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Trainerwechsel bei Bayern MünchenMies san mir

Der FC Bayern entlässt nach dem Absturz auf Platz zwei den Cheftrainer und verpflichtet Thomas Tuchel. Der Rekordmeister macht seinem Ruf alle Ehre.

Echt jetzt? Julian Nagels­mann darf nicht mehr länger an der Linie beim FC ­Bayern stehen Foto: ap

Berlin taz | So ist er, der FC Bayern München. Eiskalt, arrogant und viel zu reich. Beinahe alles, was den Klub in den Augen vieler Freunde des gepflegten Fußballspiels so verachtenswert macht, trat mit der Entlassung von Julian Nagelsmann als Cheftrainer der ersten Herrenmannschaft offen zutage.

Da ist die Art der Kommunikation bei diesem Rausschmiss. Als das ganze Fußballinternet schon über die überraschende Entscheidung der Bayern diskutiert hat, den Trainer, der das Team noch zu drei Titeln in dieser Saison hätte führen können, rauszuschmeißen, wusste dieser noch nichts von seinem Schicksal. Für die Verantwortlichen im Klub sind das vielleicht nicht mehr als Stilfragen.

Er hat ja sicher Internet, mag man sich gedacht haben. Dann kriegt er eh mit, was wir vorhaben. Und wer im Fußballbusiness folgt nicht dem Twitteraccount von Fabrizio Romano, dem italienischen Sportjournalisten, über den es bei Wikipedia heißt, er verfüge „über eine große Anzahl von Kontakten zu Entscheidungsträgern im Profifußball, wodurch es ihm regelmäßig gelingt, bevorstehende Transfers frühzeitig über die sozialen Medien bekanntzugeben“? Dieser Romano war es, über den die Nachricht in die Welt gedrungen ist. Wirklich? Wer das nicht mies findet, hat wohl als Kind zu oft in FC-Bayern-Bettwäsche geschlafen.

Und dann ist dieser unerträgliche Anspruch der Bayernführung, immer, am besten an jedem Spieltag der Bundesliga, die Nummer eins im Land zu sein. Gerade einmal vier Tage hat man es an der Säbener Straße in München ausgehalten, nach dem 25. Spieltag mit einem Punkt Rückstand hinter Borussia Dortmund auf Platz zwei zu stehen. Es mag ja sein, dass das Sportvorstand Hasan Sali­ha­mi­džić und Vorstandschef Oliver Kahn schlaflose Nächte bereitet hat, aber gleich die Notbremse zu ziehen, als stünde man nach zehn sieglosen Partien am Rand des Abgrunds, das darf man getrost als irrsinnig bezeichnen.

Selbstkritik? Fehlanzeige

Vielleicht sollten die beiden sich mal überlegen, ob es wirklich stimmt, dass der Kader des FC Bayern so toll ist, wie sie es gern behaupten. Aber dann müssten sie ja ihre eigene Arbeit hinterfragen. So weit darf es natürlich nicht kommen, und dann wird eben der Trainer entlassen, wenn mal ein Spiel bei Bayer Leverkusen verloren geht.

Und genauso wie Nagelsmanns Rauswurf als unvermeidlich dargestellt wird, bezeichnet man die Verpflichtung von Thomas Tuchel als Geniestreich. Der hat 2021 mit dem FC Chelsea die Champions League gewonnen und ist deshalb gerade mal gut genug für die Bayern. Her damit, koste es, was es wolle. Und da wären wir beim Grund dafür, dass sich der FC Bayern überhaupt so aufführen kann, wie er es tut. Er kann es sich offenbar leisten.

25 Millionen Euro haben die Münchner vor gut anderthalb Jahren an Ablösesumme gezahlt, um den Trainer vom damals härtesten Kontrahenten RB Leipzig loszueisen. So viel ist auf der ganzen Welt noch nie für einen Trainer an Ablöse gezahlt worden. Die Bayern haben Nagelsmann für fünf Jahre ausgestattet bei einem Jahresgehalt von gut 6 Millionen Euro, wie es heißt. Und Thomas Tuchel, der in seiner Zeit bei Paris Saint-Germain, in der er das Cham­pions-­League-­Finale erreicht hat, gewiss ebenso gut verdient hat wie beim FC Chelsea, wird auch nicht für freie Kost und Logis beim FC Bayern anheuern.

Bei dem Klub, der sich kürzlich vor dem Achtelfinale der Cham­pions League gegen ebenjenen von Katar gepamperten Klub aus Paris noch als brav wirtschaftender, treudeutscher Mitgliederverein dargestellt hat, scheint jedes vernünftige Maß verloren gegangen zu sein.

Tradition des Nachtretens

Man wird nun viel Schlechtes hören über Nagelsmann, irgendeinen Quatsch darüber, dass er die Mannschaft nicht mehr erreichen konnte. Oder vergiftete Lobeshymnen, nach denen der 35-jährige Jungtrainer gewiss ein großes Talent sei. Man wird sein Privatleben durchstöbern, und gewiss findet sich jemand, der sich daran stört, dass er mit einer Reporterin der Bild-Zeitung liiert war, die über den FC Bayern geschrieben hat. Irgendwas halt.

