Verbot der „One Love“-Binde bei WM: Auf einmal sind alle divers

Die Kritik an Fifa und DFB ist aufgeheizt, moralisierend und heuchlerisch. Bis heute hat sich noch kein aktiver deutscher Profifußballer geoutet.

Ein Arm mit einer Kapitänsbinde.

Schon vor der WM entschwult: die „One Love“-Kapitänsbinde am Arm von Torhüter Manuel Neuer

Man fragt sich, was abstoßender ist bei der Debatte um den Ärmelschoner von Manuel Neuer mit der Aufschrift „One Love“: Die Fifa, die durchgesetzt hat, dass die europäischen Teams das Zeichen nicht tragen dürfen? Oder der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der sich möglichen Strafen entzieht, indem er der Anordnung Folge leistet? Oder vielmehr die Öffentlichkeit, die auf buchstäblich allen deutschen Kanälen Katar verdammt, die Fifa und mit besonderer Häme den DFB.

Sogar Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat nach der One-Love-Havarie die Schnauze voll von der WM, wie sie auf Twitter kundtat. Auffällig und in gewisser Hinsicht widerlich ist nur, dass die gleichen Stimmen, die unisono nun über Katar, das Verbot des One-Love-Zeichens und die mangelnden Biertraditionen in diesem Land herziehen, vor acht Jahren in puncto Sotschi und den Olympischen Winterspielen gar nicht zu vernehmen waren.

Was die Em­pö­ris­t*innen eint, ist die Wohlfeilheit ihrer Argumente und ihre Ahnungslosigkeit. Das One-Love-Zeichen war längst entschwult worden und hatte mit dem Regenbogenzeichen nur noch entfernte Ähnlichkeit. Fragwürdig sind auch die Beteuerungen von DFB-Offiziellen, man vertrete dennoch die „Werte“ und stehe für sie ein. Als hätte das jemand infrage gestellt. Nazis sind doch bitte nicht im DFB-Team – und das Grundgesetz haben doch bitte alle lieb, oder?

Heuchlerisch ist das „Diversity“-Bekenntnis auch deshalb, weil in den hiesigen Ligen des Profifußballs noch kein einziger aktiver Spieler ein Coming-out als Schwuler gewagt hat. Allein das dürfte ausreichen als Beweis für die unverändert homophobe Atmosphäre in den Vereinen. Irritierend sind die DFB-Statements obendrein, weil es nicht den kleinsten Hinweis der Solidarität mit den Opfern des trans- und homophoben Attentats in Colorado, USA, gab.

Stattdessen wirkt der DFB und mit ihm seine obersten Repräsentanten wie ein Opferhaufen, der mit echten Opfern nichts zu schaffen hat. Die öffentliche Entrüstung über den Katar-Komplex speist sich aus Moralüberhitzung: Als seien die Fußballer politische Delegierte. Sie sollen doch hauptsächlich prima kicken können. Es fragt sich, wer von den Moralist*innen, die die Nationalelf dazu aufrufen, sie möge Strafen in Kauf nehmen, für die eigenen Werte schon jemals ernsthaft selbst etwas riskiert hat.

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Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.

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