Nach dem Brandanschlag gegen Tesla: Baumfreunde gegen Autoliebhaber
In Grünheide wird Elon Musk von jubelnden Mitarbeitenden empfangen. Derweil wollen Umweltaktivisten weiter den Ausbau des Werks verhindern.
A us einem Festzelt vor dem Tesla-Werk in Grünheide dröhnen am Mittwochvormittag Techno-Bässe hinüber. Hunderte Mitarbeitende in dunkler Kleidung sind aus der Entfernung in und außerhalb des Festzeltes zu sehen. Sie warten auf Tesla-Chef Elon Musk. Dieser kommt Minuten später mit einer Kolonne aus drei Tesla-SUVs vorgefahren. „Welcome Elon!“, hallt es wenig später zu den zahlreichen Pressevertretern herüber, die das Spektakel nur vom Werkszaun beobachten dürfen. Gut eine Woche stand die Produktion nach einem Brandanschlag der linksradikalen „Vulkangruppe Tesla abschalten“ still.
Diese bekannte sich zu der gezielten Sabotage eines Strommastes am 5. März, der die etwa 10 Kilometer entfernte Gigafactory sowie einen Teil der umliegenden Haushalte in Grünheide versorgte. Der Werksleiter André Thierig ging zunächst von einem finanziellen Schaden im „hohen neunstelligen Bereich“ aus. Nun ist Elon Musk höchstpersönlich angereist, um die Wiederaufnahme der Produktion zu feiern. Als ein Journalist ihn fragte, ob das Werk weiterhin ausgebaut werden soll, antwortete er nur: „Ja, absolut!“
Szenenwechsel drei Tage zuvor nach Grünheide: Hunderte Menschen gehen nach dem Anschlag auf die Straße, um „für“ oder „gegen“ Tesla zu demonstrieren. Als sich die „Tesla stoppen“-Demonstration langsam dem Ortskern von Grünheide nähert, positioniert sich die Sprecherin der lokalen Grünen, Lucia Maack, lieber ein paar Meter vom Wegrand entfernt. Mit vielen der Gruppen, die an diesem Sonntag gegen Tesla demonstrieren, stand Maack schon auf der Straße: Nabu, Grüne Liga, Berlin autofrei: Es sind die traditionellen Verbündeten der Grünen.
Doch heute steht Lucia Maack im dunkelblauen, rot-weiß karierten Wintermantel mit ihren zwei kleinen Söhnen, ihrem Mann und den Fahrrädern der Familie auf der anderen Seite. Auf der Seite jener, die mit Tesla arbeiten und Kompromisse finden wollen, statt „Tesla den Hahn abzudrehen“, wie es das Anti-Tesla-Bündnis fordert. Erst gerade hat sie auf der Kundgebung der Tesla-Sympathisanten im Bürgerpark Grünheide gesprochen, hat ein Ende der „Spirale der Ablehnung“ beschworen.
Doch die Spirale ist heute bereits in vollem Gange. Als der Demonstrationszug die Tesla-Sympathisanten erreicht, wird es hässlich. „Tesla – den Hahn abdrehen“, skandiert der Protestmarsch.„Geht mal zu VW, geht mal zu Leag, die verbrauchen 100-mal mehr Wasser“, antwortet ein Tesla-Befürworter. „One struggle, one fight, water is a human right“, schallt es zurück. „Haut ab, ihr Schweine! Ihr Affen! Ihr Kohlefetischisten! Wer seid ihr? Was wollt ihr hier?“, ruft ein Demonstrant am Straßenrand.„What do we want? Climate Justice! When do we want it? Now!“, schallt es von der Straße zurück.
Auf den Straßen von Grünheide wird in diesen Wochen ein Konflikt sichtbar, der die gesellschaftliche Linke noch lange beschäftigen wird. Hier streiten sich reformorientierte Grüne und Sozialdemokraten mit antikapitalistischen Degrowthern. Es geht um den Umgang mit dem Megakonzern Tesla, mit seinen Verstößen beim Arbeits- und Umweltschutz, dem mangelnden Respekt vor demokratischen Prozessen, zum Beispiel wenn es um die Genehmigungsverfahren für das E-Auto-Werk in Grünheide geht.
Es geht um giftige Industrieabwässer und die Tatsache, dass eine Fabrik wie die von Tesla zwar Arbeitsplätze bringt, aber auch steigende Mieten in der Region. Und es geht auch um die viel grundsätzlichere Frage, ob die in Grünheide produzierten, zwei Tonnen schweren Elektro-SUVs des rechten Milliardärs Elon Musk wirklich eine Lösung für die Klimakrise sein können.
Drei Stunden vor der „Tesla stoppen“-Demo am Sonntag läuft Manual Hoyer, die Frau, die den Protest nach Grünheide geholt hat, durch einen moosbewachsenen Wald, keine zwei Kilometer vom Ortskern von Grünheide entfernt. Der Wald war mal eine künstlich angelegte und dürreanfällige Kiefernmonokultur. Mittlerweile jedoch stehen neben den hohen Kiefern auch viele Laubbäume. Schon in zehn oder fünfzehn Jahren könnten sie mit den Kiefern auf Augenhöhe sein.
Knapp 50 Meter von der Landstraße entfernt haben hier rund 80 Aktivist:innen ihr Camp aufgeschlagen. Mit Ästen gesäumte Pfade führen in den Wald hinein zu Baumhäusern, Zelten und einem Materiallager. Bei einer Sitzgruppe aus Baumstämmen steht ein Klavier. Die Besetzer:innen wollen Tesla daran hindern, den Wald zu roden, um sein Werk um weitere circa 100 Hektar zu vergrößern. So will der Konzern künftig eine Million Autos pro Jahr produzieren.
Manuela Hoyer trägt einen blauen Anorak und leicht verdunkelte Brillengläser. Sie ist Vorsitzende der Bürgerinitiative Grünheide. Seit 2019 klar wurde, dass die Landesregierung Brandenburg eine Elektroautofabrik direkt an einem Trinkwasserschutzgebiet bauen lassen will, engagiert sie sich gegen Tesla.
Hoyer, 63 Jahre alt, ist ein gern gesehener Gast hier im Wald. Für die Besetzer:innen, von denen fast niemand aus Grünheide selbst kommt, ist sie das lokale Gesicht des Widerstands. Sie gibt Interviews und korrigiert auch mal eine Pressesprecherin der Besetzung, wenn die sich bei den Details der Kommunalpolitik in Grünheide als nicht 100 Prozent faktenfest erweist. „Die Bürgerbefragung hat die Gemeinde initiiert, nicht die Bürgerinitiative“, gibt sie ihr mit auf den Weg. 62 Prozent der Grünheider:innen hatten im Februar bei einer Befragung durch die Gemeinde gegen die Werkserweiterungspläne von Tesla gestimmt. Das Votum ist für die Gemeindevertretung nicht bindend.
Hoyer hat der Brandanschlag der Vulkangruppe mitgenommen. „Das ist ein friedliches, kreatives Camp hier, und dann machen die so eine Scheiße“, sagt sie. Der Anschlag schade ihrer Arbeit. „Wir protestieren hier seit 2019 friedlich, aber jetzt werden wir von Politik und Medien alle in einen Topf geworfen.“ Bei der „Vulkangruppe Tesla stoppen“ hat Hoyer sich mit ihrer Distanzierung keine Freunde gemacht.
Drei Tage nach deren Brandanschlag landet eine E-Mail in Hoyers Postfach. Betreff: Nachschlag zum Brandanschlag auf Tesla. Absender: Die Vulkangruppe. „Wir glauben nicht der Sache geschadet zu haben“, schreiben sie. „Wir empfehlen den Bürger:innen, den Gruppen vor Ort und in den Baumhäusern sich weniger (…) von dem Distanzierungsdruck beeinflussen zu lassen.“ Und in Bezug auf Elon Musk, der die Täter in einem Tweet als die „dümmsten Öko-Terroristen der Welt“ bezeichnete, schreibt die Gruppe zum Abschied: „Gruß und Kuss, eure dümmsten Ökoterrorist:innen der Welt“.
Hoyer ficht das nicht an. Sie ist überzeugt von ihrem friedlichen Ansatz, ihren Methoden. Seit 20 Jahren wohnt die ehemalige Verwaltungsangestellte in der Region, von ihrer Zweizimmerwohnung im Ortsteil Mönchwinkel sieht sie die Spree. Sie weiß, wie knapp das Wasser bei ihr in der Region ist, sieht selbst, wie Dürresommer nach Dürresommer dem Fluss zugesetzt hat. „Ich konnte mir das in meinen übelsten Träumen nicht vorstellen“, sagt Hoyer. „Dass die Landesregierung quasi eine Chemiefabrik hier ins Trinkwasserschutzgebiet stellt.“
Hoyers Sorge um die Wasserqualität in Grünheide scheint berechtigt. Zuletzt sorgte ein Bericht des regionalen Wasserverbands Strausberg-Erkner (WSE) für Schlagzeilen. Laut dem Verband überschreite Tesla „ständig und in erheblicher Weise“ die Schadstoffgrenzwerte für Phosphor und Gesamtstickstoff. Teilweise seien die Grenzwerte um das bis zu Sechsfache überschritten worden. Selbst ein Entsorgungsstopp für das Abwasser der Tesla-Fabrik war im Gespräch.
