Tricksen bei der Erbschaftssteuer: Bedürftige MilliardärInnen

Besitzen Unternehmens-ErbInnen mehr als 26 Millionen Euro, müssen sie eigentlich Steuern zahlen. Ein Schlupfloch erlaubt ihnen, das zu umgehen.

Friede Springer und Mathias Döpfner beim Trauergottesdienst im Berliner Dom für den verstorbenen Präsidenten des Deutschen Bundestages a. D., Wolfgang Schäuble, Berlin , 22.01.2024

Springer-Chef Mathias Döpfner bekam 2020 Konzernanteile für 1 Milliarde Euro von Friede Springer Foto: imago

Vielleicht haben Sie auch von Susanne Klatten gehört, der BMW-Erbin und wahrscheinlich reichsten Frau Deutschlands. Sie hat kürzlich einen Teil ihres Vermögens an ihre drei Kinder übertragen. Die Zeit hat das sehr schön aufgedröselt, schrieb von „mindestens 1,5 Milliarden Euro“ pro Kopf und dass noch nicht klar ist, was die Kinder davon an Steuern zahlen müssen – und ob überhaupt.

Ha, denken Sie jetzt, klar: Firmenerben zahlen bekanntermaßen keine Steuern (sofern die Firma noch ein Weilchen erhalten bleibt)! Aber nein, das habe ich auch diese Woche erst gelernt: Die Steuerbefreiung für UnternehmenserbInnen geht nur bis 26 Millionen Euro, maximal 90 Millionen.

Ab dann muss man zur Befreiung einen Antrag auf Verschonung stellen. Nachzuweisen ist, dass man „bedürftig“ ist (heißt wirklich so), also nicht ausreichend Privatvermögen hat, um die Steuern zu zahlen. Das kann ja durchaus eine Hürde sein, so ein Antrag. Da muss sich der Steuerberater schon auch mal was überlegen.

Die Auswahl an Dingen, die zu unternehmen sind, scheint aber recht groß zu sein. So lassen sich Firmenanteile zum Beispiel einer eigens zum Zweck der Vermögensweitergabe gegründeten Familienstiftung übertragen. Die hatte ja vorher nichts auf dem Konto, also muss sie dann auch keine Steuern zahlen.

Gleiches gilt für Kinder, die bis dato nur Taschengeld bekamen. Man kann auch, wie Springer-Chef Mathias Döpfner, der 2020 Konzernanteile für 1 Milliarde Euro von Friede Springer bekam, schnell weitere Springer-Aktien im Wert der zu erwartenden Schenkungssteuer kaufen – und hat dann eben auch grad nichts flüssig.

Dem Staat entgehen 2,1 Milliarden Euro

Recherchiert hat dies Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Sie weist am Telefon korrekterweise darauf hin, dass es immerhin möglich ist, dass Döpfner doch noch ein paar Euro Steuern bezahlt hat.

Die Daten der Finanzämter geben da leider nichts Ge­naue­res her – immerhin aber dies: Im vergangenen Jahr gab es 26 Fälle von Verschonung der besonders großen Firmenvermögen, der Staat verzichtete damit auf 2,1 Milliarden Euro Erbschaft- und Schenkungssteuern, der Steuersatz der GroßerbInnen lag bei etwa 0,1 Prozent.

„Ich habe angefragt, ob das wenigstens in männlich/weiblich oder Ost und West aufschlüsselbar ist“, erzählt Jirmann. Aber sie vermutet, dass die Finanzbehörden dazu nicht viel sagen werden.

Die SPD hat sich verkalkuliert

Zuletzt 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung zur Steuerbefreiung von FirmenerbInnen für verfassungswidrig erklärt. 2016 legte die Große Koalition dann ein neues Gesetz vor. Für die SPD-Fraktion verteidigte im Bundestag damals Finanzexperte Carsten Schneider das Gesetz gegen Kritik von Grünen und Linkspartei: Die Superreichen – „diese Leute, wenn sie mehr als 26 Millionen Euro erben, müssen jetzt tatsächlich Steuern zahlen“, rief Schneider, „das mussten sie bisher nicht, und sie werden es jetzt, und ich halte das auch für gerecht.“

Da hat sich jemand erkennbar verkalkuliert – Stichwort 0,1 Prozent. Etwas lustig ist das auch deshalb, weil Schneider inzwischen Ostbeauftragter der Bundesregierung ist und wegen der enormen Ost/West-Vermögensungleichheit ein Grunderbe für alle fordert, zu finanzieren durch eine höhere Erbschaftsteuer „für angehende Erbmillionäre“. Vielleicht nennt er die Milliardäre hier ja absichtlich nicht.

Die Erbschaftsteuer liegt jedenfalls seit 2022 erneut vorm Bundesverfassungsgericht. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hatte eigentlich schon 2023 auf ein Urteil gehofft, und dieses Jahr sieht’s auch nicht danach aus. Vielleicht 2025 zum Bundestagswahlkampf. Da fallen der SPD ja meistens weitreichende Forderungen ein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben