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Zeitenwende in Deutschland und JapanLasst endlich das „Scholzing“

Kommentar von Yusuke Umezaki

Japan und Deutschland galten militärisch lange als zurückhaltend. Nun sollten sie dringend überlegen, wie sie die „Zeitenwende“ nachhaltig finanzieren.

Fumio Kishida, Ministerpräsident von Japan, mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin Foto: Britta Pedersen/dpa

#x201E;Natürlich funktioniert der nicht. Der ist von der Bundeswehr.“ Das sagte ein Journalist zu mir, als ich erwähnte, dass der Stift der Bundeswehr, den ich bei der Berichterstattung benutzte, nicht schrieb. Mit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine vor zweieinhalb Jahren verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD eine „Zeitenwende“, aber viele Menschen scheinen mit den Fortschritten unzufrieden.

Ich hielt mich ab Juni für zwei Monate in Deutschland auf und hatte den Eindruck, dass nur wenige Menschen über die japanische Version der Zeitenwende Bescheid wussten. Doch betrachtet man die Bemühungen Japans, das wie Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg eine zurückhaltende Verteidigungspolitik verfolgt hatte, ermöglicht das vielleicht einen tieferen Einblick in die aktuelle Situation in Deutschland.

Japans Zeitenwende begann mit Shinzo Abe von der konservativen Liberaldemokratischen Partei (LDP), die von 2012 bis 2020 an der Regierung war. Japan beschließt seinen Verteidigungsetat alle fünf Jahre und hat das Fünfjahresbudget ab dem Haushaltsjahr 2023 im Vergleich zu den vorherigen fünf Jahren um das 1,5-fache auf rund 43 Billionen Yen (etwa 250 Milliarden Euro) erhöht.

Grund dafür ist die Bedrohung Japans, die seit der Ende 2022 überarbeiteten Nationalen Sicherheitsstrategie als „so ernst und komplex wie nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“ beschrieben wird. Das ist gut, Japan muss seine Verteidigungsfähigkeit stärken. Doch es braucht eine bessere Strategie, dies zu finanzieren.

Yusuke Umezaki

ist Journalist aus Japan. Sein Fachgebiet ist Sicherheitspolitik. Im Juni und Juli war er als Stipendiat der Internationalen Journalisten-Programme (IJP) in Berlin bei der taz.

Japan ist von mehreren Seiten bedroht

Der chinesische Präsident Xi Jinping macht keinen Hehl mehr aus seinen Ambitionen, Taiwan zu vereinnahmen. Als die damalige Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Taiwan im Jahr 2022 besuchte, reagierte China mit Militärübungen rund um Taiwan, bei denen ballistische Raketen über dem Ozean in Japans ausschließlicher Wirtschaftszone einschlugen. Wissen Sie, wie nah Taiwan und Japan beieinander liegen? So nah wie Dresden und Leipzig: 110 Kilometer. Von der westlichsten Insel Japans, Yonaguni, ist Taiwan an klaren Tagen sogar zu sehen.

Der frühere Premierminister Abe erklärte wiederholt, dass „eine Eventualität in Taiwan eine Eventualität in Japan ist“. Sollte China also eine militärische Invasion in Taiwan starten, wären Auswirkungen auf Japan unvermeidlich. China beansprucht auch die japanischen Senkaku-Inseln in der Nähe von Taiwan.

Nordkoreas Abschüsse von ballistischen Raketen in Richtung Japanisches Meer überraschen uns nicht mehr. Dennoch sind die Alarmsignale, die ertönen, wenn Raketen über Japan fliegen, erschreckend. Es gibt auch Spekulationen, dass Nordkorea einen siebten Atomtest durchführen könnte.

Auch die Beziehungen zu einem anderen Nachbarland, Russland, haben sich seit dessen Einmarsch in die Ukraine verschlechtert. Russische Militärschiffe und -flugzeuge führen gemeinsame Übungen mit dem chinesischen Militär rund um Japan durch. Die japanische Regierung bereitet sich auf eine „komplexe Eventualität“ vor, bei der diese Nachbarn gleichzeitig militärisch aktiv werden.

Angesichts dieser Umstände haben die Bemühungen um eine Stärkung der japanischen Verteidigungskapazitäten eine gewisse Unterstützung erfahren. In einer von der konservativen Zeitung Yomiuri Shimbun im Februar und März dieses Jahres durchgeführten Umfrage sprachen sich 71 Prozent für eine Stärkung der Verteidigungskapazitäten und 53 Prozent für eine Erhöhung des Verteidigungsetats aus.

Angst vor Steuererhöhungen

Ende 2022 beschloss die Regierung Steuererhöhungen von jährlich mehr als 1 Billion Yen, also circa 6,2 Milliarden Euro, sowie weitere Mittel für Verteidigung durch Kürzungen an anderer Stelle. Allerdings ist der Widerstand gegen Steuererhöhungen, die die Bürger direkt betreffen, groß: 69 Prozent lehnten sie in der gleichen Umfrage ab.

In Japan wird über Steuern in der Regel am Ende des Jahres diskutiert, aber Ende 2023 wurde die Entscheidung über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Erhöhung verschoben. Kürzlich kamen Korruptionsfälle im Verteidigungsministerium ans Licht, bei denen es um Zuwendungen und Bewirtungen durch die Rüstungsindustrie ging, was die Befürchtung aufkommen ließ, dass die Entscheidung, ab wann Steuererhöhungen in Kraft treten, erneut verschoben werden könnte.

Die finanzielle Sicherung der Zeitenwende ist sowohl für Japan als auch für Deutschland eine Herausforderung. Allerdings gibt es in Japan keine Beschränkungen wie die Schuldenbremse, auf die die deutsche FDP von Finanzminister Christian Lindner besteht. Die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP liegt in Japan bei etwa 260 Prozent – im Vergleich zu Deutschlands rund 65 Prozent ist das extrem hoch. Einige argumentieren, dass die Ausgabe von Staatsanleihen kein Problem darstelle, da sie auf die Landeswährung ausgestellt seien und die Zinssätze niedrig blieben.

Einige forderten, dass die Regierung Anleihen ausgeben sollte, um den erhöhten Verteidigungshaushalt zu finanzieren. Doch Premierminister Fumio Kishida von der LDP beschloss, die Steuern zu erhöhen. Bei der Bevölkerung warb er um Verständnis: „Wir, die in der Gegenwart leben, sollten dies als unsere Verantwortung gegenüber künftigen Generationen angehen.“

In Deutschland hörte ich dann vom Begriff „Scholzing“. Er entstand im Kontext und als Kritik an der Ukraine-Politik des Bundeskanzlers. Gemeint ist damit: Gute Absichten zu kommunizieren, um dann aber alle möglichen Gründe zu finden und zu nutzen, die Umsetzung zu verzögern oder zu verhindern. Sowohl Japan als auch Deutschland sollten das Scholzing unterlassen und stattdessen die Gespräche über eine nachhaltige Finanzierung ihrer Zeitenwende dringend beschleunigen.

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