Einer, der lange Zeit für die Entsorgung genau jenes Abwassers zuständig war, ist Henryk Pilz. Der Bürgermeister von Erkner war bis vor einer Woche noch Vorsitzender der Verbandsversammlung des WSE. Unter seiner Leitung war eine Sondersitzung zum Tesla-Bericht anberaumt worden. Doch als sich das Gremium nicht zu einer Entscheidung durchringen konnte, trat Pilz zurück. In der Versammlung sei es um die Interessen verschiedenster Akteur*innen gegangen, aber nicht um die Interessen der Bürger*innen. Er sagt: „Es hat hier jemanden gebraucht, der auf den Tisch haut und ein Zeichen setzt.“ Bei seiner Entscheidung sei es jedoch um mehr als nur um Tesla gegangen. Dem Verband bleibt Pilz als einfaches Mitglied erhalten.
Für die Anwohner:innen geht es in Grünheide um ihr Zuhause, um die Zukunft der Region. Doch der Kampf um die Tesla-Fabrik ist längst auch ein Symbol für den globalen Kampf ums Wasser geworden, der sich durch die Klimakrise noch verschärfen dürfte. Das zeigt sich auch bei den Menschen, die Manuela Hoyers Aufruf zu der „Tesla stoppen“-Demo an diesem Sonntag gefolgt sind.
Da ist Alex Wernke, 35, der gerade mit Aktivist:innen der Bewegung „Aufstände der Erde“ aus Frankreich durch Deutschland tourt. Ob die geplanten Mega-Pipelines zur Flutung der Tagebaue im Rheinland, ein Amazon-Logistikzentrum am Trinkwasserschutzgebiet bei Nürnberg oder den Kampf für eine nachhaltige Landwirtschaft bei Kassel – gemeinsam wollen sie die sich an vielen Orten zuspitzenden Verteilungskämpfe ums Wasser in Deutschland verbinden. Nach Grünheide geht es weiter zu lokalen Wasserschützer:innen in der Lausitz.
Wasserdeckelungen ab 2025
Da ist Elster, 28, aus einem Dorf in Süddeutschland, studierte*r Umweltingenieur*in und Ausbildung zum/zur Baumpfleger*in. Seit dem Aufbau der Besetzung lebt Elster in einem der Baumhäuser und will nicht länger hinnehmen, in einer Welt zu leben, in der Profitinteressen von Konzernen über den Interessen der Menschen stehen. „Mich treibt ein Gerechtigkeitsempfinden an – auch in Bezug auf die Ungerechtigkeiten des Neokolonialismus“, sagt Elster.
Da ist Stephen Musaruwa aus Botswana, der die Besetzung in Grünheide für Fridays for Future Afrika besucht. „Ihr wisst alle, was gerade im Kongo passiert, oder?“, fragt er. „Die Einnahmen aus den Kobalt-Minen finanzieren dort den Bürgerkrieg.“ Kobalt ist ein essenzieller Bestandteil moderner Lithium-Ionen-Batterien. Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist der Kongo einer der zehn wichtigsten Rohstofflieferanten Deutschlands.
Es sind Argumente, die auch der Sprecherin der Grünheider Grünen Lucia Maack nicht fremd sind. Wie groß der Teil von ihr sei, der gerne bei der Anti-Tesla-Demo mitlaufen würde? „Zehn Prozent“, sagt die 36-jährige und lacht. Aber wegen dieser Grundsatzargumente „Tesla den Hahn abzudrehen“, das sei ihr zu radikal. Schließlich habe der Wassermangel in der Region auch schon vor Tesla bestanden. Allerdings werden ab dem nächsten Jahr alle etwa 170.000 Menschen, die zum WSE gehören, von Wasserdeckelungen betroffen sein und dürfen dann gerade einmal 105 Liter Wasser pro Person pro Tag verbrauchen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 128 Litern pro Tag. In Grünheide betrifft das nicht alle. Etwa die Hälfte der Haushalte gehört zu einem anderen Wasserverband und hat mit den Problemen, die die Gigafactory dem WSE bereitet, deutlich weniger zu tun.
Tatsächlich gehört Brandenburg zu den trockensten Regionen Deutschlands. Seit Jahren ist sie von Dürre betroffen. Auch wenn die extreme Dürre laut Expert*innen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung bundesweit vorerst vorbei ist, erholen sich Brandenburgs Böden langsamer von den Dürrejahren als andere Bundesländer.
