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Nach dem Sturm auf das KapitolUnsere Bananenrepublik

Kommentar von Gernot Wolfram

Ein alter rassistischer Begriff taucht wieder auf. Er ist eine hochmütige Metapher für Momente, die nicht in das eigene Selbstbild passen.

Bananenrepublik: Ausdruck für Abhängigkeit von korrupten Unternehmenspraktiken im frühen 20. Jh Foto: A. Farnsworth/imago

Z um Entsetzen gehört offenbar immer ein obskurer sprachlicher Vergleich. Nach dem Sturm von Trump-Anhängern auf das Capitol in Washington war schnell zu hören, es herrschten in den USA Zustände wie in einer „Bananenrepublik“. Ex-Präsident George W. Bush baute sein entrüstetes Statement auf dieser Vokabel auf: „So werden Wahlergebnisse in einer Bananenrepublik angefochten.“

Aber auch hierzulande wurde der Begriff ausgiebig gebraucht, so etwa ZDF-Journalist Elmar Theveßen bei Markus Lanz: „Das hier hat mehr etwas von einer Bananenrepublik als von einer funktionierenden Demokratie“. Mit diesem Vergleich war offenbar das äußerste Maß an Besorgnis ausgedrückt.

Wo liegen aber diese Bananenrepubliken? Welche Länder sind damit gemeint? Oder ist die Namenlosigkeit ein Synonym für das Fremd-Unheimliche schlechthin? Der rhetorische Trick, der hier wirkt, funktioniert so: Das aktuelle Drama in den USA ist ein Ausnahmefall, nur ein Ausschnitt der Realität in fernen, uns unvertrauten Ländern, in denen es wirklich schlimm zugeht. Ein Ausrutscher, dieser Sturm aufs Kapitol, bizarr, aber exotisch; das eigentliche Chaos herrscht nicht bei uns, sondern in den „Bananenrepubliken“. Die Banane als Symbol für wilde chaotische Topografien und ihre Bewohner:innen ist eine altbekannte Vokabel in verschiedenen rassistischen Kontexten.

Die ursprünglich aus dem Englischen stammende Bezeichnung „banana republic“ ist pikanterweise eine ureigene Vokabel aus der US-amerikanischen Wirtschafts- und Kulturhistorie. Die 1899 gegründete Firma United Fruit Company, die heutige Chiquita Brands International, erwarb im frühen 20. Jahrhundert in zahlreichen Ländern Mittelamerikas Land und kontrollierte das Transportsystem von Südfrüchten, vor allem von Bananen. Länder wie Honduras, Guatemala, Nicaragua, Panama und Costa Rica wurden abhängig von den Geldern und Netzwerken des Unternehmens. Sie firmierten daher als „Bananenrepubliken“.

Gernot Wolfram ist Autor und Kulturwissenschaftler. Er lehrt Kultur- und Medienmanagement an der Macromedia-Hochschule in Berlin und an der Universität Basel. Zuletzt erschien von ihm der Essay „Kontinentpfade. Eine kurze Anleitung, Europa lieben zu lernen“ (Verlag Hentrich & Hentrich).

Der Name war mehr ein mitleidiger Ausdruck für die Abhängigkeit von korrupten Unternehmenspraktiken als eine Beschreibung der jeweiligen politischen Kultur in diesen Ländern. Es gibt beeindruckende Beispiele für den Widerstand gegen die Dominanz der Vereinigten Staaten, wie etwa den „Great Banana Strike“ in Costa Rica 1934. Organisiert wurde der Streik von lokalen Initiativen, welche für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen kämpften.

Lateinamerikanische Journalist:innen bezeichneten Unternehmen wie die United Fruit Company immer wieder als „Oktopus“. Wie ein vielarmiges Tier griffen die Manager in das politische Geflecht der Staaten ein. Durch Bestechung, Förderung von Paramilitärs und Einflussnahme auf die örtlichen Regierungen versuchten sie, geringe Steuern auf den Fruchtexport und dauerhaft niedrige Löhne durchzusetzen. Es gab viele lokale Akteure aus den „Bananenrepubliken“, die gegen das verwilderte System kämpften.

Die mafiösen Strukturen innerhalb des Geschäfts mit Südfrüchten, an dem die US-amerikanische Wirtschaftspolitik, Unternehmen und örtliche Regierungen beteiligt waren, sind tief in der ökonomischen Logik der USA des 20. Jahrhunderts verwurzelt. Wenn westliche Politiker:innen und Journalist:innen heute von einer Bananenrepublik sprechen, müssten sie konsequenterweise ergänzen: Unsere Geschichte kehrt zurück. Und nicht: Die Strukturen der anderen zeigen sich überraschenderweise auch bei uns.

Die „Bananenrepublik“ ist auch eine Schöpfung der US-amerikanischen Literatur: Der Schriftsteller O. Henry, eigentlich William Sydney Porter, hatte Ende des 19. Jahrhunderts eine Zeit lang in Honduras gelebt und 1904 das Buch „Kohlköpfe und Caballeros“ (Cabbages and Kings) veröffentlicht, in dem er die fiktive zentralamerikanische Republik Anchura erfand. Er bezeichnete sie als „Bananenrepublik“, als Ort, der sich gegen die Knebelverträge der großen Unternehmen wehrte.

In den folgenden Jahren wurde die Metapher dann zu einem abschätzigen Wort für unterentwickelte Länder und mafiöse Regierungsstrukturen. In den achtziger Jahren gewann das Wort im Westen für verschiedene Länder Afrikas und Lateinamerikas an Popularität. Auch wenn die betreffenden Länder gar keine Bananen vertrieben, die Metapher sollte den Leser:innen im Westen einen distinktiven Schauer über den Rücken jagen: Das ist das Andere, das Unwägbare und Chaotische, von dem wir uns absetzen müssen. Die Erkenntnis, dass möglicherweise das Chaos in der eigenen Kultur tief verankert sein könnte, war und ist selten.

Politische Rhetorik muss bildhaft sein. Sie will provozieren und Aufmerksamkeit erregen. Sie wird jedoch dann problematisch, wenn sie suggestiv andere Kulturen und Systeme abwertet. Die Bananenrepublik ist die hochmütige Metapher für Ereignisse, die nicht in das eigene Selbstverständnis passen.

Dass nun ausgerechnet die USA, das große Symbol für eine selbstbewusste westliche Demokratie, zeitweise in Gewalt und Chaos versinken, soll nichts mit den inneren Widersprüchen an sich zu tun haben. Fast alle Statements europäischer Regierungen präsentieren diese Lesart: Die starken Kräfte der Demokratie werden sich durchsetzen. Das sind nicht unsere USA. Das ist nicht amerikanisch.

Es müsste heißen: Unsere Geschichte kehrt zurück. Und nicht: Strukturen der anderen zeigen sich auch bei uns

Wäre es aber nicht ehrlicher und demokratiefördernder zu fragen: Ist das aktuelle Chaos nicht eine Folge der amerikanischen Politik und der gesellschaftlichen Verhältnisse im Land? Eine Diagnose sollte an die Wurzel der Probleme gehen. Eine dieser Wurzeln ist die Sprache, der wir im politischen Raum vertrauen und die wir verwenden. Es geht nicht um Bananen und Zustände „wie woanders“. Es geht um einen klaren analytischen Blick auf die Voraussetzungen für solche Gewaltphänomene in der westlichen Kultur. Mit der Sprache zu beginnen, mit der Geschichte der Begriffe, die wir verwenden, ist dabei ein verlässlicher Schritt zur Selbsterkenntnis.

Gernot Wolfram ist Autor und Kulturwissenschaftler. Er lehrt Kultur- und Medienmanagement an der Macromedia-Hochschule in Berlin und an der Universität Basel. Zuletzt erschien von ihm der Essay „Kontinentpfade. Eine kurze Anleitung, Europa lieben zu lernen“ (Verlag Hentrich & Hentrich).

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51 Kommentare

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  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    "Fast alle Statements europäischer Regierungen präsentieren diese Lesart: Die starken Kräfte der Demokratie werden sich durchsetzen. Das sind nicht unsere USA. Das ist nicht amerikanisch."



    Der GERNOT WOLFRAM hat bei mir abgeschrieben. :-)

    taz.de/!ku37731/

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @82286 (Profil gelöscht):

      Link ist ein Kreislauf. :-)



      taz.de/Verhaeltnis...bb_message_4064357

  • Inwieweit europäische Länder diesen wunderbaren Status auch schon erreicht haben, kann man auch ohne Sturm auf die Parlamente erkennen wenn man Verhaltensmuster von Regierungen oder der EU während der Pandemie analysiert. Bedienung von Lobbyisten hat oberste Priorität, auch während einer Pandemie. Siehe dazu folgenden französichen Dokumentarfilm, der es garantiert nicht in irgendwelche Kinos oder Fernsehprogramme schaffen wird: maltraites-ledoc.com/

  • Mal von der albernen Motivation und Intention der rechten Umstürzler abgesehen.

    Ganz grundlegend sollte sich der sog. Wertewesten nicht die Frage erlauben, warum nun schon zum 2. Mal eines seiner Parlamente gestürmt wurde.

    Nach Jahrzehnten der Kriege und wirtschaftlichen Ausbeutung, sollte eher die Frage angebracht sein, warum nicht viel öfter unsere Parlamente gestürmt werden.

    • @Ki An:

      Weil wir im Warmen und Trockenen sitzen, genügend Nahrung haben und unsere, Ihre, meine, unser aller Komfortzone so groß war wie nie zuvor.



      Genügt das fürs erste?

  • Der Begriff "Bananenrepublik" ist abwertend und nicht nett gemeint? Sachen gibt's! Da wär' ich nie drauf gekommen! Danke!



    Spaß beiseite: die argumentative Voraussetzung des Beitrags lautet: durch die Verwendung des Wortes "Bananenrepublik" wird der episodische Charakter des Geschehens auf dem Capitol Hill herausgestellt und kontrastiert mit dem us-amerikanischen (demokratischen, zivilisierten) Normalfall. Kann sein, so richtig üerzeugend belegt wird das nicht, möglicherweise aus Platzgründen. Ich hänge nicht am Begriff der "Bananenrepublik", aber sollten wir wirklich nur (so wie der Autor das tut) auf die in der kurvenreichen Bedeutungsgeschichte des Wortes angelegte Abwertung schauen? Oder könnten wir auch die Schärfe der Kritik, die in der Verwendung des Begriffs "Bananenrepublik" zum Ausdruck kommt, ernst nehmen? Der Autor würde wohl sagen, dass die Schärfe der Kritik keine ist, weil - und da sind wir wieder am Anfang, der schwachen Basis seiner Argumentation - die Verwendung des B-Wortes Episodenhaftigkeit unterstellt (statt einer systemisch bedingten, in den us-amerikanischen Verhältnissen wurzelnden Notwendigkeit). Anstatt nun aber die systemisch bedingte Notwendigkeit von Trumpverehrern zu besprechen, redet er lieber noch ein wenig über Sprache. Schade!

    • @My Sharona:

      Warum dann nicht z.B. Krautrepublik? Immerhin wurde die deutsche Regierung bspw. in der HartzIV-Reform maßgeblich von der Bertelsmannstiftung beraten und wie es der Name ja bereits sagt vom ehemaligen VW-Manager Peter Hartz mit ausgearbeitet. In der Krautrepublik ansässige Konzerne wie Siemens fallen dann auch immer wieder durch moralisch-saubere geschäftliche Glanztaten auf und durchaus dann und wann damit auf die Nase (wie einst in Nigeria nach Bekanntwerden von Korruptionsversuchen). ;-)

  • "Dass nun ausgerechnet die USA, das große Symbol für eine selbstbewusste westliche Demokratie ..."

    Äh, hab ich was verpasst? USA = Demokratie? Selbstbewusst ist hier der Euphemismus für grenzenlose Arroganz. Westlich, ja, und?. Aber Demokratie? Wie nennt man eine Staatsform, in der nur diejenigen zu Macht kommen können, die über beträchtliches Vermögen verfügen? Plus die entscheidenden Connections. Richtig: Oligarchie.

    Plus Betrug auf allen Ebenen, angefangen bei der Wahlregistrierung, dem Wahlkreiszuschnitt, dem Wahltermin (werktags), der Besetzung des obersten Gerichtshofs, dem Outsourcen rechtswidriger Kontrukte (Guantanamo), dem Export ihres kranken Rechtsverständnisses (Drohnenmorde), die Verweigerung internationaler Kooperation bei Menschenrechts- und Kriegsverbrechen (Den Haag) und den Klimaabkommen usw.

    Also wenn das das "das große Symbol für eine selbstbewusste westliche Demokratie" ist, dann sind auch Thailand, Saudi-Arabien, Türkei usw lupenreine Demokratien. Locker.

    • @uvw:

      "... dann sind auch Thailand, Saudi-Arabien, Türkei usw lupenreine Demokratien."

      In den USA wird allen Misslichkeiten zum Trotz kommenden Mittwoch mit Joe Biden ein neuer Präsident vereidigt, der mehr (freiwillig abgegebene) Stimmen auf sich vereint hat als jeder Kandidat vor ihm. Er hat sich dabei unter anderem mit Sanders und Trump auch gegen zwei wortgewaltige Konkurrenten durchgesetzt, die gegen das, was Sie Oligarchie nennen, eintreten - der eine eher glaubwürdiger mit einer linken, der andere eher erfolgreich als glaubwürdig mit einer dezidiert rechten Agenda. Das ist Biden nicht gelungen, weil die anderen beiden kein Geld hatten, sondern weil das Wahlvolk lieber ihn wollte, der mehr für Establishment aber auch mehr für Aussöhnung mit anderen Segmenten der Wählerschaft steht.

      Zum Einen ist das ein recht guter Beweis, dass ein Despot, der einmal an die Macht gelangt ist, in den USA nicht so mit der Demokratie Schlitten fahren kann wie anderswo. Insofern ist ihr Vergleich mit jenem "anderswo" schonmal deplaziert.

      Zum Zweiten ist es aber auch ein Abbild einer Demokratie, die ihren eigenen Weg geht. Der ist nicht perfekt, aber er ist so, wie die Wähler ihn wollen. Und wenn sie es anders haben wollen, können sie es auch ändern: Die Alternativen sind da, sie sind medial präsent und wählbar, und sie bräuchten nur die Stimmen, um sich durchzusetzen.

      Wenn für Jemanden nur als Demokratie durchgeht, was sich so verhält, wie er das für ethisch und politisch richtig hält, dann ist wohl seine Vorstellung davon (und seine Wertschätzung der autonomen Entscheidungsfähigkeit des wählenden Bürgers) eher der von Putin & Co. ähnlich. Ob Sie sich diesen Schuh anziehen wollen, überlasse ich Ihnen.

  • Bananenrepublik ?

    Eher die Anfänge vom Hitler Regime, wie Arnold Schwarzenegger ganz gut vergleicht

    www.youtube.com/watch?v=HvyUnZNE6yc

  • Hmmm. Mag ja irgendwo was dran sein. Aber bei Bildern, auf denen Rechtsextreme und fanatische Verschwörungstheoretiker mit Gewalt in das Palament einer der größten Demokartien der Welt eindringen, wo Menschen sterben und weltweit Faschos und Rassisten ermuntert in die Hände klatschen, fällts mir mehr als schwer, mich über irgendeine Floskel aufzuregen, die mal wieder irgendwo, irgendwer gebraucht hat.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - legt nach:

    “ Bananenrepublik: taz.de/Nach-dem-St...-Kapitol/!5738924/ Darf ich noch Spahnanenrepublik schreiben? (ist abwertend gemeint)“

    kurz - anschließe mich & erteile hiermit:



    Dispens - Wer armes Schwein aus Ahaus is & in der CDU - nó wie alle dort dazu.



    Der hett soran dickes Fell - der braacht



    zu sei CharakterMask kaa weiter Schutz! Wozu?!

  • Der Begriff der Bananenrepublik ist eigentlich noch viel zu harmlos für die Länder, für die er geprägt wurde. Er steht für pseudo-demokratische Regierungsformen in denen eine kleine, korrupte Clique Geld und Macht hat - auch weil sie sich von Konzernen und Regierungen aus dem Ausland bestechen lässt, um das eigene Volk dumm und arm zu halten.

    Tropische Früchte sind dabei nur ein kleiner Ausschnitt der Ausbeutung: Kaffee, Bodenschätze, Tropenhölzer, geschützte Tierarten und nicht zuletzt Drogen dürften eine wichtigere Rolle spielen.

    Ja, die Bananenrepublik steht für post-koloniale Ausbeutung. Aber warum soll so ein griffiger Begriff schlecht oder gar "rassistisch" sein? Ist es nicht vielmehr gut, ein Wort zu haben, das die Zustände so gut auf den Punkt bringt? Warum etwas beschönigen, was so hässlich ist?

    • @Winnetaz:

      Sie haben den Beitrag nicht wirklich gelesen?

  • "Fast alle Statements europäischer Regierungen präsentieren diese Lesart: ... Das sind nicht unsere USA."

    Super. Es gibt also USA, die "unser" sind. Da haben wohl einige die Entwicklung ab dem 4.7.1776 nicht mitbekommen :-)

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "unser" nicht als besitzanzeigendes fürwort, sondern um ein Zugehörikeitsgefühl auszudrücken.



      Sowas wie "mein Dorf", meine Heimat.



      Warum denkt den keiner nach?

      • @Rider:

        "Warum denkt den keiner nach?"

        Eben. Warum denken Politiker nicht, bevor sie reden?

        Das "unser" kann man natürlich auslegen. Und es kommt eben nicht immer so an, wie (vielleicht) gemeint.

        Überhaupt sollten sich Politiker zurückhalten, wenn es um andere Länder geht. Herr Scholz hat sich sogar die Unverschämtheit herausgenommen, den Rücktritt des Präsidenten eines anderen Landes zu fordern. Er ist aber nicht für andere Länder zuständig. Niemand hat ihn dazu bevollmächtigt.

        PS: Um Missverständnissen vorzubeugen. Ich werde T. bestimmt keine Träne nachweinen. Ich bin aber keine amerikanische Staatsbürgerin. Deshalb habe ich nicht die Befugnis, dort Politiker abzusetzen.

