Nazisymbole in einem Kinderhort: Hakenkreuze und Heuchelei
In Pirna haben Grundschüler ein Hakenkreuz auf den Schulhof gelegt. Das wird zurecht angeprangert. Gleichzeitig wird an Demokratieförderung gespart.
A uf dem Schulhof in einem Grundschulhort im sächsischen Pirna haben vier Kinder mit Bausteinen Hakenkreuze gelegt und den Hitlergruß gezeigt. Andere Kinder hatten in den Horträumen „Ausländer raus“ gesungen. Die Arbeiterwohlfahrt als Träger war entsetzt, sie dulde keinen Rechtsextremismus, erklärte sie – und meldete den Vorfall sowohl den Eltern als auch der Polizei. Diese nahm Ermittlungen auf.
Es ist besorgniserregend, wenn Kinder Hakenkreuze auf dem Schulhof legen und sich mit ausgestrecktem rechten Arm begrüßen. Es ist gut, dass der Vorfall ernst genommen und gemeldet wurde. Richtig ist auch, dass die Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet hat. Allerdings sind die „Täter“ Kinder und damit strafunmündig. Deshalb entscheidet jetzt die Staatsanwaltschaft, wie es weitergeht.
Unter dem Hashtag #pirna findet man aktuell auf Social Media ein weiteres Ereignis aus der sächsischen Kreisstadt. Tim Lochner, Pirnas parteiloser Oberbürgermeister, der der AfD nahesteht, gilt als „gesichert rechtsextrem“. Zum Christopher Street Day (CSD) hatte Lochner es abgelehnt, eine Regenbogenfahne am Pirnaer Rathaus zu hissen. Diese sehe er als „politisches Statement“. Aus Solidarität mit dem CSD wurde die Fahne darum an der Marienkirche in Pirna gehisst. Lochner postete dazu auf seiner Facebook-Seite: „Wenn wir ganz tief recherchieren, werden wir Belege finden, dass auch Fahnen mit Kreuz und Haken an der Marienkirche hingen.“ Unterdessen erhielt der Pfarrer neben Zuspruch auch Morddrohungen.
Vorfälle wie diese gibt es nicht nur in Pirna, sondern überall im Land. Das bekommen natürlich auch Kinder mit. Wenn sie „Ausländer raus“ singen, sind sie nichts weiter als ein Spiegel der Gesellschaft, in der sie aufwachsen. Politiker sollten das als Alarmsignal begreifen. Projekte der Demokratieförderung, der Kinder- und Jugendarbeit, der politischen Bildung wurden im neuen Bundeshaushalt drastisch gekürzt. Protest dagegen ist mehr als angebracht. Ansonsten ist „Erschütterung“ über Hitlergrüße von Kindern vor allem eines: Heuchelei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen