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Agrarunternehmer über Bauerndemos„Protest in die falsche Richtung“

Sein Biohof beteilige sich nicht an den Bauerndemos, sagt Agrarunternehmer Bernhard Weßling. Denn diese würden sich gegen nötigen Umweltschutz richten.

Blühstreifen als Lebensraum – eine lohnende Investition? Foto: Marius Bulling/imago
Jost Maurin
Interview von Jost Maurin

wochentaz: Herr Weßling, der Bauernverband will in den kommenden Tagen „nadelstichartige“ Aktionen organisieren, weil der Haushaltsausschuss des Bundestags zugestimmt hat, die Subvention für Agrardiesel zu streichen. Warum macht Ihr Hof da nicht mit?

Bernhard Weßling: Weil die Proteste in eine vollkommen falsche Richtung gehen. Für den Bauernverband ist die Frage der Rückerstattung der Dieselsteuer nur ein Aufhänger dafür, die sowieso nur geringfügige Erhöhung der Umweltstandards zurückzudrehen. Das ist bei der „Wir haben es satt“-Demo am Samstag in Berlin ganz anders.

Was halten Sie von der Subvention von Diesel für Traktoren?

Gar nichts, denn sie subventioniert einen klimaschädlichen Kraftstoff. Auch wir in der Landwirtschaft müssen noch stärker darauf achten, mit möglichst wenig Diesel auszukommen.

Wie denn?

Mittelfristig sicherlich auch durch Elektrotrecker. Dass es die noch nicht gibt, ist nicht unsere Schuld. Wenn die Agrardieselsubvention wegfällt, steigen die Anreize, solche Alternativen zu entwickeln.

Aber das wird doch noch Jahre ­dauern.

Ja, so lange müssen wir mit Diesel arbeiten. Man kann möglicherweise sparen, indem man Fahrten besser organisiert.

Im Interview: Bernhard Weßling

Der 72-jährige promovierte Chemiker ist einer von drei geschäftsführenden Gesellschaftern des Kattendorfer Hofs 25 Kilometer nördlich von Hamburg.

Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke zeigt sich jetzt offen für Biodiesel aus Pflanzen als Alternative. Er könnte steuerlich begünstigt werden. Eine gute Idee?

Da bin ich 100 Prozent dagegen. Das ist erstens eine Verschleuderung von Lebensmitteln und Verschwendung von knapper Ackerfläche. Und zweitens ist das mit Blick auf die Energieeffizienz alles andere als nachhaltig.

Wie viel Dieselsteuer wird Ihrem Hof jedes Jahr erstattet?

11.000 Euro. Bei einem Umsatz von ungefähr 1,7 Millionen Euro.

Bedroht es die Existenz Ihres Betriebs, dass die Subvention wegfällt?

Nein. Die meisten Bauern benötigen das nicht, um existieren zu können. Für die wenigen, bei denen das anders ist, sollte man eine zeitlich begrenzte oder alle zwei, drei Jahre zu überprüfende Härtefallregelung einführen. Aber unser Hof ist trotzdem in seiner Existenz bedroht, weil uns – beginnend mit dem Ukrainekrieg und dem Anstieg der Inflation – Kunden verloren gegangen sind. Manche kaufen jetzt nicht mehr unsere Biolebensmittel, die teurer sind als konventionelle.

Wie lässt sich die Position von umweltfreundlicheren Höfen stärken?

Am liebsten natürlich über faire Lebensmittelpreise, die honorieren, dass wir die Bodenfruchtbarkeit, die Biodiversität und die Grundwasserqualität verbessern. Aber solche Preise sind utopisch. Deshalb müssen die Agrarsubventionen anders verteilt werden. Die Landwirtschaft sollte nicht wie bisher über den Diesel und vor allem die Fläche gefördert werden, sondern über ökologische Leistungen. Der Bauernverband muss endlich aufhören, so eine Reform zu verhindern.

Wofür konkret sollte es Geld geben?

Etwa für das Anlegen von Blühstreifen. Dort können sich Insekten entwickeln. Oder dafür, dass die Äcker kleinteilig sind. Wir haben schma­le Ackerstreifen von normalerweise 4,9 Hektar. Diese Kleinteiligkeit ermöglicht zusammen mit einer sechsjährigen Fruchtfolge eine große Artenvielfalt. Wenn Sie bei uns im Frühjahr und Sommer durch die Äcker gehen, sehen Sie Vögel wie in einem Naturschutzgebiet. Dafür bekommen wir schon eine geringfügige Förderung, aber der Umfang muss viel größer werden.

Agrarminister Cem Özdemir von den Grünen will eine Tierwohlabgabe oder -steuer auf Fleisch durchsetzen. Damit könnten die Bauern eine tierfreundlichere Haltung finanzieren. Wie sehen Sie das?

Das ist ein interessanter Ansatz. Das Geld würde den Bauern den Umbau der Tierhaltung in Richtung mehr Tierwohl ermöglichen. Das hat die Expertenkommission unter Leitung des ehemaligen CDU-Landwirtschaftsministers Jochen Borchert ja schon vor vier Jahren vorgeschlagen.

Dann müssten die Verbraucher aber mehr bezahlen.

Beim Tierwohl-Cent reden wir ja nur über zum Beispiel 40 Cent Aufschlag für das Kilogramm Schweinefleisch. Aber grundsätzlich: Wir sind in Deutschland am Ende von Europa, was den Anteil der Lebensmittelkosten an den monatlichen Haushaltsausgaben betrifft. In Italien und Frankreich etwa ist er viel höher.

Ist das sozial?

Das ist wieder eine andere Frage, wie man einen sozialen Ausgleich macht. Aber ganz bestimmt doch nicht dadurch, dass die Bauern keine fairen Preise bekommen, nur weil es auch einen Anteil von 10 bis 15 Prozent der Menschen gibt, die höhere Lebensmittelpreise nicht bezahlen könnten. Warum sollen die Bauern, wie es auf den Plakaten steht, ruiniert werden, damit Aldi, Rewe und Konsorten Discounterpreise erpressen können und dann riesige Landwirtschaftsindustrie-Firmen unsere Böden kaputt machen, damit die Lebensmittelpreise für alle niedrig sind? Wie kann das nachhaltig sein?

Was können die Bauern selbst tun, damit sie bessere Preise für ihre Produkte bekommen?

Wir produzieren auf unseren 450 Hek­tar außer Obst und Eiern quasi alles, was man zum Leben braucht. Das vertreiben wir zu nahezu 100 Prozent direkt an Konsumenten. Erstens über den Weg der solidarischen Landwirtschaft. Das heißt, wir haben etliche Mitgliedergruppen, die einen sogenannten Ernteanteil abonnieren. Dafür können sie sich dann jede Woche aus Lagern, die wir befüllen, ihre Lebensmittel abholen. Der zweite Weg ist: Wir haben sieben eigene Hofläden, fünf davon in Hamburg. Das sehen wir auch als eine strategische Möglichkeit für kleine oder mittelgroße Bauern, sich unabhängig vom Großhandel zu machen. Dadurch bekommen wir die Marge, die sonst der Handel kassiert. Wir halten nichts davon, auf den Großhandel und die Discounterketten zu schimpfen, wenn man eben stattdessen selbst vermarkten könnte.

Können das nur Betriebe machen, die große Städte in der Nähe haben?

Das sind schon eine ganze Menge. Es sollen auch die Betriebe machen, die nah an kleinen Städten mit zum Beispiel 30.000 Einwohnern liegen. Da wird man vielleicht nicht alle seine Produkte vertreiben können, aber vielleicht ein Drittel. Und wenn ein Hof nicht alle Lebensmittel anbieten kann, könnte er sich mit Nachbarn zusammentun, vielleicht auch als Vertriebsgenossenschaft.

Ihr Betrieb ist für schleswig-holsteinische Verhältnisse ziemlich groß. Das mögen viele nicht, oder?