Und vielleicht erinnert sich der eine oder die andere daran, wie der FC Bayern mit den Vorgängern von Nagelsmann umgegangen ist. Hansi Flick durfte zwar das Triple gewinnen, aber aus der Kaderplanung sollte er sich gefälligst raushalten. Carlo Ancelotti, der mit anderen Klubs inzwischen viermal die Cham­pions League gewonnen hat, wurde bei seiner Entlassung behandelt, als habe er keine Ahnung vom Fußball.

Niko Kovač war sowieso ein Missverständnis, und auch Pep Guardiola, unter dem die Münchner so schön gespielt haben, dass einem beim Zusehen bisweilen die Tränen gekommen sind, wurde nach drei Jahren Amtszeit mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt, weil er es gewagt hatte, die Champions League nicht zu gewinnen.

Nun also Thomas Tuchel. Am 1. April beim Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund soll er gefälligst die Tabellenführung zurückerobern. Und dann gefälligst Meister werden, Pokalsieger und Champion in der Champions League. Sonst setzt es was. Tuchel wird wissen, was er sich mit dem Job in München antut. Es ist ja kein Geheimnis, wie beim FC Bayern gehandelt wird: eiskalt, arrogant und mit viel zu viel Geld.

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27 Kommentare

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  • Tja, selber Schuld FC Bayern, wer es nicht schafft jemand wie Hansi Flick halten zu können, der wirklich sehr erfolgreich war, hat intern ein massives Führungsproblem!

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Hansi Flick wollte Bundestrainer werden. Deshalb ist er gegangen .

  • Nachdem ich jahrelang Bundesliga-Tabellen ohne Berücksichtigung der Bayern-Spiele geführt habe, um die Langeweile an der Spitze zu vermeiden, kommt jetzt endlich mal wieder ein bisschen Spannung auf, um die 5 Volt.

    Immerhin wird nun ein Unsympathix gegen einen anderen ausgetauscht, das hat immerhin Unterhaltungswert.

  • Wie immer: wer die Bayern liebt, liebt sie. Wer Fußball liebt, liebt sie nicht….

  • Um den Trainer Nagelsmann brauchen wir uns keine Sorgen machen. Den sehen wir schnell wieder - vielleicht sogar bei der Frankfurter Eintracht!

  • Die Kommentarspalte zeigt auch hier: Religionsausübung schaut bei wahren Gläubigen nicht übern Tellerrand ...

  • Muss so um 1987 gewesen sein. Deutscharbeit über die Bild Schlagzeile 'zieht den Bayern die Lederhosen aus'. Die mochte schon Damals keiner.

    • @Stoffel:

      Damals gab es auch noch Bindestriche, oder?

  • Ich halte Thomas Tuchel für einen großen Trainer, der im Begriff ist, einen großen Fehler zu begehen.



    Ich gebe ihm 1 Jahr, dann liegt er mit den Bayern-Bossen derart quer, dass er gehen muss.

    • @Manzdi:

      Tuchel eckt überall an, weil er perfektionistisch und manisch ist.

      Irgendwie finde ich die Kombi geil. Mal sehen, wann das Gestänkere von welcher Seite aus losgeht.

  • Eiskalt, arrogant und viel zu reich. ... bringt es auf den Punkt. Einverstanden

    • @Armin Seideneder:

      Den Neid muss man sich erarbeiten bzw verdienen. Was machen eigentlich die anderen Proficlubs falsch ? Amateursport gibt's ab Landesliga.

  • 0G
    04405 (Profil gelöscht)

    "Eiskalt, arrogant und viel zu reich." Noch zu reich, an anderer Stelle konnte ich lesen, dass der FC Bayern zu einer Geldvernichtungsmaschine mutiert ist. Wenn das zutrifft - und es gibt einige Anzeichen - wäre endlich ein bisschen Licht am Ende des Tunnels. Der FC Hollywood würde auf den Boden der Tatsachen zurückkehren und vielleicht wird sogar mal die Meisterschaftsfrage so spannend wie der Abstiegskampf.

    Ich weiß, Träumereien eines Fußball-Romantikers.

  • Finde es gut, dass hier auch mal die Unterhaltungsindustrie / Brot und Spiele, kommentiert wird. Also, diese Managementfehler all überall. Von der Schweiz ist die Tendenz mit dem Föhn wohl nach München herübergeweht. Wenn Borussia Dortmund jetzt Meister wird, wäre das für den Umsatz bestimmt gut. Ein kleines bisschen auch für meine arme Rentnerseele, oder wie es Oscar Wilde mal gesagt hat: we are all in the gutter, but some of us are looking at the stars.



    Wir befinden uns alle in der Gosse, aber einige von uns schauen sich die Sterne an. Oder etwas freier übersetzt:



    Wir haben uns alle am Rinnstein übergeben und hängen dort besoffen herum, aber wenigstens kann man von dort die Sterne gut sehen.