  • Diese Ausführungen sind so richtig wie kurzgesprungen. Ja, "Bananenrepubliken" geht auf die beherrschende Stellung von United Fruits in den betreffenden Ländern zurück. Aber nein, diese Stellung war nur das Hintergrundrauschen für das, was der Begriff heute beschreibt, nämlich korrupte, inhärent instabile, von ständigen Revolutionen und Putschversuchen geprägte Staatswesen.

    Hintergrund ist, dass United Fruits nicht nur die jeweiligen Regierungen in der Hand hatte, sondern diese auch regelmäßig fallen ließ, wenn sie nicht mehr spurten. Dann wurde rasch eine inländische Konkurrenz zur noch regierenden Junta aufgebaut, die die Gelegenheit beim Schopf packte, die Bevölkerung aufhetzte und die eifrigsten darunter mit (praktischerweise gerade eingetroffenen) Waffenspenden bestückte. Die vorherige Regierung landete an der Wand, die neue war dann aber auch nicht gerade stabil und entsprechend auf die Gunst des Mäzens angewiesen. Sie konnte aber auch durchaus mal einem "echten" Putsch zum Opfer fallen.

    Wie oft das passiert ist, weiß ich nicht, aber DASS es passiert ist, ist der eigentliche Inhalt des Ausdrucks "Bananenrepublik". Für seine Verwendung ist nicht so entscheidend, ob Big Business die Strippen zieht oder irgendwelche ideologischen Einpeitscher. Wesentlich ist, dass das Staatswesen den Umsturz zur bevorzugten Methode des Machtwechsels entwickelt hat und die Bürger entsprechend selbstverständlich zu den Waffen greifen, wenn sie mit der Politik unzufrieden sind.

    Insofern ist der Vergleich durchaus berechtigt. Und gerichtet ist er nicht auf die Konzerne sondern zum Einen auf das Volk insgesamt, das keine selbstbewusste Demokratie auf die Kette kriegt, und zum Zweiten auf das Fußvolk der Umstürzler, das sich als Kanonenfutter hergibt.

    ps. wie blauäugig zu glauben, ausgerechnet einer der abfälligsten Begriffe, die die USA je hervorgebracht haben, sei vornehmlich kapitalismuskritischer Natur. Echt, Leute... ;-)

    • @Normalo:

      Gut geschrieben! Daumen hoch!

  • An welcher Stelle dies ein rassistischer Begriff ist, ist nicht deutlich geworden. Allein die Mitteilung "Die Banane als Symbol für wilde chaotische Topografien und ihre Bewohner:innen" ist da etwas dürftig und zudem ist diese Verwendung auch falsch, wie nun alle wissen sollten.Weiterhin wirft sich damit die Frage auf, was wilde Topogrfien sind? Berge? Urwald? Djungel? Ein Sammelsurium wechselnder Landschaften? Nein, hier wurde wieder einmal die Rassismuskeule herausgeholt weil es sie gibt und weil sie nützlich zu sein scheint - kann man damit doch immer feste diskreditieren - auch wenn Rassismus bestenfalls nur marginal mit dem Begriff Bananenrepublik zu tun hat - und das schon mit sehr viel gutem Willen zum Zugeständnis und ganz weit hergeholt.



    Nein, Bananenrepublik ist kein rassistischer Begriff. Es ist ein Synonym für chaotische, politische Zustände, frei jeder demokratischer Grundlage, und das völlig unabhängig von Geographie, Bevölkerung oder Kultur - nicht mehr und nicht weniger.

    • @Lars B.:

      Sie verharren offenbar in Abwehrhaltung und womöglich hat die Rassismuskeule auch Sie getroffen. Wo kommen in Ihrer Betrachtung denn die Konzerne (wie United Fruits), deren Eigentümer*innen und die Konsument*innen der Waren vor? Wo liegen die Wurzeln des Begriffes und worauf verweisen sie also indirekt?

      • @Uranus:

        Das kann ich Ihnen verraten. In der Ausbeutung und Unterdrückung der dort arbeitenden Bevölkerung bei gleichzeitiger Gefügigmachung der Regierung durch Geld. Und das, das mag Sie jetzt überraschen, völlig(!) unabhängig einer ethnischen Zugehörigkeit der Menschen. Es ist allein die Möglichkeit und Gelegenheit der Nutzung, besser Mißbrauch, der dortigen sozialen Strukturen und Machtverhältnisse - mehr ist da nicht hinter.

  • Aus meiner Sicht ist es eher umgekehrt: Weil der Begriff Bananenrepublik für ein Land wie die USA verwendet wird, verliert er seine rassistische Konnotation. Die ethymologische Herkunft hat dann eben - wie so oft - keine Bedeutung mehr.



