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Regelung für „Dublin-Fälle“Bundesregierung nimmt Verelendung in Kauf

Ein Gesetz streicht Geflüchteten alle Leistungen, wenn Deutschland nicht für ihren Asylantrag zuständig ist. Dass ihnen Obdachlosigkeit droht? Egal.

Drohende Obdachlosigkeit? Kein Härtefall, findet die Bundesregierung Foto: Arne Dedert/dpa

Berlin taz | Um Geflüchtete loszuwerden, für deren Asylantrag andere Staaten zuständig sind, nimmt die Bundesregierung auch deren Obdachlosigkeit in Kauf. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger zur Umsetzung des sogenannten Sicherheitspakets. Bünger sagt: „Diese Regelung ist nicht nur menschenverachtend, sie zeigt auch die eiskalte Ignoranz gegenüber den Folgen der eigenen Politik.“

Hintergrund des Sicherheitspakets war der Anschlag von Solingen im Herbst 2024, bei drei Personen starben und weitere verletzt wurden. Mutmaßlicher Täter ist der Asylbewerber Issa Al H. Für dessen Asylantrag wäre nach dem Dublin-System eigentlich Bulgarien zuständig. Es folgte eine öffentliche Debatte über verstärkte Abschiebungen dieser sogenannten Dublin-Fälle.

Die Ampelkoalition beschloss schließlich eine Regelung, nach der solchen Geflüchteten die staatlichen Leistungen gestrichen werden können, sofern sie auch tatsächlich die Möglichkeit zur Ausreise haben. Sie erhalten noch zwei Wochen verminderte „Überbrückungsleistungen“, danach gar nichts mehr. Auch eine Unterkunft bekommen sie nicht mehr gestellt.

Bünger wollte mit ihrer Anfrage herausfinden, wie weit die Bundesregierung dabei geht. Sie erkundigte sich, in welchen Fällen eine im Gesetz vorgesehene Härtefall-Regelung gilt. Das Ergebnis: Als besondere Härte gelte nur, was „nicht für alle vom Leistungsausschluss betroffenen Personen typisch ist“. Das sind nur solche Fälle, bei denen „individuelle Besonderheiten hinzutreten, die über die mit dem reduzierten Leistungsumfang typischerweise verbundenen Härten hinausgehen“. Drohende Obdachlosigkeit ist somit kein Grund, von einem Härtefall auszugehen und die Leistungen fortzuzahlen, weil dies ja alle gleichermaßen betreffen kann. Bünger nennt diese Argumentation „besonders zynisch“.

Bundesregierung erkennt kein Problem

Auch wenn die Betroffenen Kinder haben oder sogar selbst minderjährig sind, ist der komplette Leistungsausschluss offenbar möglich. Auch hier greifen laut der Bundesregierung die Sonderregeln erst dann, wenn sie „im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte erforderlich sind“. Bünger dazu: „Wer Schutzsuchende, darunter auch Kinder und Familien, bewusst ins Elend stürzt, handelt weder human noch rechtsstaatlich.“

Die Bundesregierung erkennt dagegen keine Probleme. Man gehe davon aus, „dass Betroffene nicht ohne Leistungen in Deutschland verweilen, sondern – gemäß ihrer rechtlichen Verpflichtung – in den für die Durchführung ihres Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat zurückkehren“. Dort würden sie dann die „ihnen entsprechend der Aufnahme-Richtlinie zustehenden Leistungen erhalten“.

Es ist dieser Mechanismus, auf den die Bundesregierung setzt, um die Geflüchteten zum Gehen zu bewegen. Bünger glaubt nicht, dass das funktioniert. „Das Gegenteil ist der Fall: Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, werden nun durch das Gesetz in die Obdachlosigkeit gedrängt und in völlige Perspektivlosigkeit geschickt.“

Tatsächlich scheinen auch einzelne Landesregierungen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung zu haben. Im Dezember verschickte das in Rheinland-Pfalz zuständige Landesministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration ein Rundschreiben, dass wegen verfassungs- und unionsrechtlicher Bedenken bis zur Ausreise der Betroffenen zumindest immer Überbrückungsleistungen zu gewähren seien.

Die Antwort der Bundesregierung auf Büngers Frage zeigt allerdings auch, dass es in Deutschland derzeit nur sehr wenige Geflüchtete gibt, die von dieser Regelung betroffen sein könnten. Von insgesamt lediglich rund 25.000 Dublin-Fällen in ganz Deutschland sind wiederum nur etwa 6.000 ausreisepflichtig. Bei wie vielen davon die für Dublin-Fälle geltende Überstellfrist schon abgelaufen ist, weiß die Bundesregierung nicht. Danach geht die Zuständigkeit für den Asylantrag automatisch auf Deutschland über.

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6 Kommentare

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  • War das komplette Einstellen der Leistungen nicht vorher (also vor dem Sicherheitsgedöns) schon der Fall, sobald die Betreffenden die Ausreiseaufforderung samt Grenzübertrittsbescheinigung erhalten haben?

  • Man verschließt die Augen vor einem Problem, ist ja nicht das erste Mal während der Ampelzeit. Die soziale Schere geht unvermindert immer weiter auf, viele fallen aus dem System oder können selbst mit Bürgergeld nur durch Tafeln über die Runden kommen. Diese soziale Ignoranz kann man bei einer FDP verstehen, nicht jedoch bei den angeblichen Sozis und auch nicht bei den Grünen. Man nölt lieber über die zu hohe Sozialquote, selbst wenn das stimmt: kommen die vielen Milliarden wirklich auch bei den richtigen an?



    Und wenn man den einheimischen Armen schon nicht hilft, warum dann Flüchtlingen, nach deren Abschiebung und Drangsalierung alle gieren, vielleicht mal von der Linkspartei abgesehen?



    Eine Reform des Sozialstaats, auch der Leistungen für Asylbewerber tut not, den Schwarzen, Gelben und Braunen ist sie nicht zuzutrauen (nur das Niederreissen), die SPD ist im Status-Quo eingemauert, die Grünen bleiben vage. Auch hier schlechte Aussichten, leider.

  • Wie ist das juristisch grundrechtemäßig zu bewerten?



    Gibt es dazu schon Stellungnahmen oder vl. Sachverstand hier im Forum?

  • Es gibt einen generellen Rechtsruck, neuaufflammenden Rassismus im Land.

    Ein neues Treten nach Unten auf "faule" Bürgergeldempfänger.

    Beides wurde von verschiedenen Faktoren begünstigt, unter anderem von der konservativen Presse und den dahinterstehenden wirtschaftlichen Interessen.

    Es ist nicht die Schuld der Ampel, dass sich das gesellschaftliche Klima so gewandelt hat.

    Es ist aber ihre Verantwortung, dass sie mitgemacht hat.

    Sich mit Abschiebungen und gesunkenen Asylzahlen brüstet. Neue Sanktionen beim Bürgergeld feiert.

    Und was hat es gebracht? Die Wahl verlieren sie trotzdem. Da wäre es doch besser, für die eigenen Überzeugungen abgewählt zu werden.

    Für mich sind SPD und Grüne auf absehbare Zeit nicht wählbar, weil sich das Muster des Sozialabbaus und der Verschärfung des gesellschaftlichen Tons jedes Mal wiederholt, wenn sie regieren.

  • Nun ja. Das ist nun mal so, doch wir können diese Menschen ja gerne in unsere Gebete einschließen und damit unseren christlich-westlichen Werten treu bleiben.



    Man kann es nicht glauben, dass sowas in einem Land geschieht, das sich zivilisiert nennt. So sieht es aus, wenn man den Faschisten da hineinkriecht, wo es dunkel ist....

  • Ach du je !



    Offenbar ist es einigen Kriminellen gelungen unser politisches System zu infiltrieren.

    So ein Mist.

    Jetzt sitzen die da mit im Bundestag und können ungehindert ihren Machenschaften wider der Menschenwürde nachgehen.

    Zu blöd, dass man nicht weiß wer dazugehört ...