Maack sieht sich allen voran als Vertreterin der Grünheider:innen. Sie will mit ihnen ins Gespräch kommen. Auch deshalb hat sie sich entschieden, auf der Kundgebung im Bürgerpark Grünheide zu sprechen. Auch wenn sie nicht alle Argumente ihrer Co-Redner von der Industrie- und Handelskammer, der IG Metall und der SPD teilt, hofft sie hier mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. „Wir brauchen mehr offene Gesprächsorte“, sagt sie. Die basale Kapitalismuskritik der Demonstrierenden aus aller Welt mache die Lage vor Ort nicht einfacher.
Um 13.51 Uhr strömen genau jene aus dem RE1 auf den Parkplatz des Bahnhofs Fangschleuse in Grünheide. Gruppen wie Attac, Extinction Rebellion oder Robin Wood. Sie alle haben zu der Demo in Grünheide mobilisiert. Nur 20 Minuten dauert die Fahrt vom Berliner Ostkreuz bis hierher. Manuela Hoyer steigt auf die Ladefläche eines umgebauten Lkws und nimmt ein Mikro in die Hand. „Die Gemeinde hat die Grünheider:innen befragt. Ich hätte es selber nie gedacht, aber wir haben zu 62 Prozent mit Nein gestimmt. Wir Grünheider:innen wollen die Tesla-Fabrik nicht!“
Manchmal verliert Hoyer mitten im Satz kurz die Orientierung, muss neu ansetzen. Der Menge ist das egal. Immer wieder brandet Applaus auf. „Bisher wurde alles über unsere Köpfe hinweg entschieden“, sagt Hoyer. In der Öffentlichkeit tue Tesla so, als bräuchten sie zusätzliche Waldflächen für die Werkserweiterung, um einen Güterbahnhof zu bauen. Dabei hätten sie in einem früheren Bebauungsplan dazu längst die Genehmigung gehabt. Stattdessen habe man sich entschieden, andere Gebäude zu bauen.
„Das ist eine Verarschung der Bevölkerung hier, jetzt so zu tun, als ob sie klimafreundlich sind und den Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen wollen. Das hätten sie schon längst tun können. Sie haben es nicht getan.“ Um sich von der Gegenkundgebung abzugrenzen, hat Hoyer blaue Bänder für die Seite des Protestzugs organisiert, die am Bürgerpark Grünheide vorbeilaufen wird. Das Blau steht für das Wasser, das sie schützen wollen.
Die Gegendemonstrant:innen stehen zwei Kilometer weiter im Bürgerpark Grünheide. Es ist eine Kundgebung unter dem Motto #Grünheidegestalten, organisiert von einem lokalen SPD-Mitglied. Rund 200 Menschen aus Grünheide und Mitarbeiter:innen von Tesla stehen hier zusammen. Es gibt Brötchen, Bratwurst und Buletten.
Lucia Maack betritt die Bühne. Lange habe sie darüber nachgedacht, ob sie heute hier sprechen wolle. Demo und Gegendemo – Maack findet das nicht hilfreich. Die 62 Prozent Nein der Grünheider:innen sieht Maack nicht als das klare Mandat gegen Tesla, wie Hoyer das versteht. Das Ergebnis zeige für sie vielmehr, „dass die Menschen in Grünheide bisher nicht ausreichend beteiligt wurden“. Veränderung bringe oft Unsicherheit mit sich. „Eine einfache Abstimmung mit Ja oder Nein wird dem Diskussionsbedarf nicht gerecht!“
Logistikmitarbeiter bei Tesla
Nach der Kundgebung sagt Maack: Sie sei kein großer Fan von motorisiertem Individualverkehr. Aber wenn, dann elektrisch. Und irgendwo müssten sie gebaut werden. Im ländlichen Raum sei man schließlich aufs Auto angewiesen. Ein älterer Ex-Politiker, der neben ihr steht, sagt: „Wir müssen den Menschen sagen, dass sie was von Tesla haben.“ Der Bahnhof zum Beispiel, von dem der Regionalexpress jetzt häufiger nach Berlin fährt. Und der Radschnellweg nach Erkner.
Maack ist vor vier Jahren aus Berlin nach Grünheide gezogen, wohnt hier in einem Einfamilienhaus im Ortsteil Altbuchhorst. Sie weiß, dass sie manch einem städtischen Grünen vielleicht nicht radikal genug sei. Aber die Lage auf dem Land sei nun mal eine andere als in der Stadt. „Die AfD könnte hier über 40 Prozent bekommen“, sagt sie. „Wir sind hier viel mehr auf Bündnisse mit anderen demokratischen Parteien angewiesen als in Berlin.“ Etwas entfernt von der Kundgebung steht ein Tesla-Mitarbeiter in Lederjacke, sein Kind im pinken Strampler vor sich auf dem Bauch. Eigentlich dürfe er nicht mit der Presse sprechen. Aber er sei heute hier, weil er für seinen Arbeitgeber einstehe.
Die Vorwürfe, bei Tesla häuften sich die Arbeitsunfälle, hält er für überzogen. „Vorher habe ich als Tischler auf dem Bau in Berlin gearbeitet“, sagt er. Einmal sei er mit einer Bohrmaschine abgerutscht, habe sich durch die Hand gebohrt. Jetzt fahre er Gabelstapler in der Logistik, habe Zugang zum Tesla-eigenen Fitnessstudio, verdiene besser und müsse nicht mehr den ganzen Tag schwer schleppen. „Ich glaube, der Ausbau mit Ausbildungswerk und Kita wäre eine große Chance für Grünheide“, sagt er. „Gerade wenn ich an die Zukunft denke.“
Dann nähert sich die Anti-Tesla-Demo, mit lauten Trillerpfeifen und „Anti-Anticapitalista“-Rufen. Der Mitarbeiter flüchtet mit seinem Kind von der Straße in die Eingangshalle eines Seniorenheims.„Macht ihr super! Geht weiter, na komm, macht mal“, ruft ein Grünheider, der von der von der SPD mitorganisierten Kundgebung kommt, dem Protestzug zu. „Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten!“, schallt es zurück.
Ein paar Meter entfernt steht Lucia Maack. „Das ist nicht nur der schwarze Block hier, das sind auch Umweltaktivisten“, sagt sie zu einem Grünheider neben ihr. „Ich hab sehr gemischte Gefühle, wenn ich das sehe.“ Das Vorgehen von Tesla, den bereits in einem früheren Bebauungsplan genehmigten Güterbahnhof nicht zu bauen und stattdessen jetzt neue Flächen zu fordern, findet sie „schwierig“. Eine Salamitaktik, eine Umkehrung der Verantwortung, bei der es jetzt so wirke, als ob die Kommunalpolitik dafür sorgen müsste, dass Tesla mit dem Güterbahnhof mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen kann.
Warum sie dann trotzdem hier auf Seiten derjenigen steht, die weiter mit Tesla arbeiten wollen? „Einfach Tesla den Hahn abdrehen, das ist mir zu absolut“, sagt Maack. Die Brandenburger Grünen versuchten Tesla kritisch zu begleiten. In den ersten Antragsunterlagen hatte Tesla noch ein Werk ohne geschlossenen Produktionswasserkreislauf geplant. Nach Einwendungen unter anderem der Grünen Liga Brandenburg habe Tesla dann seine Pläne angepasst: seitdem gebe es sowohl einen geschlossenen Produktionswasserkreislauf als auch eine dezentrale Regenwasserversickerung.
Die Abwässer der Produktion reinigt Tesla mittlerweile selber und führt das gereinigte Wasser wieder in den Produktionskreislauf zurück. Aber Tesla hat noch einen zweiten Prozess, in dem nach wie vor Abwässer entstehen. Das mit Schadstoffen angereicherte Wasser aus Sanitäranlagen, Duschen und Küche ist noch immer ein Fall für den WSE.
Trotz einer unterschwelligen Anspannung herrscht im Waldcamp am Mittwoch noch reges Treiben. Holzstücke werden durch die Gegend getragen, Neuankömmlinge lernen am Seil zu klettern. Die offizielle Duldung des Baumhausdorfes läuft am Freitag aus. Obwohl sie eine Verlängerung ihrer Duldung angefragt haben, bereiten die Besetzer*innen sich am Dienstag und Mittwoch schon mit „Räumungsworkshops“ darauf vor, dass ihr Dorf bald von der Polizei gestürmt wird.
„Es ist wichtig, dass die Leute wissen, worauf sie sich einlassen“, erklärt Pressesprecher:in Leo. Trotzdem wollen die Aktivist:innen nicht aufgeben. „Wir bleiben so lange, bis klar ist, dass die Fabrik nicht gebaut wird!“, bekräftigt Leo. Ob der Besuch vom Tesla-Chef sie beunruhigt? Pressesprecher René Sander verneint: „Elon Musk ist nicht ins Berghain gekommen, er wird auch nicht in den Wald reinkommen!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen