Bundeswehr: Rühren Sie sich, liebe Wähler*innen! Auf zum Veteranentag
Deutschlands Soldatentum verdient unsere Dankbarkeit. Die Zeichen stehen nun einmal auf Militarisierung. Da kommt eine Parade gerade recht.

A ch-tung! Stillgestanden, liebe Leser*innen! Hacken aneinander, Fußspitzen in einem Winkel von circa 60 Grad nach außen drehen, zack, zack, denn diesen Sonntag ist zum ersten Mal Veteranentag: der Termin, an dem wir uns in Reih und Glied, ich meine in freiheitlich-demokratischer Grundordnung aufstellen und unisono unsere spontane Dankbarkeit für das deutsche Militär zeigen. Wertschätzung und Anerkennung für eine harte, aber notwendige Aufgabe, Sie verstehen.
Aber Moment, fragen Sie, warum eigentlich nicht ein Tag der Müllfrauen und -männer? Oder ein Paketbot*innentag? Oder gerne auch ein Ehrentag für diese Krankenpfleger*innen und andere Gesundheitsschuftende, die noch heute von dem steuerfreien Applausbonus zehren, den wir ihnen in der Hochphase der Coronapandemie großzügig gespendet hatten? Falsche Frage, Zivilist*in!
Wir meinen doch nicht Anerkennung für arbeitende Menschen, die eine harte, aber lohnende Tätigkeit für die Gesamtgesellschaft leisten, Sie naive*r Lumpenpazifist*in! Haben Sie sich mal durch die Besoldungstabellen des Arbeitgebers Bundeswehr gescrollt? Und dann zum Vergleich in vergleichbaren Aufstellungen für Krankenpfleger*innen oder Angestellte der städtischen Müllentsorgung gestöbert?
Glauben Sie mir: Wen das nicht überzeugt, sich zum Dienst an der Waffe zu verpflichten, statt ein Leben lang im blauen Kittel in Zehnstundenschichten durch Krankenhausgänge zu hetzen oder bei Minusgraden respektive in der Augusthitze überquellende Mülleimer durch enge Hauseingänge zu hieven, den wird bei der Berufswahl auch die Info „Hat einen eigenen Paradetag“ nicht überzeugen.

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Nein, es geht um eine Anerkennung ganz anderer Art: Zivilist*innen wie Sie sollen nämlich endlich anerkennen, dass Krieg für eine prosperierende Volkswirtschaft nun einmal nötig ist – denn anders als bei der Müllentsorgung oder Krankenpflege will das anscheinend einfach nicht so recht in diese pazifistisch verseuchten Gehirne. Damit haben also auch Sie als Wähler*in eine harte, aber notwendige Pflicht: für Aufrüstung und Militarisierung stimmen, selbst wenn es sich falsch anfühlt.
Und was hilft besser, den moralischen Kompass neu zu kalibrieren, als ein Ehrentag mit viel Pathos und rührendem Tamtam! In diesem Sinne: Ach-tung! Rührt euch!
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