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Arbeitgeber wie aus dem UrkapitalismusBoykottiert die Gorillas

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Startups wie der Lieferdienst Gorillas setzen voll auf Wachstum – und zuletzt auf gute Arbeit für ihre Fahrer. Zeit, die App zu löschen!

Protest vor der Berliner Firmenzentrale von Gorillas Foto: picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

E s ist ein Ärgernis für ein aufstrebendes Unternehmen, dass es zur Profiterwirtschaftung auch auf die Dienste von Ar­bei­te­r:in­nen angewiesen ist. Insbesondere im Tech-Bereich, bei Unternehmen neuer Dienstleistungsbranchen, ignoriert man das daher nur zu gerne. Da hat man also etwa die bahnbrechende Idee, mit der Auslieferung von Lebensmitteln bis an die Haustür unverschämt reich zu werden, denkt aber ausschließlich ans Marketing, an Investorenaquise und den Konkurrenzkampf mit dem halben Dutzend anderer Startups, die komischerweise genau dieselbe Idee hatten.

Woran als letztes gedacht wird, sind die Fahrer:innen. Man hat sich nicht darum geschert, wettergerechte Kleidung und taugliche Räder zur Verfügung zu stellen, hat sich niemals gefragt, wie viel Kilo ein Rider auf seinem Rücken tragen kann oder wie eine fehlerfreie Abrechnung für die prekär Beschäftigten funktionieren kann. Warum auch: Im Zweifel sind das alles nur Kostenfaktoren.

So richtig groß wird das Ärgernis mit den Angestellten erst, wenn diese anfangen sich zu wehren. So ist es bei Gorillas geschehen. Seit Monaten organisieren sich dort die Rider. Sie versuchen, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern und untereinander solidarisch zu sein. Das Unternehmen hat sich das eine Weile angeguckt und versprochen, besser zu werden – um dann Anfang der Woche auf einen Schlag etwa 300 Fah­re­r:in­nen vor die Tür zu setzen. Gefeuert wurden alle aktiven Kolleg:innen, die sich zuvor an spontanen Streiks und Blockadeaktionen an den Auslieferungszentren beteiligt hatten.

Ausbeutung wie im 19. Jahrhundert

Das ach so hippe Unternehmen ist damit im Ausbeutungskapitalismus des 19. Jahrhunderts angekommen, als die Rechte von Ar­beit:in­nen noch gar nicht zählten. Ob es rechtlich mit den Kündigungen durchkommt, werden Gerichte klären. Wichtiger aber ist: Bei den Kunden darf so ein Ausbeuterladen nicht durchkommen. Wer sich von den Gorillas hat fangen lassen, spätestens jetzt ist der Zeitpunkt die App zu löschen und auf die Dienste von Gorillas zu verzichten. „Boycott Gorillas“, diese Forderung kommt inzwischen von den aktiven Ridern selbst.

Neben Gorillas konkurrieren noch eine Handvoll anderer Anbieter um das abstruse Geschäft der Gurkenlieferung um Mitternacht. Der Weg in die Profitzone ist für alle noch weit, am Ende werden sich wohl – ähnlich wie bei Leihrädern – nur ein oder zwei als Marktführer durchsetzen. Die Kun­d:in­nen können dafür sorgen, dass nur jene Anbieter übrigbleiben, die ihre Angestellten anständig behandeln. Es wäre ein schöne Lektion für all die zukünftigen Gründer, von Anfang an die Interessen ihrer Ar­bei­te­r:in­nen mitzudenken.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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40 Kommentare

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  • Komplexes Thema.



    Gesetzgeber, Arbeitgeber, Konsumenten, sie alle haben Anteil daran, dass solche Arbeitsbedingungen möglich sind.



    Aber reden wir mal über einen von Konsumenten ausgehenden Boykott.



    Menschen sind prinzipiell bequem, wollen billig und sind aber auch markenhörig (Markenware ist nicht billig, da spart man halt woanders).



    Beispiele: bekannter brauner Zucker-Palmölpampenbrotausfstrich. Ernährungstechnisch Müll, überteuert, mit detlich ökölogisch und inhaltlich besseren Konkurrenzprodukten am Markt, aber...



    Oder ein gewisser großer schweizer Lebensmittelkonzern, der sejr bekannte Marken voller merkwürdiger Zusatzstoffe anbietet, die man genau genommen gar nicht braucht und mit einer Wasserstrategie weltweit, die auch uns auf die Füße fallen könnte.



