113 Erstunterzeichnende: Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bis zur Neuwahl bleibt nicht viel Zeit, am Mittwoch aber hat eine Gruppe Abgeordneter im Bundestag Ernst gemacht: Sie haben ihren AfD-Verbotsantrag eingereicht.
Für die Einreichung waren 37 Abgeordnete nötig – 5 Prozent des Bundestags. Die Zahl der Unterstützenden ist nun aber deutlich größer: 113 Abgeordnete gehören zu den Erstunterzeichnenden. Die meisten kommen von den Grünen, 56 Parlamentarier*innen, es folgen 31 Sozialdemokrat*innen, 18 der 28 Linken-Abgeordneten, SSW-Mann Stefan Seidler, aber auch sieben Abgeordnete der CDU. Zu letzteren zählen die frühere Migrationsbeauftragte der Bundesregierung Annette Widmann-Mauz, Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas oder der Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter.
Andere Parteiprominente, die den Antrag unterstützen, sind Ralf Stegner oder Bau-Staatssekretärin Elisabeth Kaiser von der SPD. Bei den Grünen sind es Kulturministerin Claudia Roth, Anton Hofreiter, Katrin Göring-Eckardt, Michael Kellner, Janosch Dahmen oder mit Ekin Deligöz auch hier eine Staatssekretärin. Von den Linken ist Fraktionschefin Heidi Reichinnek dabei, die auch Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl ist.
„Unsere Forderung liegt jetzt auf dem Tisch im Bundestag“, sagte Wanderwitz der taz. „Wir müssen diese wirkmächtige rechtsradikale Partei der im Grundgesetz vorgesehenen Prüfung des Bundesverfassungsgerichts unterziehen. Es geht um nicht weniger als unsere freiheitliche Demokratie.“
Auch die Linken-Abgeordnete Martina Renner, die zu den Initiatoren um Wanderwitz gehört, bestätigte die Einreichung des Antrags. „Ich freue mich über die stetig wachsende Unterstützung unter den Abgeordneten. Die sicherlich auch damit zu tun hat, dass die AfD schon wieder eine Rolle in einem Rechtsterrorkomplex spielt“, sagte Renner der taz. „Immer mehr Kolleg*innen sehen ihre Verantwortung, die Demokratie und die Menschen in diesem Land vor der Gefahr zu schützen, die von dieser Nazi-Partei ausgeht.“
In dem Antrag der Abgeordneten heißt es, die AfD wende sich „gegen zentrale Grundprinzipien“ der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie stelle die Menschenwürde von Migranten, Menschen mit Behinderungen und denen mit nicht heteronormativer Sexualität unverhohlen infrage. Sie strebe einen völkischen Staat an und bagatellisiere NS-Verbrechen. Sie beschäftige mehr als 100 Rechtsextreme allein im Bundestag und sei in Teilen ein „verlängerter Arm autoritärer ausländischer Regime“. Und sie mache die freie Presse und andere Parlamentarier*innen verächtlich.
Der Antrag bräuchte eine Mehrheit der 733 Abgeordneten
Mit dem Verbotsantrag soll eine Prüfung vor dem Bundesverfassungsgericht in die Wege geleitet werden, ob die AfD verfassungswidrige Ziele verfolgt – es wäre die Grundlage für ein Verbot. Dafür bräuchte der Antrag im Bundestag eine einfache Mehrheit der aktuell 733 Bundestagsabgeordneten – die bisher noch nicht absehbar ist. Die Erstunterzeichnenden aber werben nun um weitere Unterstützer*innen.
Die Fraktionsspitze der Union um Friedrich Merz aber lehnt den AfD-Verbotsantrag ab, die SPD-Fraktionsspitze um Rolf Mützenich hält ihn zum jetzigen Zeitpunkt für zu früh. Das BSW ist komplett gegen das Vorhaben, die FDP ebenso. Und auch bei den Grünen gibt es eine kleine Gruppe um Renate Künast und Irene Mihalic, die Bedenken anmeldete und einen Alternativantrag formuliert hat: Der Bundestag solle zunächst eine Materialsammlung zur AfD bei den Sicherheitsbehörden anfordern und erst auf dieser Grundlage über einen Verbotsantrag entscheiden.
Zudem hatten die AfD-Verbotsbefürworter Hoffnung auf eine Ankündigung von Bundesverfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang gesetzt: Dieser wollte bis Jahresende verkünden, ob eine bundesweite Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextreme“ Vereinigung erfolgt. Das fällt nun aus: weil mit der Neuwahl die Entscheidung zu nah an den Wahltermin rücken würde und ein Verstoß gegen die Chancengleichheit der Parteien wäre. Und weil Haldenwang aus dem Amt ausgeschieden ist – und Bundestagskandidat der CDU in seiner Heimatstadt Wuppertal wird. Bundesinnenministerin Nancy Faeser teilte am Mittwoch mit, dass der 64-Jährige deshalb ab sofort die Amtsgeschäfte ruhen lassen wird.
Die Verbotsbefürworter hatten zuletzt aber betont, dass die Gefahr der AfD für Demokratie inzwischen zu groß sei, um noch länger mit dem Antrag zu warten. Sie verwiesen etwa auf die jüngsten Festnahmen von acht terrorverdächtigen Rechtsextremen in Sachsen – unter denen drei AfD-Lokalfunktionäre waren. Nach taz-Informationen sollen auch drei weitere Aktive der Parteijugend, der Jungen Alternative, unter den Beschuldigten sein. Wann der Antrag im Bundestag debattiert und abgestimmt werden kann, ist noch offen – und auch, ob beides tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode möglich ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“