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Sprachverbote auf Palästina-DemosDeeskalation sieht anders aus

Hanno Fleckenstein
Kommentar von Hanno Fleckenstein

Im Umgang mit Palästina-Demos haben die Berliner Behörden jedes Maß verloren. Sprachverbote sorgen nicht für eine Befriedung der Lage – im Gegenteil.

Nach einer Stunde aufgelöst: Palästina-Demo am Samstagnachmittag in Berlin-Schöneberg Foto: Maurizio Gambarini/imago

E s kam, wie es kommen musste: Nach nur einer Stunde erklärte die Polizei am Samstagnachmittag eine propalästinensische Kundgebung auf dem Wittenbergplatz für beendet und schubste und zerrte verharrende Teil­neh­me­r*in­nen weg. Was war passiert? Ein Redner hatte Hebräisch gesprochen, De­mons­tran­t*in­nen hatten palästinensische – also arabischsprachige – Musik abgespielt sowie Sprechchöre auf Arabisch angestimmt. Das klingt unspektakulär, war aber verboten.

Denn die Versammlungsbehörde hatte im Vorfeld strenge Auflagen erlassen. Alle Sprachen außer Deutsch und Englisch waren für Reden, Parolen und Musik tabu. Die Demonstration durfte nicht laufen, sondern musste an einem festen Ort stattfinden. Außerdem gab es eine Trommelquote: Pro hundert Teil­neh­me­r*in­nen war nur ein Perkussionsinstrument erlaubt.

Begründet wurden die Einschränkungen mit einer „Vielzahl an Straftaten bei solchen Versammlungen in der Vergangenheit“, Anlass dürfte aber vor allem Kritik an der Polizei nach einer ähnlichen Demo vor rund einer Woche gewesen sein. Dort war Medienberichten zufolge auf Arabisch zum Mord an Juden aufgerufen worden, doch die Be­am­t*in­nen vor Ort bemerkten das offenbar nicht. Erst im Nachhinein wurden Ermittlungen aufgenommen.

Nun hat die Polizei es sich also leicht gemacht. Des Arabischen nicht mächtig? Einfach verbieten! Als die Demonstrierenden dann am Samstag diese Auflage missachteten, trat durch das gesprochene arabische Wort eine „unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ ein, wie es im Polizeijargon heißt. Die Polizei sah sich „gezwungen“, die Versammlung aufzulösen.

Die Polizei dreht an der Eskalationsspirale

Doch das ist der völlig falsche Weg. Es ist ohnehin schon fragwürdig, warum die Berliner Polizei nicht in der Lage ist, genügend sprachkundige Be­am­t*in­nen oder Dol­met­sche­r*in­nen einzusetzen, um Äußerungen in weit verbreiteten Fremdsprachen zu übersetzen. Doch dann als Reaktion auf einzelne mutmaßlich strafbare Äußerungen kurzerhand ein pauschales Sprachverbot zu verhängen, zeigt erneut, dass die Behörden im Umgang mit Palästina-Demos jegliches Maß verloren haben.

Mehr noch: Mit den überharten Auflagen dreht die Polizei selbst kräftig an der Eskalationsspirale. Denn die Eingriffsschwelle der Be­am­t*in­nen ist niedrig, nahezu jeder Regelbruch führt sofort zu einer Maßnahme. Die Verbote sorgen dadurch nicht für eine Befriedung der Lage, im Gegenteil. Es gibt mehr Zwischenfälle, mehr Gewalt.

Es steht zu befürchten, dass die Kundgebung am Samstag nicht die einzige bleibt, die so schnell beendet wird. Eine Polizeisprecherin hat bereits angekündigt, dass die Sprachverbote „bis auf Weiteres“ auch für künftige Palästina-Demos gelten sollen. Ein fatales Signal. Trauer und Wut werden dadurch auch weiterhin unter Generalverdacht gestellt – eine Erfahrung, die palästinensische Menschen in Deutschland seit Jahrzehnten machen.

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Hanno Fleckenstein
Redakteur taz.berlin
Redakteur für Innenpolitik im Berlinteil. Seit 2021 bei der taz, zuerst als freier Mitarbeiter und Text-Chef in den Ressorts Inland, Wirtschaft+Umwelt, Meinung und taz.eins. Hat Politikwissenschaft und Publizistik in Berlin und Maskat (Oman) studiert.
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12 Kommentare

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  • Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut unserer Verfassung. Gleichzeitig gibt es ein Diskriminierungsverbot. Sprachen auf Demos pauschal zu verbieten scheint mir in dieser Hinsicht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar zu sein.

  • "..... nahezu jeder Regelbruch führt sofort zu einer Maßnahme. "



    Ja!! Wozu sind Regeln sonst da?



    Die Einhaltung der den Demonstrierenden bekannten Regeln durch die Polizei als Eskalation zu bewerten halte ich schon für dreist.

  • Nach all den zurückliegenden feindseligen Vorkommnissen ist es eine gute Idee Englisch und Deutsch als Sprache einzufordern. Transparenz ist gefragt! Ich kann Hanno Fleckenstein überhaupt nicht zustimmen. eine Demonstration soll ja auch von den Passanten verstanden werden können.

  • "... warum die Berliner Polizei nicht in der Lage ist, genügend sprachkundige Be­am­t*in­nen oder Dol­met­sche­r*in­nen einzusetzen," Das ist beine sehr eigenartige Sicht! Wenn man Argumente hat , dann sollen diese auch so vorgetragen werden, dass alle Teilnehmenden der Demo diese verstehen. Nicht nur Polizist*innen verstehen kein arabisch oder hebräisch, sondern z.B. ich auch nicht, - ein Hindernis wenn ich mich hätte über die Beweggründe der Demo schlau machen wollen.



    Außerdem, falls es einem/r auffallen würde, was dort gesagt wird, was soll dann passieren? Soll er/sie auf der Demo Knöllchen verteilen?



    Die Sprach-Auflagen waren im Vorfeld bekannt!

    Das Demonstrationsrecht ist wichtig, aber inhaltlich müssen Demos mit unserem Grundgesetz vereinbar sein. Das sind sie m.E. schon dann nicht, wenn es auf Demos Geschlechtertrennung gibt.



    Die Bundesregierung hat es mit ihrer Innenpolitik geschafft, dass ALLE Menschen hier trotz der Geschehnisse am 07 .Oktober 23 in der BRD weitgehend in Frieden leben können.



    (-womit ich die Feindseligkeiten in der BRD besonders gegen Menschen jüdischen Glaubens, nicht relativieren möchte.)

    • @maria2:

      So als Fazit: Der Sinn einer Demo ist es, sich öffentlich zu äußern, in einer Sprache, die für Menschen in diesem öffentlichen Raum am verständlichsten ist. Das ist nun mal die Landessprache!

  • Ich kann mir gut vorstellen, was in Palästinensern vorgeht.



    Sie haben Familienmitglieder und Freunde verloren. Ihre Heimat ist zum Großteil zerstör, und sie müssen ihren Mund halten.



    Wo sie doch am Liebsten ihre Trauer und Schmerz herausschreien wollten. Unvorstellbar. Ich schäme mich für das Verhalten der deutschen Politiker, die angesichts dieser humanitären Katastrophe nichts Anderes einfällt, als Demonstrationen zu unterbinden.

    • @Horst Ulrich Lohmann:

      Sie werden auf Demos in Berlin kaum einen Menschen finden können dessen Heimat der Gazastreifen ist. 99,9% der Teilnehmer waren noch nie dort genau wie deren Eltern und wahrscheinlich inzwischen auch Großeltern.



      Die Demonstranten schreien für gewöhnlich auch nicht ihren Schmerz und Trauer hinaus sondern ihren eliminatorischen Antisemitismus.

  • Ich bin vollkommen konträrer Meinung zum Autor: Es ist absolut zu begrüßen, dass die Polizei sog. propalästinensische Demonstrationen mit Auflagen versieht. Das geschieht ja nicht aus Jux und Dollerei sondern aufgrund einer Vielzahl von negativen Erfahrungen mit ähnlichen Veranstaltungen in der Vergangenheit. Dort wurde immer wider zu Gewalt gegen Israel und Judenhass aufgerufen wie der Autor selbst feststellt. Es ist beschämend, dass das ausgerechnet auf deutschen Straßen wieder möglich war und es ist richtig, dass Maßnahmen ergriffen werden dieser Hetze Einhalt zu gebieten. Die Auflagen waren bekannt und kommuniziert, wenn der Veranstalter nicht in der Lage ist diese einzuhalten, dann kann er schlechterdings die Polizei dafür verantwortlich machen. Bei einem Aufmarsch von Nazis würde der Autor doch sicher auch verlangen, dass sofort eingeschritten wird wenn Auflagen nicht eingehalten werden.

  • Es ist wohl kaum Aufgabe der Polizei, genügend Dolmetscher einzusetzen, damit nicht wieder heimlich zum Mord an Juden aufgerufen werden kann. Es ist auch nicht die Polizei, die eskaliert, sondern Teilnehmer solcher Demos, die regelmäßig solche Mordaufrufe in die Welt setzen und dass das auf Arabisch passiert, hat doch auch nur den Zweck, dass es nicht sofort auffällt. Die übrigen Teilnehmer der Demo scheinen sich an den Aufrufen auch nicht wirklich gestört zu haben und somit haben sich diese Leute die Auflagen selbst zuzuschreiben. Es verwundert übrigens immer wieder, wie gnädig manche Autoren mit diesen Demos ins Gericht gehen. Mordaufrufe bei einer AfD Demo würden wohl ganz andere Artikel nachsichziehen

  • "Es ist ohnehin schon fragwürdig, warum die Berliner Polizei nicht in der Lage ist, genügend sprachkundige Be­am­t*in­nen oder Dol­met­sche­r*in­nen einzusetzen"

    Das ist maximal so fragwürdig, wie warum es die Organisatoren von solchen Demos nicht schaffen, sich bereits im Vorfeld klar von Hamas Sympatisanten zu distanzieren und dann antisemtische Parolen zu verhindern. Am Ende isses nichts Anderes als wie bei den Rechten, Querdenkern, etc. Mit Extremisten in einer Reihe laufen und sich dann über "Sprachverbote" echauffieren. Macht euch mal grade!

  • www.juedische-allg...denhass-in-berlin/

    Scheint wohl angebracht waa?



    Wo sind denn eigentlich die nie wieder ist jetzt demos wenns um solche geschichten geht?

  • Cancel Culture Rebounce. Recht so. Antisemitismus ist keine Meinung.