    Egal, denn auf MEINE Marke verzichte ich nicht, auch wenn die Katzenbabies verarbeiten, basta!



    Genauso wollen eben viele nicht auf billige Lieferdienste verzichten. Dabei ist es eben egal, unter welchen Bedingungen da garbeitet wird.

  • Endstadium Kapitalismus. Sklaven radeln durch die Gegend damit profitgeile Börsianer maximalen Profit rauslutschen können über eine "hippe, neureiche" Stadtbevölkerung, die zu faul zum Einkaufen ist.

  • Am Ende werden 1-2 Marktführer übrig bleiben.



    Nöö evtl wird am Ende wird gar keiner übrig bleiben es sei den die Auslieferung geschieht ohne Personal mit Drohnen oder so.



    Wenn das Personal gut verdienen soll,die Firma denn auch operativ Gewinn erwirtschaften soll wird der Preis pro Lieferung so hoch sein(8-10€) das es für den Spontaneinkauf unattraktiv wird da wird das Angebot dann wirklich bloß noch in einiegen weniegen Gebieten mit wohlhabender Bevölkerung aktiv sein.



    Spezialisten wie Getränkelieferungen werden gehen da kaum einer die Bierkästen noch tragen will, aber die Dienstleistungen kosten dann halt auch ihren Preis.

  • stell dir vor ...jeder app inhaber in berlin

    bestellt drei tage hintereinander immer wieder zwei rollen klopapier bei gorillas.

    der spuk hätte schnell ein ende.

  • Ob nun der Lieferdienst Gorillas oder der Lieferdienst Lieferando; man weiß doch, dass da nur die Fahrradkuriere ausgebeutet werden.

    ***Wie Lieferando Restaurants und Fahrer ausnutzt | heute-show vom 12.03.2021 *** www.youtube.com/watch?v=wAwIR1CEqP0

    Demnächst wird es in der heute-show wohl etwas über den Lieferdienst Gorillas geben. So ist das aber nun einmal im Kapitalismus. Die einen werden reich mit der Ausbeutung von Menschen und die anderen sind die Ausgebeuteten, die nur die Wahl haben zwischen "Hartz IV Schikane" oder "Arbeitssklave".

    • @Ricky-13:

      "... die nur die Wahl haben zwischen "Hartz IV Schikane" oder "Arbeitssklave"."

      Ein wichtiger Gedanke. Wahrscheinlich wäre ohne das Zwangssystem Hartz IV diese Form der Versklavung nicht so reibungslos möglich.

      Und ich befürchte, dass das den Jamaika Postenschiebern ziemlich egal ist.

  • Finde das ja sehr gut das sich die taz dafür einsetzt, aber sehen wir der Realität ins Auge. Genau wie beim Tierwohl reden alle nur davon immer das richtige tun zu wollen und mehr zu zahlen, am Ende ist es aber nur 1% der dies tut. Es wird sich ganz einfach der billigere Anbieter durchsetzen und am Ende interessiert es niemand, dass andere dafür leiden. Selbiges gilt für Amazon, die Fleischindustrie, die Landwirtschaft und so weiter. Die Gesellschaft ist Konsumgeil, alles in Massen, schnell und günstig.

  • Okay, hat sich der Autor auch einmal Gedanken darüber gemacht, was so eine Boykott-Forderung für die Rider bedeutet, mit denen er versucht, sich zu solidarisieren?



    Ich bin selber gerade Rider in einem Hamburger warehouse und kann auch nicht ganz Verständnis für die Streikenden aufbringen: Mit 10,50€/Std verdient nicht sehr viel, aber immer noch mehr als Mindestlohn, also besser als bei Lieferando, Domino's, etc. Es gibt keine Bargeldzahlung, ergo ein Risikofaktor weniger gegenüber anderen Fahrradkurier-Arbeitgebern. Man kriegt ein (zugegeben nicht besonders gutes, wenn auch teures) e-bike gestellt, muss also nicht wie bei lieferando die eigene Mühle treten. Und wenn gerade nicht viel los ist, stört es niemanden, wenn du vorm Laden am Handy hängst und ne Kippe rauchst oder was auch immer. Bei welchem Arbeitgeber kann man sich sowas erlauben?



    Wenn aber hier jetzt allgemein zum Boykott aufgerufen wird, wirkt sich das wirklich auf uns rider aus: Wir kriegen weniger Trinkgeld, das uns wirklich den Job versüßt. Also wenn jemand uns etwas Gutes tun will: einfach mal n tip geben, dann ist es auch nicht so frustrierend, in den 4. Stock geklettert zu sein.



    Das Verhalten von Gorillas gegenüber den Streikenden in Berlin ist definitiv kritisch, aber dazu wurde schon genug gesagt.

  • Auch die Arbeitenden sollten in der hochgelobten freien Marktwirtschaft einen Marktwert haben, über den sie ihre Löhne aushandeln. Immerhin werden auch von Klitschen wie Gorrillas Dienstleistungen hier in Deutschland vor Ort erbracht und nicht im billigeren Bangladesh oder in Nordkorea, da dürfte die vom Unternehmer oft beschworene Abwanderung zur Konkurrenz wohl eher nur fiktiv sein.

    Wichtig ist natürlich ein Organisationsgrad der "Rider" von Gorillas oder anderen Lieferfirmen, der die eigene Marktmacht artikulieren kann. Das muss keine verschnarchte DGB-Gewerkschaft sein, die ohnehin seit über 20 Jahren jede Neoliberale Sauerei mitgemacht hat, aber die unter jungen Leuten eigene Coolness, die nicht mehr zwischen individueller Jobgestaltung und (Selbst-)Ausbeutung unterscheiden kann, befördert leider o.a. Ausbeutungsmodelle. Das gilt übrigens für viele andere StartUps.

    Ja, eine Verbesserung der eigenen Bedingungen kann schmerzhaft sein, aber anders wird es wohl kaum gehen.

  • Gorilla verhält sich da extrem dumm, wenn die Silberrücken dort solchen medial Aufsehen erregenden Kahlschlag betreiben. Ich sag mal die extensive Waldwirtschaft, schleichend zersetzend, ist ein Union-Busting a la Aldi & Co.

  • Mal ganz grundsätzlich gefragt:



    Welche zwingenden Gründe sprechen eigentlich dagegen, dass Menschen ihre Einkäufe selbst erledigen, indem sie ihre Lebensmittel in einem Laden, Markt oder Supermarkt erwerben??

    ..oder wenn es dann doch mal aus irgendeinem Grund unumgänglich sein sollte: Warum müssen die benötigten Lebensmittel dann ganz schnell innerhalb von 10 Minuten geliefert werden??



    Droht sonst der Hungertod - oder was?

    Der Anspruch auf anstrengungslose sofortige Bedürfnisbefriedigung hat seinen Preis.



    Entweder ich bin bereit und in der Lage den über den Warenpreis selbst zu zahlen, oder den Preis zahlt - wie im Kapitalismus üblich - das lohnabhängige Personal von dem ich mich bedienen lasse.

    • @Bürger L.:

      Ich finde es ist eine sehr persönliche Entscheidung, ob man sich Lebensmittel liefern lässt und sehe dafür die Gründe. 4-Stunden-Zeitfenster am nächsten Tag wie das viele Konkurrenten anbieten, sind v.a. im Homeoffice okay. Warum das Zeug in zehn Minuten da sein muss, erschließt sich mir wirklich nicht.



      Aber natürlich sollten Lieferant*innen - egal ob für Lebensmittel, Pizza oder Kleidung - vernünftig bezahlt werden. Ich wäre absolut bereit, dafür zu zahlen und denke, unter den entsprechenden Arbeitsbedingungen könnte das auch ein durchaus akzeptabler Nebenjob für Studierende sein.

    • @Bürger L.:

      Quintessenz: Was geht mich fremdes Leid an. Den Preis bezahlen andere - Perfekt!

      • @zeroton :

        Nee, das ist wie mit des Kaisers neue Kleider. Startups sind in der Regel keine gemeinnützigen Organisatoren.



        Es sind ganz einfach Unternehmen die Gewinne erwirtschaften wollen - und wenn es sein muss auf Kosten der Mitarbeiter*innen.



        da können die sich noch so fantasievolle Namen geben und ich kann den Chef auch Silberrücken nennen. Die Mechanismen im Kapitalismus gelten auch da.

        Meine Frage zielt nur darauf ab, inwieweit mein eigenes Verhalten die Ausbeutung fördert.

        • @Bürger L.:

          Die letzte Antwort ,wurde gelöscht, ging in etwa so: Der Verbraucher war ja auch gemeint.



          Vll. könnte @taz mal bei solchen Aktionen ne Begründung liefern. Willkür macht da gar keinen guten.

        • @Bürger L.:

          "Es sind ganz einfach Unternehmen die Gewinne erwirtschaften wollen - und wenn es sein muss auf Kosten der Mitarbeiter*innen."



          Sicher Kapitalismus basiert auf Lohnausbeutung. Kollektivbetriebe gibt es leider verschwindend gering. Die allermeisten Unternehmen gehören nicht den Arbeiter*innen. Gewinn bzw. Kapitalrendite ist der den Arbeiter*innen vorenthaltene Lohn.

  • Anstand muss man sich leisten können. Vermutlich ist die Marge so knapp, dass nur Selbstausbeutung oder Sklavendienst das Unternehmen über Wasser hält.

    • @TazTiz:

      Es sollten Spenden für die armen Kapitalist*innen und höheren Angestellten gesammelt werden. Die sind bestimmt noch ärmer dran als die Rider und andere einfache Angestellte/Arbeiter*innen.



      /Sarkasmus/

    • @TazTiz:

      Dann ist die Geschäftsidee Müll.

      Genau hier muss die Politik Linien ziehen.

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Zeit, die App zu löschen-. Ein bißchen daneben. Dies entspräche, etwa bei dem Lokführer-Streik, die Bahnkunden aufzufordern die Bahn nicht mehr zu benutzen. Es hilft nur sich in Gewerkschaften zu organisieren und darüber Druck auszuüben. In den 60ern war dies selbst für 14- jährige Lehrlinge klar.

    • @97287 (Profil gelöscht):

      Nein, das ist nicht das Gleiche. Es geht nicht darum, ob gestreikt wird, sondern wie die Arbeitsbedingungen sind. Und da unterscheiden sich Gorillas und Bahn dann doch gewaltig.

      • 9G
        97287 (Profil gelöscht)
        @PPaul:

        Die Arbeitsbedingungen in den Küchen und bei Amazon, in den Pflegeeinrichtungen und den Tiefbauunternehmen, sind auch nicht wesentlich besser.

    • @97287 (Profil gelöscht):

      Grundsätzlich richtig. Aber in den 60ern gab es Vollbeschäftigung mit Mangel an Arbeitskräften> "Gastarbeiter".



      Heute gibt es einen Überschuß an Ungelernten bzw. Billiglohnkräften. Für jeden Streikenden stehen mindestens zwei Arbeitssuchende zur Verfügung.

  • Bisschen sehr polemisch. Frage mich, ob der Autor auch nur eine Person kennt, die bei Gorillas arbeitet..für viele nicht-weiße, nicht-deutschsprechende Arbeitssuchende bietet Gorillas definitiv auch Aufstiegschancen und überhaupt erstmal ne Möglichkeitauf nen sozialversicherungspflichtigen Job zu bekommen..ich würd mal den Ball nen bisschen flacher halten und vllt nicht nur auf die Streikenden schauen..btw, bei Foodora damals mussten die rider ihre eigenen Fahrräder benutzen, wenn was am Rad kaputt ging, mussteste selbst für aufkommen..hat auch niemanden geschert..

    • @Gold:

      Das sehe ich auch so. Anders wäre es, würden die organisierten Rider öffentlich zu einem Boykott aufrufen.

      • @Jim Hawkins:

        Siehe Artikel, ich zitiere:



        "„Boycott Gorillas“, diese Forderung kommt inzwischen von den aktiven Ridern selbst."

        • @Uranus:

          Schon, aber man weiß nicht, ob das vereinzelte Stimmen sind oder ein im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten gefasster gemeinsamer Beschluss.

          Die anarchistischen Genossinnen und Genossen der FAU scheinen mehr auf Arbeitskampf zu setzen:

          www.fau.org/artike...ht-ab-bei-gorillas

          Das ist eben immer so eine Sache mit dem Boykott.

          Will man nicht nur das eigene Gewissen beruhigen, muss man die Bedürfnisse der Betroffenen mitdenken.

          Außerdem, wann gab es einmal einen großen Boykott, der zum Ziel führte?

    • @Gold:

      (...bei Foodora damals mussten die rider ... hat auch niemanden geschert ...)

      Aha, weil mein mordender Nachbar die Leichen seiner Ehefrauen in seinem Keller verbuddelt, darf ich das dann alles auch? Nein.

    • @Gold:

      Ah, der erste Gorillas-Teamleiter meldet sich.

  • Und wenn alle boykottieren sind die rider arbeitslos. Dann könnten sie doch auch gleich kündigen...

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Reisehank:

      Selbst ohne triftigen Grund kündigen = ALG2-Sperre. (Ich glaube kaum das die hier vorgebrachten Argumente zählen)

      Eine Kündigung muss man sich leisten können.