Wir sind in jeder Hinsicht schon eher ein großer Betrieb, aber nicht zu vergleichen mit industriellen, die beispielsweise 5000 Hektar haben. Wir betreiben Ackerbau und Viehzucht auf 450 Hektar, aber alles ist Pachtland. Uns gehört das Land nicht. So gesehen sind wir auch wieder ein Kleinbauer. Denn was machen wir, wenn die im Durchschnitt auf 20 Jahre befristeten Pachtverträge nicht verlängert werden?

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39 Kommentare

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  • "Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr" (Felix zu Löwenstein). Die konventionelle Landwirtschaft zerstört, außer intakten Lebensräumen, vor allem die Böden. Das kann man vor allem schon in den USA uns auch Australien nachweisen, aber hier natürlich inzwischen auch. Wenn diese Art der Landwirtschaft weitermachen will wie bisher, dann wird sie sich selbst zerstören.

  • Geht doch 🎩

  • "Biodiesel aus Pflanzen als Alternative... Da bin ich 100 Prozent dagegen"

    Bisher impliziert dies nur dass dort auf dem Hof der Diesel alternativlos zu 100% aus Fossilien stammt.

    • @Rudolf Fissner:

      "Biodiesel" ist nicht "bio", sondern wird mit enormem Aufwand an chemischem Dünger (fossile Quellen) und Pestiziden erzeugt, verursacht drastische Schäden an der Bodenfruchtbarkeit, im Grundwasser, Bodenerosion, und ist Mißbrauch von fruchtbarer Erde, die für Lebensmittelerzeugung dringend benötigt wird.

      • @Bernhard Weßling:

        Wie genau unterscheidet sich der Anbau von Biodiesel-Raps vom Anbau von Margarine-Raps? Ist letzterer ökologischer?



        BTW: Meines Wissens ist Deutschland noch immer ein Agrarexportland, und Menschen in der Sahelzone helfen Hilfslieferungen an Nahrungsmitteln nur temporär. Nachhaltig würde den Bauern dort eher (a) Wasser helfen und (b) weniger ausländische Konkurrenz.



        BTW2: Die CO2-Bilanz von Biodiesel würde sich sofort verbessern, erfolgte die Bewirtschaftung der Rapsfelder mit Biodiesel.



        BTW3: Meines Wissens ist niemand daran gehindert, Energiepflanzen nach Biorichtlinien anzubauen.

  • @FJOTTA

    Die heilige, sogenannt freie Marktwirtschaft.

    Mieten sind kein Markt solange der Staat Wohngeld zubuttert.

    Sie sind eine Finanzierung der Reichen aus Steuermitteln. Vermutlich ist das auch so gewollt. Sonst hätte der Immobilienfuzzi den Kai Wegner nicht 820k zugesteckt.

  • 1,7 Mio Euro Umsatz bei 450ha und dann bei Bio scheint mir ein kleiner Umsatz zu sein. Die Frage ist ob da die jährliche Agrarförderung (2021 275.000€, 2022 500.000€) mit reingerechnet sind. Das ist schon ein beeindruckendes Unternehmen. Allein die auf der Website aufgeführten Verwaltungsstrukturen in Menschen und Köpfen sind beeindruckend. Sowas wünschen sich wohl andere Landwirte auch mal :-).



    Wie die ganze Arbeit von dem Umsatz bezahlt wird, ist mir unklar. Ich hoffe nicht, dass das alles nur von dem Geld des Chemieunternehmer Dr. Weßling bezahlt wird. Das wäre ja nicht so nachhaltig.

    • @gynnie24:

      Keine Ahnung, was Sie eigentlich sagen möchten, aber schon eine kurze Google-Recherche zeigt, dass 1.7M bei 450ha ein ziemlich guter Wert ist und über dem durchschnittlichen Umsatz in SH liegt (~3500€/ha).

    • @gynnie24:

      moin, Gynnie24. Ja, da ist die Förderung mit eingerechnet. Wir vertreiben fast alles direkt an unsere Konsumenten, aber nicht mit der Hof GmbH & Co. KG, sondern mit der Schwesterfirma Kattendorfer Hofladen GmbH & Co. KG. d.h., der Hof verkauft an die Hofladen KG, die verkauft an die Solawi-Mitglieder und über unsere Hofläden an die Kunden. Unsere insgesamt ca 90 Mitarbeiter(innen) verteilen sich auf Hof und Hofladen KG.

      Daß wir es alles andere als einfach haben, die Jahresabschlüsse über der Nullinie zu halten, ist klar, besonders jetzt in den letzten beiden Jahren, als wegen Inflation und Kostensteigerung etliche Mitglieder und Ladenkunden verloren gegangen sind ... Aber ich zahle nicht ständig drauf, bin ja auch nicht der einzige Investor.

      Dr. Bernhard Weßling

  • "Mittelfristig sicherlich auch durch Elektrotrecker."



    "...Biodiesel aus Pflanzen als Alternative... Da bin ich 100 Prozent dagegen"



    Ja, klar: Lieber aufwendig, teuer und schlecht für die Böden (wg. Bodenverdichtung), als einfach und (relativ) billig. So wird etwas aus der Energiewende...



    BTW: Niemand hindert Herren Weßling daran, Energiepflanzen nach Biorichtinien anzubauen.

    • @sollndas:

      siehe oben meine Antwort an Herrn Fissner

  • 214,00 € im Monat für 20 kg Gemüse und 2,8 kg Fleisch ( kattendorfer-hof.d...l-mitglied-werden/ ), soll das jetzt das Patenrezept zur Rettung der Landwirtschaft sein ?? Super wenn Betriebe so was machen, Super wenn es funktioniert, aber das ist doch keine Blaupause für Alle !! Auch wenn es um die Landwirtschaft geht darf man realistisch bleiben.

    • @Günter Witte:

      doch, es wäre eine Blaupause für alle, wenn auch nicht exakt genau so, wie wir es machen - aber im Prinzip: Direktvermarktung vom Bauern an die Konsumenten

    • @Günter Witte:

      Nicht auch, sondern weil es um die Landwirtschaft geht, muss man realistisch bleiben. Und das macht der Kattendorfer Hof mit seiner Art zu wirtschaften. Und bleibt damit unabhängig von den großen Konzernen, die den Preis diktieren...

      • @Alkionis:

        richtig, danke!

  • Also: wenn die Monatsmieten um 10% runter-, die Lebensmittelpreise um 10% hochgehen, dann ist schon mal allen geholfen. Bis auf einigen wenigen, die wahrlich keine Hilfe benötigen.

    Abgemacht?

    • @tomás zerolo:

      Da gäbe es noch mehr Möglichkeiten:



      KFZ-Steuer nach Protzfaktor, bei reinen Spaßfahrzeugen richtig zulangen sowie bei Malleflügen und Aida-Meervermüllungstouren - vor FDP-Wählern muss man wohl keine große Angst haben, im Gegensatz zu ihren Politikerdarstellern.

    • @tomás zerolo:

      Wohnungen sind Teil der „freien Marktwirtschaft“, nur ein kleiner Teil wird von öffentlicher Hand erstellt und bewirtschaftet. Der Staat kann also nicht über die Miethöhe verfügen. Aber es gibt bedarfsabhängig Wohngeld vom Staat (Steuerzahler:in).



      Die Preise für Lebensmittel bestimmen alle Bürger:innen durch ihre Wahl im Markt selbst mit. Höhere Preise im Lidl oder Aldi nutzen erstmal nur den Eigentümern dieser Märkte. Eine Demo der Verbraucher:innen (oder der Bauern!) vor diesen Märkten könnte allerdings viel Gutes bewirken!

      • @Fjotta:

        "höhere Preise" wäre erst einmal nötig als "höhere Erzeugerpreise" = keine Großhandelsankaufspreise unter den Erzeugerkosten

  • Dieses Interview hätte Herr Maurin auch mit sich selber führen können, da er (1:1) die Antworten bekommen hat die er schon oft benutzt hat. Sehr ausgewogen😂😂

    • @Günter Witte:

      Allein der Aussage wegen: "Der Bauernverband müsse endlich aufhören, so eine Reform zu verhindern." ist das Interview schon sehr zu loben!

