Streit um Gesetz in Frankreich: Rentenreform mit dem Holzhammer
Weil im Parlament Stimmen fehlten, erklärt Frankreichs Regierung die unbeliebte Rentenreform ohne Schlussabstimmung für beschlossen. Das ist legal.
Nach langem Zögern hat Präsident Emmanuel Macron seine Regierung ersucht, die Debatte mit dieser Holzhammermethode zu beenden. Bis zuletzt hatten Macron, Premierministerin Elisabeth Borne und diverse Minister sowie auch Abgeordnete der Regierungsparteien versucht, in den Reihen der konservativen Oppositionsfraktion Les Républicains (LR) die fehlenden Stimmen zu finden. Alles Bitten und Drohen scheint jedoch nicht gefruchtet zu haben. Um die Schmach einer eventuellen Abstimmungsniederlage zu vermeiden, hat die Regierungschefin den Weg der Abkürzung ohne Votum gewählt.
Am Vormittag hatte der Senat mit 194 gegen 104 Stimmen für eine Schlussversion votiert, auf die sich am Tag zuvor die Gemischte Paritätische Kommission der beiden Parlamentskammern geeinigt hatte. Die Regierung hatte gehofft, dass diese leicht modifizierte Fassung dann auch den Segen der Nationalversammlung erhalten würde. Der Ausgang einer Abstimmung blieb jedoch zu ungewiss.
Auch die LR-Abgeordneten hatten kein Interesse daran, denn dann wäre sichtbar geworden, wie gespalten sie waren: Etwa die Hälfte der 59 konservativen Abgeordneten waren für die Vorlage, ein anderer Teil wollte sich enthalten und eine kleinere Gruppe hatte erklärt, gegen die Reform stimmen zu wollen. Die Regierung rechnete bis eine halbe Stunde vor dem geplanten Sitzungsbeginn der Nationalversammlung um 15 Uhr alles zusammen; laut Angaben von Insidern hätten am Schluss noch zwei oder drei Stimmen für eine Mehrheit gefehlt.
Protest- und Streikaktionen gehen weiter
Der Opposition bleibt jetzt laut Artikel 49.3 einzig der Versuch, mit einem Misstrauensvotum die Regierung zu stürzen. Sowohl die Linksunion Nupes wie das rechtspopulistische Rassemblement National haben entsprechende Anträge angekündigt.
Mit dem Griff zum 49.3 kann die Regierung die geplanten Maßnahmen zwar wie geplant in Kraft setzen, doch der breite Widerstand wird damit nicht erlöschen. In Paris und rund 30 anderen Städten wollen die Beschäftigten der kommunalen Müllentsorgung ihre Aktionen bis Montag fortsetzen.
In der Hauptstadt hatte am Donnerstag der Polizeipräfekt auf Weisung des Innenministeriums und aus „Gründen der öffentlichen Hygiene“ eine Zwangsverpflichtung der Streikenden angekündigt. Diese hatten in der Nacht Angestellte einer privaten Firma daran gehindert, in mehreren Quartieren als Streikbrecher Berge von Abfällen wegzutransportieren.
Auch in mehreren Seehäfen wurden die Kampfaktionen fortgeführt, und am Vormittag waren die Zufahrten zur bretonischen Stadt Rennes mit zahlreichen Barrikaden gesperrt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung