Kommentar Dobrindts Konservatismus: Alles furchtbar links
In einem Gastbeitrag für die „Welt“ rief der CSUler die „konservative Revolution“ aus. Damit schmeißt er sich erzreaktionär an die Rechtspopulisten ran.
C SU-Politiker Alexander Dobrindt ruft in einem Gastbeitrag für die Welt die „konservative Revolution“ in Deutschland aus. Auf den ersten Blick erscheint das paradox, versteht man konservativ doch meist so: Alles Bewährte soll bitte schön bleiben wie gehabt, vom Fortschritt nur das Angenehmste – eben so, wie die CSU in Bayern Politik macht. Den Ausdruck „konservative Revolution“ aber hat in den 1950er Jahren Armin Mohler geprägt, Apologet der Rechten bis heute, der damit jenen Ideologen Würde verleihen wollte, die die liberalen Werte der Weimarer Republik bekämpften und dafür sorgten, dass Hitler für seine Machtergreifung zumindest auf intellektueller Ebene nicht mehr groß Überzeugungsarbeit leisten musste.
Während der Begriff umstritten bleibt, ist er ein heiß geliebtes Label neurechter Vordenker und Identitärer. Revolutionäre, das klingt ja auch hübsch verwegen, viel besser als zum Beispiel „Wegbereiter des Nationalsozialismus“. Dachte sich das womöglich auch Dobrindt? Wusste der Mann nicht, welche Assoziationen er da aufruft? Oder war es ihm egal?
Im Grunde ist das unerheblich. Denn auch sonst lässt der Text kaum Zweifel daran, dass seine Idee nicht konservativ ist, sondern reaktionär. Er wettert gegen eine ominöse Allianz aus „Sozialisten, Nationalisten, Ökologisten, Islamisten“ und „linke Meinungsvorherrschaft“ seit 1968. Dass die liberale Medienöffentlichkeit ein Diskursproblem hat, Stichwort Filterblase, dem kann man zustimmen, ebenso wie sich über Political Correctness streiten lässt. Aber: Eine volksferne Elite Linksintellektueller zu beschwören, die sich „Schlüsselpositionen gesichert“ habe – da klingt Dobrindt wie Trump mit Duden. Sein Realitätssinn ist schon mal ähnlich: Seit zwölf Jahren regiert die Union, die AfD sitzt im Bundestag, im Netz und auf der Straße tobt Hass gegen Flüchtlinge. Wirklich alles fürchterlich links dominiert.
Viel interessanter ist aber die Frage, worin also die Revolution bestehen soll. Pensionierte Alt-68er nach Goa abschieben? Oder doch alle mit Fackeln und Mistgabeln zum Kanzleramt? Leider drückt sich Dobrindt um die Antwort. Aber sie lässt sich erahnen: Alle, die nicht wie „wir“ sind, müssen „wir“ entfernen von ihrer Macht. Da grüßt die „Wir holen uns unser Land zurück“-Wahlkampftrompete der AfD, und man möchte sich nicht ausmalen, was mit „holen“ eigentlich gemeint ist, geschweige denn mit „zurück“.
Großer Gefallen an die AfD
Dobrindts Plädoyer für mehr geistige Freiheit will ja in Wahrheit das Gegenteil: identitäre Vereinfachung und antipluralistische Engstirnigkeit. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Aber wer sind „wir“?
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Die Rhetorik spricht für sich: „Heimat und Vaterland sind Wurzeln unserer Identität“, „wenn wir unsere Volksfeste feiern (…), dann spüren wir, dass wir zusammengehören“, in diesem Duktus geht das in einem fort, Migranten tauchen höchstens als Islamisten auf. Da, jetzt fühl mal die Vaterlandsliebe in dir, und wenn da keine ist, dann gehörst du nicht dazu: Das erinnert an den neurechten Ethnopluralismus.
Bislang hat sich noch der konservativste CDUler im Bundestag ein paar distanzierende Worte zur AfD abgerungen. Und Dobrindt? Versucht sich an Populisten-Mimikry, das macht seine Revolutionsformel in voller Länge klar: „Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger. Wir unterstützen diese Revolution und sind ihre Stimme in der Politik.“
Wäre die Ausdrucksweise nicht so höflich, man könnte meinen, hier schriebe Alice Weidel über Pegida. Die Umsturzfantasien der AfD zu kapern, noch dazu mit einer solchen Deutschland-muss-Bayern-werden-Schmonzette, rettet weder Demokratie noch Landtagswahl. Rechte Narrative werden hier nicht umgewidmet, sondern bis in die Mitte verbreitet und dort verfestigt. Insofern ist Dobrindts Text nicht nur naiv, sondern auch ein großer Gefallen an die AfD. Ein konservativer Offenbarungseid.
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