Gas-Projekt Nord Stream 2: Ist die Pipeline noch zu stoppen?
Für Streit sorgt die Gas-Pipeline Nord Stream 2 schon lange. Sie nach der Vergiftung des Regimekritikers Nawalny zu beenden, ist aber nicht einfach.
Daraufhin hatte die Schweizer Firma Allseas, die die Pipeline mit ihren Spezialschiffen aus einzelnen Elementen zusammensetzt und in der Ostsee versenkt, ihre Arbeit eingestellt. Zwei russische Ersatzschiffe, die hätten einspringen sollen, können derzeit nicht weitermachen: In dänischen Gewässern darf wegen der Laichzeit des Dorschs bis Ende September nicht gearbeitet werden.
Theoretisch ist es also noch möglich, die Fertigstellung der Pipeline zu verhindern, wie es immer mehr PolitikerInnen jetzt als Reaktion auf den Gift-Anschlag auf den Kreml-Kritiker Alexei Nawalny fordern, darunter CDU-Außenpolitiker und Vorsitz-Kandidat Norbert Röttgen ebenso wie die Fraktion der Grünen im Bundestag. Wie genau ein solcher Stopp durchgesetzt werden könnte, bleibt aber unklar.
Denn alle erforderlichen Genehmigungen für den Nord-Stream-2-Bau sind längst erteilt. Werden sie widerrufen, drohen hohe Schadenersatzforderungen der Betreiber, räumt auch der Osteuropa-Experte der Grünen im Bundestag, Manuel Sarrazin, ein. Bisher sind rund 10 Milliarden Euro in den Bau der Pipeline geflossen.
Klage, EU-Gasrichtlinie, Trump
Möglicherweise wird das zuständige Bergamt Stralsund jedoch von einem Gericht gezwungen, die Genehmigung für Nord Stream 2 zu widerrufen: Die Deutsche Umwelthilfe hat Klage gegen die Genehmigung eingereicht, weil sie die Umweltverträglichkeitsprüfung für Nord Stream 2 für unzureichend hält. Wann über den Fall entschieden wird und welche Folgen das Urteil hätte, ist noch offen.
Eine andere Möglichkeit, Nord Stream 2 noch aufzuhalten, bietet die EU-Gasrichtlinie. Sie gilt neuerdings auch für Pipelines, die von außerhalb der EU ins Unionsgebiet führen. Die Richtlinie sieht vor, dass die Bundesnetzagentur Nord Stream 2 vor der Inbetriebnahme genehmigen muss. Das darf sie nur, wenn der Betreiber der Pipeline und der Lieferant des Gases nicht identisch sind.
Nord Stream 2 erfüllt diese Bedingung bisher nicht; der russische Staatskonzern Gazprom ist sowohl Eigentümer der Pipeline als auch Produzent des transportierten Gases. Fünf westeuropäische Unternehmen, darunter die deutschen Energiekonzerne Uniper und Wintershall, beteiligen sich zwar mit jeweils 950 Millionen Euro an der Finanzierung, sind aber formal keine Miteigentümer.
Das sogenannte Unbundling, also die Trennung von Pipeline-Betrieb und Gaslieferung, würde die Situation für Gazprom deutlich komplizierter machen. Doch wenn diese Bedingung erfüllt würde, gäbe es auch über das EU-Recht vermutlich keine Möglichkeit mehr, Nord Stream 2 ohne Schadenersatzzahlungen zu verhindern.
KritikerInnen setzen darum eher darauf, die Pipeline durch politischen Druck zu stoppen. „Es würde einen großen Unterschied machen, wenn Angela Merkel dem Projekt das politische Backing entziehen würde“, meint der Grünen-Abgeordnete Sarrazin. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte am Donnerstag auf Anfrage zwar erneut, bei Nord Stream 2 handele es sich um „ein unternehmerisches Projekt“. Tatsächlich hat die Bundesregierung sich aber intensiv für dessen Zustandekommen eingesetzt.
Die größte Chance, das Projekt noch aufzuhalten, kommt aber weiterhin aus den USA. Das wissen auch die deutschen KritikerInnen der Pipeline. Laut sagen mag das niemand – denn die extraterritorialen Sanktionen, mit denen Präsident Donald Trump gemeinsam mit dem Kongress droht, gelten als Verstoß gegen das Völkerrecht und gefährlicher Präzedenzfall. Doch wenn die USA mit diesen Ernst machen, könnten auch die russischen Schiffe die Pipeline vermutlich nicht mehr retten: Weil die Sanktionen auch für alle Firmen gelten sollten, die die Pipeline unterstützen, dürfte es dann schwierig werden, tatsächlich Gas durch sie zu transportieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Menschenrechtslage im Iran
Forderung nach Abschiebestopp
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod