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Zerstörungen in der UkraineRussland muss dafür bezahlen

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Der Kreml muss für den Wiederaufbau in der Ukraine zur Kasse gebeten werden. Ein Frieden ohne Reparationen ist schwer vorstellbar.

An einem Kontrollpunkt in Kiew Foto: Rodrigo Abd/ap

D as Leid der Menschen in der Ukraine ist unermesslich. Viele Millionen Menschen wurden von den russischen Truppen vertrieben, Unzählige sind getötet worden, noch viel mehr werden ihr ganzes Leben unter ihren physischen und psychischen Wunden leiden. Angesichts des Schreckens erscheinen ökonomische Aspekte des Krieges manchem nachrangig. Aber sie sind es nicht, denn den Menschen muss so gut wie möglich geholfen werden – jetzt und nach dem hoffentlich baldigen Ende des Krieges, wenn es darum geht, die Ukraine wieder aufzubauen.

Es ist richtig, dass die internationale Geberkonferenz 10 Milliarden Euro für ukrainische (Binnen-)Flüchtlinge mobilisiert hat und die Ma­na­ge­r:in­nen der Weltbank weitere Hilfen für die völlig am Boden liegende Wirtschaft der Ukraine fordern. Die Regierung in Kiew kann gar nicht genug Mittel bekommen, um den notleidenden Bür­ge­r:in­nen mit dem Nötigsten zu helfen und um wenigstens die gröbsten Schäden an Straßen, Brücken oder Gebäuden zu reparieren.

Auch für die Länder, die unverschuldet in den Sog dieses Krieges geraten, sind Hilfen der internationalen Gemeinschaft dringend nötig. Das gilt vor allem für die Staaten, die wie Moldawien sehr, sehr viele Flüchtlinge aufnehmen und deshalb an ihre ökonomischen Grenzen stoßen. Das gilt auch für jene Länder, die wirtschaftlich von Russland abhängig sind und die unverschuldet von Putin mit in den Abgrund gerissen werden. Umso schneller sie sich aus dieser Abhängigkeit befreien können, umso besser.

Allerdings: Dieser Krieg ist keine Naturkatastrophe, nach der alle Länder zusammenrücken und nach besten Kräften die Betroffenen unterstützen müssen. Dieser Krieg hat einen Verursacher, ohne den es all das Leid, die Zerstörung und die desaströsen wirtschaftlichen Folgen nicht geben würde.

Am Ende hat Russland dafür zu bezahlen. Ein Frieden ohne Reparationen ist schwer vorstellbar. Der Rest der Welt muss aber darauf nicht warten. Deutschland und andere Länder sollten die eingefrorenen Gelder Russlands und den Besitz russischer Oligarchen endlich konsequent beschlagnahmen und dann sofort flüssig machen, um mit dem Geld den Bür­ge­r:in­nen der Ukraine zu helfen.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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19 Kommentare

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  • Moralisch ja, praktisch kaum durchsetzbar.

  • Es ist sehr sinnvoll, jetzt schon darüber zu reden, was nach dem Krieg kommen wird.



    Ich sehe folgende Schritte:



    1) Dauerhafte Beendigung der aktuellen Kampfhandlungen und Bomardements. Mittel um dies zu erreichen: Militärisch, durch die Ukraine, politischer und ökonomischer Druck durch Sanktionen des Westens.



    2) Wiederaufbau der Ukraine in mehreren Schritten über mehrere Jahre hinweg. Dafür haben verschiedene Ökonomen schon Pläne und Modelle vorgelegt. Für die Kosten wird der Westen in Vorleistung treten müssen. Und wird sie zum Teil auch selbst tragen müssen. Denn zum einen hat der Westen mit seinem Jahr langen Appeasement gegenüber Putin, die aktuelle Situation mit verschuldet, es ist also nur legitim, wenn er auch an den Wiederaufbau-Kosten beteiligt ist. Zum anderen, darauf weisen andere Diskutanten zurecht hin, könnten diese Kosten, je nach weiterem Kriegsverlauf und -dauer, derart astronomisch werden, dass man sie einem postputinistischen Russland nicht komplett zumuten kann, es sei denn, man möchte über die nächsten 20-25 Jahren gleich das nächste faschistische Regime in Moskau heranzüchten, oder einen riesigen failed state am Rande Europas riskieren.



    3) Beteiligung Russlands an den Reparationen, bzw. Russland löst den Westen als Zahler ab. Ab wann dies erfolgt, wird davon abhängen, wann und wie Putin enden wird. Das heißt, Russland wird mit einem Zeitversatz seinen Teil der Reparationszahlungen zu leisten beginnen, und dann über Jahre/Jahrzehnte gestreckt zahlen (wie Deutschland nach '45).



    4) Die eingefrorene Staatsreserve und vorläufig beschlagnahmten Oligarchenvermögen tatsächlich zu enteignen, ist ein langjähriger juristischer Prozess, meiner Einschätzung nach wird Punkt 3), also: Russland demokratisiert sich und zahlt (wie auch die Oligarchen) freiwillig - eher eintreten. Aber im negativsten Szenario wird es dann eben über solche Enteignungen gehen. Schnell, gar "sofort", wie Frau Krüger sich das wünscht, geht das aber nicht.

  • Blanke Theorie.



    Entscheidend ist die Lage nach Kriegsende.



    Und eine totale Niederlage Russlands ist wohl eher unwahrscheinlich. Wer soll also Reparationen erzwingen?



    Und selbst wenn es ginge - haben die deutschen Reparationen für WK 1 nicht direkt den Weg zum WK 2 gewiesen?



    Ein guter Friede gelingt nicht mit Reparationen.



    Viel wichtiger sind Prozesse gegen die Kriegstreiber!

  • Russland wird diesen Krieg wohl nicht gewinnen, aber sicher nicht verlieren.



    Wie sollen solche Forderungen (in der realen Welt) einen Friedensschluss fördern?

  • "Am Ende hat Russland dafür zu bezahlen."



    Freiwillig wird "Russland" (Wer ist damit eigentlich gemeint? Putin? Die Oligarchen? Oder einfach die Menschen?) das nicht tun. Um es zu Reparationen zu zwingen, wäre eine Kapitulation erforderlich. Und für eine Kapitilation eine Ausweitung des Krieges. Geht's noch?



    Irgendwie fällt mir da was mit einem Bären und dessen Fell ein, bevor man ihn erlegt hat...

  • Hübsch naiv das. Man erinnere sich an deutsche Geschichte: Deutschland hat die in Versailles 1919 festgelegten Reparationen für die massiven Zerstörungen und Raubzüge 1914-1918 in Nordfrankreich und Belgien nie voll bezahlt. Die damals festgelete Summe entsprach in etwa dem, was Frankreich nach dem verlorenen Krieg 1870/71 an das deutsche Reich zahlen musste - und gezahlt hat. Reparationen sind immer von den politischen Interessen und Umständen abhängig. Russland würde nur bei einer katastrophalen Niederlage samt Sturz der Mörder-Clique um Putin - also einer Revolution - die Schäden eventuell zahlen. Das ist aber leider - zumindest in naher Zukunft - nicht zu erwarten. Ach ja und erinnern wir usn: Nach dem mörderischen Krieg in Tschetschenien ist das völlig zerstörte Grosny schnell wieder aufgebaut worden - verdient daran haben Putins Satrapen (Kadyrow) und seine Oligarchen.

  • Angenommen eine beschlagnahmte Oligarchenjacht oder ein Schloß in Frankreich sollen verkauft werden und der Erlös der Ukraine zufließen. Stellt sich die Frage, wer solche Dinge kaufen will? Reiche Chinesen etwa ?



    Energie- und Rohstofflieferungen wären gut für Entschädigungsleistungen geeignet. Um dies zu erreichen müßte m.E. Rußland nicht nur den Krieg beenden, sondern kapitulieren. Daß es aber zu einer Kapitulation der Atommacht RU kommt, kann ich mir nicht vorstellen.

  • Russland hat damals nach dem 2. Weltkrieg die Ostzone total ausgeplündert.

    Selbstverständlich müssen die für ihren Angriffskrieg zahlen - theoretisch!



    Praktisch wird das nur was werden, wenn Putin tot ist.

    • @cuba libre:

      Vielleicht wurden eine Menge Industrieanlagen demontiert, aber das heißt ja nicht, dass sie auch irgendwo wieder funktionsfähig installiert worden ist.

    • @cuba libre:

      Die Sowjetunion, inklusive der Ukrainischen SSR, hat einen winzigen Teil dessen eingetrieben, was der deutsche Überfall zerstört hat!

  • Sollte man einen Krieg nicht erst mal gewinnen, bevor man Reparationen verlangt?

  • "Am Ende hat Russland dafür zu bezahlen. Ein Frieden ohne Reparationen ist schwer vorstellbar."

    Ich bewundere Ihren Optimismus, ich bin noch bei "Ein Frieden ohne Landgewinne für Russland ist schwer vorstellbar" und erwarte dass große Teile der Sanktionen beim Ende der Kampfhandlungen aufgehoben werden - egal welche Gebiete der Ukraine dann defacto Russland gehören.

  • Die Einziehung russischer Gelder geht sicherlich in Ordnung, nur wie stellt sich das Frau Krüger bei Privatpersonen vor? Gilt Artikel 14 GG noch oder habe ich irgendwas nicht mitbekommen?

  • Da erhebt sich doch die Frage, ob Russland am Ende noch genug Geld haben wird, um Reparationszahlungen an die Ukraine zu leisten?



    Jaja, weiß schon. Ganz blöde Frage von mir. Natürlich wird die russische Armee dafür sorgen, dass die Ukraine am Ende eben doch kapitulieren muss.



    Dann hat stattdessen die Ukraine für die Kosten aufkommen, die Russland hatte: Wegen des Verbrauchs an Munition, Bomben und Raketen. Sowie Schadenersatz für die abgeschossenen Flugzeuge und Panzer.



    Und das bitte schnell, denn die nächsten militärischen Spezialoperationen können nicht ewig warten (Moldawien, Georgien, . . . )!

    • @Pfanni:

      und dann kann man irgendwann mit Westeuropa weitermachen. man sollte nicht zu wenig ambitioniert sein.

  • Moralisch: sollte!



    Kein Wort zu: wie geht das eigentlich rechtlich?

    • @LeSti:

      So etwas kann man in einen Friedensvertrag schreiben. Allerdings sollte man vorher den Krieg gewinnen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Natürlich kann man was in Friedensverträge schreiben. Frau Krüger wünscht sich aber, dass jetzt schon während dem Krieg diverse Vermögen beschlagnahmt und an die Ukraine gezahlt werden. Die rechtliche Grundlage dazu ist mir nicht bekannt, was nicht heißt, dass es sie nicht gibt. Moralisch bin ich ganz bei Frau Krüger. Aber das bringt uns ja noch nicht weit.

  • In der Sache nachvollziehbar. Nur: Wenn ich mich recht erinnere, hätte die Ukraine vermutlich auch noch Ansprüche auf deutsche Reparationen (anno 1941 ff. und so).