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Anna Klöpper zu Religion als ordentlichem Schulfach in BerlinGott in der Hauptstadt

Das Berliner Schulsystem kam bisher immer ganz gut ohne Gott aus – tatsächlich ist die Hauptstadt das einzige Bundesland, in dem Religion, ob evangelisch oder katholisch, kein ordentliches Schulfach ist. Dieser säkulare Sonderweg soll sich jetzt ändern. Nach übereinstimmenden Medienberichten will die künftige schwarz-rote Regierung am Montag den Entwurf eines Koalitionsvertrags präsentieren, in dem Religion ab Klasse 7 Wahlpflichtfach wird.

Lebenskunde als weltanschauliche Alternative zu wählen, ist auch in Zukunft möglich, und Ethik bleibt Pflichtfach. Zudem verliert der Religionsunterricht sowieso beständig Interessent*innen: Laut Bildungsverwaltung sank die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den vergangenen fünf Jahren um etwa 5.500 auf heute 172.326. Erstmals belegten mehr Kinder die Lebenskunde anstelle von evangelischer Religion.

Nun ist die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit ein hohes Gut und deshalb gibt es auch keine staatlich verordnete Religionskunde, sondern die religiösen Glaubensgemeinschaften sind selbst für Personal und Lehrpläne verantwortlich. Und dennoch war Berlin mit der bisherigen Wahlfreiheit deutlich liberaler unterwegs als der Rest der Republik.

Oder doch nicht? Denn so richtig konsequent ist die Religionsdebatte auch in der Hauptstadt nie geführt worden. Freiwilligkeit ja – aber das reguläre Angebot beschränkte sich dann doch nur auf die konfessionellen Spielarten des Christentums. Andere Länder wie etwa Hamburg binden auch islamische, alevitische und jüdische Gemeinden in einen „Religionsunterricht für alle“ ein. Wobei es auch hier die Kritik gibt, dass der Anspruch „für alle“ natürlich auch nicht eingehalten wird, denn wo sind die Buddhist*innen?

Weil es bisher freiwillig war, musste sich Berlin nie konsequent der Frage stellen, wie zeitgemäßer Religionsunterricht eigentlich aussehen könnte. Die neue Koalition ist eine Chance, dieses Thema insgesamt mal wieder auf die bildungspolitische Agenda zu setzen. Gott weiß, was dabei noch rauskommt.

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