taz Salon in Hamburg: „Von Enteignungen profitieren alle“

Mehr als 18.000 Unterschriften hat die Volksinitiative „Hamburg enteignet“ gesammelt. Doch ist das Vorhaben sinnvoll?

Demonstration gegen hohe Mieten in Hamburg

Statt Mietendeckel lieber gleich enteignen: Demonstration gegen hohe Mieten in Hamburg 2022 Foto: Axel Heimken/dpa

taz: Hanno Hinrichs, Sie engagieren sich bei der Initiative „Hamburg enteignet“. Sollten Sie Erfolg haben – wen und was enteignet Hamburg dann?

Hanno Hinrichs: Unser Ziel ist: Es sollen die großen profitorientierten Wohnungseigentümer enteignet werden, die aus dem Grundbedürfnis nach Wohnen Kapital schlagen. Konkret betrifft das all jene, denen mehr als 500 Wohnungen in Hamburg gehören. Deren gesamter Bestand in Hamburg soll in Gemeineigentum überführt werden – so wie es das Grundgesetz nach Artikel 15 zulässt.

Über wen genau reden wir da?

Das sind einerseits die börsennotierten Wohnungskonzerne, die hier tätig sind – etwa Vonovia oder Heimstaden. Zum anderen sind multimillionen- und milliardenschwere Einzelpersonen auf dem Hamburger Wohnungsmarkt dominant. Wie viele Akteure das konkret sind, ist schwer zu sagen. Die Eigentümerstruktur ist in Hamburg äußerst intransparent, die Stadt wehrt sich vehement dagegen, Auskünfte aus den Grundbüchern zu geben.

taz Salon „Wohnungskonzerne enteignen: Lichtblick oder Irrweg?“ mit Hanno Hinrichs, Isabel Feichtner (Professorin für Öffentliches Recht), Dominik Lorenzen (Grüne), Torsten Flomm (Grundeigentümer-Verband): Di, 11.4., 19.30 Uhr, Haus 73, Schulterblatt 73, Hamburg. Eintritt frei, Anmeldung nötig. Die Veranstaltung wird auch live auf YouTube gestreamt.

Die Zahl der infrage kommenden Wohnungen ist also noch unklar?

Wir gehen auf jeden Fall von einer sechsstelligen Zahl aus. Eine aktuelle Recherche der Rosa-Luxemburg-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass in Hamburg etwa 240.000 Wohnungen in der Hand von Großvermietern sind. Genaueres gilt es noch herauszufinden.

Was wollen Sie damit erreichen?

In erster Linie geht es darum, die Mieten in Hamburg zu senken. Davon profitieren im Falle des Erfolgs natürlich unmittelbar die Mieter*in­nen der enteigneten Wohnungen. Aber letztlich alle Hamburger Mieter*innen: Die großen profitorientierten Wohnungseigentümer sorgen durch ihr Profitinteresse dafür, dass der Mietspiegel in der ganzen Stadt immer weiter steigt. Wenn das Profitinteresse weg ist, sinken auch die Mieten wieder.

22, studiert Philosophie und ist Sprecher der Volksinitiative „Hamburg enteignet“.

Lässt sich nicht auch anders für günstigere Mieten sorgen?

Es muss nicht die einzige Maßnahme sein, es kann gerne noch weitere geben. Eine längere Preisbindung bei Sozialwohnungen etwa und einen Mietendeckel würden wir begrüßen. Was sich jedoch gezeigt hat: Das Problem lässt sich nicht durch sozialpartnerschaftliche Lösungen mit der Wohnungswirtschaft lösen, so wie es Hamburg seit Jahren versucht – das zeigt die Entwicklung der Mietpreise und die daraus folgende ständige Verdrängung von Ärmeren. Besser ist eine gemeinwirtschaftliche, nicht profitorientierte Verwaltung großer Wohnungsbestände.

Was würde die Umsetzung kosten?

Das wird auszuhandeln sein. Nach dem Grundgesetz ist vieles denkbar: Von einem symbolischen Euro bis hin zu fantasierten Marktpreisen. Klar ist, dass das den Staat nicht zu viel kosten darf, deshalb schlagen wir vor: Die enteigneten Eigentümer bekommen das wieder, was sie konkret in die Immobilien reingesteckt haben – und nicht mehr.

Wie stehen die Parteien in der Bürgerschaft zu ihrem Vorhaben?

Die Linke unterstützt uns, aber wir sehen uns klar als überparteilich. Alle anderen Parteien haben sich entweder noch nicht geäußert oder sind gegen unser Vorhaben. Das ist keine Überraschung: Der rot-grüne Senat macht seit Jahren mie­te­r*in­nen­feind­li­che Politik im Sinne der Unternehmen.

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