      Denn in den meisten Medien und Kommunal-Organen gibt der Bauernverband-Sprech den Ton an. Dabei geht es um Subventionen für Wachstum, Wachstum und Wachstum, während Böden, Gewässer und Biodiversität durch die zunehmende Intensivierung und Industrialisierung der Landwirtschaft immer weiter degradiert werden.

      Die ökologische Landwirtschaft wird vom Bauernverband offen attackiert. Als Argument wird die Sicherung der Ernährung für die Weltbevölkerung herbeigeführt, ohne zu erwähnen, dass auf über 70% der Ackerflächen Tierfutter angebaut wird. Tierfutter für die Massentierhaltung. Billig produzieren und den Großteil des Fleisches in den Weltmarkt pumpen. Dabei verdienen nicht die Bauern, sondern die Großagrarier, die Agrarindustrie und das Investment. Das sind die Zielgruppen des Deutschen Bauernverbands, der derzeit ca. 90% aller Bauern hinter sich weiß.

      Genau hier hört meine Solidarität mit den Bauern auf, denn sie unterstützen einen Verband, der ihre Existenzgrundlage schleichend erodieren lässt und gleichzeitig die Steuerzahler zur Kasse bittet.



      J, es es hört sich gut an, wenn Rukwied und Co sich für die Landwirte aussprechen. Der Deutsche Bauernverband setzt sich aber nur für ein System ein, dass den Großagrariern und Konzernen Vorteile verschafft.

      Ich solidarisiere mich mit den Landwirten der Aktionsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL). Ihr alljährlicher Protest gegen die Agrarpolitik und ihre Forderungen für eine regionale Landwirtschaft „Wir haben es satt“ sind unterstützenswert, weil sie Geld in die Richtung lenken, wo Familienbetriebe existieren können und Leistungen für die Ökosysteme bezahlt werden,

      • @Manzdi:

        Welche Reformen verhindern ?? Herr Wessling möchte ja nicht das System der Ausgleichszahlungen abschaffen, er möchte, natürlich für seinen Betrieb, nur ein größeres Stück von diesem Kuchen. Wenn die Art wie Herr Wessling seinen Hof bewirtschaftet die einzig richtige ist, WARUM braucht er dann mehr Geld vom Staat ???



        Natürlich kann man, oder sollte, über die Ausrichtung des DBV reden, aber was ist die Lösung ?? Viele kleine Gruppen von Landwirten, die der Handel, die Politik, Journalisten nach belieben gegeneinander ausspielen ?? Die Spaltung der Landwirten in gut und böse hilft allen anderen nur nicht den Landwirten selber.

        • @Günter Witte:

          nein, ich möchte nicht für unseren Hof (den ich selbst gar nicht bewirtschafte, sondern meine Mitgesellschafter/innen und Mitarbeiter/innen) ein größeres Stück vom Förderkuchen, sondern



          - entweder ausreichend hohe Lebensmittelpreise (was ich noch für utopisch halte, aus Markt- und politischen Gründen)



          - oder als Ausgleich für fehlende Preise NUR Fördermittel für ökologische Nachhaltigkeitsleistungen

        • @Günter Witte:

          Herr Wessling sagt es meiner Meinung sehr deutlich, welche Reformen er meint.

          Es gibt landwirtschaftliche Betriebe, die wichtige Ökosystemleistungen erbringen (Reduktion von Düngemitteln und Pestiziden, Förderung der Biodiversität durch verschiedenste Maßnahmen). Damit werden deren Lebensmittel teurer, denn es bedeutet mehr Arbeitsaufwand pro Ertragseinheit.



          Damit können diese Betriebe aber nicht mit denen konkurrieren, die ohne diese Ökosystemleistungen wirtschaften.

          Wenn letztere Betriebe nun auch noch mehr Geld über die Fläche erhalten, können sie auch die Discounter beliefern. Die Biobetriebe werden aktuell ihre Waren nicht mehr so gut los, weil die Bürger lieber billig kaufen.



          Ich frage mich auch, warum zahle ich doppelt? Einmal für die teureren Biolebensmittel und einmal indirekt für die Umweltschäden, die durch die intensive Landwirtschaft entstehen?

          Die Reform bestünde nun darin, dass Ökosystemleistungen Pflicht werden, diese aber auch ordentlich bezahlt werden. Für diese Leistungen erhält der Landwirt Subventionen. Er wäre Landwirt und Landschaftspfleger und würde für beides bezahlt werden. Herr Wessling erhielte somit mehr Geld aus dem GAP Säule 2. Das Geld, das für Säule 2 mehr bereitgestellt wird, würde aus Säule 1 verschoben werden.



          Subventionen für die Landwirte ja, die Frage ist nur wofür?

          • @Manzdi:

            richtig, danke; wir leisten jährlich ökologische Nachhaltigkeitsleistung im Wert von 800.000 €, von denen wir nur einen Bruchteil aus öffentlicher Förderung zurück erhalten

            (die Berechnung ist auf meiner Webseite zu finden: www.bernhard-wessling.com)

    • @Günter Witte:

      Es ging im Artikel nicht um „ausgewogen“, sondern im Gegenteil um die Darstellung einer eben auch vorhandenen anderen Stimme.

      Hinweis: Diesel-Subs betragen im Durchschnitt 2.900€/Jahr und Hof. Offensichtlich also geht es bei den „Bauern-Demos“ eher um „wir wollen Pestizide nutzen und Tiere zusammen pferchen wie wir lustig sind, Insekten und Grundwasser-Qualität interessieren uns nicht“-Stimmung. Kein einziger Vorschlag zur besseren Landwirtschaft ist auf den Demos zu hören. Da ist es schon gut, auch mal ne andere Stimme aus der Landwirtschaft zu hören.

      Hinweis: Bio-Sprit (und Gas) ist auch deshalb Unsinn, weil Solar-Panel auf der gleichen Fläche ein Mehrfaches an Energie erwirtschaften. Und im Falle der Hochmontage kann darunter noch Gemüse angepflanzt werden.

      • @Fjotta:

        Es geht bei den Demos eher um die Frage von sinnvoller Agrarpolitik und praktizierbaren Ökoregelungen, und wirtschaftliche Perspektiven wären auch nett.



        Es gibt soviel sinnlosen Detailregelungsquatsch, dass ich darüber Romane schreiben könnte. Die "Hinweise" zur GAP-Förderung sind knapp 200 Seiten, dazu noch die Durchführungsverordnungshinweise. Die meisten Ökoregelungen sind so verkopft, dass das Geld für den Aufwand nicht reicht. Und wenn das Geld nicht reicht, macht man halt zu und dann ist wieder ein Dorf ohne Bauer.



        Ich müsste eigentlich viel mehr Zeit in die Zukunft stecken. Ich sitze aber im Büro und mache Umsatzsteuermeldung und Tierdokumentationen. Bringt uns alle nicht weiter.



        Noch ein Wort zu den Vorurteilen. Ich brauche keine Pestizide, halte sie aber für sinnvoll. Ich pferche meine Tiere nicht ein, würde mich aber freuen wenn es profitable Absatzmöglichkeiten gibt. Bei Insektenschutz und Co. wäre es auch hilfreich, wenn es mal Erkenntnisse und dazu passende Programme gibt. Mein Landhändler bezahlt Blühwiesen nicht.

    • @Günter Witte:

      Vielleicht kommt man auf solche Antworten auch einfach, wenn man recherchiert. Oder glauben Sie. Herr Maurin hat sich das bisher einfach so zurecht gedacht?

  • Das ist der Grund, warum ich mich nicht an der pauschalen Schelte gegen die Bauernproteste beteiligen wollte. Es gibt eben auch verantwortungsvolle Bauern. Und unter den Protestierenden gibt es auch Bauern mit kleinen Höfen, für die es tatsächlich schwer ist.

    Leider ist der Anteil der Bauern, die echt am Klimaschutz interessiert sind, klein. Die Bauern sind traditionell eher CDU/CSU. Das kann man auch an der Zusammensetzung des Vorstand des Bauernverbandes sehen. Und da wundert es nicht, dass die Bauern nicht auf die Straße gingen, als wir CDU-regiert waren, ihren Mund gehalten haben. Zumindest hatten sie ihre Trekker da gelassen, wo sie hingehören.

  • Biolandwirtschaft führt zu schlechterer CO2-Bilanz (?)

    Gemäß einer Studie der IIASA führt eine Umstellung der Landwirtschaft auf Biolandwirtschaft im Endresultat zu deutlich mehr CO2, z.B. weil 40% mehr Fläche für den gleichen Ertrag benötigt wird, und hierdurch mehr importiert werden muss.



    Ich kann die Richtigkeit der Studie nicht beurteilen, aber es liest sich zumindest schlüssig:



    www.derstandard.at...chterer-co2-bilanz



    Und sollte es stimmen (ich hoffe es stimmt nicht) , es wäre fatal.

    • @Rudi Hamm:

      An dem Artikel sind vor allem die Kommentare interessant.

    • @Rudi Hamm:

      Landwirtschaft: 7,4 % der deutschen CO2-Emissionen (2021, thuenen.de). Wesentliche Quellen sind Methan-(Tierhaltung) und Lachgas-Emissionen (landwirtschaftlich genutzte Böden). Enthalten sind die Emissionen aus Biogas-Produktion (Reste-Einbringung in den Boden).

      Da die Emissionen/ha durch Reduzierung der Verwendung von synthetischen Dünger und geringerer Massentierhaltung (vor allem Rind und Schwein, Geflügel geringanteilig) sinken, ist ein Vergleich auf ha-Basis (biokonventionell) eher Propaganda denn brauchbare Bewertungsgrundlage.

    • @Rudi Hamm:

      Lesen Sie das nochmal. Die Studie ist von der Royal Agricultural University. Und es stehen noch einige weitere interessante Dinge darin.

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Ich wünschte, die Mehrheit der deutschen Landwirte würde hinter Weßling‘s Forderungen stehen. Auch konventionell produzierende Betriebe hätten da gute Möglichkeiten zur Veränderung.



    Klar zu bennenen, das der deutsche Bauernverband selbst seit Jahrzehnten existenzielle Veränderungen von Art und Strukur der deutschen Landwirtschaft verhindert, ist allemal gut.



    Leider glauben viele, trotz erdrückender Faktenlage, eher den inhaltsleeren Parolen der Bauernverbände.



    Leider haben auch die Grünen haben hier im Bund und in den Länder versagt und enttäuscht.



    Gut das es wenigstens die EU gibt. Sonst hätten wir nicht einmal die zahnlose Gülleverordung…

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Das Problem ist nicht die Erkenntnislage des Bauers. Das Problem ist das Politikangebot. Solange ich gerade soviel Geld verdiene um mich und meine Mitarbeiter zu bezahlen, tue ich mich schwer für ein Dankeschön Biodiversitätsleistung zu erbringen. Mit Weizen und Tierhaltung Geld zu verdienen, ist schon schwer genug. Für Stillegung, Blühflächen und ähnlichem gibt es nur Taschengeld von Brüssel und Bund. Einzig kleine Programme aus den Bundesländern ermöglichen etwas Potential.



      Seit 10 Jahren heißt es der Bauer soll Naturschutz als Betriebszweig etablieren können. Leider gibt es keine Rechnungsadresse dafür. Die Politik schafft den Markt nicht.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Interessant ist die Frage, wie lange es



      dauert, dass ein Betrieb, der von konventioneller auf ökologische Bewirtschaftung umstellt, die



      Bioläden- oder Demeter Zertifizierung



      erhält, er also eventuell über Jahre



      geringere Erträge erhält aber nicht den Mehrwert zertifizierter Bioprodukte.



      Gebt es spezielle Hilfen für diesen Zeitraum?

      • @Hubertus Behr:

        Gestern habe ich eine Dokumentation über ein junges Paar gesehen, die alles in die Gründung eines Bio-Bauernhofs investiert haben, mit vollem Risiko. Nach ca. vier Jahren Kampf mit den Behörden und Warten auf Genehmigungen ging das Projekt den Bach runter und die Beziehung in die Brüche - die Agrarindustrie weiß sich zu wehren.

      • @Hubertus Behr:

        Ja, in den ersten Jahren gibt es doppelte Bioförderung.

  • Danke!!!