Wölfe in Deutschland: Ja, die Tiere sind gefährlich
Ob ein Wolf einen Menschen gebissen hat, ist unklar. Klar ist: Die Rückkehr der Tiere birgt Risiken. Die Zahl der Wölfe muss begrenzt werden.
Ganz egal, ob es nun ein Wolf war oder nicht: Es ist gut, dass jetzt so viele Menschen über den mutmaßlichen Angriff eines Wolfes auf einen Gemeindearbeiter im niedersächsischen Steinfeld reden. Denn die Nachricht erinnert uns daran, dass diese Raubtiere Menschen gefährlich werden können. Wir müssen über dieses Risiko jetzt diskutieren, weil die Tierart sich gerade wieder in Deutschland ausbreitet, nachdem sie vor 150 Jahren ausgerottet worden war.
Der Arbeiter in Steinfeld hat laut Polizei angegeben, am Dienstag von einem Wolf gebissen worden zu sein. Der Mann pflegte gerade die Grünanlage an einem Friedhof, kniete sich am Zaun hin und fasste mit der Hand nach hinten. „Plötzlich stellte er fest, dass sie scheinbar von hinten gehalten wurde. Er blickte sich um und erkannte einen Wolf, der nach seiner Hand geschnappt hatte. Drei weitere Wölfe eines Rudels hätten die Aktion mit etwas Abstand beobachtet“, berichtete die Polizei. Der 55-Jährige habe sich befreien und die Tiere vertreiben können. Die Verletzungen seien so leicht gewesen, dass er erst gar nicht zum Arzt habe gehen wollen, sagte ein Polizeisprecher der taz.
Falls die Geschichte stimmt, wäre das der erste Angriff eines Wolfs auf Menschen seit Rückkehr der Tierart nach Deutschland im Jahr 2000. Aber das wissen wir noch nicht. Bislang gibt es nur die Aussage eines einzigen Zeugen. Ergebnisse der DNA-Analysen von Tierhaar-Proben erwartet das Umweltministerium in Hannover erst kommende Woche. Vielleicht war auch ein Hund der „Täter“. Oder es ist alles nur ausgedacht?
Feststeht aber: Wenn bald wieder mehr als tausend Wölfe durchs Land streifen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch mal wieder ein Mensch verletzt wird. Denn Wölfe sind Raubtiere. 2005 starb ein Mann in Kanada nach einer Attacke durch einen Wolf. Im März 2010 töteten Wölfe in Alaska eine Joggerin – und fraßen sie teilweise. Das Opfer, eine Lehrerin, war nur 1,47 Meter groß, sie rannte – das könnte zu dem Vorfall beigetragen haben, vermuteten die Behörden. Der Wolf hatte keine Tollwut, die in Deutschland seit Jahren nicht mehr vorkommt. Und es gab keine Hinweise darauf, dass er „provoziert“ worden wäre.
Solche Vorfälle sind sehr selten. In Deutschland gibt es bislang nur ein paar Hundert Wölfe – da ist die Wahrscheinlichkeit besonders gering. Aber da die Tiere hierzulande nicht gejagt werden dürfen, wächst ihre Zahl jedes Jahr im Schnitt um etwa ein Drittel. Damit wird es auch wahrscheinlicher, dass Wölfe Menschen verletzen – vielleicht auch tödlich. Und jeder Todesfall eines Menschen ist einer zu viel.
Der „Gesundheitspolizist“ der Natur
Warum sollten wir dieses Risiko eingehen? Naturschützer antworten: Weil der Wolf zur Natur in Deutschland gehörte, bis er vertrieben wurde. Weil er der „Gesundheitspolizist“ der Natur ist, er reißt zum Beispiel kranke Rehe und verhindert so, dass sie andere anstecken.
Doch die Gegner sagen: Auch Jäger können kranke Tiere schießen. Wir sind über Generationen gut ohne Wölfe ausgekommen. Wenn man allen Arten freie Bahn lassen würde, die mal zur Natur gehörten, müssten wir auch akzeptieren, dass Bären etwa im Berliner Grunewald leben. Obwohl der Bär ein Raubtier ist, gegen das Menschen noch weniger Chancen haben. Die Europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie schreibt tatsächlich vor, dass der Braunbär zurückkehren darf – genauso wie der Wolf.
Naturschützer argumentieren auch damit, dass viel mehr Menschen durch Hunde oder Wildschweine zu Schaden kommen würden. Aber: Genau wegen dieser Gefahr ist es in Deutschland verboten, Kampfhunde ohne Aufsicht frei herumlaufen zu lassen. Wölfe dagegen sind wild lebende Raubtiere. Wildschweine töten nicht einmal ausnahmsweise Menschen, um sie zu fressen. Sondern allenfalls, um sich oder ihren Nachwuchs zu verteidigen. Wer das weiß und sich entsprechend verhält, läuft keine Gefahr, von Wildschweinen getötet zu werden.
Es heißt auch immer wieder, Wölfe seien scheu gegenüber Menschen. Aber: Obwohl bislang sehr wenige Wölfe in Deutschland leben, sind die Tiere schon mehrmals Menschen sehr nahe gekommen. So biss ein Wolf nachweislich den Hund eines Spaziergängers.
Deshalb sollten wir die Zahl der Wölfe begrenzen – und damit auch die Risiken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!