Julia Klöckner und die Medien: Postfaktische Presseschau
Julia Klöckner bestreitet, taz mit Nius verglichen zu haben – dabei gibt es sogar Aufnahmen von der Rede. Von der Politikerin ist man leider nichts anderes gewohnt.
B undestagspräsidentin Julia Klöckner hat ein Problem mit der Wahrheit. Das jüngste Beispiel dafür: Das Wahlkreisbüro der CDU-Politikerin hat dem Mediendienst kress.de zufolge dementiert, dass sie bei einem Sommerfest der Partei in Koblenz Mitte August einen „direkten Vergleich“ zwischen dem rechtspopulistischen Propagandaportal Nius und der taz gezogen habe. Demnach hat sich Klöckner „nie wörtlich auf Nius bezogen“. Auf die Frage der taz, ob sie nun die Zeitung und Nius verglichen habe oder nicht, antwortete Klöckner am Donnerstag nur ausweichend.
In Wirklichkeit muss die Antwort lauten: Ja, hat sie. Das bezeugen nicht nur der leitende t-online-Redakteur Lars Wienand und SWR-Journalist Eric Beres, die beide an dem Fest in einem Firmengebäude von Nius-Geldgeber Frank Gotthardt teilnahmen. Das beweist auch ein Ausschnitt aus der Rede, den das SWR-Fernsehmagazin „Zur Sache Rheinland-Pfalz“ am 21. August zeigte.
Darin äußerte sich Klöckner folgendermaßen: „Jetzt sagen wir mal die taz. Die kennen Sie ja alle, auf dem linken Spektrum. Die vertritt das sehr linke Spektrum. Viel linker natürlich als das Medium, in das Herr Gotthardt investiert, das ist genau auf der anderen Seite. Aber in der Methodik sind sich beide nicht so sehr unähnlich“.
Zwar benutzte Klöckner da nicht das Wort „Nius“. Aber aus dem Zusammenhang ist klar, dass sie das Portal meinte. Denn schon vorher hatte es kritische Medienberichte darüber gegeben, dass Klöckner an dem Fest auf dem Gelände einer Firma von Gotthardt, „dem Finanzier“ von Nius, teilnehmen würde. Und Gotthardt investiert in Deutschland auch nicht in irgendein anderes prominentes Medium. Oder will Klöckner jetzt allen Ernstes behaupten, sie meinte das österreichische Online-Boulevard-Medium exxpress, bei dem Gotthardt ebenfalls engagiert ist? Bei einer Rede vor der deutschen CDU in Koblenz, in der sie die deutsche taz erwähnte? Das glaubt wohl nicht mal Klöckner selbst. Und dann grenzt ihr Dementi an eine Lüge.
Klöckners Spiel mit „alternativen Fakten“
Von der Rheinland-Pfälzerin ist man leider nichts anderes gewohnt. Im April 2020 beispielsweise behauptete sie – damals noch als Bundeslandwirtschaftsministerin – ohne Angaben von Quellen, ein rumänischer Erntehelfer sei entgegen Medienberichten nicht an Covid-19 gestorben, sondern an einem Herzinfarkt.
Die zuständige Behörde widersprach zwar, Fragen der taz nach Belegen ließ Klöckner aber unbeantwortet. Der Ministerin passte es nicht ins Konzept, dass der Rumäne wegen Corona ums Leben gekommen war. Denn Klöckner hatte sich dafür eingesetzt, dass Zigtausende Erntearbeiter trotz der Infektionsgefahr während der Pandemie nach Deutschland reisen durften.
Ebenfalls in ihrer Zeit als Ministerin bestritt Klöckner, dass sie dafür gekämpft habe, Lebensmittelimporte mit besonders gefährlichen, in der Europäischen Union verbotenen Pestiziden zu ermöglichen. Dabei hatte ihr Ministerium in einem Schreiben an die taz eingeräumt, es setze sich „für eine risikoorientierte Bewertung“ ein – also für eine Zulassung von Nahrungsmitteln mit Pestizidrückständen in angeblich harmloser Dosis.
Nach der Konfrontation durch die taz lieferte Klöckner zwar sogenannte ergänzende Fakten nach, die ihrer ursprünglichen Aussage widersprachen, aber das Statement selbst widerrief sie nicht eindeutig und ausdrücklich. Das erinnere „an die ‚alternativen Fakten‘ von Donald Trump“, sagte ein Umweltschützer damals der taz.
Bis heute online ist auch Klöckners Twitter-Post von März 2024, wonach Israel keine Hilfslieferungen für Gaza blockiere. Tatsächlich haben zahlreiche Berichte das Gegenteil bewiesen, in dem Palästinensergebiet grassiert der Hunger.
Aber Klöckner ist die Wahrheit egal, wenn sie ihren Machtinteressen im Wege steht.
Mit Desinformation trägt sie dazu bei, dass immer mehr Politiker und einschlägige Medien nicht mehr nach der Wahrheit streben, dass sie nicht mehr ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen erledigen, sondern bewusst lügen. Moral spielt dann keine Rolle mehr. Dieser Verfall der politischen Kultur wird aber keinesfalls der CDU nützen, sondern der Bundestagspartei, die am wenigsten Anstand hat: der AfD.
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