auch dann niemanden mit einem Kreuz sehen, bitte!

    • @Jalella:

      Das Kreuz ist dort doch ganz bestimmt verboten.

      Ich hatte mal ein "Gespräch" mit dem Schukdirektor des evangelischen Gymnasiums, weil auf meinem alten R4 in großen orangenen Buchstaben auf dem herrlichen Grün stand:



      "Mich kannst Du überholen, an Bhaghwahn (pun intended) kommst Du nicht vorbei."



      Er hat dann den Schwanz eingezogen, als ich ihm erklärte, dass er dann die zwei Autos von den Jesus-Freaks der "Zeltmission" bitte auch vom Schulparkplatz verbannt. Von dort hatte ich nämlich den Spruch wortgleich übernommen.

  • Als "Solidarität" noch etwas anderes bedeutete als "Klatschen auf Balkonen", wäre das doch ganz einfach gewesen, und ich darf Ihnen garantieren, dass einige von uns das gemacht hätten:



    Einfach selbst so ein Ding anziehen und damit die Zuordnung zu einer Religion unmöglich machen.

    Aber wahrscheinlich darf ja auch kein Mädchen ein Kreuz an einer Kette tragen in Frankreich.

    • @Tripler Tobias:

      Und was mit der kulturellen Aneignung?



      ;-)

      • @Mustardmaster:

        Kulturelle Aneignung? Was ist das denn? Eine spezielle Form von Diebstahl?

  • Erst dann akzeptabel wenn Frankreich die Finger aus den ehemaligen Kolonien lässt. Ich habe erst neulich wieder gehört, dass dort Inhalte von Schulbüchern oft von Frankreich mitbestimmt werden. Des Weiteren, unbemerkt von Europa, herrscht ein Sprachkrieg in Kamerun. Es geht auch hier wieder um „französisches Erbe“ - mit anderen Worten, Altlasten.



    Ich liebe das Land und die Franzosen. Ihre Nation verachte ich, sie gründet auf Bigotterie, Arroganz und völliger Kritikunfähigkeit.

    • 6G
      665119 (Profil gelöscht)
      @sachmah:

      Sie sehen den politischen Islamismus als Notwehr auf europäischen Kolonialismus, verstehe ich das richtig?

      • @665119 (Profil gelöscht):

        Den politischen Islamismus als Notwehr auf europäischen Kolonialismus zu bezeichnen, wäre sicherlich eine verkürzende Sichtweise. Aber auch keine ganz falsche.



        Die Modernisierung der europäischen Gesellschaften im 19. Jahrhundert steht ja in engem Zusammenhang mit Industrialisierung und Säkularierung, aber auch mir Nationalismus, Kolonialismus und Imperialismus. Diese Entwicklung hat ja nicht nur zivilisatorische “Segnungen” bzw. Fortschritte für die betroffenen Gesellschaften des Südens hervorgebracht.



        Politische, ökonomische und kulturelle Abhängigkeiten zu schaffen und (bis in die Gegenwart) zu erhalten war das Hauptziel der kolonisierenden europäischen Staaten. Und das ist ihnen gründlich gelungen. Westliche, zivilisatorische Fortschritte (Abschaffung der Sklaverei) wurden dabei nur vordergründig angeführt, teilweise wurden - wie in Indien das Kassensystem und die religiösen Gegensätze zwischen Hindus und Muslimen - traditionelle Systeme von den Kolonialherren sogar genutzt, um die Bevölkerung gegeneinander auszuspielen (divide et impera).



        Der Islamismus ist so mit Sicherheit eine Antwort bzw. Reaktion auf den europäischen Kolonialismus und ohne ihn überhaupt nicht denkbar. Nachdem z.B. in den arabischen Gesellschaften der Nationalismus als Kopie einer modernen europäischen Ideologie (Nasser in Ägypten, Bath in Syrien und Irak) krachend gescheitert ist, muss der politische Islam wohl als eine Art identitätspolitische “Rückbesinnung” auf einstige historische und kulturelle Stärke betrachtet werden. Das gilt erst recht für migrantische muslimische Communities.



        Der Islamismus verkörpert sozusagen eine “halbierte Moderne” (Al-Azm), die sich einerseits problemlos die Ergebnisse des technologischen Fortschritts aneignet, andererseits auf ein “eingefrorenes”, fundamentalistisches Koranverständnis rekurriert (ähnlich den jüdischen und christlichen Fundamentalisten).



        @Sachmahs Erklärungsansatz liegt da durchaus nicht neben der Spur.

  • "Zudem müsse vermieden werden, dass wegen solcher Konflikte Schülerinnen und Schüler aus dem Bildungssystem der Republik ausgeschlossen und in private religiöse Einrichtungen ausgegrenzt werden."



    /



    Ob das ein breiter Konsens ist, wäre wohl zu hinterfragen und zu belegen, einige Indizien könnten vielleicht auch durchaus dagegen sprechen.



    /



    Inspektion belegt.“



    Aus dem taz-Archiv:



    "Oufker verschweigt dabei, dass die staatlichen Inspektoren den Einfluss von Lasfars Trägerverein infrage stellen und fordern: „Der Platz und der Status des Religiösen in der Schule muss geklärt werden.“



    Das ist der entscheidende Punkt in einer Republik, in der die strikte Trennung von Religion und Staat im Unterricht seit mehr als hundert Jahren im Grundgesetz steht."



    taz.de/Unterricht-...ankreich/!5009697/



    //



    Zum Schulanfang in Frankreich ein 'echtes Fass aufgemacht', steht zu befürchten.

  • Was für ein Segen für die Kinder nicht mit dieser Kleidung herumlaufen zu müssen!

    Zu Hause haben sie keine Chance sich derer zu erwehren.

    Vor fast 40 Jahren brachte Katharina Rutschky, SDS-Frau an der FU, den Begriff "Schwaze Pädagogik" ins Spiel, dieser wurde später auch von der fabelhaften Alice Miller weiterentwickelt.

    Keine Abaya ohne Schwarze Pädagogik!

    Wird Zeit, dass die Linke in Deutschland die Kinder ebenfalls unterstützt. Nun, glücklicherweise ist das hier noch nicht so ein Phänomen wie in Frankreich.

  • "Zudem müsse vermieden werden, dass wegen solcher Konflikte Schülerinnen und Schüler aus dem Bildungssystem der Republik ausgeschlossen und in private religiöse Einrichtungen ausgegrenzt werden."



    Ich dachte es gibt Schulpflicht in Frankreich

    • @mlevi:

      Nein, in Frankreich gilt Bildungspflicht. Wo man die erlangt, dürfen die Eltern für ihre Kinder entscheiden.

    • @mlevi:

      Nein, es gibt in Frankreich eine Unterrichtspflicht, aber keine Schulpflicht. Kinder dürfen auch von ihren Eltern zu Hause unterrichtet werden.

    • @mlevi:

      Nein, die wurde (wie in den meisten Ländern außer Deutschland) in eine Bildungspflicht umgewandelt, es ist also auch Hausunterricht möglich.

      • @Saile:

        Vor allem ist auch Unterricht in Privatschulen möglich. Ein nicht geringer Teil der Schüler:innen besucht katholische Schulen.

  • Schwierig. Was mir klar scheint ist, dass in einer Gesellschaft mit Religionsfreiheit als wichtigem Thema öffentlich keine Religion eine starke Rolle spielen darf und kann. Das kann für religiöse Menschen auch bitter sein, weil sie täglich akzeptieren müssen, dass ihr Leitbild in der Öffentlichkeit sich unterzuordnen hat unter höhere Prinzipien. Das ist eine schwierige Lage. Es ist auch keine immer unbedingt notwendige Konsequenz der Religionsfreiheit, aber wenn sich gesellschaftliche Probleme aufschaukeln, scheint es mir kaum zu vermeiden.

    Andererseits geht es wohl auch nicht nur um Religion, sondern um das Misstrauen und einfach verschiedene Werte zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Wenn man den Staat (die Minister, die die Verordnungen umsetzen etc.) dann nicht als neutral ansieht, wird es sehr schwierig. Wenn man sie andererseits bei stark polarisierten Gruppen als neutral ansieht, ist es auch schwierig, weil die Regierung dann mit "dem Volk" wenig zu tun hat, außer es zu verwalten. Das sind dann Konstrukte wie zB. in Syrien, wo ein Assad Chef ist/wurde, weil er keiner der großen Gruppen angehörte.

    Ganz einfache Lösungen gibt es da wohl nicht.

  • Marx sagte einst, dass Religion Opium für das Volk sei. Als meine Tochter mich mit 13 Jahren fragte, ob Religion etwas für schwache Menschen sei, fand ich dies bestätigt. Angesichts der Millionen Menschen, die sich an diese religiöse Strohhalme klammern, um mit dem Leben, das sie nicht führen können, klar zu kommen, ist mir klar: Erstens, Religion kann man nicht verbieten. Zweitens, die Laizität lässt sich nicht mit Dekreten durchsetzen. Drittens, die Menschen brauchen eine lebenswerte Perspektive, die sie von blindem Glauben an Religionen weg und in ein soziales Leben hinein führt. Gerade das fehlt in Frankreich am sozialen (unteren) Rand.



    In der Schule wird nun dieser sozial ungerechte Kampf auf dem Rücken der Kinder ausgetragen.



    Ich habe keine Lösung für dieses hausgemacht typisch französische Problem. Ich bin Atheist, glaube aber nicht, dass die Folgen der verfehlten französischen Kolonialpolitik so gelöst werden können.



    Letztendlich braucht es "nur" Respekt vor den eigenen Mitmenschen, damit eine Gesellschaft funktionieren kann. Es reicht, dafür in jedes Land der Welt zu blicken. Und der Respekt wird, je größer die sozialen Spannungen werden, auch weiter schwinden und die Spannungen werden steigen, je enger der Planet wird.



    Darum kann ich nur Gunther Wallraff zitieren, der einst sagte: Je mehr Bildung, desto mehr soziale Gerechtigkeit und Frieden. Ich hoffe, er behält Recht.