  • Sehr gelungener Kommentar. Wenn Bild mit Mist nach Nagelsmann werfen sollte, stellt sich Bild gegen die Mehrzahl seiner Online-Leser, die Nagelsmann gerade in einer Online-Umfrage den Rücken stärken. Die Leser von Sport 1 stützen Nagelsmann ebenfalls.



    Bleibt zu hoffen, dass die Medien erkennen, dass die Rücksichtslosigkeit des FC Bayern München gegenüber seinem Trainer Nagelsmann von den Fans nicht toleriert wird. Am Image des smarten Familienunternehmens, wo im Gegensatz zum brutalen Fußballgeschäft einer dem anderen hilft, ist in Wahrheit nichts dran!

  • Dass der Autor kein Fan des FC Bayern ist, ist glaub ich noch sehr untertrieben. Der Artikel gleicht fast einer Tirade und teile ich in einigen Punkten, besonders in der Schärfe der Kritik, nicht. Getreu dem Motto "Blind vor Wut" wurde dann einfach noch unterstellt, dass "Pep Guardiola, ..., nach drei Jahren Amtszeit mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt wurde, weil er es gewagt hatte, die Champions League nicht zu gewinnen."

    Pep Guardiola hat von sich aus den Vertrag auslaufen lassen, um sich einer neuen Herausforderung zu widmen. Der FC Bayern hätte sehr gerne mit Pep weiter gemacht. Aber was soll's hat gerade schön reingepasst, macht den Kohl auch nicht fett

  • Das die Spieler das so hinnehmen ist das Problem - und das Tuchel sich dann direkt auf so einen Schleudersitz setzt, dreckig.



    Da hätte ich als Spieler das Vertrauen direkt schon mal weg.



    Also, schon 2000 war klar:" --> www.youtube.com/watch?v=6LHGY33cFiE

    • @Zeuge14:

      Dass, dass

  • Der FC Bayern München ist für einige Leute wohl das Synonym für schlimme, herzlose Kapitalisten . Bayern ist mit Abstand der erfolgreichste Verein Deutschlands. Also können Sie so viel nicht falsch gemacht haben. Sie sind ein Erfolgsmodell für ordentliches wirtschaften. Katar ist sicher nicht in Ordnung aber wer macht keine Geschäfte mit China, Saudis etc. Jahr für Jahr überweisen die Bayern ca. 100 Millionen Steuern an den Fiskus . Bayern München ist ein Wirtschaftsunternehmen die auch noch Fussball spielen. Und im Gegensatz zu verantwortlichen Politikern werden Trainer nicht gewählt sondern mit Millionen Gehältern eingekauft und werden deshalb auch entlassen, wenn die Vereinführung das für richtig hält. Als Trostpflaster gibt es für Herrn Nagelsmann noch ein paar Millionen Euro zum Abschied.

    • 0G
      04405 (Profil gelöscht)
      @Klempner Karl:

      kleiner Tipp: Der wirtschaftlich erfolgreichste Club der Bundesliga hat fast jeglichen sportlichen Wettbewerb eliminiert. Die Langeweile in den "Spitzenligen", und das enorme finanzielle Gefälle sind wohl die Hauptverursacher für rapide sinkende Fußball-Begeisterung.

      Der herzlose Kapitalismus hat sich also - mal wieder - seinen eigenen Markt kaputt monopolisiert. Man kann sehr erfolgreich wirtschaften, aber trotzdem sehr kurzsichtig sein.

  • Bayern: erfolgreich aber kacke, weiss ja auch eigentlich jeder. Mit Tuchel fahr'n sie gegen die Wand, das passt doch mal überhaupt nicht. In einem Jahr ist der weg, bzw. gleich nachdem Bayern die Saison titellos beendet.

  • "Pep Guardiola, unter dem die Münchner so schön gespielt haben, dass einem beim Zusehen bisweilen die Tränen gekommen sind, wurde nach drei Jahren Amtszeit mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt"

    Oha. Großes Kino im Münchner Boulevard Zirkus. Und jetzt gehn auch noch im Katzenkörbchen die Pferde durch. Scheint grad nen Wettbewerb zu geben, im "mal ganz gewagt einen raushauen".

  • Es ging nur darum, dass Leipzig ihn nicht hat.

    • @Thomas Derrek:

      Wie bei Kovac auch. Andere Teams kaputtmachen ist auch so ein Bayernding.

      • @hessebub:

        Dortmund kauft doppelt so viele Spieler von anderen Bundesligisten als Bayern, und sie haben auch schon Trainer von anderen Vereinen ( Rose, Gladbach ) losgeeist. Aber wenn man keinen Erfolg hat ist es wohl nicht so schlimm ....

        • @Günter Witte:

          Beim BVB kauft man Spieler und Trainer, weil man hofft, mit ihnen die Bayern zu schlagen.

          Nur die Bayern kaufen, damit andere Vereine nicht besser werden können.

    • @Thomas Derrek:

      Genau. So haben sie es mit guten Spielern der Konkurrenz auch gern gemacht.