    Allerdings ist der Gedanke, dass man ein Verhalten eines Staatschefs wie Trump es an den Tag gelegt hat, in neuerer Zeit vor allem aus Entwicklungs- und Schwellenländern kennt, auch nicht von der Hand zu weisen und keineswegs rassistisch.

  • Vielen Dank für den wichtigen und notwendigen Artikel. Im Prinzip wird ja mit nationalistischen Othering Vokabeln versucht den extremen Nationalismus im Zaum zu halten.

  • Irrtum. "Bananenrepublik" ist kein "mitleidiger Ausdruck für abhängige und korrupte Ländern"

    So haben nur schon immer bigotte, wohlstandsverwahrloste und chauvinistische Metropolengesellschaften rezipiert, was immer schon anders war: "Bananenrepublik" ist die Bezeichnung für ein Staats- und Gemeinwesen, das sich mächtige (internationale) kapitalistische Renditeinteressen zur Beute machen. Da gibt es halt die Handlanger, die Profiteure und die Organisatoren. Letztere sitzen seit über 500 Jahren in Europa, schliesslich auch in den von Europa aus exportieren Dependancen. Wie es die USA sind. Wie es Südamerika ist. Und kolonisieren den unwilligen und unbegabten Urwaldbewohner.

    Bananenrepublikanischer Anteil an der bundesdeutschen Verfasstheit ist somit wie schon immer:



    1.) Die Vorstellung man habe irgendjemand "die Kultur" (gemeint ist: Kulitiviertheit) gebracht.



    2.) Selber ein Grundbuch- und Eigentumsrecht haben, das der organisierten Kriminalität, der Geldwäsche, des Diebstahls Tür und Tor öffnet, weil auf vielerlei Weise weder der tatsächliche Eigentümer, noch der eigentliche wirtschaftliche Nutzniessers eines Renditestroms öffentlich und als Person kenntlich gemacht werden muss.

    Bisschen mehr Geschichtsbewusstsein wäre sehr hilfreich. Wir waren nämlich schon mal weiter in der Analyse der Verhältnisse. Als das sich der ortsansässige Einwohner sich IN DIESEM SINNE beleidigt fühlen müsste.



    Er ist es vielleicht gar nicht. Und es ist ihm scheissegal, ob irgendein menschlich bewegter Gymnasiast versichert, er wolle ihn ja nicht beleidigen und ein gutes Menschenskind mit ihm sein.



    Er ist beleidigt, weil er von den Abgesandten desjenigen beleidigt wird, die bloss niemand beleidigen wollen. Aber dem Chauvinsimus gar nicht an die Wurzel gehen. Der Kolonialismus hat eine lange, strukturell vielfach nicht gebrochene Geschichte. Das ist nicht Schuld. Das ist Erbe. Dafür müssen wir es erst kennen wollen.

  • Und wieder einmal rettet ein Kulturwissenschaftler die Welt,



    indem er einen Sprachtotalitarismus von links einführen will, dessentwegen wir uns wegen der Verwendung des Wortes "Bananenrepublik" schämen sollen, anstatt die echten Faschisten von rechts im Kampf um die Deutungshoheit und letzlich auch auf der Straße effektiv zu bekämpfen.

    Wird die TITANIC uns Rettung?



    www.stuttgarter-na...6.original1024.jpg

    Ich hör' mir jetzt jedenfalls erst mal Boomtown Rats, Banana Republic,



    youtu.be/OfMwWLnpgGw



    an,



    aber wenn mir noch ein paar mal solche Sozialwissenschafts-Savonarolas mir per Exkommunikation den Mund verbieten, muss ich



    —eher widerwillig—



    meine Energie dazu verwenden, diese Feinde der Offenen Gesellschaft,



    und des dazu nötigen offenen Diskurses ohne Sprach- und Denkverbote,



    zu bekämpfen, obwohl es eigentlich schon mehr als genug Feinde der offenen Gesellschaft von rechts und von neoliberal gibt.

    • 2G
      27871 (Profil gelöscht)
      @Tatzelbrumm:

      Stellen Sie

      sich___________mal.vor

      man kann sich ...

      wegen der Verwendung des Wortes "Bananenrepublik" schämen

      UND

      die echten Faschisten von rechts im Kampf um die Deutungshoheit und letzlich auch auf der Straße effektiv bekämpfen.

      mAN KANN AUCH cURRYWURST ESSEN UND GLEICHZEITIG bIER TRINKEN;

      ASLO

      OHNE VORHER DIE cURRYWURST RUNTER ZU SCHLUCKEN:

      uNGLAUBLICH ABER

      WAHR

  • Das größte Problem von uns linken ist es, zu glauben, die Sprache sei unser größtes Problem...

    • @Vincent Braun:

      Das stimmt doch nicht. So etwas glaubt kaum jemensch. Nur: unwichtig ist Sprache auch nicht. Wie auch die Verhältnisse gehört auch das Medium verändert, was sie widerspiegelt.

    • 9G
      97075 (Profil gelöscht)
      @Vincent Braun:

      Nichts Neues bei uns Linken....



      Der Artikel ist hochinteressant und gut recherchiert, Aber wie man auf die Idee kommen soll, dass "Das aktuelle Drama in den USA ist ein Ausnahmefall, nur ein Ausschnitt der Realität in fernen, uns unvertrauten Ländern, in denen es wirklich schlimm zugeht" sein soll ist mir schleierhaft. Die Konnotation des Begriffes "Bananenrepublik" ist für vermutlich > 90% der Bevölkerung ein Land/Staat in dem Korruption und Bestechlichkeit vorherrschen, deren Rechtssystem nicht funktioniert, wirtschaftliche oder politisch-moralische Verhältnisse von Ineffizienz und Instabilität geprägt sind und/oder in denen staatliche Willkür herrscht.



      Und ich denke, auf diesem Weg sind die USA schon ziemlich weit fortgeschritten...

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Vincent Braun:

      Zumal wenn der Begriff Bananenrepublik im Zusammenhang mit den Machenschaften der United Fruit Company geprägt wurde und Antikapitalistischer nicht sein kann

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Der Begriff könnte antikapitalistisch umgedeutet bzw. sich angeeignet werden - vorherrschend verweist der Begriff allerdings auf die zugerichteten Staaten und nicht auf die Machenschaften der United Fruit Company.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Bananenrepublik geht auf die Minions zurück. Das hat nichts mit Mittelamerika zu tun, das aber in großen Teilen aus Bananenrepubliken besteht.

  • Ja, Chiquita-Methoden haben sich weltweit durchgesetzt. Wird Kapitalismus genannt, macht horrende Schulden und fördert eine Handvoll Milliardäre.

    • 2G
      27871 (Profil gelöscht)
      @Kappert Joachim:

      Ich lebe in diesem Kapitalismus auch nicht schlecht, wie übrigens nahezu fast alle meine Bekannten und Verwandten.

      • @27871 (Profil gelöscht):

        Was wollen Sie damit ausdrücken? Stolz darüber oder Verantwortungsbewusstsein dafür oder ... dass Sie davon profitieren?

  • Ich liebe Sachkenntnis und Hintergrundwissen. Danke für den Kommentar.

  • Ist der Begriff tatsächlich - wie in der Unterüberschrift geschrieben - rassistisch? Daran habe ich erhebliche Zweifel. Dieser umschreibt eher abwertend ein bestimmtes politisches System, welches insbesondere durch staatliche Willkür und Korruption geprägt ist. Ein solches System kann überall auf der Welt auftauchen.

    • @DiMa:

      "Ein solches System kann überall auf der Welt auftauchen."



      Richtig. Nur, wer hat die Verhältnisse initiert, die anhand "Bananenrepublik" bezeichnet wird? Was wird aber mit dem Begriff bezeichnet? Warum nicht Krautrepublik? Korruption gibt es auch hier, wird unter anderem Lobbyismus genannt ...

      • @Uranus:

        "wer hat die Verhältnisse initiert, die anhand "Bananenrepublik" bezeichnet wird? Was wird aber mit dem Begriff bezeichnet? Warum nicht Krautrepublik?"

        Es gibt mit dem Begriff "Bananenrepublik" eine Bezeichnung, die relativ allgemeinverständlich den Sachverhalt betitelt.



        Warum jetzt neue Vokabeln einführen, die im Zweifelsfall nur die Debatte vernebeln, weil keiner mehr so genau weiss, wovon eigentlich gerade die Rede ist?

        • @Encantado:

          Weil mensch rassistische und kolonialistische Sprache vermeiden sollte.

      • @Uranus:

        Wenn Deutschland irgendwann vom Export von Sauerkraut derart abhängig werden sollte, dass andere hierdurch unsere Politik bestimmen können, dann können wir gerne Ihren Vorschlag vertiefen.

        Wesentlich aktueller sind Wirtschaftsgüter wie Gold, Kobalt, Kupfer, Diamanten, Öl, Kohle und Soja (ggf. könnte man noch Kaffee, Kakao und Bekleidung hinzu zählen).

        Bleibt die ursprüngliche Gretchenfrage: Wieso sollte der Begriff rassistisch sein?

        • @DiMa:

          Das steht doch im Artikel. US-Konzern United Fruits hat südamerikanische Länder ausgebeutet, wovon westliche Konsument*innen profitieren. Zu ihrem Geschäftsmodell gehörte die Einflussnahme auf Vertreter*innen jener Länder (Korruption). Der Begriff verweist allerdings einseitig auf die Länder nicht aber auf Konzerne und deren Abnehmer*innen und Konsument*innen.