    • @Knuth W.:

      Ich kann Ihren Kommentar sehr gut nachvollziehen und zustimmen, obwohl ich nicht aus der atheistischen, sondern sozusagen der religiösen “Ecke” komme.



      Religiöse Symbole bzw. das Zeigen/Tragen dieser dient einerseits der Abgrenzung (Ablehnung?) gegenüber den Werten der Mehrheitsgesellschaft - z.T. werden die Werte nicht mal in ihrer Gesamtheit abgelehnt, sondern lediglich bestimmte, als “Auswüchse” identifizierte Erscheinungen (z.B. Homosexualität) - , andererseits der eigenen kulturellen Selbstvergewisserung (Identität). Diese ist jedoch durch politische und soziale Marginalisierung muslimischer Migranten stark gefährdet (da hilft auch der “Vorzeige-Muslim” im Regierungskabinett nichts, der den Aufstieg geschafft hat, sich nun aber definitiv auf der anderen Seite des Grabens befindet).



      Restriktive Maßnahmen/Verbote einer strikt säkularen Gesellschaft wie der französischen erscheinen mir in diesem Kontext als wenig geeignet, die Abgrenzung/Ablehnung der Werte der Mehrheitsgesellschaft bei den muslimischen Migranten aufzubrechen oder eine Stärkung einer positiven muslimischen Identität zu fördern, die diese Abschottung obsolet machen würde.



      Das gilt natürlich prinzipiell auch für Deutschland.

  • Frankreich ist da ein großes Vorbild. Früher war es auch in der Türkei so,daß einheitliche Schuluniformen getragen wurde. Niemand wurde als religiös/nichtreligiös oder als reich/arm indetifiziert.

    • @Katzenberger:

      Die Türkei war nie in dem Sinn laizistisch wie Frankreich. Laizismus bedeutet in der Türkei, dass der Islam vom Staat kontrolliert wird. Deshalb gibt es ein Religionsministerium. Und die Imame werden vom Staat bezahlt und die Moscheen vom Staat unterhalten.

    • @Katzenberger:

      Was die Türkei betrifft: das ist die Erzählung der säkularen Kemalisten. Für einen Großteil der Bevölkerung außerhalb der Städte - v.a. in den ländlichen, östlichen Regionen - hatte Atatürks Versprechen auf Modernisierung, Gleichberechtigung und Wohlstand ohnehin nie Gültigkeit.



      Stattdessen unmäßiger Nationalismus und Chauvinismus, den insbesondere die ethnischen Minderheiten (Kurden) zu spüren bekommen haben.



      Es ist ja auch eine Illusion zu glauben, mit entwicklungsdiktatorischen Maßnahmen - wie in den ersten Jahrzehnten der türkischen Staatsgründung - nachhaltige Fortschritte erzielen zu können. Mit Erdogans AKP ist das Pendel nur zurückgeschlagen.

    • @Katzenberger:

      Schuluniformen sind da wohl die Lösung überhaupt.

      Die einen Kinder werden maulen, weil sie nicht mehr ihre schicken Markenklamotten tragen können. Die Mehrzahl der Kinder wird es dankbar als Befreiung empfinden.

      Viele Länder machen das so. Und sind gut damit gefahren.

  • Führt das bitte auch in D ein.



    Würde manchem Mädchen, mancher Frau endlich helfen sich darsus zu befreien.

    Kein Kreuz an der Wand, keinerlei religiöse Symbole beim arbeiten.

    Religion sollte endlich ausschliesslich im privaten Bereicch ststtfinden.

    • @H.L:

      Am besten gleich auch Thor Steinar und Nachfolger verbieten, die halte ich für erheblich gefährlicher.

      • @sachmah:

        Thema verfehlt!

  • Gegen die strikte religiöse Neutralität in den staatlichen Schulen ist nichts zu sagen. Es gibt, zumindest bei uns in Deutschland, bestimmt andere Meinungen die dann gleich wieder das Wort Religionsfreiheit ins Felde führt.

  • Nachdem die CFCM klargestellt hat, dass es sich NICHT um spezifisch islamische Kleidung handelt, können nun beide Seiten zufrieden sein:



    - die Abaya-Träger, weil sie von einer vermeintlichen religiösen Pflicht somit offiziell entbunden sind.



    - die Schulleiter, weil die Abayas nicht mehr getragen werden und somit auch der Anschein von pseudo-religiösem Verhalten an ihren Schulen verschwindet.

    Das ganze wirkte optisch ja ein wenig so, als wenn Christen in mittelalterlichen Mönchskutten in die Schule gehen. Die waren im Christentum auch noch nie wirklich Pflicht... nicht einmal im Mittelalter.

    • @Winnetaz:

      Und die Schulleiter nochmals, weil aus irgendwelchen Gründen dennoch getragene Abayas keine religiösen Symbole und somit zu tolerieren sind. Während ich das so formuliere, dämmert mir, dass das auch ein kluger Schachzug seitens CFCM sein könnte.