  • Letztlich ist der Ansatz Unternehmen mit ethisch fragwürdigen Geschäftspraktiken durch Konsumverweigerung zu einer Veränderung zu bewegen auch nur eine Variation des Glaubenssatzes daran, dass der Markt das schon regeln wird. Aber auch auf diese Weise idealistisch gewendet funktioniert das nicht oder nur höchst selten. Der letzte Fall eines erfolgreichen Konsument*innenboykotts der mir einfällt war der von Shell wegen der geplanten Versenkung der Brent Spar-Plattform; das war aber schon 1995 und zudem auch nur im Rahmen einer groß angelegten Kampagne möglich.



    Das Maß der Ausbeutung in den Unternehmen wird sich immer an der Untergrenze des noch so eben gerade Erlaubten orientieren weil es einen Wettbewerbsvorteil bringt. Deshalb führt es zu Nichts Appelle und - mangels Masse letztlich leere - Drohungen an Firmen zu richten die genau so agieren wie es innerhalb einer freien Marktwirtschaft erwartbar und logisch ist. Solange solche Arbeitsbedingungen legal sind wird es sie auch geben, deshalb wäre es Sache der Politik für Veränderung zu sorgen.

    • @Ingo Bernable:

      Da es offenbar breiten Rückhalt für eine wirksame Boykott-Kampagne braucht, wäre es doch klug zu diesem beizutragen und nicht dagegen anzuarbeiten - a la "bringt nichts". Hätte sich sonst Erik Peter oder die TAZ auch denken können: "Bringt nichts, warum denn drüber berichten?" Sicherlich ändert eine solche Kampagne nichts an den Strukturen. Das ist hier aber vornehmlich auch nicht das Ziel sondern die Kampagne soll Arbeitskampf voranbringen in Hoffnung auf konkrete bessere Arbeitsbedingungen bei Gorilla.

      • @Uranus:

        Ok, dann boykottier ich die ab jetzt. Das fällt mir auch gar nicht schwer weil ich da eh nichts bestellen würde. Damit hab die meine Marktmacht als mündiger Konsument nun mal so richtig spüren lassen, da kann ich mich nun ja so richtig als Aktivist fühlen und hab den Ridern damit bestimt total geholfen.



        Alternativ könnte man natürlich auch mal darüber nachdenken, dass die strukturellen Gründe für das Elend eben kein Spezifikum von Gorillas sind, sondern systemimmanent und, dass es deshalb für eine wirkliche Verbesserung der Verhältnisse eben auch andere Strategien und Ansatzpunkt braucht.



        Einen Boykott "auf konkrete bessere Arbeitsbedingungen bei Gorilla" auszurichten sehe ich demgegenüber skeptisch auch wenn es gut gemeint ist, ist einfach absehbar, dass im Erfolgsfall sofort das nächste Start-Up mit gerade reichlich vorhandenem Private Equitiy-Kapital die entstehende Lücke besetzen wird und das Spiel von vorne losgeht.

        • @Ingo Bernable:

          Sicher, das eine ist Organisierung, das andere Systemkritik. Wobei sich beides verbinden ließe bzw. verbunden werden sollte. Die FAU bspw., als (anarcha)syndikalistische Gewerkschaft, ist dem Ansatz ja relativ nahe. An sich ist ein solches Unterfangen wie Systemveränderung schwierig umzusetzen bzw. schwer hierfür Mitstreiter*innen zu finden, wie richtig und wichtig dies auch andererseits wäre.

  • Für mich ein Paradebeispiel wieviel die einst hart erstrittenen Arbeitnehmerrechte heut' noch wer sind.

    Aber wenn die verhängbaren Strafen für Sozialbetrug, Unterschreiten des Mindestlohns, Arbeitszeitbetrug (durch den Arbeitgeber) und diverse Verstösse gegen Arbeitsschutzvorschriften grademal die Portokasse belasten ist das ein Verdienst der Politik bzw. der Politiker und Politikerinnen die ja ach so gern' unsere Stimme bekommen würden.

  • Gibt es ein Ranking, wie gut (oder vielleicht: weniger schlecht) solche Läden ihre Mitarbeiter*innen behandeln?

    "Freier Markt" verlangt schliesslich Transparenz!

    • @tomás zerolo:

      Ja, wäre schön interessant, wer da jetzt die Alternativen sind, die ihre Angestellten anständig behandeln.