          • @Uranus:

            Den Artikel habe ich gelesen und die von Ihnen nochmals beschriebene wirtschaftliche Ausbeutung der Länder durch Konzerne wird nicht bestritten.

            Das macht den Begriff jedoch nicht rassistisch. Hier fehlt es an einem dem Rassismus ausmachenden diskriminierenden und herabwürdigenden Element.

            Nur weil ich beispielsweise den Kongo als Bananenrepublik bezeichnen würdige ich damit nicht den in Kongo geborenen Menschen herab.

            Und würden Sie den Begriff "Steueroase" dann auch für rassistisch halten. In vielen sogenannten Steueroasen ist schliesslich weit und breit keine Wüste sichtbar. Auch dabei handelt es sich um keine besonders lieb gemeinte Fremdzuschreibung.

    • @DiMa:

      Ich hab den Artikel jetzt mehrfach dazu versucht zu verstehen... nach den angebrachten wechselnden Definitionen im Laufe der Geschichte ist die einzige rassistische konstante die Banane selbst.



      In keiner der Definitionen taucht eine bestimmte Bevölkerung oder gar Rasse auf:



      "Der Name war mehr ein mitleidiger Ausdruck für die Abhängigkeit von korrupten Unternehmenspraktiken als eine Beschreibung der jeweiligen politischen Kultur in diesen Ländern."



      bzw.



      "In den folgenden Jahren wurde die Metapher dann zu einem abschätzigen Wort für unterentwickelte Länder und mafiöse Regierungsstrukturen."



      Wo sich da jetzt der Rassismus versteckt, ist mir nicht klar. Ich bin für Erklärungen offen.

  • Danke für die Erklärungen.

    Besser oder schlechter als "shithole countries"?

    Alles klare Abwertungen.

  • Was genau soll das nun mit "rassistisch" zu tun haben, wird nicht erwähnt.



    Wie wäre es, mit dem Begriff nicht derart unsinnig inflationär umzugehen.

    • 2G
      27871 (Profil gelöscht)
      @Laurenz Kambrück:

      Wenn man ganze Volksgruppen über einen Kamm schert und schlecht dastehen lässt, ist das rassistisch. Das dies inflationär geschieht (und Sie das unsinnig finden), zeigt doch eher, wie wichtig es ist, darauf hinzuweisen.

      Wenn Sie wiederum ein Problem damit haben, dass sich zum Beispiel ein Kolumbianer nicht gerne sagen lässt, in einer Bananenrepublik zu wohnen, dann sollten Sie vlt. mal Ihre Einstellung hinterfragen.

      • @27871 (Profil gelöscht):

        "Wenn Sie wiederum ein Problem damit haben, dass sich zum Beispiel ein Kolumbianer nicht gerne sagen lässt, in einer Bananenrepublik zu wohnen"

        Wer lässt sich das schon gerne sagen?



        Da es hier allerdings um ein Urteil über ein Land anhand bestimmter Charakteristika handelt und eben _nicht_ um eine Bezeichnung oder Abwertung von Bevölkerungsgruppen oder gar Rassen per se handelt, frag ich mich in der Tat, was für Einstellungen hier nun genau vorliegen.

        Welcher Rasse im Lande Kolumbien wohnende Menschen angehören, weiß ich auch nicht so recht.

  • Danke für den sehr informativen, klugen und einleuchtenden Kommentar!!!



    Ein Wurzelzweig der Probleme ist sicherlich die Sprache, ein anderer die in den USA (und auch bei uns in der EU) gewählte Steuer- und Umverteilungspolitik.



    Habe dazu gerade das Buch "Der Triumph der Ungerechtigkeit" von Emmanuel Saez und Gabriel Zucman gelesen.



    www.suhrkamp.de/bu...el_saez_42935.html



    Auch sehr klug, sehr einleuchtend.

  • 2G
    27871 (Profil gelöscht)

    "Wo liegen aber diese Bananenrepubliken?"



    In Lateinamerika. Denn diese Länder stehen nicht nur für beeindruckende Beispiele für den Widerstand gegen die Dominanz der Vereinigten Staaten, sondern noch vielmehr für Unterdrückung, Diktatur, Militärregierung, "mafiöse Regierungsstrukturen".



    Selbstverständlich ist die Bezeichnung abschätzig gemeint, allerdings wird sie auch meist von Menschen gebraucht, die zumindest meinen, demokratisch eingestellt zu sein, und nicht von Menschen, die eher eine Diktatur bevorzugen.